Kontextualität des Qurans in der Klassik und der Moderne

Eine vergleichende Analyse der Auslegungen von Abu Ja'far al-Tabari und Jalal al-Din al-Suyuti sowie Mohammed Abduh und Rashid Reda


Seminararbeit, 2016

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vertreter der Klassik
2.1. Abu Ja'far Muhammad bin Jarir al-Tabari
2.1.1. Al-Tabaris Methoden in seinem Werk "Jami' al-bayan 'an tafsir al-Quran"
2.2. Jalal al-Din Abd al-Rahman bin Abi Bark al-Suyuti
2.2.1. Al-Suyutis Methoden in seinen Werken "Tafsir al-Jalalayn" und "al-Durr al-manthur fi-l- tafsir bi-l-ma'thur"

3. Vertreter der Moderne
3.1. Mohammed Abduh
3.1.1. Abduhs Methoden im gemeinsamen Werk mit Rida "Tafsir Al-Manar"
3.2. Rashid Reda
3.2.1. Rashid Redas Methoden im gemeinsamen Werk mit Abduh "Tafsir al-Manar"

4. Kontextualität im Vergleich - Gemeinsamkeiten und Unterschiede
4.1. Zeitliche Einbettung der Gelehrten
4.2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Kontextualisierung des Qurans

5. Conclusio

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Quran ist das heilige Buch für Menschen des islamischen Glaubens. Für sie ist es das Wort Gottes, aus welchem sie unter anderem ihr Gerüst aus Werten und Normen entnehmen. In aktuellen Diskursen rückt daher der Quran in das Zentrum öffentlicher Debatten, da vor allem in Bezug auf dschihadistischen Strömungen der Islam mit dem Vorwurf konfrontiert wird, dass im Quran gewalttätiges Gedankengut begünstigt, wenn nicht sogar verbreitet werden würde. Außer Acht wird dabei gelassen, dass in den islamischen Wissenschaften ein eigener Bereich sich ausschließlich mit der Deutung und Interpretation des Qurans befasst, nämlich der Hermeneutik oder auch "Tafsir" genannt. Wesentlich ist dabei der Herabsendungsanlass, auf Arabisch "Sabab un-nuzul", in welchem der historische, soziale, politische, wirtschaftliche oder ähnliche Kontext zu dem jeweils einzelnen Vers des Qurans erarbeitet wird. Die Erschließung von Hintergründen der Quranverse oder gar Suren beginnt bereits bei den Gefährten des Propheten Mohammeds1 und Versuche zur Systematisierung konnte man bereits in den frühen Jahrhunderten der islamischen Geschichte verzeichnen2.

Nichtsdestotrotz ist seit dem 19. Jahrhundert und dem Erscheinen des "Salafismus" eine Strömung entstanden, die den muslimischen Rechtsschultraditionalismus als auch die islamische Tradition generell in Frage stellt. Hintergrund dafür ist, dass diese als nicht dienlich für die notwendige Rückbesinnung auf die "Altvorderen" zu erachten wären.3 Unter anderem entstand bei dem Derivat der sogenannten "Salafiyya-Dschihadiyya"4, ein Schriftfundamentalismus, welcher jegliche Interpretation und somit auch Kontextualisierung des Qurans für nichtig erklärt.

Dies könnte ein Mitgrund für die erneuerte Forderung nach der Kontextualisierung des Qurans in der Moderne beziehungsweise Post-Moderne sein. In dieser Seminararbeit soll die Frage nach der Kontextualität des Qurans zwischen der islamischen Klassik und der Moderne auszugsweise erörtert werden. Durch eine vergleichende Analyse zwischen Vertretern der beiden Epochen, nämlich Abu Ja'far Muhammad bin Jarir al-Tabari, Jalal al-Din al-Suyuti, Mohammed Abduh und Rashid Reda, sollen folgende Forschungsfragen beantwortet werden:

1. Welcher Methoden bedienen sich die Exegeten zur Kontextualisierung des Qurans?
2. Worin unterscheiden sich die Exegeten in ihrer Methodologie zur Kontextualisierung des Qurans und wo herrschen Gemeinsamkeiten?

Es soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass es sich bei der Auswahl der oben erwähnten Gelehrten, um einen selektiven Auszug der jeweiligen Epochen handelt. In einer überblicksmäßigen Darstellung soll anhand eines anthologischen Ausschnittes die Methodenvielfalt ersichtlich gemacht werden. Anhand dessen lässt sich feststellen, wie Kontextualität bei den Autoren verstanden und wodurch sie greifbar gemacht wurde.

