Leseprobe
Gliederung
1. Einleitung
2. Die bisherigen Umschriftsysteme und ihre Grenzen
2.1 Phonetische und phonologische Lautumschrift
2.2 Organisch-nichtalphabetischen und die Auditiv-alphabetischen Systeme
3. Die „Teuthonista-Umschrift“ in der deutschen Dialektologie
3.1 Die Entwicklungsgeschichte der Teuthonista
3.2 Ablehnung der API-Transkription durch die deutsche Dialektologie
3.3 Teuthonista in der Feldforschung
3.4 Anwendung der Teuthonista am Beispiel des Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuchs
4. Der Vergleich zwischen Teuthonista- und API-System
4.1 Theorie-Defizit der Teuthonista
4.2 PHONAI- Deutsche Reihe
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Für die Dialektforschung spielt das Transkriptionssystem eine wichtige Rolle, die akustischen Formen der Sprache möglichst detailliert zu verschriftlichen. Zwar kann man mit dem Alphabet der Standardsprache manche lautlichen Verhältnisse darstellen kann, aber es gibt mehr Laute als Buchstaben, d.h. die Buchstaben können mehrere Laute vertreten. Es ist daher notwendig, die Transkriptionssysteme zu entwickeln. Seit 16.Jahrhundert wurden zahlreiche Transkriptionssysteme entworfen, die allerdings nicht in weiteren Kreisen verbreitet wurden. Deswegen werde ich am Anfang der zweiten Kapitel die Anforderungen an phonetischer Umschrift darstellen, um zu erklären, warum die ehemaligen Transkriptionssysteme nicht durchgesetzt werden konnten. Der große Teil des Kapitels zwei beschäftigt sich um die Darstellung der verschiedenen Transkriptionsmöglichkeiten. Es gibt zwei unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Transkription, nämlich phonetische und phonologische Lautumschreibung. In der phonetischen Lautumschreibung unterscheidet man zwischen Organisch-nichtalphabetische und auditiv-alphabetische Systeme. In diesem Kapitel werde ich zwei Fragen untersuchen, 1) warum für eine lautliche Untersuchung deutscher Dialektologie nur die phonetische Umschrift verwendet wird; 2) welche entscheidenden Vorzüge die auditiv-alphabetischen Systeme im Vergleich mit den Organisch-nichtalphabetischen haben.
In Kapitel drei geht es um die Frage, warum die Teuthonista in der deutschen Dialektologie weit verbreitet ist. Zuerst werde ich von der Entwicklungsgeschichte der Teuthonista ausgehen, um zu erklären, warum die Teuthonista mit historischer Rücksicht eingehalten werden soll. Anschließend behandelt es sich um die Ablehnung der API-Transkription durch die deutsche Dialektologie. Dazu werde ich hauptsächlich die im API selbst verankerten Gründe darstellen. Dann geht es um die praktischen Vorteile der Teuthonista für die Feldforschung, die von Ruoff (1973) zusammengefasst werden. Zum Schluss dieses Kapitels werde ich ein Beispiel des Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch einführen, in denen einige von der Teuthonista abweichenden Symbolisierungen vorkommen.
In Kapitel vier geht es um die Infragestellung in Bezug auf die wissenschaftliche Phonetik. Zuerst werde ich das Theorie-Defizit der Teuthonista untersuchen. Ihre mangelnde wissenschaftliche Fundierung kann unter solchen Aspekten analysieren, nämlich Die Definition ohne Produktorische Parameter und ihre ad-hoc-Charakter. Zum Schluss geht es um die immer größere Verbreitung der API-System, besonders die auf deutsche Verhältnisse abgefasste neue API-Lautschrift.
