Polygamie im Islam. Liefert die Sure „An-Nisa“ im Koran die Legitimation für die Unterdrückung der Frau in der Ehe?


Hausarbeit, 2016

13 Seiten, Note: 1,7

Carolin Menzel (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Polygamie
2.1 Definition
2.2 Jahiliyya
2.3 Begründung im Koran

3. Polygamie in der Neuzeit
3.1 Tunesiens Wandel

4. Zusammenfassung

5. Anhang

6. Bibliografie

1. Einführung

Polygamie - oft bekommt man dieses Wort zu hören, zumeist mit gefestigten negativen Meinungen dahinter und allenfalls mit dem Islam in Verbindung gebracht. Doch Polygamie ist keinesfalls eine Erfindung des Islams, sondern eine schon Jahrhunderte zuvor praktizierte Eheform, was die westliche Welt gekonnt außer Acht lässt. Von dem Islam aufgegriffen und im Koran verankert wird sie bis in unsere heutige Zeit praktiziert. Doch kann sich die islamische Rechtsschule gegen Kritiken wehren die besagen, dass er mit seiner Polygamie die Frauen bewusst unterdrücke und wie ist der Umgang mit Eheformen in nicht laizistischen Staaten gesetzlich beschlossen? Vielerorts werden die Missstände unter Einfluss des Westens erkannt und einer Unterdrückung der Frau durch den Koran entgegengetreten. Prototyp eines solchen Landes ist Tunesien. Reformer haben besonders im 20. Jahrhundert stark für Frauen erkämpft und die Schaffung eines sozialeren Systems erwirkt. Die größte Errungenschaft ihres Wirkens ist die offizielle Verbot der Polygamie in der tunesischen Verfassung.

In dieser Arbeit soll der Umgang des Islam mit der Polygamie beleuchtet werden. Ist das Vorrecht dem Mann von Gott gegeben, dass ihm seine Ehefrauen bedingungslos ausgeliefert sind und von seiner Willkür ihr ganzes Leben abhänge?

Vorangestellt soll die Polygamie als solches definiert und in ihren anfänglichen Formen erläutert werden, um eine erste Orientierung zu schaffen, in welchem Kulturkreis und welcher Weltauffassung man sich bewegt. Anschließend wird Bezug zu dem Koran hergestellt, um zuletzt kurz auf die heutige Lage und Tunesiens Wandel einzugehen.

2. Polygamie

2.1 Definition

Seinen Ursprung findet der Begriff Polygamie im griechischen und kann als „Vielehe“ übersetzt werden, wobei in diesem noch keine Definition der Geschlechterverhältnisse festgelegt ist. In unserer westlichen Welt hat sich dieser Ausdruck vielerorts fälschlicherweise als Synonym für Vielweiberei eingebürgert. Stattdessen wird die Vielweiberei als Polygynie bezeichnet, wobei ein ein Mann eine Ehe mit mehreren Frauen eingeht. Das Gegenteil stellt die Polyandrie dar, bei der eine Frau mit mehreren Männern verheiratet ist.

2.2 Jahiliyya

Die Polygamie im Morgenland reicht weit vor die Anfänge des Islams bis in die Jahiliyya zurück. Jene Zeit vor ca. 600 n.Chr. wird auch als „Periode der Ignoranz“ oder als „Vorislamische Zeit“ betitelt. Frauen besaßen damals keine Rechte und wurden lediglich als Eigentum des Mannes angesehen1, sodass Adnan sie in Arabien sogar als „considered profitable goods, just like cattle or horses“2 bezeichnet. Dementsprechend wurde eine Ehe mit dem Besitz der Frau gleichgesetzt3 und die Eheschließung galt als flexibler Vertrag ohne festgesetzte Regeln und vor allem keiner sakramentalen Bedeutung.4

Doch welche Vorteile versprachen sich die Ehepartner von diesem Konstrukt? Da Frauen nur als Besitz galten und unverheiratet mehrheitlich unfrei in Armut lebten, zogen sie ein Dasein als Zweit- oder Mehrfrau vor, um eine relative Freiheit in Form von wirtschaftlicher und sozialer Absicherung zu erhalten. Männer versprachen sich mit Mehrehen ebenfalls eine Absicherung, denn sie erhofften sich auf diesem Weg eine größere Anzahl männlicher Nachkommen um ihre eigene Versorgung im Alter sicherzustellen.5 Darüber hinaus diente eine Heirat, früher wie heute, dem Aufbau politischer Verbindung und eine Erweiterung des Wirkungskreises, was Adnan wie folgt anfügt: „Marrying women, for the most part, had the purpose of increasing the number of the tribe`s members and in turn, its power.".6

