In dieser Masterarbeit wird untersucht, auf welche Weise die Pflanze Ilex Guayusa in Ecuador marktfähig gemacht wird und welche Konsequenzen diese 'Marketisierung' für die lokale Bevölkerung und die natürliche Umwelt im westlichen Amazonasgebiet mit sich bringt.
Es werden Fragen beleuchtet wie beispielsweise:
Welche Voraussetzungen müssen bestehen, damit eine Marketisierung stattfinden kann?
Welche Rolle spielen dabei Labels wie Fairtrade oder Bio?
An welcher Stelle der Wertschöpfungskette werden am meisten Gewinne erzielt?
Wie wirkt sich die Marketisierung auf das Leben der Kleinbauern aus, welche Guayusa anpflanzen?
Welche Rolle spielen Organisationen der nationalen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit?
Wie äussert sich am Beispiel Guayusa das Spannungsfeld zwischen globalen Nord-Süd-Beziehungen und Konzepten wie "fairer Handel"?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
I Grundlagen
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Globale Wertschöpfungsketten / Value-Chain Development .
2.2 Politische Ökonomie: Der Dis/artikulations-Ansatz
2.3 Social studies of economization/marketization
3 Methoden
3.1 Forschungsmethoden
3.2 Auswertungsmethoden
4 Kontext
4.1 Situation des Amazonasgebietes Ecuadors
4.2 Innenpolitische Situation Ecuadors
4.3 Kultur und Mentalität
5 Sozioökonomischer Kontext
5.1 Demographie
5.2 Armut
5.3 Eindrücke aus zwei Kichwa-Siedlungen
5.4 Marktwirtschaftliches Umfeld
5.5 Assoziationen und Kooperativen
II Marketisierung
6 Marketisierung I: Grundsteine
6.1 Wie alles begann
6.2 Grundsatzplanung
6.3 Investition
6.4 Erste Schritte in Ecuador
7 Marketisierung II: Technischer Teil
7.1 Anwerbung von Kleinbauern
7.2 Wissensgenerierung
7.3 Wissensverbreitung
7.4 Kommerzieller Anbau von Guayusa
7.5 Materieller Aufwand
7.6 Festlegung des Preises
8 Marketisierung III: Koordination
8.1 Umgestaltung sozialer Organisation
8.2 Formalisierung von Austauschbeziehungen und sozialer Koor- dination
8.3 Juristische Marktbeziehungen
III Folgen der Marketisierung und Implikationen
9 Sozioökonomie und (Dis-)Artikulation
9.1 Einkommenseffekte für Kleinbauern
9.2 Überproduktion
9.3 Sozioökonomische Nebeneffekte
9.4 Folgen für die Assoziativität
9.5 Ausgrenzungen und Marginalisierung
9.6 Weitere Aspekte
10 Diskussionen und Argumente
10.1 Diskussionen
10.2 Argumente zum Guayusapreis
11 Folgen für die natürliche Umwelt
12 Diskussion
12.1 Rückblick
12.2 Wissen
12.3 Kooperativen
12.4 Koordination, Kontrolle und Macht
12.5 «Gruppe ANDA»
12.6 Öffentlich oder privat - unscharfe Grenzen .
12.7 Weiterführende Fragen
12.8 Rekapitulation
12.9 Quintessenzen
IV Anhänge
Danksagung
Herzlichen Dank an Prof. Dr. Christian Berndt für die aufmerksame Begleitung meiner Masterarbeit und für die guten Ratschläge.
Vielen Dank an alle Interviewpartner, die sich Zeit genommen haben, meine Fragen zu beantworten.
Herzlichen Dank auch an alle, die mir Kontakte vermittelt haben.
Ein besonderer Dank an die Mitarbeiter der Organisation ANDA. Für die Möglichkeit, sie bei der Arbeit zu begleiten, für ihre Offenheit und Ehrlich- keit.
Vielen Dank an die lieben Korrekturleser.
Danke an meine Eltern. Ohne Euch wären meine Träume nicht wahr gewor- den.
Danke Santiago und Pedro, für die Wegweiser. Guayusa, für die Kraft.
Priscila, für Alles.
Kapitel 1 Einleitung
In der vorliegenden Masterarbeit untersuche ich in einer Fallstudie, wie eine traditionelle Kulturpflanze in Ecuador zur handelbaren «Ware» (commodi ty) gemacht wurde und wie sich diese Kommodifizierung auf die beteiligten Kleinbauern1 und ihre Umwelt vor Ort in Ecuador auswirkte.
Aufgrund meiner theoretischen Ausrichtung werde ich diesen Prozess «Marketisierung» (engl. marketization) nennen. Kurz zusammengefasst ist die Marketisierung ein Vorgang, durch welchen bestimmte Güter oder Objek- te auf eine Weise beeinflusst, verändert oder diskursiv gestaltet werden, dass koordinierter Handel möglich ist. Verschiedene Vorrichtungen, Instrumen- te und Organisationsweisen werden dabei auf eine effiziente Art und Weise arrangiert.
Als wichtige Kulturpflanze für südamerikanische Urvölker hat Guayusa eine lange Geschichte. Ein Hinweis darauf ist beispielsweise der Fakt, dass die Pflanze ihre Fähigkeit zur natürlichen Fortpflanzung zu einem grossen Teil verloren hat. Symbiosegleich ist sie auf den Menschen angewiesen, der in der Hoffnung auf ihre wohltuende und anregende Wirkung ein Ästlein der domestizierten Pflanze als Setzling in die Erde steckt.
Ökonomisch gesehen war Guayusa über lange Jahrhunderte hinweg - wenn überhaupt - nur marginal bedeutsam. Wohl gab es «schon» in den letzten zwei letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Versuche, Guayusablätter als solche, oder in Form von Extrakten, über die lokale Ebene hinaus zu kommerzialisieren.2 Keiner dieser Versuche war jedoch erfolgreich genug, als dass man von einem grundsätzlichen Wandel von der Kulturpflanze zur kommerziell nutzbaren Pflanze sprechen könnte.
Die Marketisierung, die nun während den letzten fünf bis sechs Jahren begonnen hat, hat bestimmte Auswirkungen auf die sozioökonomische Si- tuation der Kleinbauern, welche die Guayusapflanzen kultivieren. Positiv ist beispielsweise zu beurteilen, dass viele Kleinbauernfamilien durch die Kom- modifizierung der Guayusapflanze eine zusätzliche Möglichkeit gewonnen ha- ben, Einkommen zu erwirtschaften, und dies mit einer Pflanze, die in ihrer Kultur und in ihrem Alltagsleben seit Hunderten von Jahren eine sehr wich- tige Rolle einnimmt. Die Berührungsängste, die Kulturpflanze Guayusa neu auch im grossen Stil zu «kultivieren» waren dementsprechend klein.
Die Guayusakleinbauern sind zu mindestens 95 Prozent Angehörige der ethnischen Volksgruppe Kichwas del Oriente. So werden die indigenen Bewohner des Amazonasgebietes Ecuadors bezeichnet, welche einen Dialekt des im Hochland gesprochenen Quechua sprechen.
Die Firma, die für die Marketisierung des Guayusa hauptverantwortlich zeichnet, werde ich in dieser Masterarbeit anonymisiert mit dem Namen «ANDA» bezeichnen. In Tat und Wahrheit ist sie ein Zusammenspiel von vier Institutionen, von welchen in Nord- und Südamerika je eine Stiftung und eine Firma angesiedelt sind. Wo es Sinn macht oder nötig sein wird, zwischen Stiftungs- und Firmenaspekt zu unterscheiden, werde ich zur Ab- grenzung der Stiftungen die Bezeichnung «ANDAhelp» verwenden (im Sinne des kommunizierten Selbstverständnisses der Stiftung als wohltätige Orga- nisation).
Die Firma ANDA verkauft vor allem in den USA Produkte auf der Basis von Guayusa - Teemischungen, Getränke und Energydrinks - die mit dem Fairtrade-Siegel gekennzeichnet sind. ANDA hat bisher als einzige Firma erreicht, Guayusa für den nationalen Markt eines grossen industrialisierten Landes zu kommerzialisieren. Verschiedene kleinere Projekte und Firmen verwirklichten fast gleichzeitig mit ANDA (Firma 3A) oder wenige Jahre danach (Firmen 3B und 3C) ihr Ziel oder ihren Traum, Guayusa-Produkte kommerziell nutzbar zu machen. Das Marktvolumen der Mitbewerber von ANDA ist zurzeit noch klein oder im Vergleich zu ANDA beinahe inexistent. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Volumen und die Anzahl der An- bieter von Guayusa-Produkten in den nächsten Jahren weiter ansteigt.
Die Masterarbeit ist so strukturiert, dass ich in drei aufeinander aufbauenden Teilen den Prozess der Marketisierung der Guayusapflanze und seine Konsequenzen ausführlich beschreiben werde.
Der erste Teil (Grundlagen) enthält das theoretische Rüstzeug, mit dem ich mich auf die «Reise» gemacht habe, eine Beschreibung der wissenschaftlichen Methoden, die ich benutzt habe und eine Darlegung des breiteren Kontextes, in welchem sich die Marketisierung abspielt(e).
Der mittlere, zweite Teil, beschreibt die pionierhafte Leistung von ANDA, die Guayusapflanze zu marketisieren. Die drei Kapitel dieses Teiles decken die ersten Schritte in den USA, die technischen Details und die koordina- tiven Leistungen ab, die für die Marketisierung des Guayusa massgebend waren. Im Sinne einer kritischen commodity chain Forschung versuche ich, die Warenkette vom Anfang bis zum Ende im Auge zu behalten, obwohl der Schwerpunkt der Beschreibungen klar bei den Bemühungen in Ecuador liegt. Im dritten und letzten Teil wird es darum gehen, aufzuzeigen, welche Konsequenzen die Marketisierungsprozesse vor Ort in Ecuador zeitigten. Ich werde zeigen wie sich diese Vorgänge auf das Leben der Kleinbauern und ihrer Kooperativen auswirkte, welche sozialen Reaktionen sie provozierten und welchen Einfluss sie auf die natürliche Umwelt hatten.
In der abschliessenden Diskussion werde ich die wichtigsten Schlüsse aus dieser Forschungsarbeit zusammenfassen, offene Punkte und Fragen thema- tisieren und ganz zum Schluss einen hoffnungsvollen Ausblick wagen. Der Fokus liegt dabei auf den (Un-)Gleichgewichten in Marktbeziehungen, auf der Re-(Produktion) von Herrschaftsverhältnissen und Abhängigkeiten und was dies für eine zukunftsgerichtete kleinbäuerliche Landwirtschaft bedeuten könnte.
Teil I Grundlagen
Kapitel 2 Theoretische Grundlagen
2.1 Globale Wertschöpfungsketten / Value-Chain Development
Die konzeptuelle Entwicklung der Literatur über Globale Warenketten (Glo- bal Commodity Chains) innerhalb der Bemühungen der Weltsystemforschung in den 1980er Jahren diente dazu, die Herausbildung einer kapitalistischen Weltwirtschaft zu verstehen. Gereffi entwickelte das Konzept Anfang der 1990er-Jahre weiter, indem er unter anderem zwischen produzenten- und käufergetriebenen Warenketten unterschied (G. Gereffi, M. Korzeniewicz und R. Korzeniewicz 1994; Gary Gereffi 1996). Anfang der 2000er-Jahre erfolg- te ein terminologischer Wechsel in Richtung des Konzeptes Globaler Wert- schöpfungsketten (Global Value Chains) (G. Gereffi, Humphrey und Kap- linsky 2001), welches bald als nützliches Werkzeug zur Kreierung politischer Massnahmen mit dem Ziel wirtschaftlicher Entwicklung, der Schaffung von Arbeitsplätzen und Armutsbekämpfung propagiert wurde (G. Gereffi, Hum- phrey und Sturgeon 2005).