2. Die bisherigen Umschriftsysteme und ihre Grenzen
Für die Sprache-und Dialektforschung ist es wichtig, die akustische Form jedes Dialektes durch ein phonetisches Transkriptionssystem in schriftlicher Form festzulegen. Nach Wiesinger (1964: 1) soll ein Transkriptionssystem für eine mundartliche Aussprache leicht verständlich, handlich und genau sein. Im Laufe der deutschen Dialektforschung sind verschiedenen Arten von Transkriptionssystemen entwickelt worden, um die Artikulation der einzelnen Wörter zu fixieren. Die ersten Entwürfe führen bis ins 16.Jahrhundert zurück. Solche Lautschriftsysteme haben einen gemeinsamen Nachteil, dass sie nur in den entsprechenden engen Kreisen verständlich und nutzbar sind und damit für weitere Kreise nicht durchgesetzt werden können, weil diese Systeme den Anforderungen an eine phonetische Transkription nicht genügen (vgl. Stötzer 1970: 815). Für die Entwicklung der umfangreich durchsetzbaren Umlautschriften hat Stötzer (1970:816) die folgenden vier Anforderungen an phonetische Umschrift gestellt:
(1) Jeder Laut hat sein eigenes Zeichen, jedes Zeichen seinen Wert.
(2) Alle Laute werden direkt, nicht durch ihre Stellung ausgedrückt. Stimmhafte Laute haben andere Zeichen als stimmlose; sie werden nicht durch ihre Stellung, z.B. zwischen Vokalen, gekennzeichnet.
(3) Eine Lautschrift muss leicht lernbar, schreibbar, setzbar, besonders in zusammenhängenden Texten, typografisch schön und gut lesbar sein.
(4) Sie muss auf möglichst viele Sprachen anwendbar sein (Stötzer 1970: 816).
2.1 Phonetische und phonologische Lautumschrift
Es gibt zwei unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Transkription, nämlich phonetische und phonologische Lautumschreibung. Zuerst sollen wir ihre unterschiedlichen Zielsetzungen klar machen, weil diese einerseits für die Wahl der Art der Lautumschrift entscheidend sind, andererseits für die Auswahl der entsprechenden Symbolzeichen wichtig sind (vgl. Stötzer 1970: 822).
Almeida/Braun (1982: 602) haben Ziele dieser beiden Transkriptionsverfahren so zusammengefasst, dass die phonetische Lautumschrift der Fixierung bisher unerforschter Sprachen dient, die phonologische Lautumschrift der systematischen Notation der Sprachen dient, deren Phoneminventar schon bekannt ist.
Bei der Umschreibung mit der phonetischen Lautumschrift bemüht sich der Explorator um die Fixierung möglichst vieler Details der aktuell gehörten Lautkette. Solche Aufgaben können dadurch gelöst werden, dass die Minimal-Artikulationsunterschiede desselben Wortes oder desselben Textes zwischen verschiedenen Sprechern und die lautlichen Besonderheiten bestimmter Texte notiert werden (vgl. Stötzer 1970: 823).
Die phonetische Lautumschrift dient auch dazu, die Materialgrundlage für das Phonemsystem bestimmter Sprache zu schaffen (vgl. Almeida/Braum 1982: 602). Die phonemische Lautumschrift gilt als eine abstrakte Aufzeichnung der Laute (vgl. Almeida/Braun 1982: 602) und wird dazu verwendet, eine „Mittelwert“ (Stötzer 1970: 823) der Laute aus Artikulaiton vieler Sprecher zu gewinnen. Mit dieser Lautumschrift wird eine geringere Anzahl der Symbolzeichen eingeführt und nur die grundsätzlichen Unterschiede zwischen verschiedenen Lauten berücksichtigt. Somit entsteht eine leicht lesbare Lautschrift (vgl. Stötzer 1970: 823). In der bisherigen Transkription für die deutsche Dialektforschung wird nur die phonetische Umschrift verwendet.
2.2 Organisch-nichtalphabetischen und die Auditiv-alphabetischen Systeme
Schon am Anfang der nicht systematisch durchgeführten Mundartforschung in der Romantik stellten sich die Notationsprobleme bei dem Versuch, ein Zeichensystem festzulegen. Die unterschiedlichen Transkriptionssysteme dienten je nach die Erkenntnisinteresse und Arbeitsmethode der Verfasser unterschiedlichen Zwecken (vgl. Almeida/Braun 1982: 604), wie Wie Rouff (1973:123) anmerkt, gebe es kein absolut gutes Trankriptionssystem. Angesichts der äußeren Formen kann man die bisherigen Transkriptionssysteme in zwei Gruppen unterscheiden: organisch-nichtalphabetischen und die auditiv-alphabetischen Systeme.