In den folgenden Kapiteln wird die Methodologie eines jeden einzelnen Gelehrten dargestellt, während in weiterer Folge Gemeinsamkeiten und Unterschiede erörtert werden sollen. Um den Zeitgeist zwischen den Vertretern der Klassik und Moderne erfassen zu können, wird ein kurzer biographischer Überblick gegeben.

2. Vertreter der Klassik

2.1. Abu Ja'far Muhammad bin Jarir al-Tabari

Leben

Al-Tabari ist einer der berühmtesten Tafsir-Gelehrten. Sein Werk "Jami' al-bayan 'an tafsir al- Quran" ist einer der ältesten und unter den sunnitischen MuslimInnen populärsten Quran- Exegesis. Er wurde etwa im Jahr 839 nach Chistus in der iranischen Stadt Amul geboren.5 Al- Tabari wanderte in die irakische Stadt Baghdad aus, in der Hoffnung bei dem Namensstifter seiner Fiqh-Schule, Ahmad bin Hanbal (gestorben 855 nach Christus) lernen zu können, wobei es unklar ist, ob al-Tabari noch dazu kam, oder ob Ibn Hanbal vor seiner Ankunft bereits verstarb.6 Er wandte sich in weiterer Folge den Hadithen zu, wofür er unter anderem die irakischen Städte Kufa und Basra aufsuchte. In seiner Sammlung "Tarikh al-rusul wa-'l- anbiya wa-'l-muluk wa-'l-khulafa'" (Geschichte der Propheten und Gesandten und Könige und Khalifen) beschränkte er sich nicht ausschließlich auf Überlieferungen, die sich lediglich auf den Quran beziehen. Ursprünglich war al-Tabari ein Anhänger der Schafi'itischen Fiqh- Schule, jedoch gründete er seinerzeit seine eigene, nämlich "Jaririya" genannt.7 In seiner Literatur setzte er sich mit Fragen der 'Aqida, als auch in Monographien mit drei der vier rechtgeleiteten Khalifen auseinander, nämlich Abu Bakr, Omar und Ali. Im Jahre 923 nach Christus verstarb al-Tabari.

2.1.1. Al-Tabaris Methoden in seinem Werk "Jami' al-bayan 'an tafsir al- Quran"

Al-Tabaris Werk kann als eine Form der Enzyklopädie umschrieben werden. Zuerst zitiert er den Vers, gefolgt mit einer etymologischen Untersuchung, in welcher der Wortstamm dargelegt werden soll.8 An einigen Stellen führt er auch sprachliche Beispiele (amthal) zur Beweisführung seiner Interpretation des Verses an. Danach kommt ein Hadith (Überlieferung) des Propheten Mohammed, der seine Darlegung unterstützt, sofern keine anderen Meinungen existieren. Die Arbeit mit Überlieferungen, welche den Herabsendungsanlass eines Quranverses aufklären, wird in der Tafsirwissenschaft als "Asbab-un-nuzul" bezeichnet. Im Falle von heterogenen Auslegungsgutachten, stellt er jeden einzeln dar. Dennoch behält es sich al-Tabari vor, eine Meinung zu bevorzugen, der er sich intensiver widmet und diese sprachlich und semantisch überprüft. Dabei bedient er sich ebenso vieler Gedichte und Literatur, um seine Exegese zu untermauern.9 Von seiner Vorgehensweise und Methodologie kann durchaus festgestellt werden, dass al-Tabari's Exegese dem "al-tafsir bi-l-ma'thur" angehört. Damit ist gemeint, dass er sich der islamischen Sekundärquelle, nämlich den Überlieferungen von und über den Propheten, bedient.10

Bei Betrachtung seiner angewandten Hadithe fällt auf, dass er bei der Überlieferungskette (Isnad, arab.) die Arbeit überwiegend früherer Überlieferer verwendet, wie jene von Ibn 'Abbas, Ibn Mas'ud, Ubay Ibn Ka'b und Ibn Ishaq.11 Neben der Fokussierung auf eine korrekte Überlieferungskette, achtete al-Tabari auf seine Bezugsquelle (Maraji', arab.) und ebenso auf den Herabsendungsanlass (asbab-an-nuzul, arab.).12 Die Meinungen der Grammatiker gibt al- Tabari meistens anonym wieder, verweist jedoch auf ihren geographischen Hintergrund.13

Ein Großteil der Exegeten und Interpreten des Qurans, welche in seiner Schrift vorkommen, sind entweder Gefährten des Propheten Mohammeds oder die darauffolgende Generation, welche mit einigen der Gefährten in einem direkten Kontakt waren und dadurch Erzählungen von und über den Gesandten sammeln konnten.