Unter der Bezeichnung Value-Chains for Development (VCD) erfreuen sich diese Ideen seit rund fünf Jahren in der globalen Entwicklungszusam- menarbeit grosser Beliebtheit (M. Werner, J. Bair und Fernández 2014). VCD propagiert, dass marktzentrierte, integrierte Wertschöpfungsketten ef- fizienter sind als traditionelle Formen des Austausches und strebt die Schaf- fung sogenannter inklusiver landwirtschaftlicher Märkte (inclusive agricul- tural markets) an. Die arme ländliche Bevölkerung soll in einen stabilen, oft internationalen Markt integriert werden, welcher ihnen die Steigerung ihrer Einkommen ermöglicht und sie folglich aus der Armut befreit (Free- man 2013). Da die Wertschöpfungskette alle Schritte von der Ernte bis zum Verkauf an die Endkonsumenten beinhält, sind Interventionen auf allen Stu- fen denkbar (ebd.). Gemäss Henriksen u. a. (2010: 7) ermöglicht der VCD- Ansatz, zusätzlich zur Armutsbekämpfung auch weitere Ziele wie die Beseiti- gung von Geschlechterungleichheiten und die Lösung von Umweltproblemen zu erreichen.
Der M4P Ansatz (Making markets work for the poor) baut auf VCD auf. Er rückt Machtfragen und den soziokulturellen Kontext in den Vordergrund und gibt konkrete Anweisungen, wie integrative Märkte implementiert wer- den können. Nachhaltigkeit ist hier wichtig, damit die positiven Effekte auch nach einem Entwicklungsprojekt Bestand halten. Sie soll durch gründliche Marktanalysen und sorgfältige, flexible Programmgestaltung erreicht werden (Jochnick 2012). Zusätzlich vertraut man auf die selbstverstärkende Wirkung der Marktmechanismen und vor allem auch auf die unternehmerische Initia- tive der bottom billions.
Die Bottom of the Pyramid (BoP) ist ein Konzept von Prahalad, das die Teilnahme an internationalen Märkten als wichtigste Voraussetzung für die Armutsverringerung in Ländern des Südens sieht (Prahalad 2005). Un- ter der Voraussetzung, dass wir die Armen als kreative Unternehmer und preisbewusste Konsumenten betrachten und in die globalen Märkte integrie- ren, könnten sie sich selbst aus der Armut befreien (ebd. in: Schwittay 2011: S72-73).
Kritik Die Anwendung von Ansätzen wie VCD und M4P ist durch «ad- aptive policymaking in the shadow of global models» gekennzeichnet (Peck 2011: 166). Die Modelle werden wieder und wieder angepasst unter dem Schutzmantel der Flexibilität, ein Phänomen, das Peck als «perpetual expe- rimentation and ‹fast policy› development» problematisiert (ebd.: 166).
Zudem wird kritisiert, dass nicht nur Wertschöpfungs-, sondern vor allem Abhängigkeitsketten geschaffen werden. Vertragsbauern drohen die Selbst- bestimmung über ihr Land zu verlieren, wenn sie Monokulturen statt Subsis- tenzfeldfrüchte pflanzen, und werden für die eigene Ernährung von interna- tionalen Nahrungsmittelmärkten und -preisen abhängig. Es findet zwar eine Wert- oder Ertragssteigerung statt (Verbesserung der «Produktivität» der Kleinbauern, «yet the produced value is redistributed along the value-chain towards processors, retailers and financiers» (McMichael 2013: 672). Eine oft ungleiche Machtbeziehung zwischen der lead firm und einer kleinbäuerlichen Dorfgemeinschaft führte zum «understanding of value-chains as relationships of value-capture» (ebd.: 672).
Hughes, McEwan und Bek (2013: 223,225) bestätigen in ihrer Untersu- chung des Lieferkettennetzwerks von Fynbos Schnittblumen in Südafrika für den Export nach Grossbritannien, dass die federführenden Firmen (Einzel- händler in Grossbritannien) den grössten Einfluss auf die Ausgestaltung der Blumenbouquets ausüben. Diese Macht der lead firm führt beispielsweise da- zu, dass die Einkäufer ganze Bündel gepflückter Blumen der Wildpflücker ab- weisen oder die Preise indirekt über Änderungen am Bouquetdesign drücken (ebd.: 223,225). Die GCC/GVC Literatur offenbart hier eine Lücke, da sie solche Prozesse der Abweisung oder gar des Ausschlusses aus Wertschöp- fungsketten nicht zu konzeptualisieren vermag. Jennifer Bair und Marion Werner (2011: 989) identifizieren einen generellen und systemischen Hang der commodity chain Literatur zu Prozessen der Einbindung und Integration (inclusive bias), einhergehend mit der Vernachlässigung dieser ebenfalls stattfindenden Ausgrenzungen und Ausschlüssen.
2.2 Politische Ökonomie: Der Dis/artikulations-Ansatz
Immer wieder konnten von kritisch-sozialwissenschaftlicher Warte im Zusam- menhang mit der Herstellung und der Trennung wirtschaftlicher Beziehun- gen Prozesse der Ausgrenzung und Marginalisierung überzeugend beschrie- ben werden, auch wenn ein breiteres Framework zu deren Konzeptualisierung fehlte (Jennifer Bair, Berndt u. a. 2013: 2544). Die Verdienste der GCC/GVC Literatur als analytische Herangehensweise an die Entgrenzung und Globali- sierung der wirtschaftlichen Beziehungen wurden gewürdigt, während gleich- zeitig eine Unzufriedenheit mit dem Fokus dieser Literatur auf Firmen, In- dustrien und die Expansion der globalen Produktionsgrenzen bestand (Jen- nifer Bair 2008; Jennifer Bair und Marion Werner 2011: 988; Jennifer Bair, Berndt u. a. 2013: 2544; M. Werner, J. Bair und Fernández 2014). Die Haupt- kritik war, dass der «der Kette folgende» Mainstream divergierende Phäno- mene wie Produktionsvolatilität, überfallartige boom and bust Zyklen und historische Muster von Investition/De-Investition und Enteignung ausblen- dete. Jennifer Bair und Marion Werner (2011: 989) stellten sich deshalb die Frage, wie sich das analytische Verständnis der globalen Ökonomien ändern könnte, wenn diese Phänomene ins Blickfeld gerückt würden. Aus dieser Motivation heraus entwickelten sie das Konzept der Dis/artikulation, das sie kürzestmöglich definieren als «an approach to commodity production through the lens of the reproduction of uneven geographies» (ebd.: 989).
Gemäss diesem Konzept wird über die Produktionsketten nicht nur so- ziale Differenz (durch Wertbestimmung und -akkumulation), sondern auch geographische Differenz (durch die Verbindung von Orten mit Warenketten und deren Trennung durch ebendiese Dis/artikulationsprozesse) geschaffen (ebd.: 993):
«It is not only the work of linking up constructions of social difference with processes of valuation and capital accumulation, but also that of reproducing geographical difference by linking and delinking places to commodity chains that are formed and reformed through these moments of connection and severance. In attending to disarticulations in this sense, as dynamic processes that iteratively reproduce the subjects and places included within and excluded from global commodity production, the study of commodity chains can more fully grasp the uneven geographies that condition their possibility.»
Empirische Veranschaulichungen Brown untersucht anhand der Bananen- Anbauregion Urabá in Kolumbien, wie die dortigen Plantagen nach der Jahr- tausendwende in die fairtrade commodity chain für «ethische Bananen» ar- tikuliert wurden. Die Geschichte der Urabá-Region in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist geprägt von Enteignungen, Vertreibungen und Ge- walt. Brown behauptet, dass gerade darum eine Artikulation in die Bana- nen fairtrade commodity chain möglich war. Die ehemaligen Unterdrücker konnten sich als Philanthropen ausweisen, weil sie zur Zeit der Ankunft der Fairtrade-Idee bereits soziale Stiftungen für die Plantagenarbeiter etabliert hatten. Der Umstand, dass nicht alle, sondern nur ein Teil der Plantagen Fairtrade-zertifiziert wurden, könnte laut Brown zu einem Zusammenbruch der Solidarität unter den Plantagenarbeitern führen, weil die Arbeiter auf Fairtradeplantagen dank der sozialen Prämie nun signifikant mehr verdienen als die restlichen Arbeiter (Brown 2013).
Havice und Campling (2013) untersuchen mithilfe des Dis/artikulations- Konzeptes, wie das upgrading Konzept aus der GCC/GVC Literatur Prozes- se ausblendet, die sie downgrading nennen würden. Upgrading wird immer mehr mit Entwicklung gleichgesetzt, obwohl die als upgrading bezeichneten Veränderungen oft Marginalisierungen und Ausgrenzungen verursachen (M. Werner, J. Bair und Fernández 2014: 1242). Am Beispiel der Thunfischpro- duktion auf den Solomoninseln und Fidschi zeigen Havice und Campling auf, wie die dortigen Produktionsanlagen abgewertet wurden, indem einzel- ne Produktionsschritte ausgelagert wurden. Der Grund für dieses downgra- ding war der Preisdruck eines Detailhändlers in Grossbritannien (Havice und Campling 2013: 2610)..
Jennifer Bair, Berndt u. a. (2013) selbst sehen ihr «Projekt» der Dis/ar- tikulations-Perspektive als eine Erweiterung der GCC/GVC Literatur, re- konzeptualisierten das Konzept der commodity chain aber gemäss ihren ei- genen Vorstellungen. Die commodity chain sehen sie als eine ständig sich verschiebende Grenze, welche ein Aussen demarkiert, das eigentlich innen liegt und ungleiche Beziehungen auf verschiedenen Grössenordnungen repro- duziert (ebd.: 2544).
2.3 Social studies of economization/marketization
Caliskan und Callon (2010: 3) bemerken, dass trotz der grossen Diversität in der Ausprägung von Marktformen eine gewisse Kohärenz beobachtbar ist, die man dem Prozess der Marketisierung zuordnen kann. Marketisierung, als Teil einer umfassenderen Ökonomisierung, wird durch Anonymisierung, die Verminderung sozialer Bindungen, und rationale, kalkulative und effiziente «post-soziale» Koordination charakterisiert (Berndt und Boeckler 2012: 199). Märkte werden von Callon als soziotechnische Agencements (STAs) konzep- tualisiert, das sind Arrangements, die die Fähigkeit besitzen je nachdem wie sie konfiguriert sind auf unterschiedliche Weise zu agieren. Märkte als STAs sind demnach Arrangements von Menschen, Dingen und soziotechnischen Instrumenten (devices), welche Produkte, Preise, Wettbewerb, Tauschorte und Kontrollmechanismen formen (Callon 2007: 320; Caliskan und Callon 2010: 9; Berndt und Boeckler 2012: 204).
Damit ein Markt funktioniert, müssen verschiedene Voraussetzungen ge- geben sein. Die erste ist das Framing der Güter als Waren (commodities), damit werden sie zu passiven (stabilen und handelbaren) Objekten. Die Vor- hersehbarkeit erhöht sich, organisiertes Handeln und das Eingehen von for- mellen Austauschbeziehungen werden möglich. Diese objektivierten Güter müssen zweitens so durch Eigentumsrechte definiert sein, dass man sie ih- ren Besitzern zuordnen kann. Um die Entflechtungen der Marktgesellschaft stabil zu halten, ist drittens eine Standardisierung von Vorteil. Standardisie- rung ist der Prozess, der eine Ware in abstrakten und präzisen Begriffen als eine Entität beschreibt und durch eine Serie von textuellen und materiellen Vorrichtungen zertifiziert und garantiert (Caliskan und Callon 2010: 5,7,8; Berndt und Boeckler 2012: 205,208).