Organisch-nichtalphabetische Systeme folgen dem Prinzip, dass die Bewegungen von Organen, die Tätigkeit der Lippen, der Zunge, des Unterkiefers, des Gaumensegels und der Stimmlippen zu kennzeichnen (vgl. Stötzer 1970: 816). Zu den organisch-nichtalphabetischen Systemen gehört vor allem das System von Otto Jespersen. Er fokussiert auf die physiologischen Vorgänge bei der Lautbildung. In seinem System wurden griechische Buchstaben und Zahlen zur formelhaften Darstellung jedes Segmentes eingesetzt, z.B. der Verschlusslaut [k] wird als γ0iε3 notiert (Stötzer 1970: 816). Der Nachteil des Jespersens Systems besteht darin, dass die komplizierte Symbolik für längere Texte nicht geeignet ist (vgl. Almeida/Braun 1982: 604).
Die auditiv-alphabetischen Systeme werden durch Orientierung an lateinischen Buchstaben und Ergänzung durch diakritische Zeichen gekennzeichnet. Ein wichtiges Beispiel ist die Umschrift des Ägyptologen Karl Richard Lepsius, der schon 1855 seine Umschrift mit fein differenzierenden diakritischen Zeichen entwickelt hat, z.B. ein Strich über dem betreffenden Buchstaben für Langvokale, Bogen für Kurzvokale, Unterstreichung für offene Vokale, ein Punkt unter geschlossene Vokale. Seine Umschrift gilt von allen damals bekannten Sprachen, besonders die schriftlich noch nicht überliefert oder nicht mit lateinischen Buchstaben geschrieben sind (vgl. Stötzer 1970:817).
Ein weiteres Beispiel der alphabetischen Systeme ist das „phonetische Alphabet“ des schwedischen Phonetikers Jehan August Lundell. Er baut dieses System auf, um die schwedischen Dialekte wiederzugeben. Die wichtige Besonderheit dieses Systems besteht darin, dass es harmonisch und leicht lernbar ist, weil die Zeichen in parallelen Formen dargestellt sind, besonders die Konsonantenzeichen. Im Gegensatz zu dem System von Lepsius hat er weinige diakritische Zeichen und neue Buchstaben eingesetzt. Alle Zeichen weichen nicht weit von lateinischen Buchstaben ab. Dieses System hat den Vorteil, dass es leicht schreibbar, lesbar und druckbar ist, weil bei den Vokalen nur die Länge der Vokale, nicht die Kürze der Vokale bezeichnet wird. (vgl. Stötzer 1970: 818)
Wegen der Schwierigkeiten bei der Umschreibung mit den organisch-nichtalphabetischen Systemen wird vor allem eine große Anzahl von auditiv-alphabetischen Systemen in der Dialektologie eingeführt. Ein seit langem in der deutschen Dialektologie dominiertes Transkriptionssystem ist die „Teuthonista-Umschrift“, die anschließend im Kapitel drei detailliert analysiert wird. Zudem gibt es auch ein seit einiger Zeit verbreitetes API-System, das angesichts seiner wissenschaftlichen Fundierung in Kapitel vier mit der Teuthonista verglichen wird.
3. Die „Teuthonista-Umschrift“ in der deutschen Dialektologie
Hermann Teuchert veröffentlichte im ersten Band der „Teuthonista, Zeitschrift für deutsche Dialektforschung und Sprachgeschichte“ (1924/25) eine Lautschrift, die um 1900 von Phillip Lenz konzipiert wurde. In der deutschen Dialektologie ist sie weit verbreitet. Die Teuthonista wird wie andere alphabetische Systeme auf der Grundlage der lateinischen Buchstaben aufgebaut und durch diakritische Zeichen und einige Sonderzeichen ergänzt (vgl. Stötzer 1970: 818).
3.1 Die Entwicklungsgeschichte der Teuthonista
Um die Vor- und Nachteile der Teuthonista richtig zu analysieren, ist es nach Wiesinger (1964:1) wichtig, die Entwicklung der deutschen Dialektforschung zu berücksichtigen. Die Grundlage für die Entstehung der phonetischen Transkription kann man auf Anfang der Mundartforschung in der Romanik zurückführen. Dabei spielte der erste systematische Versuch der Mundartorthographie von J.F. Kräuter eine wichtige Rolle. Er hat eine auf lateinischen Alphabet basiertes Transkriptionssystem entwickelt, das mit Grundzeichen und Diakritika versehen wurde. Dieses System war aus praktischen Gründen für die wissenschaftliche Lautdarstellung entworfen worden und wurde daher als einfache Lautschrift betrachtet.