Bei den Grammatikern, auf die al-Tabari mit einem Hinweis der Stadt, nämlich insbesondere Kufa und Basra, verweist, handelt es sich gewöhnlich um Abu 'Ubaida und al-Farra'.14 Beide befassten sich mit dem Quran aus einer grammatikalischen und philologischen Perspektive. Er schränkt seine Methodologie jedoch keineswegs auf einen sprachlichen und überlieferten Zugang ein, sondern verwendet in seiner Exegese ebenfalls "Ijtihad" ("Anstrengung", arab.), womit eine rationale Herangehensweise gemeint ist.15 Dadurch beinhaltet al-Tabaris Exegesis sowohl Elemente des oben bereits genannten "al-tafsir bi-l-ma'thur" (Exegesis anhand der Überlieferungen) als auch der "al-tafsir bi-l-ra'y" (Exegesis mit einem rationalen Zugang).

Al-Tabari widmete dem Quran eine weitere Schrift, die er mit "Kitab al-qira'at wa tanzil al- Quran" ("Buch der Lesearten und die Offenbarung des Qurans", arab.) betitelte. Dieses beinhaltet die sieben offiziellen Lesearten, die durch eine Kanonisierung bestätigt wurden.

2.2. Jalal al-Din Abd al-Rahman bin Abi Bark al-Suyuti

Leben

Jalal al-Din al-Suyuti lebte zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung. Er verfasste zwei Tafsir-Bücher. Zum einen war er Mitautor des berühmten "Tafsir al- Jalalayn", welches er mit seinem Lehrer Jalal al-Din Muhammad bin Ahmad al-Mahalli schrieb.16 Eine weitere Lektüre al-Suyutis, welche sich mit der Exegese des Qurans auseinandersetzt, heißt: "al-Durr al-manthur fi-l-tafsir bi-l-ma'thur". Al-Suyuti wurde im Jahre 1471 nach Christus in Kairo geboren. Bereits im Alter von acht Jahren lernte er den gesamten Quran auswendig.17 Die Auseinandersetzung mit den spirituellen Wissenschaften des Sufismus waren für al-Suyuti sehr prägend. Im Zuge seines Studiums reiste al-Suyuti in mehrere islamische Länder. Dabei sind Damaskus, Mekka, Medina, Jemen, Indien, Marokko und diverse Städte in Ägypten inkludiert.18 Im Alter von 62 Jahren verstarb al-Suyuti in der Stadt seiner Geburt im Jahre 1533 nach Christus.

2.2.1. Al-Suyutis Methoden in seinen Werken "Tafsir al-Jalalayn" und "alDurr al-manthur fi-l-tafsir bi-l-ma'thur"

Die gemeinsame Schrift von al-Suyuti, welche er mit seinem Lehrer Jalal al-Din al-Mahalli verfasst hatte, wird in der Regel als ein "tafsir bi-l-ma'thur" bezeichnet. Bei der Erörterung des quranischen Textes beschränken sich die Autoren jedoch nicht auf die Überlieferungen des Propheten Mohammeds und seiner Gesandten. Sie binden in ihren Methoden auch linguistische als auch Scharia-Kommentare ein, sowie "tafsir bi-l-tafsir".19 Mit letzterem ist gemeint, dass diverse Verse des Qurans mittels anderer erklärt werden. Im "Tafsir al- Jalalayn" werden die Hadithe näher erläutert, die sich auf Quranstellen beziehen. Sie versuchen zudem das Verständnis in der Deutung der heiligen Schrift zu erleichtern, in dem sie Synonyme verwenden. Bei Ayat (Verse, arab.), die einen juristischen Charakter vorweisen, wenden sie meistens die Regeln der schafi'itischen Fiqh-Schule an.20 Ähnlich wie bei al-Tabari, geben al-Mahalli und al-Suyuti die "Asbab-un-nuzul", ergo die Herabsendungsanlässe der Quranverse an. Das kann als ein wesentliches Merkmal des "tafsir bi-l-ma'thur" betrachtet werden. Ein weiteres Indiz dafür, dass es dieser beschriebenen Kategorie der Exegese angehört, ist die Angabe von aufhebenden (nasikh) und aufgehobenen (mansukh) Verse des Qurans.21 Was bei al-Tabari in einem eigenen Schriftstück abgehandelt wurde, wurde in diesem Werk ebenso mit einbezogen, nämlich die sieben verschiedenen Lesearten des Qurans.