Passive Güter, Eigentumsrechte und Standardisierung sind also Voraus- setzungen, damit ein soziotechnisches Agencement als Markt für ein be- stimmtes Gut bestehen und Bestand haben kann. Dafür ist es oft vonnöten etablierte Konzepte von Eigentum umzuschreiben und «beträchtliche Inves- titionen in kodifizierte Regeln und Gesetze» zu tätigen (Berndt und Boeckler 2012: 208).
Ouma, Boeckler und Lindner (2013) beschreiben in einer Fallstudie die vielfältigen Auswirkungen der Marketisierung der Mangofrucht im Norden Ghanas. Mango war den Leuten schon bekannt und wuchs in ihrer Um- gebung, doch war es für sie ganz neu, Mango kommerziell als cash crop anzubauen (ebd.: 231). An diesem Beispiel wird klar, dass eine Marktinte- grierung von Kleinbauern über Wertschöpfungsketten «a complex and socio- technically entangled process full of hidden prerequisites and unforeseen con- sequences» ist (ebd.: 232). Die Bauern wurden über die Existenz unsichtbarer Bakterien und deren Verbreitungsmechanismen aufgeklärt, wie auch über die Folgen unregelmässiger Bewässerung auf die Grösse und Qualität der Man- gos. Die Bauern wurden in neue globale Netzwerke verwickelt, welche sich im Gebrauch von Begriffen wie «internationale Preise», «Präferenzen der euro- päischen Konsumenten» etc. direkt vor Ort niederschlugen (ebd.: 232,233).
Es zeigt sich dabei, dass es keine vorgefertigten Lösungen gibt für die mit der Marketisierung verbundenen Herausforderungen; wie z.B. die stren- gen Standards der globalen Märkte für biologische und fair gehandelte Pro- dukte zu erfüllen oder einen Preis gegen mehrere konkurrierende Framings festzulegen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit im globalen Markt zu bewahren. Dass es keine vorgefertigten Lösungen gibt, gilt auch für die Fra- ge, wie man in einer Region, wo Land immer noch als Kollektiveigentum gehalten wird, Zugang dazu erhalten und es in einen individuellen Produk-tionsfaktor verwandeln kann (Ouma, Boeckler und Lindner 2013: 232,233). Ein Marketisierungsprozess, der die Organisation neuer Märkte beinhaltet, kann aufgrund seiner Komplexität also immer nur als Prozess von Versuch und Irrtum stattfinden und verstanden werden (ebd.: 234).
Der Begriff Agencement zur Bezeichnung der STAs wurde gewählt, um die enge Verflechtung von assemblierenden und arrangierenden Akteuren und den im STA assemblierten Dingen zu betonen und jegliches Aufkommen di- chotomischen Denkens zu verhindern (Callon 2007: 320). Der Begriff impli- ziert somit, dass es für das Verständnis der Märkte unerlässlich ist, die darin agierenden Akteure zu beleuchten. Ein STA ist eine Kombination hetero- gener Elemente, «that have been carefully adjusted to one another» (ebd.: 319).
Übertragen auf die Märkte als soziotechnische Praktiken bedeutet dies, dass die Ökonomik (ökonomisches Wissen und Modelle) Märkte nicht nur analysiert oder interpretiert, sondern sie vielmehr als soziotechnische Praktiken aktiv konstruiert und organisiert. Darum sollte die Ökonomik nicht darauf hin untersucht werden, wie sie die Realität repräsentiert, sondern vielmehr darauf hin, wie sie es fertigbringt spezifische Arrangements und Ausgrenzungen zu produzieren (Mitchell 2007: 244).
Alles, was von der Ökonomik als ausserhalb der Ökonomie liegend erklärt wird, spielt bereits innerhalb eine Rolle, denn genau durch diese Erklärung der Ausgrenzung und die Kämpfe über die Integrierung erreicht es dieses Grenzgebiet (frontier), eine Zone der einschliessenden Ausgrenzung (inclusi- ve exclusion) (ebd.: 254). Diese Grenzzone, weder innerhalb noch ausserhalb des Marktes, wird von der Ökonomik gemanagt, indem Regeln aufgestellt und validiert werden, die definieren, welche Lebens- und Gesellschaftsformen als informell oder nichtmarktwirtschaftlich gelten. Nur diese behauptete Feh- lerhaftigkeit der informellen Märkte macht überhaupt die Akkumulation der Vermögenswerte derart Ausgegrenzter möglich. Deshalb ist die Marktgesell- schaft so abhängig von jenen Bereichen und Lebensformen auf der Welt, die sie als nicht ihr zugehörig bezeichnet (ebd.: 267-68).
2.3.1 Hinleitung zur Forschungsfrage
Der Fall Anda ist im Hinblick auf die GCC/GVC Literatur und die ver- schiedenen Formen marktbasierter Entwicklung (VCD, M4P, BoP) sehr in- teressant. Anda argumentiert stark mit den positiven Auswirkungen, welche die Guayusa-Lieferkette für die lokalen Kleinbauern mit sich bringt. Das Einkommen der in die value-chain integrierten Bauern werde erheblich ge- steigert, was den Druck auf die Rodung der umliegenden Regenwälder ver- kleinere.
Es stellt sich die Frage, ob die Umstellung des Guayusaanbaus vom Selbstgebrauch auf den kommerziellen Anbau auch problematische Folgen mit sich bringt. Es ist denkbar, dass sich die Bauern damit in ein ungleiches
Abhängigkeitsverhältnis von Anda als lead firm bringen, da ein erheblicher Teil ihres Einkommens von der Firma abhängt (vgl. McMichael 2013). Zu- sätzlich sind sie den Regeln und Richtlinien von Anda unterworfen, was die Qualität der verkauften Guayusablätter betrifft. Eine solche Bestimmungs- macht der lead firm haben Hughes, McEwan und Bek (2013) am Beispiel der Fynbos-Schnittblumen in Südafrika problematisiert. Kleinbauern, die auf der traditionellen Anbaumethode im Chacra -System beharren, könnten von der Guayusa-Lieferkette ausgeschlossen sein.
Die Dis/artikulations-Perspektive auf commodity chains von Bair und Werner, dass die Gestaltung und Ausprägung von Wertschöpfungsketten nicht nur Einbindung und Inklusion bedeuten, kann ein Licht auf solche allfälligen Ausschliessungs- und Ausgrenzungsprozesse werfen (Jennifer Bair und Marion Werner 2011; Jennifer Bair, Berndt u. a. 2013). Somit eröffnet sich eine Forschungslücke, denn es ist noch sehr wenig bekannt, wie solche Vorgänge der Dis/artikulation in/aus globalen Wertschöpfungsketten vor Ort ablaufen (vgl. jedoch Brown 2013; Havice und Campling 2013; Hughes, McE- wan und Bek 2013).
Die Guayusa-Fallstudie könnte hierzu Anhaltspunkte geben, wie konkret beispielsweise einzelne Familien oder Kooperativen eingebunden und/oder ausgeschlossen werden und aus welchen Gründen.1 So kann untersucht wer- den, inwiefern sich die Guayusa commodity chain gemäss Jennifer Bair, Berndt u. a. (2013) als sich ständig verschiebende Grenze, die das Aussen und das Innen der Marktbeziehungen definiert und ungleiche Verhältnisse (re-)produziert, konzeptualisieren lässt. Eventuell könnten dabei Konflikte zwischen internationalen Standards und der traditionellen Anbaumethoden eine Rolle spielen, oder auch unterschiedliche Vorstellungen von Anda und den Kleinbauern bezüglich der Preissetzung.
Zusätzlich muss dabei auch die Rolle des Staates beleuchtet werden, da gerade Anda beträchtliche Unterstützungsbeiträge sowohl vom ecuadoria- nischen Staat als auch von den EZ-Agenturen westlicher Länder beziehen konnte. Der Vorschlag von Jennifer Bair, Berndt u. a. (ebd.: 2546), eine kriti- sche commodity chain Wissenschaft mit der Literatur über aktuelle Prozesse der Neoliberalisierung zu verbinden, soll dazu als Ausgangspunkt dienen.
Die Konzeptualisierung des Guayusamarktes als soziotechnisches Agence- ment (STA) kann uns zu einem besseren Verständnis der Marktbeziehungen im Guayusamarkt führen: Inwiefern können wir in diesem Arrangement von Menschen (Bauern, Kooperativen, Anda-Mitarbeiter), Dingen (Guayusapflan- ze, Waage, Baumschule, Guayusablätter) und soziotechnischen Instrumenten (Preisberechnung, best practice manuals, GPS Geräte) diejenigen Beziehun- gen und Mechanismen ausmachen, welche das Exportprodukt Guayusa, des- sen Preis, dessen Tauschorte und die dazugehörigen Kontrollmechanismen bestimmen und formen? (Callon 2007; Caliskan und Callon 2010; Berndt und Boeckler 2012).
Die Frage, wie die Kaufpreise für die Guayusablätter festgelegt wer- den, erachte ich als einen wichtigen Aspekt innerhalb des STA Guayusa- Markt. Anda war die erste «calculating agency», die einen aus ihrer Sicht für die Kleinbauern fairen Mindestpreis für Guayusa festgelegt hat (0.35 US- Dollar pro Pfund frische Blätter). Dieser Umstand wirft unweigerlich die Fra- ge nach asymmetrischen Machtverhältnissen bei der Preisbestimmung auf: «The most powerful agencies are able to impose their valuations on others and consequently to impact strongly on the distribution of value» (Caliskan und Callon 2010: 13).
Ebenfalls wird es interessant sein zu beobachten, ob wir in den Prakti- ken und Diskursen der Gründer und Mitarbeiter von Anda Ansichten aus- machen können, die die Marketisierung von Guayusa als einen Prozess der einschliessenden Ausgrenzung (Mitchell 2007) rahmen lassen, indem sie bei- spielsweise Kleinbauern und deren traditionelle Lebensformen als informell oder nichtmarktwirtschaftlich bezeichnen. Die Inklusion dieser Kleinbauern in die Guayusa commodity chain würde gemäss Mitchell nicht nur zu deren Wohl geschehen, sondern vor allem auch, um das dort liegende Potenzial der Akkumulation von Ressourcen in der Form von Guayusa zu managen und wirtschaftlich nutzbar zu machen (ebd.).
Aus diesen Überlegungen heraus komme ich zu zwei Forschungsfragen, die verstehen wollen, wie eine Marketisierung der traditionellen Kulturpflanze Guayusa vonstattengeht:
1. Wie wird die traditionelle Pflanze Ilex Guayusa marketisiert?
- Inwiefern kommt es zur Transformation traditioneller Anbaumethoden? Wie werden Veränderungen in den Anbaumethoden erreicht und umgesetzt?
- Wie wird die Pflanze selbst verändert?
- Welche Rolle spielen dabei die Vorgaben internationaler Stan- dards und Zertifizierungsbedingungen? Welche Rolle spielen die Vorgaben von Anda bezüglich Qualität und Preis des Guayusa?
2. Wie wirkt sich die Marketisierung von Ilex Guayusa vor Ort aus?
- Wie verändert sich die Lage der Kleinbauern, die Ilex Guayusa für die internationale Lieferkette anbauen? Welche Hinweise gibt es für Veränderungen der natürlichen und nicht-natürlichen Umwelt der Kleinbauern aufgrund der Marketisierung?
- Kommt es zu Dis/artikulations-Prozessen von bestimmten Gruppen von Leuten? Warum?
Kapitel 3 Methoden
3.1 Forschungsmethoden
Meine Forschungsmethodik verband ethnographische Zugänge mit der Durchführung von spezifischen Experteninterviews nach Bogner und Menz (2002) und weiteren semistrukturierten Interviews.