Außerhalb der gewöhnlichen Verträge zwischen den Stämmen ist der Ehevollzug auch als Raub, Kauf oder Erbe des Weibes legitim. Ähnliches galt für die Scheidung, welche nur dem Mann vorbehalten war. Er konnte seine Frauen nach belieben augenblicklich verlassen, verstoßen oder versklaven.7 Auf diese Weise gewillt, nicht in die Ungnade ihres Mannes zu fallen, mussten sich die Frauen mit ihren Nebenfrauen arrangieren.

Einschränkung für die Anzahl der Gemahlinnen existierten nicht, sodass es beispielsweise im arabischen Nomadenstamm der Quarish üblich war, bis zu 10 Frauen zu besitzen um durch deren Niederkünfte die Macht des Stammes zu stärken.8 Es lassen sich zwar hohe Angaben von 90 bis sogar 500 Ehefrauen finden, doch das gilt als eher unwahrscheinlich oder diente nur der Prestige.

2.3 Begründung im Koran

Mit den Anfängen des Islam ging eine Reform der Frauenrechte und deren Stellung einher. Was aus unserer heutigen westlichen Sichtweise diskriminierend erscheint, bedeutete damals eine erheblich Verbesserung der Lage von Frauen.

Niedergeschrieben in der vierten Sure „An-Nisa“ (zu Deutsch: der Frau) des Korans finden sich kurze Abhandlungen bezüglich der Eheformen. Besonderer Augenmerk gilt dabei zuerst dem dritten Vers, welcher das neue Fundament und zugleich den größten Streitpunkt bildet: „ Und wenn ihr befürchtet, nicht gerecht hinsichtlich der Waisen zu handeln, dann heiratet, was euch an Frauen gut scheint, zwei, drei oder vier. Wenn ihr aber befürchtet, nicht gerecht zu handeln, dann (nur) eine oder was eure rechte Hand besitzt. Das ist eher geeignet, daßihr nicht ungerecht seid. “ 9 Verfechter der Polygamie lesen aus diesen Zeilen eine eindeutige Billigung Gottes heraus, gleichwohl mit einer Beschränkung auf höchstens vier Ehefrauen und eine notwendige Gleichbehandlung derer. Allein aus diesen Fakten ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu der Zeit der Jahilliya erkennbar.

Wenn man den zweiten Vers „ Und gebt den Waisen ihren Besitz und tauscht nicht Schlechtes mit Gutem aus und zehrt nicht ihren Besitz zu eurem Besitz hinzu. Das ist gewißein schweres Vergehen “ 10 hinzuzieht, wird deutlich, dass eine Ehelichung mehrerer Frauen im Grunde deren Schutz bedeutete, da sie ansonsten der Willkür ihres Vorstehers ausgeliefert waren, was Aysha bint Abubakr, eine von Mohammeds Frauen beschreibt. Laut ihren Worten waren die zweiten und dritten Verse der „An-Nisa“ bei dem Fall einer Waisen kundgetan worden. Jene wurde nämlich aufgrund ihres Vermögens und ihrer Schönheit von ihrem Vorsteher begehrt und versucht worden zu ehelichen. Allah wollte damit verhindern, dass Männer so die Brautsteuer umgehen und sich zusätzlich an dem Reichtum der Frau bereichern konnten.11

Im Hinblick auf den geschichtlichen Hintergrund, scheint diese Erzählung kein Einzelfall gewesen zu sein. Während diesem Zeitraum von 625 n. Chr. fand auf der Arabischen Halbinsel die Schlacht von Uhud zwischen dem Stamm der Quraish und den Muslimen statt. Durch den erbitterten Kampf verloren über 70 Muslime ihr Leben und folglich viele Frauen ihre Ehemänner, sowie Kinder ihre Väter.12 Um die Witwen und Waisen abzusichern und vor anderen zu schützen erschien die Polygynie als eine bestmögliche Variante der Situation gerecht zu werden. Jene Schlacht forderte eine Lösung zum Umgang mit den Hinterbliebenen der Gefallenen. Die angewendete Polygamie hatte den Zweck die Gemeinschaft zu erhalten und nicht, wie besonders in der Neuzeit vorgeworfen wird, dem Mann ein Wohlgefallen zu sein und sein sexuelles Verlangen zu befriedigen.13 Nicht die Unterwerfung sondern Barmherzigkeit ist hier das ursprüngliche Schlüsselwort, was zwischen den Zeilen verborgen liegt.