Schon mit Kräuters System konnte man den geschlossenen und den offenen Wert unterscheiden, weil er zur Bezeichnung des Öffnungsgrades von Vokalen einen Gravis ˋ über dem Vokal zur Wiedergabe offener Aussprache einsetzte. Außerdem erfand er den Akutˊ zur Wiedergabe der Länge. Ein offener und langer Vokal wurde durch ˆ bezeichnet. Das im E-Ö-O-Bereich verlangte überoffene E, die einen Übergang zum A-Laut schaffen kann, wurde von Kräuter mit dem Zeichen ä. Der gerundete palatale und velare Wert wurden jeweils mitöund a wiedergegeben. Für die Transkription der Konsonanten hatte Kräuter wenige Zeichen entworfen. Bei Verschluss- und Reibelauten konnte man nur zwischen stimmhaften Lenes und stimmlosen Fortes unterscheiden. Er verwendete Diakritika nur bei der von der Norm abweichenden Aussprache und beim palatoalveolaren Reibelaut. Kräuters System wurde vor allem von der Straßburger Schule Ernst Martin verwendet.
Neben Kräuters System wurden noch weitere phonetische Transkriptionen spezifisch für deutsche Dialektforschung ausgearbeitet. Ein wichtiges Beispiel ist das von Otto Bremer entwickelte System, das er in seiner veröffentlichten Reihe Sammlung kurzer Grammatiken deutscher Mundarten“ verwendet hat. Bei Bremers Lautschrift soll man vor allem zwei Neuerungen berücksichtigen, nämlich einerseits das Einsetzen zentralisierter Vokale des E, U und O-Bereiches, andererseits die Einteilung der Vokalquantität in sechs Stufen: Überkürze, Halbkürze, Halblänge, Länge und Überlänge. Die zwei Fassungen seines Systems betrifft die Frage nach der monotypen und diakritischen Methode. In der ersten Fassung wurde die Bezeichnung der Vokale in einer Mischung von diakritischen und monotypen Methode verfasst. Hier sind die Qualitätsbezeichnungen sinnvoll zu berücksichtigen: die geschlossenen Vokale durch einen übergesetzten, nach oben offenen Bogen ˇ; die langen und geschlossenen Vokale durch nach unten offene Bogen ˆ; offene Vokale durch einen Querstrich ˉ .
In seiner zweiten Fassung hat er sowohl die Vokale als auch die Konsonanten wesentlich nach monotyper Methode, nur in geringem Maße mit Diakritika, gekennzeichnet, was zu einer Fülle von komplizierten Symbolzeichen führt. Trotzdem kommen auch einige diakritische Bezeichnungen vor, die wir hier erwähnen sollen. Die sechs Vokalquantitäten werden im Vergleich mit der ersten Fassung etwa verändert und jeweils mit unterschiedlichen Diakritika gekennzeichnet: Kürze bleibt unbezeichnet; ein untergesetzter, nach unten offener Bogen ˰ für Überkürze; ein übergesetzter, nach oben offener Bogen ˇ für Halbkürze; ein übergesetzter Punkt ˙ für Halblänge; ein übergesetzter Querstrich ˉ für Länge; eine übergesetzte Tilde ˜ für Überlänge. Bei Konsonanten ist es wichtig zu beachten, dass die bei Reibe- und Verschlusslauten stimmlosen Lenes durch einen untergesetzten Strich von stimmhaften Lenes unterschieden werden können. So wird die bei Kräuter nicht dargestellte Stimmlosigkeit als stimmhaften Laute wiedergegeben. Zwar hat Bremer solche Fortschritte der Transkription für deutsche Mundarten gemacht, aber sein System wurde nur von der Zürcher Schule Albertbachmanns in abgewandelter Form verwendet. Der Grund für die Ablehnung liegt darin, dass die Fülle der komplizierten Symbolzeichen die praktische Anwendung und die einfache Handhabung verhindert.
[...]