3.1.1 Ethnographie
Der Geograph Steve Herbert sagt in seinem Aufsatz For ethnography, dass sich Menschen ihre «sozialen und räumlichen Welten» über «symbolisch ko- dierte» Prozesse erschaffen (Herbert 2000: 550). Auf diese Weise entsteht Bedeutung. Über die Herstellung von Bedeutung sind menschliche Akteure «im Alltag ortsgebundener Handlung» imstande, «makrologische Strukturen zu reproduzieren und herauszufordern» (ebd.: 550). Da die ethnographische Herangehensweise einen «hervorragenden Einblick in diese Prozesse und Be- deutungen» ermögliche, ist sie nach Steve Herbert die am besten geeignete Methode, um die Beziehungen zwischen Struktur, menschlichen Handlungen und dem geographischen Kontext zu erkennen und zu erklären (ebd.: 550).
Ich wählte eine ethnographische Herangehensweise, um verstehen können, wie die Marketisierung des Guayusa in Ecuador ablief, wie Institutionen und Menschen neue Strukturen erschufen, inwiefern sich diese auf bestehende soziale Strukturen und auf Kleinbauern als Individuen auswirkten, wie diese Menschen die Strukturen wiederum reproduzierten und herausforderten, und wie diese Prozesse als Ganzes die Lage der Kleinbauern und ihrer Umwelt beeinflussten.
Die Bezeichnung ‹Ethnographie› kann gemäss Savage heutzutage für jeg- liche «Forschung im kleinen Massstab» verwendet werden, welche in Alltags- situationen durchgeführt wird, die verschiedene Methoden kombiniert, deren Design sich während der Forschung weiterentwickelt, und welche sich viel- mehr auf die Bedeutung und Erklärung menschlichen Handelns fokussiert als auf deren Quantifizierung (Savage 2000 in O’Reilly 2012: 3).
Interviews und quantitative Befragungen alleine, welche losgelöst vom lokalen Kontext durchgeführt werden, ohne dass der Forschende mit diesem Kontext wirklich vertraut ist, sind «nutzlos» (Herbert 2000: 556), da sie es nicht ermöglichen, die verschiedenen Bedeutungsebenen, die dem täglichen Leben eigen sind, zu Tage zu fördern (ebd.: 556). Vielleicht mögen diese distanzierten quantitativen Vorgehensweisen ein «generelles Muster offenba- ren» (ebd.: 560), sie zwängen den untersuchten Subjekten aber auch eine «intellektuelle Ordnung» auf (ebd.: 556). Ein Verständnis von zugrundelie- genden Dynamiken wird erst durch «intensive, qualitative Analyse» möglich (ebd.: 560), wie sie im Rahmen einer Ethnographie durchgeführt wird. Die ethnographische Herangehensweise ermöglicht es uns, mehr über das Leben beziehungsweise verschiedene Aspekte des Lebens von Menschen zu erfahren, «aus ihrer eigener Perspektive und von innerhalb des Kontextes ihrer eigenen gelebten Erfahrung» (O’Reilly 2012: 86). Das bedeutet, nicht nur mit den Leuten zu reden und sie zu befragen, sondern auch mehr zu erfahren, indem wir sie beobachten, an ihrem Alltag teilnehmen und ihnen Fragen stellen, die sich auf ihr alltägliches Leben beziehen, wie wir es selbst beobachtet und erfahren haben (ebd.: 86).
Laut Steve Herbert unterstützten die meisten sozialwissenschaftlichen Perspektiven die Ansicht, dass die Verbindung zwischen gesellschaftlichen Phänomenen auf der Makroebene mit Dynamiken auf der Mikroebene einen der «zentralen Momente sozialen Lebens» darstelle (Herbert 2000: 564). Die Marketisierung des Guayusa ist durch dieses Zusammenspiel zwischen klein- räumigen Interaktionen von Individuen auf der Mikroebene und gross ange- legten Veränderungsprozessen oder Umstrukturierungen auf der Makroebe- ne charakterisiert. Es ist ein top-down -Projekt mit vielen beabsichtigten und nicht-intendierten Folgen auf der Ebene der kleinbäuerlichen Lebenswelt. Die Einführung und Akzeptanz neuer Praktiken und Organisationsformen ist ge- nauso Teil der Marketisierung wie deren bottom-up -Herausforderung, Infra- gestellung oder Ablehnung. Die Ethnographie ermöglicht genau bei solchen Fragestellungen grosse Fortschritte, weil mithilfe dieser Methodik die Vor- gänge, Handlungsweisen und Bedeutungszuschreibungen «entdeckt» werden können, welche den Fortgang des alltäglichen Lebens bedingen (ebd.: 564). Auf diese Weise kann uns die Ethnographie ein Verständnis dafür geben, wie tägliches Leben verbunden oder getrennt ist von den umfassenderen «struk- turellen Imperativen», die den Möglichkeitshorizont menschlichen Handelns abstecken (ebd.: 564).
Zusammenfassend merkt Steve Herbert an, dass Prozesse, (Be-)Deutungen und Orte auf nicht unerhebliche, komplizierte Weise miteinander verknüpft seien, und alle drei im Zusammenspiel des Makrologischen und Mikrologi- schen grosse Wichtigkeit besässen. Die Ethnographie als sozialwissenschaft- liche Methode ist in ihren Möglichkeiten, diese komplexen Zusammenhänge und Verbindungen zu entwirren und zu erklären, unerreicht (ebd.: 557).
Vorgehen Meine ethnographische Forschungsarbeit setzt sich aus drei Auf- enthalten in Ecuador zusammen im Jahr 2015 zusammen. Das Amazonasgebiet Ecuadors kannte kannte ich bereits seit 2012, als ich von Januar bis April bei einer Wiederaufforstungsorganisation in Napo ein Praktikum absolvierte. Der erste Aufenthalt im Rahmen dieser Master-arbeit, im Januar 2015, diente dazu, mir vor Ort einen ersten Überblick über verschiedene Aspekte des Themas zu beschaffen. Ich hielt mich acht Tage im Amazonasgebiet Ecuadors auf und besuchte während dieser Zeit verschie-dene Kooperativen und Organisationen in den Provinzen Morona Santiago, Pastaza und Napo, die sich mit den Themen Nachhaltigkeit und Landbau beschäftigen. Bisher hatte ich fast alle Informationen über das Thema per In-ternet beschafft, weshalb diese Sondierungsgespräche bereits einige für mich neue und sehr interessante Erkenntnisse brachten. Indem ich an einem öko-touristischen Guayusa-Vormittag teilnahm, stellte ich einen ersten Kontakt zu Mitarbeitern der Organisation ANDA her und konnte das Fabrikgelände besichtigen. Wertvolle Erkenntnisse dieses ersten Aufenthaltes konnte ich in das Konzept für die Masterarbeit einfliessen lassen
Die eigentliche, systematische Feldforschung bestand aus zwei Feldauf- enthalten im April/Mai (drei Wochen) und im August 2015 (vier Wochen). Ich quartierte mich jeweils in einem Hostal in Tena (Provinhauptstadt Na- pos) ein, das ich als «Sprungbrett» für die verschiedenen Aktivitäten und als Rückzugsort nutzte.
Beobachtungen notierte ich je nachdem in mitgebrachten Notizblöcken oder auf meinem Laptop. Dabei folgte ich der Empfehlung von O’Reilly, mindestens täglich Notizen zu machen und alles zu notieren, das sich mög- licherweise als relevant herausstellen könnte (O’Reilly 2012: 102). Während Autofahrten auf den zahlreichen holprigen Wegen erwies sich ein Smartpho- ne mit physischer Tastatur als ideales Mittel, um auch bei Erschütterungen einwandfreie Notizen zu erstellen. Zusätzlich zu den Feldnotizen hielt ich auch diejenigen Gedanken und Ideen schriftlich fest, die das Gehörte und Gesehene spontan bereits bezüglich derer Implikationen beurteilen und in einer Art vorgängigen Analyse verarbeiten. Nach O’Reilly (ebd.: 104) hilft ein solches «intellektuelles Tagebuch» dabei, einen Schritt zurück zu ma- chen und die Perspektive eines Aussenstehenden zu bewahren. So kann einer Über-Involvierung des Forschenden (going native) vorgebeugt werden.
Um visuelle Beobachtungen mittels Foto- und Videoaufnahmen festzuhalten führte ich eine Digitalkamera mit. Der ebenfalls immer mitgeführten Audiorekorder ermöglichte es, spontan entstandene Gespräche auf unkomplizierte Weise aufzeichnen.
Besuch von Kichwasiedlungen Im April/Mai und August 2015 besuch- te ich unabhängig von den restlichen Aktivitäten zehn verschiedene Kichwa- siedlungen. Dabei ging ich so vor, dass ich aus einer Liste von Siedlungen mit Guayusapflanzungen eine einzelne oder einige, die nahe beieinander lagen, auswählte. Dann bat ich einen lokalen Taxifahrer, mich zur entsprechenden Siedlung zu fahren. Um bei meiner Ankunft nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen, stieg ich jeweils schon einige hundert Meter vor der entsprechenden Siedlung aus dem Taxi und legte den restlichen Weg zu Fuss zurück. In den Siedlungen versuchte ich, mit verschiedenen Leuten ins Gespräche zu kommen. Viele Leute gaben gerne Auskunft - sowohl Männer als auch Frauen verschiedenen Alters - auch wenn ich dazu manchmal klarstellen musste, dass ich nicht im Namen von ANDA unterwegs bin.
Oft bat ich die Kleinbauern, mich auf ihre Grundstücke zu führen, wo sich die Guayusapflanzen befinden. Normalerweise war dies kein Problem und wir plauderten während dem Fussmarsch und auf der Chacra ungezwungen über ihre Erfahrungen mit dem Guayusa. Manchmal befand sich die Cha- cra gemäss der Aussage der Kleinbauern jedoch einige Stunden Fussmarsch von der Siedlung entfernt, weshalb eine Besichtigung aus zeitlichen Gründen unmöglich war. Wenn es die Situation und die Bereitschaft der Auskunfts- person erlaubte, konnte ich mich mit ihr auf eine Holzbank oder an einen Tisch setzen und ein semistrukturiertes Interview führen.
Gastaufenthalt bei der grössten Guayusafirma Anfang Mai 2015 durfte ich während fünf Tagen Mitarbeiter der Organisation ANDA bei ihrer Arbeit auf dem Firmengelände und unterwegs begleiten. Da ich während die- ser fünf Tage im Volontärshaus übernachten konnte, hielt ich mich auch in der Freizeit in der Nähe von Mitarbeitenden und ANDA nahestehenden Leuten auf. Meine Aktivitäten während diesen intensiven Tagen können am besten unter der Bezeichnung teilnehmende Beobachtung subsumiert werden: Bei manchen Gelegenheiten war ich ein passiver Beobachter, der Besprechungen und Sitzungen beiwohnen und motorisierte Mitarbeiter auf ihren Besuchen in verschiedenen Kichwasiedlungen begleiten durfte. Aktiver war ich an den zwei Tagen, wo ich das Ernteteam begleitete. Ich sass mit dem Chauffeur und einem zweiten Mitarbeiter im fahrenden Lastwagen und plauderte, half ih- nen beim Wägen und Aufladen der vollen Guayusasäcke und beim Ausladen der Ware am Tor zur Fabrikhalle.
Und immer versuchte ich mit möglichst vielen Leuten und Kleinbauern ins Gespräch zu kommen, stellte neugierig Fragen oder plauderte über Gott und die Welt und hörte mir die (Lebens-)Geschichten und Sorgen von Mitar- beitern an. Am Abend machte ich während einer bis zwei Stunden Notizen.