Im Zusammenhang mit der Ehe wird noch insbesondere die 129. Sure der „An-Nisa“ hervor- gehoben, die wie folgt lautet: „ Und ihr werdet zwischen den Frauen nicht gerecht handeln können, auch wenn ihr danach trachtet. Aber neigt nicht g ä nzlich (von einer weg zu der anderen), so daßihr sie gleichsam in der Schwebe laßt. Und wenn ihr (es) wiedergutmacht und gottesfürchtig seid, gewiß, so ist Allah Allvergebend und Barmherzig. “ 14 Für diese Stelle existieren im Allgemeinen gegensätzlich Interpretationsansätze. Auf der einen Seite halten Engineer und weitere Muslime sie für eine weitere Erläuterung zu der Genehmigung der Mehrehe.15 Andererseits werden die Worte als ein Verbot der Vielweiberei - verbunden mit einer indirekten Präferenz der Einehe gedeutet, da die Sure eine Gleichbehandlung der Frauen fordert und diese gleichzeitig als unmöglich für den Ehemann definiert. Muhammad Asad diferenziert dies treffend, indem er sagt, dass es in der moralischen Verantwortung eines jeden Einzelnen liege, es als Vergehen zu betrachten, wenn er eine Ehefrau mehr liebe als eine seiner anderen.16 Ebendiese wird mit der Begründung einer abweichenden Lesart von dem Rest des Korans, rigoros von den Rechtsschulen des Islam abgelehnt und der Sachverhalt als ein Ausdruck materieller Gleichstellung betrachtet.17

Schlussendlich kann man in dem Buch „An-Nisa“ des Korans keine exakte Weisung hinsichtlich der Eheform entdecken. Weder Verbot noch Genehmigung wird ausgesprochen, sondern lediglich auf die Eigenverantwortung in dieser Problematik hingewiesen.

[...]


1 Vgl. Engineer, Ashgar Ali, The rights of women in Islam, 2. Aufl., London: Hurst, 19961992, S. 20.

2 Adnan, Gunawan, Women and The Glorious Qur' ā n: An analytical study of women-related verses of S ū ra An-Nisa', Göttingen: Univ.-Verl. Göttingen, 2004, S. 23.

3 Vgl. Ebd., S. 23.

4 Vgl. Engineer, S. 22.

5 Friedl, Corinna, P olygynie in Mesopotamien und Israel. Sozialgeschichtliche Analyse polygamer Beziehungen anhand rechtlicher Texte aus dem 2. und 1. Jahrtausend v. Chr., Münster: Ugarit-Verlag, 2000, S. 19.

6 Adnan, S. 32.

7 Vgl. Ebd., S. 33.

8 Vgl. Engineer, S. 21.

9 Koran 4:3.

10 Koran 4:2.

11 Vgl. Adnan, S. 177.

12 Vgl. Ebd., S. 182.

13 Ebd.

14 Koran 4:129.

15 Vgl. Engineer, S. 103.

16 Asad, Muhammad, S. 130.

17 Vgl. Ebd., S.147.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Polygamie im Islam. Liefert die Sure „An-Nisa“ im Koran die Legitimation für die Unterdrückung der Frau in der Ehe?
Hochschule
Universität Erfurt
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
13
Katalognummer
V320784
ISBN (eBook)
9783668200340
ISBN (Buch)
9783668200357
Dateigröße
598 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Polygamie, Islam, Koran, Feminismus
Arbeit zitieren
Carolin Menzel (Autor:in), 2016, Polygamie im Islam. Liefert die Sure „An-Nisa“ im Koran die Legitimation für die Unterdrückung der Frau in der Ehe?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320784

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