[...]


1 Vgl. qtafsir.com; URL: http://www.qtafsir.com/index.php?option=com_content&task=view&id=1065&Itemid=166 [28.2.2016]

2 Nicht nur die Gefährten des Gesandten Mohammeds beschäftigten sich mit der Exegetik des Qurans. Auch deren Gefolgschaft setzten sich mit dem Tafsir auseinander. Als Beispiele können Mujahid, Ata oder Ikrima angeführt werden. Das früheste Werk, welches uns bis dato erhalten geblieben ist, wurde von al-Tabari verfasst. Siehe auch stevenmasood.org; URL: http://www.stevenmasood.org/article/tafsir-al-quran-definition-function-and-development [28.2.2016]

3 Vgl. Dziri, Bacem (2014): "Das Gebet des Propheten, als ob Du es sehen würdest" - Der Salafismus als "Rechtsschule" des Propheten?; in: Behnam T. Said/ Hazim Fouad (Hrsg.): Salafismus. Die Suche nach dem wahren Islam. Freiburg i. Br. 2014. Herder-Verlag, S. 132

4 Lohkler, Rüdiger (2009): Dschihadismus -Materialien; Facultas Verlags- und Buchhandels AG; Wien; S. 37 ff

5 Vgl. Al-Tabari, Abu Ja'far Muhammad B. Jarir (1989): The Commentary on the Quran, Volume I; Oxford University Press; Oxford; S. IX

6 Vgl. Ebenda

7 Vgl. Ebenda; S. X

8 Vgl. Troudi, Khaled (2011): Qur'anic Hermeneutics with Reference to Narratives: A Study in Classical Exegetical Traditions; University of Exeter; Exeter; PhD Thesis; S. 64

9 Vgl. Ebenda

10 Vgl. Rezvan, E.A. (1999): The Qur'an and its World. IX. The Triumph of Diversity: Muslim Exegesis; Manuscripta Orientala; Vol. 5, No. 2, Juni 1999; S.42

11 Vgl. Troudi, Khaled (2011): Qur'anic Hermeneutics with Reference to Narratives: A Study in Classical Exegetical Traditions; University of Exeter; Exeter; PhD Thesis; S. 64f

12 Vgl. Ebenda; S. 65

13 Vgl. Al-Tabari, Abu Ja'far Muhammad B. Jarir (1989): The Commentary on the Quran, Volume I; aus dem Arabischen übersetzt von W.F. Madelung und A. Jones; Oxford University Press; Oxford; S.XIII

14 Vgl. Ebenda

15 Vgl. Troudi, Khaled (2011): Qur'anic Hermeneutics with Reference to Narratives: A Study in Classical Exegetical Traditions; University of Exeter; Exeter; PhD Thesis; S. 66

16 Vgl. al-Mahalli, Jalal al-Din/al-Suyuti Jalal al-Din (2007): Tafsir al-Jalalayn; aus dem Arabischen übersetzt von Feras Hamza; Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought; Amman; S. 2

17 Vgl. Haddad, Shaykh Gibril Fouad: The Biographies of the Elite Lives of the Scholars, Imams & Hadith Masters; Zulfiqar Ayub; S. 281

18 Vgl. Ebenda

19 Vgl. al-Mahalli, Jalal al-Din/al-Suyuti, Jalal al-Din (2007): Tafsir al-Jalalayn; aus dem Arabischen übersetzt von Feras Hamza; Royal Aal al-Bayt Institute for Islamic Thought; Amman; S. II

20 Vgl. Ebenda

21 Vgl. Ebenda

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Kontextualität des Qurans in der Klassik und der Moderne
Untertitel
Eine vergleichende Analyse der Auslegungen von Abu Ja'far al-Tabari und Jalal al-Din al-Suyuti sowie Mohammed Abduh und Rashid Reda
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Islamische Studien)
Veranstaltung
Koran
Note
1
Autor
Jahr
2016
Seiten
20
Katalognummer
V321353
ISBN (eBook)
9783668214347
ISBN (Buch)
9783668214354
Dateigröße
537 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Quran, Koran, Tafsir, Exegese, Hermeneutik, Kontextualisierung, Klassik, Moderne, al-Tabari, al-Suyuti, Abduh, Reda
Arbeit zitieren
Amin Elfeshawi (Autor:in), 2016, Kontextualität des Qurans in der Klassik und der Moderne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321353

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