Die Organisation ANDA wusste, dass ich eine Masterarbeit über das Thema schreiben würde und kannte mein Forschungsinteresse. Die Länge meines Aufenthaltes war mit der Volontärsverantwortlichen von ANDA ab- gesprochen. Ich bekam die Gelegenheit, neben vielen informellen Gesprächen mit Mitarbeitern auch semistrukturierte Interviews mit einem leitenden An- gestellten von ANDA in Napo, einem Feldtechniker von ANDA und einem
US-amerikanischen Mitarbeiter von ANDAhelp zu führen. Nebenbei konnte ich während der Ausfahrten mit den ANDA-Mitarbeitern ungefähr 20 kurze Gespräche mit Kleinbauern führen.
3.1.2 Leitfadeninterviews
Die Durchführung von Interviews und die teilnehmende Beobachtung sind laut O’Reilly im Rahmen ethnographischer Forschung komplementäre Me- thoden (O’Reilly 2012: 120). Die Interviews würden dabei helfen, Beziehun- gen aufzubauen, welche die Ethnographie als Ganzes bereichern. «Sowohl die informellen Unterhaltungen und Gespräche, als auch die ausführlichen Konversationen sind wertvoll und ergänzen sich gegenseitig» (ebd.: 127). Die Durchführung zahlreicher semistrukturierter Interviews ermöglichte viele ausführliche Konversationen. Diese Leitfaden-Interviews dauerten im Durch- schnitt 40 Minuten bis eine Stunde, in Einzelfällen zwischen 20 Minuten und zwei Stunden. Das Experteninterview als Spezialform des semistrukturierten Interviews wird weiter unten genauer erläutert.
Semistrukturierte Interviews Ich führte insgesamt 25 Leitfadeninter- views mit 30 verschiedenen Personen durch. Bedingt durch die grosse Diver- sität der ausgewählten Interviewpartner bezüglich Herkunft, Sprache, Fach- gebiet und Bildungshintergrund erstellte ich auf den Gesprächspartner zuge- schnittene Interviewleitfäden oder passte bestehende Leitfäden an den neu- en Gesprächspartner an. Eine Auswahl von Interviewleitfäden findet sich im Anhang C.
Bei der Erstellung der Interviewleitfäden orientierte ich mich an den Empfehlungen aus dem Buch Die Qualität qualitativer Daten von Helfferich (2009): Ein Interviewleitfaden sollte übersichtlich und einfach zu handhaben sein und die zu besprechenden Themen so angeordnet, dass sich keine ab- rupten Sprünge oder Themenwechsel ergeben. Die Fragen sollten zudem den Grundprinzipien der qualitativen Forschung entsprechen, indem sie Offen- heit ermöglichen. Dies bedeutet, Suggestiv- und ‹geschlossene› Fragen wenn immer möglich zu vermeiden. Fragen, die eine längere Erzählung generie- ren können, sollten eher an den Anfang des Interviews gestellt werden. Dies ermöglicht, dass sich der Interviewpartner an die Rolle als Erzählperson ge- wöhnt und das Gespräch nicht in das Muster eines «Frage-Antwort-Spieles» abdriftet (ebd.: 178-89).
Um die richtigen Interviewfragen auszuwählen und diese entsprechend im Leitfaden anzuordnen wendete ich das von Helfferich propagierte SPSS- System an (ebd.: 182-89).1 In der Interviewsituation selbst ist es wichtig, die Fragen bereits gut zu kennen und nicht dauernd vom Leitfaden abzulesen. Die spontan produzierte Erzählung hat Vorrang. Es sollte genug Raum für Informationen und Vertiefungen gelassen werden, die über den im Leitfaden abgesteckten Rahmen hinausgehen. Am Ende des Interviews gibt man der Erzählperson die Möglichkeit, eigene Relevanzen zu setzen und für sie wichtige Aspekte hinzuzufügen (Helfferich 2009: 178-89).
Im Falle der Kleinbauern war es manchmal schwierig, ein passendes Ge- sprächssetting zu finden, da viele von ihnen eine solche «akademisierte Si- tuation» nicht gewohnt sind. Es galt, den Leitfaden beiseite zu legen, die Fragen gut im Kopf zu behalten und sie zu stellen, wann immer die Si- tuation geeignet war; oft im Rahmen einer Besichtigung der Guayusapflan- zungen oder auch bei einem Schluck Wasser oder einer Schale Guayusa in der offenen Küche. Die meisten anderen Interviews fanden entweder am Ar- beitsort der befragten Person oder an einem öffentlich zugänglichen Ort wie einem Café oder Restaurant statt. Generell gab ich darauf Acht, dass sich die Gesprächspartner wohl fühlten und das Interview in einer Umgebung stattfand, die ihnen vertraut war. Wenn es aus logistischen oder organisa- torischen Gründen nicht anders möglich war, führte ich das Interview per Skype (Interviews 5d, 6d) oder Telefon (4d) durch (Anhang A). In zwei die- ser Fälle war es aus Zeitgründen nötig, Fragen, die im mündlichen Interview nicht gestellt werden konnten, schriftlich per E-Mail beantworten zu lassen
- was gut funktionierte.
Nachdem ich von den Gesprächspartnern die Zustimmung dazu erhalten hatte, nahm ich das mit einem Audiorekorder auf. Manchmal verzichtete ich jedoch auf eine Aufnahme. Dann notierte die Antworten meiner Inter- viewpartner anschliessend im Taxi oder zurück im Hostal. Vor allem in je- nen Fällen, wo ich eine gewisse Skepsis des Interviewpartners spürte oder wenn ich den Schutz seiner Persönlichkeit als wichtig einstufte, sicherte ich noch vor dem Gespräch die möglichst vollständige Anonymisierung des In- terviewmaterials zu. Alle geführten Interviews wurden mit dem Programm F4 vollständig transkribiert.
Experteninterviews Bei der Konzipierung und Durchführung der 16 Ex- perteninterviews orientierte ich mich an den von Bogner und Menz (2002) erarbeiteten Grundlagen. Sie unterscheiden das explorative, das systematisie- rende und das theoriegenerierende Experteninterview. Die von mir durchge- führten «systematischen» Experteninterviews zielen auf «systematische und lückenlose Informationsgewinnung» ab (ebd.: 37). Der Experte wird als eine Person angesehen, die «über ein bestimmtes, dem Forscher nicht zugängliches Fachwissen verfügt» (ebd.: 37), welches dem Forscher im Interview mitgeteilt werden kann. Im Rahmen multimethodischer Ansätze wie die von mir durch- geführte Ethnographie (Methodentriangulation) gehört diese Interviewform heute zu den zentralen Erhebungsinstrumenten (ebd.: 38).
Bogner und Menz begreifen die Datenproduktion anhand von Experten- interviews als einen «sozialen Prozess» (Bogner und Menz 2002: 36). In ihrer «konstruktivistischen» Umschreibung des Expertenbegriffs heben sie unter anderem den methodisch-relationalen Ansatz hervor:«Bis zu einem gewissen Grad [ist] jeder Experte auch das ‹Konstrukt› eines Forschungsinteresses, insofern man innerhalb der Untersuchung davon ausgeht, der ausgewählte Experte habe relevantes Wissen über einen bestimmten Sachverhalt» (ebd.: 40). Konsequenz dieses Expertenbegriffes ist, dass sich innerhalb einer Or- ganisation Experten «nicht immer (oder sogar selten)» erfolgreich unter den Leitenden in repräsentativer Funktion finden lassen, sondern vor allem auch «auf niederen Hierarchieebenen». Diese Aussage von Bogner und Menz (ebd.: 40) bestätigt meine in der Forschungspraxis gemachte Erfahrung, dass dieje- nigen Interviews mit Personen, die sich innerhalb ihrer Organisation auf einer mittleren oder niederen «Hierarchieebene» befinden oder befanden, tenden- ziell die ergiebigeren Gespräche waren.
Sogenannte Interaktionseffekte sind ein grundlegender Bestandteil der Datenerhebung und machen diese als «sozialen Prozess» erst möglich. In den Worten von Bogner und Menz sind die Interaktionseffekte «konstitutiv für jeden Prozess der Datenproduktion» (ebd.: 48). Ausgehend von dieser Erkenntnis entwerfen die Autoren ein Modell sechs typischer Interaktions- situationen, welche sich bei Experteninterviews ergeben können. Die Inter- aktionssituationen werden anhand der Kompetenzzuschreibung kategorisiert, welche der Experte aufgrund seiner persönlichen Wahrnehmung des Inter- viewers vornimmt (ebd.: 50-63): Der Interviewer kann als Co-Experte, als Experte einer anderen Wissenskultur, als Laie, als Autorität, als Komplize oder als potenzieller Kritiker wahrgenommen werden. Während eine perfekte, störungsfreie Kommunikationssituation unrealistisch und «von der Idee einer Datenproduktion unter laborähnlichen Bedingungen getragen ist» (ebd.: 66- 67), ermöglicht dieses Interaktionsmodell von Bogner und Menz «eine Viel- falt unterschiedlicher, aber gleichwertiger Interviewstrategien, deren situati- onsspezifische Angemessenheit von der Kompetenz des Interviewers und dem Untersuchungsinteresse abhängt» (ebd.: 66). Die unvermeidliche Divergenz von Interaktionsstrukturen in Experteninterviews verunmöglicht einen ein- heitlichen «Methodenkanon des Experteninterviews» und weicht dem «Prin- zip pluraler Methodik» (ebd.: 67).
Bogner und Menz (ebd.: 60-61) betonen, dass die sechs Idealtypen von Kompetenzzuschreibungen in der Interviewpraxis oft in kombinierter oder gemischter Form auftreten und sich im Verlauf des Interviews ändern, neu herausbilden, stabilisiert, aber auch revidiert werden können. Das Bild, wel- ches sich eine befragte Person vom Interviewer macht, kann «gezielt provo- ziert und für das eigene Untersuchungsinteresse strategisch genutzt werden» (ebd.: 61). Die Selbstdarstellung des Forschers und die Art und Weise, wie er sein Forschungsinteresse erklärt, entscheiden darüber, ob die Strategie Erfolg hat (ebd.: 61).
Das Bewusstsein über diese sozialen Dynamiken von Experteninterviews diente mir als wichtige Grundlage, um den Prozess der Datenerhebung er- folgreich gestalten zu können. In einem Interview orientierte der Befragte sei- ne Ausführungen an meinem Erkenntnisinteresse als Experte einer anderen Wissenskultur, ohne seinen eigenen fachlichen Kontext als Experte aufzuge- ben; gemäss Bogner und Menz ein Idealfall (Bogner und Menz 2002: 54). In anderen Situationen wiederum war es durchaus hilfreich, dass einige Inter- viewpartner mich Studenten als Laien wahrnahmen; eine Zuschreibung, die ich durch naives Verhalten teilweise bewusst hervorrufen konnte. Der Vorteil liegt hier darin, dass naive Fragen oft ertragsreiche und interessante Antwor- ten hervorrufen. Weil der Interviewer als vertrauenswürdig angesehen wird, kann er zudem an schwer zugängliche Informationen gelangen. Ein Nach- teil, den ich erfuhr, besteht darin, dass fachlich anspruchsvolle Fragen kaum geklärt werden und Nachfragen eher ignoriert werden (vgl. ebd.: 56).
Als potenzieller Kritiker wurde ich wahrgenommen, nachdem ich in zwei Interviews die eine oder andere kritische Frage gestellt oder Bemerkung ge- macht hatte. In derartigen Interviewsituationen geht der Befragte von einer grundlegenden Verschiedenheit der normativen Hintergründe der Untersu- chung mit seinen eigenen vertretenen Prinzipien aus (ebd.: 58). Entspre- chende Reaktionen meiner Interviewpartner, die auch von Bogner und Menz beschrieben werden, waren in einem Fall «das Bestreben des Befragten, das Interview möglichst kurz zu halten», und in einem anderen die «mangelnde Unterstützung des Forschungsvorhabens» (ebd.: 59). Ich konnte aus letzte- rem Interview dennoch einen Vorteil ziehen, welcher auch von Bogner und Menz (ebd.: 59) beschrieben wird: Die impliziten normativen Prämissen der Argumentation der befragten Person traten sehr deutlich zutage. Da der Ex- perte sich in Frage gestellt fühlte, legitimierte er seine eigenen Handlungs- orientierungen, Einstellungen und Deutungen sodann ausführlich (vgl. ebd.: 59).
Bei einigen Interviews konnte ich von den Vorteilen profitieren, die aus der Wahrnehmung des Interviewers als Komplizen hervorgehen. Diese Inter- aktionssituation bedingt, dass der Befragte eine Übereinstimmung der nor- mativen Orientierungen des Interviewers mit den seinigen vermutet (ebd.: 59). Als Interviewer wurde ich im Verlauf der betreffenden Gespräche als «Mitstreiter in einem vermachteten Handlungsfeld angesehen», als eine Ver- trauensperson, welcher Geheimnisse anvertraut und vertrauliche Informa- tionen mitgeteilt werden (ebd.: 59). Ich konnte in diesen Fällen auf eine «weitgehende Offenheit und Ehrlichkeit» der im Interview gegebenen Ant- worten zählen (ebd.: 60), was den gesammelten Daten einen zusätzlichen Wert verleiht.
Auswahl und Zugang zu Interviewpartnern Während meines Auf- enthaltes im Januar 2015 lernte ich die Geschäftsführerin einer Kleinbau- ernkooperative kennen. Sie gab mir die Kontaktdaten einer Frau in Deutsch- land, die Produkte der Kooperative vertreibt. An einer Messe im grenznahen Deutschland konnte ich mit dieser Frau sprechen. Sie schrieb mir die Koordinaten von Angestellten der Präfektur Napos und von ehemaligen Mitarbeitern der Firma ANDA auf. Bei ANDA war die Volontärsverantwortliche eine wichtige «Türöffnerin». Sie sagte mir für den fünftägigen Feldaufenthalt zu und vermittelte mir Interviewkontakte innerhalb der Organisation. Durch die teilnehmende Beobachtung kam ich mit weiteren Kichwasiedlungen und Vertretern in Kontakt, die ich später besuchte.
Ein Vertreter der Präfektur Napo stellte mir im April 2015 ein internes Dokument zu, worin eine grosse Anzahl von Guayusa-Kleinbauern aufgezeichnet sind. Ich glich diese Angaben mit einer kleinräumig aufgelösten Karte aller Kichwasiedlungen in der Provinz Napo ab. Somit konnte ich ohne Mittelsperson direkt auf mehrere Hundert Guayusakleinbauern zugehen. Ortskundige Taxifahrer mit geländetauglichem Untersatz chauffierten mich zu den von mir ausgewählten Ortschaften.
Im Internet fand ich ebenfalls einen Erfahrungsbericht über die Kommer- zialisierung von Guayusa, der von einem ecuadorianischen Entwicklungsex- perten verfasst wurde. Ich kontaktierte den Autor per E-Mail und führte mit ihm im Mai in Cuenca ein spannendes Interview über seine eigenen Ein- drücke. Er empfahl mir zudem die Leiterin einer NGO, welche mir noch ausführlicher über das Thema Assoziativität Auskunft geben könne. Beim nächsten Aufenthalt in Ecuador im August konnte ich mit ihr ebenfalls ein spannendes Interview führen. Auch für die Gespräche mit Vertretern von Ministerien in Quito waren Informationen aus dem Internet grundlegend. Der einzige gangbare Weg, Interviewtermine zu arrangieren, bestand darin, persönlich in den Verwaltungsgebäuden in Quito vorzusprechen.
3.1.3 Internetrecherchen
Zusätzlich zur Ethnographie und den semistrukturierten Interviews führte ich immer wieder interessengeleitete Recherchen mithilfe von Suchmaschi- nen durch. Die in dieser Masterarbeit verwendeten Quellen aus dem Internet sind im Literaturverzeichnis als Internetquellen aufgeführt. Sie stellen einen integralen Bestandteil der beschaffenen Daten als Grundlage dieser Master- arbeit dar und bereicherten die Forschungsresultate mit zusätzlichen Details, Erkenntnissen und Narrativen.
3.2 Auswertungsmethoden
Zur Auswertung und Analyse der Interviewtranskripte und Texte orientierte ich mich an Kuckartz 2014, insbesondere seinen Ausführungen zur inhalt- lich strukturierenden Inhaltsanaylse, und an O’Reilly (2012). Die Feldnotizen wurden wo nötig digitalisiert und zusammen mit allen Interviewtranskripten im Auswertungsprogramm MAXQDA (Version 11.1) analysiert.
3.2.1 Inhaltsanalyse
Die Inhaltsanalyse ist eine hermeneutische Vorgehensweise; die Textauswer- tung und -codierung ist «an eine menschliche Verstehens- und Interpretati- onsleistung geknüpft» (Kuckartz 2014: 39). Der Forschende muss die «Co- dierungen aufgrund von Interpretation, Klassifikation und Bewertung» vor- nehmen (ebd.: 39). Das hermeneutische Vorgehen bedingt daher, dass sich der Forscher des eigenen Vorverständnisses bewusst ist, dieses darlegen und «vorhandene Vor-Urteile über die Forschungsfrage reflektieren» kann (ebd.: 33). Für mich als Auswertenden war entscheidend, dass ich mir bereits vor der Datenbeschaffung und während des Auswertungsprozesses meine eigenen Vorurteile und Positionen immer wieder bewusst machte, um zu verhindern, dass sie den Beschaffungs- und Auswertungsprozess der Daten unbewusst beeinflussen. Bevor ich im April ausgiebig mit der Feldforschung begann, er- stellte ich eine Liste mit meinen Vorurteilen und verschiedenen Aspekten, die ich zu wissen glaubte, aber zu diesem Zeitpunkt unmöglich wissen konnte.
Von Kuckartz wusste ich, dass das Vorhaben, das gesamte Material auf systematische Art und Weise auszuwerten, vor «voreiligen, nur auf wenige Fälle bezogenen Schlussfolgerungen» bewahrt und den Forschenden «vor der Suggestion des Einzelfalls» schützt (ebd.: 77). Um die Bestätigbarkeit und Verlässlichkeit bzw. Glaubwürdigkeit (ebd.: 166) - Gütekriterien qualitativer Forschung - meiner Arbeit zu garantieren, folgte ich seiner Empfehlung, die einzelnen Schritte des Auswertungsprozesses möglichst genau in einem Forschungstagebuch zu dokumentieren (ebd.: 77).
Ablauf der Inhaltsanalyse Der Einstieg in die Analyse bestand in der initiierenden Textarbeit, was bedeutet, jeden Text erstmal sorgfältig zu le- sen, versuchen zu verstehen und wichtige Textstellen zu markieren (ebd.: 53, 79). Es gehört auch dazu, sogenannte Memos zu schreiben. Memos sind An- merkungen und Bemerkungen am Dokumentrand, die alles festhalten, «was bei der Lektüre an Besonderheiten auffällt», aber auch spontane Auswer- tungsideen (ebd.: 79). Ich unterschied zwischen verschiedenen Typen von Memos, die ich in MAXQDA mit den unterschiedlichen grafischen Varianten kennzeichnete: Der erste Typ enthielt schlicht die Niederschrift interessanter Aspekte eines Textes; der zweite Typ enthielt wichtige oder generalisierende Aussagen; der dritte Typ Aussagen, bei denen ich Mühe hatte sie zu ver- stehen, und der vierte Typ kennzeichnete Textstellen, bei denen ich einen direkten Theoriebezug feststellte. Zusätzlich zu diesen direkt an Textzeilen angebrachten Memos verwendete ich auch Code-Memos (zur Definition von Kategorien und deren Ausprägung) und Dokument-Memos (um Fallzusam- menfassungen festzuhalten) (vgl. ebd.: 144).
Ein nächster Schritt der Analysearbeit, die bereits im Juni und Juli zwischen den zwei längeren Feldaufenthalten begann, bestand in der Mar- kierung breit abgesteckter Themengebiete mit fünf verschiedenen Farben.
Für die thematischen Hauptkategorien eines Kategoriensystems gilt gemäss Kuckartz, dass sie «mehr oder weniger direkt aus der Forschungsfrage abge- leitet werden können» (Kuckartz 2014: 79). Die Farbmarkierung kann somit als Zwischenschritt zur Entwicklung eines Kategoriensystems angesehen wer- den. Ich wies mit der Highlighterfunktion von MAXQDA folgenden Themen die entsprechenden Farben zu:
Gelb: Marketisierung
Rot: Zertifizierungen
Einbindung in globale Netzwerke
Violett: Auswirkungen der Marketisierung
Grün: Macht-Ungleichgewichte
Nicht jedes Thema erwies sich dabei als gleichermassen im Textmateri- al vertreten, sodass ich nach fünf durchgesehenen Interviewtransktripten 21 gelbe, acht rote, sieben violette, fünf blaue und vier grüne Markierungen vor- genommen hatte. Im Rahmen einer deduktiv-induktiven Kategorienbildung fungierten diese fünf anfänglichen Themenbereiche als «eine Art Suchras- ter», mit welchem das Material «auf das Vorkommen des entsprechenden Inhalts durchsucht und grob kategorisiert» wurde (ebd.: 69).
Um zu einem ersten Hauptkategoriensystem zu gelangen, zog ich ich nun auch die verwendeten Interviewleitfäden und den mutmasslichen struktu- rellen Aufbau dieser Masterarbeit hinzu (vgl. ebd.: 60) und verglich sie mit einem thematischen Mindmap, welches ich aufgrund aller bis zu diesem Zeit- punkt vorhandenen und durchgesehenen Interviewtranskripte erstellt hatte. Das Ziel war, eine übersichtliche Anzahl von Hauptkategorien zu erhalten, die später anhand des Textmaterials nochmals in Unterkategorien unterteilt werden könnten. Es resultierten folgende zehn Hauptkategorien:
1) Guayusa: Transformation von Pflanze und Anbau
2) Veränderung sozialer Zustände
3) Preisdiskussionen
4) Zertifizierungen (inkl. Auswirkungen derselben)
5) Natürliche Umwelt
6) Verhältnis von Staat und Privatwirtschaft
7) Marktumfeld und Marktdiskurs
8) Kultur und Mentalität
9) ANDA-Alternativen
10) ANDA: Unternehmensstruktur und -entwicklung
Ich erstellte für jede der zehn Kategorien eine entsprechende Kategorien- definition und fügte den Definitionen fortwährend «Ankerbeispiele» hinzu. Die Kategorien 5 bis 8 wurden im Codesystem in MAXQDA der Ordnungs- bezeichnung KONTEXT unterstellt. Nun ging es darum, das vorhandene Textmaterial im Rahmen eines Testlaufes anhand des neuen Kategoriensys- tems zu kodieren. Die Zuordnung der meisten Textabschnitte funktionierte dabei schon sehr gut, auch wenn sich einige wenige, aber wichtige Text- stellen einer klaren Zuordnung verweigerten. Aus diesem Grund musste das Codesystem nach dem Testlauf nochmals angepasst werden: Zwei zusätzli- che Hauptkategorien (11 Marketisierung/Weitere und 12 Folgen der Marke- tisierung/Weitere) wurden erstellt. Darauf wurden die Kategorien 1, 2 und 11 einer neuen Hauptkategorie «Marketisierungen» untergeordnet, und die Kategorien 3, 4 und 12 einer neuen Hauptkategorie «Folgen der Marketisierung». Der Rest des Kategoriensystems blieb unverändert.
Neben den oben nummerierten Kategorien gab es nun drei umfassendere Oberkategorien (Marketisierung, Folgen der Marketisierung, Kontextbedin- gungen), welche acht dieser zehn Kategorien beinhalteten. Die Kategorien 9 und 10 blieben eigenständig. Vorerst orientierte ich mich an der praktischen Empfehlung von Kuckartz, bei der Kodierung jeweils mindestens die ganze Antwort auf eine betreffende Frage zuzuordnen (Kuckartz 2014: 82). Es können auch aus mehreren Absätzen bestehende «Sinnabschnitte» kodiert werden (ebd.: 82). Da sich einzelne Kategorien thematisch gegenseitig nicht zu 100 Prozent ausschliessen lassen, werden Textstellen manchmal mit mehreren Kategorien gleichzeitig kodiert.
Wie Kuckartz (ebd.: 150) beschreibt, kommt es immer wieder vor, dass während dem Schreibprozess «die intensive Beschäftigung mit einer themati- schen Kategorie» dazu führt, dass noch weitere Subkategorien gebildet oder bestimmte Dimensionen unterschieden werden können. Um die entsprechen- den Textstellen neu zu kodieren, ist ein nochmaliger Materialdurchlauf er- forderlich; dies war bei mir Anfang November der Fall (vgl. Anhang B für das abgeschlossene Kategoriensystem). Auch später im Schreibprozess kam es zu zusätzlichen Verästelungen des Ordnungssystems, wobei ich aber auf ei- ne Ausdifferenzierung des formellen Kategoriensystems verzichtete. Wie von Kuckartz empfohlen setzte ich hierbei auf eine systematische Darstellung der Textfragmente, welche ich direkt im Hinblick auf die Präsentation der Forschungsresultate aufbereitete (vgl. ebd.: 150).
Bei jeder qualitativen, inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse stehen die Themen und Subthemen «selbstverständlich (. . . ) im Mittelpunkt des Auswertungsprozesses» (ebd.: 93). Die Ergebnisdarstellung in dieser Mas- terarbeit stützte sich in der Folge auf eine kategorienbasierte Auswertung entlang der Hauptthemen nach Kuckartz (ebd.: 94). Es geht hierbei darum, das in die Kategorien und Subkategorien eingeordnete Datenmaterial so wie- derzugeben, dass deutlich wird, was zu den einzelnen Themen alles gesagt wird, und gegebenenfalls auch was nicht oder «nur am Rande zur Sprache [kommt]» (ebd.: 94).
3.2.2 Ethnographische Analyse
Ein grosser Vorteil der ethnographischen Forschung besteht in ihrem se- quenziellen Charakter: Analyse und Informationsbeschaffung sind miteinan- der verschränkt. Ich konnte im zweiten Feldaufenthalt nochmals mit Leuten sprechen, die ich während des ersten Aufenthalts getroffen hatte und ihnen weitergehende Fragen stellen, die sich aus der bisherigen Analyse ergeben hatten. Ausserdem konnte ich einen zweiten Anlauf nehmen, Leute zu tref- fen, die ich wegen logistischer oder zeittechnischer Gründe beim ersten Mal verpasst hatte (vgl. O’Reilly 2012: 182).
Neben einer grossen Menge an Fotos, Videos, Audioaufnahmen und vor allem Feldnotizen wurde mir während dem Schreibprozess immer wieder be- wusst, wie auch die nackte Erinnerung ein «starkes Forschungswerkzeug» darstellt (ebd.: 187): Trotz grosser Anstrengungen ist es nie möglich, alle relevanten Bestandteile der Feldforschung noch im Feld erstens zu erkennen, und zweitens aufzuzeichnen. Der ethnographische Zugang erinnerte mich bei der Auswertung der Interviews zudem daran, dass diese nicht als blossen Text angesehen und unreflektiert in die Auswertung übernommen werden dürfen. Sie müssen immer unter Berücksichtigung des sozialen Kontextes, in welchem Sprachäusserungen und Handlungen sich abspielen, interpretiert werden (ebd.: 188). Nichtsdestotrotz meldeten sich bei mir Zweifel, als ich an den Kontextkapiteln schrieb. Ist so viel Hintergrundinformation überhaupt nötig? Die Ansicht von Karen O’Reilly (ebd.: 195), dass viel Hintergrund- information wichtig sei, um eine umfassende Erörterung zu schreiben, und der Kontext bereits einen wichtigen Teil der Forschungsresultate darstellt, überzeugte mich dann doch.
Konkret wertete ich die Daten aus der ethnographischen Feldarbeit aus, indem ich alle Feldnotizen digitalisierte und auf die MAXQDA-Plattform lud. Dort kodierte ich sie anhand des Kategoriensystems, wobei ich Acht geben musste, sie in der Analyse nicht aus ihrem Kontext zu reissen. Der grosse Wert der Feldaufzeichnungen liegt meiner Meinung nach nicht zuletzt in der darin enthaltenen Kohärenz von Ort (Kontext), Objekt (Forschungs- gegenstand) und Subjekt (Beobachtete, Gesprächspartner).
3.2.3 Die Situiertheit des Forschenden
Rengert 1997 (in Herbert 2000: 558) bezeichnet ethnographische Forschung als die am wenigsten wissenschaftliche Methode aller möglichen Forschungs- zugänge. Sie beinhalte eine kleine Fallzahl, sei schwierig zu reproduzieren und setze ein hohes Mass an Subjektivität und Interpretation voraus (ebd.). Herbert entlarvt diese Kritik als «fundamental ironisch», indem er daran er- innert, dass interpretatives Vorgehen für jegliches wissenschaftliches Arbei- ten von zentraler Bedeutung ist (ebd.: 558). Ausgerechnet «Ethnographien von Naturwissenschaften» zeigen auf, dass in allen Wissenschaftsdiszipli- nen «mannigfaltige soziale Praktiken» die Art und Weise, wie wir Daten und Theorie infrage stellen um wissenschaftliche Resultate zu «erschaffen», strukturieren (Herbert 2000: 558). Darin besteht die «fundamentale Ironie» von Rengerts Kritik.
Das Nachdenken über diese Zusammenhänge von sozialer Praxis und Wissenschaft lässt uns erkennen, dass der Standpunkt des Forschenden di- rekt und unvermeidlich auf sein «Wissen» einwirkt (ebd.: 563). Das Ziel des Ethnographen und eines jeden wissenschaftlich Arbeitenden muss daher darin bestehen, sich der Situiertheit seines Wissens bewusst zu sein (Katz 1994 in ebd.: 558). Ich als Verfasser dieser Forschungsarbeit muss «klar dar- über werden, wie [mein] eigener kultureller und intellektueller Standpunkt die Aufnahme und Interpretation der zu erhebenden Daten formt» (ebd.: 563).
Im Jahr 2012 besuchte ich den südamerikanischen Kontinent erstmals und hielt mich während dreieinhalb Monaten in der Provinz Napo in Ecuador auf. Ich arbeitete als Freiwilliger bei einer Organisation, die im kleinen Rahmen Wiederaufforstung und Umweltbildungsprojekte betreibt. Als ausgebildeter Allgemeingeograph mit Bachelorabschluss war mir ein Vorwissen über und ein grundsätzliches Interesse an Umwelt- und gesellschaftlichen Themen ge- geben. Ich hatte grosse Neugier, das im Studium erworbene Wissen anzu- wenden und zu erweitern. Von Beginn weg war ich von den Ökosystemen tropischer Regenwälder fasziniert und entwickelte bald auch Sympathien für die in der Provinz Napo ansässige ethnische Gruppe Kichwas del Oriente. Gleichzeitig nahm ich war, wie ein grosser Teil dieser Volksgruppe in teils erdrückender Armut lebte.
Nach dem Praktikum machte ich eine dreizehnmonatige Reise durch Ecuador, Südamerika und verschiedene Länder Asiens. Wegen persönlicher Kontakte kehrte ich auch nach der Wiederaufnahme meines Studiums in der Schweiz in regelmässigen Abständen nach Ecuador zurück. Dabei nahm ich jeweils die Gelegenheit wahr, meine Kontakte aus dem Jahr 2012 zu pflegen. Obwohl ich die Pflanze schon kante, flammte mein Interesse für das Guayusa erst richtig auf, als ich im Januar 2014 in einem Laden in Puyo (Pastaza) eine kleine Tüte mit getrockneten Guayusablättern erblickte.
In der Zwischenzeit war ich schon wieder richtig im Studentenalltag an- gekommen. An einem lauen Frühlingsabend, an dem ich an einem Essay schrieb, erinnerte ich mich an die kleine Tüte mit den grünen Blättern und bereitete einen Aufguss zu. Der Geschmack des Guayusa-Aufgusses gefiel mir und ich fühlte mich sehr wach und gleichzeitig konzentrierter. Ich kann mich nicht mehr an die genaue Uhrzeit erinnern, als mir die Idee eines «Guayusa- Eistees» einfiel, den ich in der Schweiz verkaufen könnte. Jedoch wollte sie von da an nicht mehr aus meinem Kopf.
Nach einigen Wochen allmählicher Recherchen über das Internet stiess ich auf das Projekt ANDA, welches meine spontane Idee bereits verwirk- licht zu haben schien: Ökologischer Guayusaanbau und existenzsichernde Einkommen für die Kichwakleinbauern. Diese Schlussfolgerung erlaubten je- denfalls die zu diesem Zeitpunkt online erhältlichen Informationen. Im Laufe des Jahres 2014 wuchs mein Wunsch, ökologisch angebautes Guayusa in der Schweiz zu vertreiben und vielleicht Produkte der Firma ANDA in Europa zu verkaufen, immerzu.
Gegen Ende des Jahres 2014 musste ich mich dann mit der Frage ei- nes passenden Themas für meine Masterarbeit beschäftigen. Ich hatte mich innerhalb der Disziplin auf die Humangeographie spezialisiert und hegte ei- nige Sympathien für die in Zürich praktizierte kritische Wirtschaftsgeogra- phie. Mitstudenten und auch Freunde, die meine Vorliebe zu den «grünen Blättern» mittlerweile kannten, motivierten mich, meine Masterarbeit über das Thema Guayusa aus einer (wirtschafts-)geographischen Perspektive zu schreiben.
Während Prof. Dr. Christian Berndt mich mit einigen neuen theoreti- schen Konzepten bekannt machte, machte ich bei der Rekognoszierung im Januar 2015 erstmal eine ernüchternde Erfahrung: Die Wahrheit über viele Dinge kann plötzlich ganz woanders liegen, wenn man ein Thema vor Ort mit den eigenen Augen und Ohren untersucht; im Vergleich zur Konsultation der limitierten Menge an Informationen, die über das Medium Internet zugäng- lich sind. Ich möchte dieses Kapitel mit einem Zitat zu den Möglichkeiten und Grenzen wissenschaftlicher Forschung schliessen (Herbert 2000: 563):
«Wenn Wissen [also] immer situiert und unvollständig ist, folgt, dass unsere Ansprüche auf Wissen bescheiden sein sollten. (. . . ) Die beste Ethnographie erweitert unser Verständnis einer bestimmten Gruppe von Personen und verbessert unsere Fähig- keit konzeptionell zu denken, widerspiegelt jedoch immer eine spezifische Perspektive in einem spezifischen historischen Mo- ment.»
Kapitel 4 Kontext
4.1 Situation des Amazonasgebietes Ecuadors
Das Amazonasgebiet Ecuadors zeichnet sich durch eine ausserordentlich ho- he Biodiversität, aber auch durch eine hohe ökologische Fragilität aus. Noch in den 1970er-Jahren war diese bis dazumal kaum erschlossene Region Ecua- dors Inspiration für idyllisch anmutende Idealvorstellungen. Sie wurde in den restlichen Regionen Ecuadors als ein Gebiet wahrgenommen, welche un- unterbrochen von tropischen Regenwäldern durchzogen ist und in welcher auschliesslich indigene Völker lebten, in absolutem Einklang mit der Natur. Angesichts der heutigen Realität kann eine solche Vorstellung nicht mehr aufrechterhalten werden. Das ganze Amazonasbecken - inklusive seiner Be- standteile in Brasilien, Peru und Kolumbien - wird von mehr als 22 Millionen Menschen bewohnt, die teilweise in grossen Städten wohnen.1 Wie in den wei- teren erwähnten Amazonasländern gibt es auch in Ecuadors Amazonasgebiet immer mehr grosse Infrastrukturbauten wie Wasserkraftwerke und moderne Strassen.2
Besonders die Erdölindustrie ist im Amazonasgebiet Ecuadors in den letzten 40 Jahren stark gewachsen. Zurzeit nehmen auch die legalen und illegalen Bergbauaktivitäten zu. Der befragte Experte bezeichnet diese Ak- tivitäten aus zwei Gründen als sehr kritisch. Erstens ist das Ökosystem tro- pischer Regenwald sehr anfällig für Störungen. Zweitens ist das Amazonas- gebiet Ecuadors mit einer grossen Anzahl kleiner Dörfer besiedelt, die in der ganzen Region verteilt sind. Der offene Bergbau wird in der Amazonasregion dazu führen, dass die natürliche Lebensgrundlage vieler dieser Gemeinschaf- ten zerstört wird, was zu deren Umsiedlung und zur Zerstörung ihrer Kultur führen wird.3
Ein weiteres Problem stellt die illegale Rodung von Waldflächen dar. Ein Angestellter des Umweltministeriums erklärte mir, dass circa 80 Prozent der Fläche der Provinz Napo offizielles Naturschutzgebiet sind. Während in diesen, oft schwer zugänglichen, Gebieten ein «relativ» guter Schutz der Waldflächen erreicht wird, wird ausserhalb der geschützten Waldflächen viel Holz illegal geschlagen.4
Den Druck, welcher im Amazonasgebiet auf dem Ökosystem lastet, be- schreibt der Experte des Umweltministeriums als ein Zusammenspiel meh- rerer Faktoren: Die Kichwas leben immer noch hauptsächlich von dem, was ihnen der Wald hergibt, obwohl sie ihre herkömmliche Lebensweise als Re- genwaldnomaden spätestens im 20. Jahrhundert aufgegeben haben. Die Sess- haftigkeit hat eine erhöhte Nachfrage nach Konsumgütern, aber auch eine Bevölkerungszunahme zur Folge. Somit wird das Land, welches pro Fami- lie für landwirtschaftliche Aktivität zur Verfügung steht, von Generation zu Generation kleiner. Gleichzeitig gibt es kaum Möglichkeiten für wirtschaft- lich lohnende Aktivitäten wie zum Beispiel bezahlte Jobs. Die Ausbeutung des Ökosystems durch die ansässige Bevölkerung - starke Jagdaktivitäten und Holzschlag - wird durch die Ankunft der Rohstofffirmen, welche oft nur unzureichend beaufsichtigt werden, noch verstärkt. Die Erdöl- und Bergbau- firmen, welche ins Amazonasgebiet drängen, offerieren den dort ansässigen Menschen oft hohe, siebenstellige Dollarbeträge für wenige Hektaren Land.5
«Die Rohstofffirmen roden manchmal zehn bis 15 Hektaren Wald am Flussufer und graben nach Gold. So wird der Wald zerstört.» (Interview 4b, Abs. 50)
4.2 Innenpolitische Situation Ecuadors
Das politische System Ecuadors ist eine präsidentielle Republik. Während vieler Jahre war es sehr instabil, bis im Jahr 2007 der sozialistische Öko- nom Rafael Correa zum Präsidenten gewählt wurde. Er führte eine neue Verfassung ein, welche vom Volk per Abstimmung bestätigt wurde. Die neue Verfassung sorgte weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen, da darin die Rechte der Natur und das Recht auf ein «gutes Leben»6 verankert wur- den (Tages-Anzeiger 2008). Im Jahr 2013 wurde Rafael Correa vom Volk für weitere vier Jahre Amtszeit wiedergewählt (S. Fischer Verlag 2013: 144). Die Einrichtung neuer und die Modernisierung vieler Ministerien durch die Re- gierung Correa, die weitgehenden Reformen beispielsweise des Justizsystems, die Realisierung vieler grosser Infrastrukturprojekte und die Einführung ei- nes kostenlos zugänglichen Gesundheitssystems haben zu starken Verände- rungen im öffentlichen Leben Ecuadors geführt. In der Rohstoffförderung setzte der Präsident eine stärkere staatliche Beteiligung an den Gewinnen durch, während die ärmsten Bevölkerungsschichten von monatlichen Direktzahlungen profitieren. Insgesamt konnte die Anzahl der von Armut betroffenen Personen in Ecuador seit Rafael Correas Amtsantritt um 50 Prozent vermindert werden (Weltbank 2016).
In der Aussenpolitik geht die Regierung von Rafael Correa ebenfalls sehr selbstbewusst zu Werke. Eineinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt am 15. Januar 2007 teilte der neue Präsident mit, den zehnjährigen Vertrag für den Betrieb einer US-Militärbasis im Küstenort Manta, der im Jahr 2009 auslief, nicht zu verlängern (MercoPress 2009). Im Jahr 2014 wurde die offizielle US- amerikanische Entwicklungsagentur USAID ebenfalls aufgefordert, das Land zu verlassen (Kreymann 2014). Im Dezember 2014 sorgte dann eine kleine di- plomatische Krise mit Deutschland für Aufsehen. Die Regierung Correa ver- weigerte einer Delegation des deutschen Bundestages die Einreise, nachdem bekannt geworden war, dass diese Delegation mit mehreren oppositionellen Gruppen sprechen wollte (Bauchmüller 2014). Die Zukunft der staatlichen deutschen EZA-Agentur GIZ in Ecuador stand von da an für einige Mona- te auf der Kippe. Im September 2015 einigten sich die beiden Regierungen jedoch, auch künftig in Umweltschutzthemen zusammenarbeiten zu wollen (Neuber und Sack 2015).
Die Erschliessung neuer Rohstoffquellen auch in Nationalparks und die Beschleunigung der Bergbauaktivitäten hat der Regierung Correa einige Kritik eingebracht. Insbesondere der Entscheid, nach der gescheiterten YasuníInitiative7 für die Erdölförderung in den Nationalpark vorzudringen, resultierte in einer oppositionellen Volksbewegung. Diese sammelte Tausende Unterschriften, um gemäss Verfassung ein Referendum zu erzwingen. Es kam jedoch nicht zu einer Abstimmung. Staatliche Stellen erklärten einen grossen Teil der Unterschriften für ungültig (Vogt 2014).
Die politische Spannung verschärfte sich im Laufe des Jahres 2015, auch aufgrund des tiefen Erdölpreises, welcher die ausgabenfreudige Regierung zu Sparmassnahmen zwingt. Eine «unheilige» Koalition aus konservativen Kräften und indigenen Vereinigungen rief für den 13. August 2015 einen Ge- neralstreik aus. Es kam hierbei zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Demonstranten und Polizei. Der Streik hatte keine weitergehenden Konse- quenzen, wobei der beinahe zeitgleich stattfindende Ausbruch des 5900 Meter hohen Vulkanes Cotopaxi in der Nähe von Quito der Regierung Correa nicht ungelegen kam (Asmuth 2015).
4.3 Kultur und Mentalität
4.3.1 Kichwakultur in der Provinz Napo
Die Familie spielt als grundlegender Nukleus der Kichwa-Gemeinschaften eine herausragende Rolle. Den älteren Kichwas wird traditionell grosser Respekt entgegengebracht. Die meisten Kinder besuchen die Schule nur bis zur sechsten Klasse8 und arbeiten in ihrer Freizeit schon im jungen Alter im Haushalt und im landwirtschaftlichen Anbau mit.9
Die Philosophie, für die nachfolgenden Generationen eine gute Lebens- grundlage zu schaffen, ist in der Kultur verankert. Eltern sehen sich in der Pflicht, hart zu arbeiten, um ihren Nachkommen ein besseres Leben zu er- möglichen.10 Der Co-Präsident einer kleinen Kooperative beschrieb mir, wie er und seine Mitstreiter seit beinahe zehn Jahren für die Gründung und Existenz dieser Kooperative kämpften. Der Zusammenschluss der Kleinbau- ern verkörpere das Erbe ihrer Vorfahren und diene als Grundlage für die folgenden Generationen. So wie ihre Vorfahren wollen auch sie Sorge zu ih- rer Umwelt tragen, weshalb ihnen drei Prinzipien sehr wichtig seien: Keine Kontamination, keine Waldrodung und kein selektiver Holzschlag (Feldno- tizen 27. August 2015, Abs. 16-18). Der Präsident einer weiteren, grösseren Kooperative sagt im Interview über Sinn und Zweck derselben:
«Schauen Sie, wir haben damit begonnen, unsere Traditionen wiederzubeleben. Obwohl wir erst nicht daran glaubten, dass es uns gelingen würde zu verhindern, dass die Kultur unserer Vor- fahren zurückgestellt, weggeworfen, verlassen wird. In der Ge- genwart haben wir all dies gerettet, mit dem einzigen Ziel, dass unsere Nachkommen das Erbe, das wir für sie erarbeiten und den Weg, auf dem wir für sie vorangehen, kennen und wertschätzen werden. Und wir wollen, dass sie sich an das Opfer, das unsere Vorfahren zur Verteidigung des Territoriums und der kulturellen Identität erbracht haben, erinnern werden.» (Interview 2a, Abs. 81, eig. Übers.)
In Bezug auf die Bewirtschaftung des Landes spielt der Begriff der Cha- cra eine herausragende Rolle. Laut Interviewpartner 2a ist die Chacra die traditionelle Weise der Kichwas, Land zu bewirtschaften.11 Auf einem klei- nen Stück Land werden verschiedene Spezies in einem «Raum der Nah- rungsproduktion»12 kombiniert angebaut und wachsen im Zusammenspiel mit den natürlich vorkommenden, sich selbst reproduzierenden Pflanzen.13
[...]
1 Um eine tadellose Lesbarkeit zu garantieren, wird auf die Doppelnennung der männlichen und weiblichen Form verzichtet. Der Einfachheit halber wird wenn immer angebracht die männliche Form verwendet, welche die weiblichen Personen mit einschliesst.
2 pers. Mitteilungen: Jens Toeniges, August 2015; J. Black, 2014
1 Umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Kommodifizierung des Guayusa sind bisher keine veröffentlicht worden.
1 SPSS steht für: Interviewfragen sammeln, prüfen, sortieren, subsumieren
1 Die grössten Städte in der Amazonasregion Ecuadors sind Coca, Lago Agrio, Macas, Puyo, Tena und Zamora. Keine dieser Städte weist mehr als 100’000 Einwohner auf.
2 Ganzer Abschnitt: Experteninterview 5a, Abs. 34
3 Ganzer Abschnitt: Experteninterview 5a, Abs. 35-36
4 Ganzer Abschnitt: Experteninterview 4b, Abs. 42-44
5 Ganzer Abschnitt: Experteninterview 4b, Abs. 52
6 El buen vivir auf Spanisch, oder Sumak Kawsay auf Quechua/Kichwa
7 Wohlhabende westliche Länder hätten Ecuador im Sinne einer globalen Klimapoli- tik dafür entschädigen sollen, Erdöl aus dem biodiversen Yasuní-Nationalpark nicht zu fördern.
8 Interview 2a, Abs. 36
9 Interview 1a, Abs. 54-59; Int. 1c, Abs. 52-55; Int. 1d, Abs. 28-31; Int. 1e, Abs. 91-94
10 Interview 1b, Abs. 145-50; Int. 1d, Abs. 53-55
11 Interview 2a, Abs. 79
12 ebd., eig. Übers.
13 ebd.
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