Den Rechtschreibregeln auf der Spur: Wir erforschen, wie man im Mittelalter schrieb

Selbsttätig-entdeckendes Rechtschreiblernen anhand des Vergleichs der Originalfassung einer Luther-Fabel mit der heutigen Schreibweise


Unterrichtsentwurf, 2004

11 Seiten


Leseprobe

Inhaltsübersicht

1. Überlegungen zur Lerngruppe

2. Überlegungen zum Unterrichtsinhalt

3. Überlegungen zur methodischen Gestaltung

4. Lernziele

5. Verlaufsplan

6. Unterrichtsmaterial

Literaturverzeichnis

1. Überlegungen zur Lerngruppe

Bei der Klasse 6d, die mir schon aufgrund von Hospitationen und eigenen Unterrichtsversuchen seit dem ersten Ausbildungshalbjahr bekannt ist, handelt es sich um eine im Allgemeinen unproblematische Klasse. Weil sich die Jahrgangsstufenlehrer regelmäßig beraten und ihre Unterrichtsinhalte miteinander abstimmen, lassen sich Aussagen über die Leistungsstärke der Klasse machen, und die Klasse gilt im Vergleich mit der Parallelklasse als die leistungsstärkere.

Zu bedenken bezüglich meiner Unterrichtsprobe gilt es allerdings, dass für das erste Halbjahr dieses als besondere Fördermaßnahme konzipierten Kurses die im Fach Deutsch leistungsschwächeren Schüler ausgewählt wurden bzw. solche Schüler, die offensichtlich Förderbedarf haben, was ihre Selbst- und Arbeitsorganisation sowie ihre Rechtschreibkenntnisse angeht. Der Vergleich mit dem ebenfalls von mir unterrichteten Parallelkurs – hier wurden die Schüler nach der alphabetischen Reihenfolge aufgeteilt, er müsste daher eine größere Leistungsheterogenität aufweisen – zeigt aber, dass die Schüler der Klasse 6d denen der 6c gelegentlich überlegen sind. Dies ließ sich v. a. beobachten, als die Schüler aufgefordert waren, zum Thema „Hausaufgaben leichter erledigen“ zwei typische Hausaufgaben-Situationen in szenisches Spiel umzusetzen. Den Schülern des Förderkurses der Klasse 6d gelang es mühelos, sich vor den anderen Schülern zu exponieren und ein anspruchsvolles, mit selbstgefertigten Requisiten versehenes szenisches Spiel vorzuführen.

Zu den Schülern, auf die im Unterrichtsgespräch immer Verlass ist, gehören L. und S. Weniger intensiv, aber dennoch konstant arbeiten auch R. und N. im Plenumsgespräch mit. T. fällt die mündliche Beteiligung meinem Eindruck nach schwerer, er legt aber bei der Erledigung schriftlicher Aufgaben großen Eifer an den Tag. B., C. und Z. gehören zu den Schülern, die der Lehrer durch besondere Überlegungen aktivieren und zur Mitarbeit anregen muss. E. und V. lenkten sich in den vergangenen Stunden des öfteren gegenseitig vom Unterrichtsgeschehen ab. V. Arbeitshaltung und -verhalten hatte sich vor den Herbstferien derart verschlechtert, dass die Klassenlehrerin dies sanktionieren musste und sie an einem Klassenausflug nicht teilnehmen ließ.

Unabhängig von dieser spezifischen Lerngruppe müssen noch einige allgemeine Überlegungen zu den Lernvoraussetzungen dieser Altersgruppe angestellt werden. Zu den bedenkenswerten Voraussetzungen dieser Altersgruppe gehört, dass sie, wie man spätestens seit Piaget weiß, noch nicht die Stufe des konkret-operationalen Denkens überwunden und die des formal-operativen erreicht haben, d. h. das Denken in diesem Alter noch stark konkret und an Anschauung gebunden ist. Für den Grammatikunterricht hat das enorme Konsequenzen. Konrad Gaiser schrieb 1950 in seinem Aufsatz „Wieviel Grammatik braucht der Mensch?“ davon, dass wo nichts sei, sowohl der Kaiser wie der Philologe sein Recht verloren habe. So wie man nicht durch vorgeburtliche Maßnahmen der Mutter erzwingen könne, dass ein Kind schon „gehfähig und mit gebrauchsfähigem Gebiss“ zu Welt komme, nütze auch der Grammatikunterricht nichts, wenn nicht die geistigen Voraussetzungen da seien. Vor dem zwölften Lebensjahr, d. h. also grob gesprochen vor der Pubertät, sei Grammatikunterricht „ein unfruchtbarer Versuch am (noch) untauglichen Objekt“.[1] In den Bemerkungen zur methodischen Gestaltung der Stunde muss daher untersucht werden, inwiefern dies auch für den in dieser Stunde geplanten Rechtschreibunterricht gilt und wie die methodische Gestaltung hier Abhilfe schaffen kann.

2. Überlegungen zum Unterrichtsinhalt

Der Gegenstandsbereich für diesen Förderkurs ist insofern vorgegeben, als die Maßgabe des Schulleiters und des Klassenlehrers lautet, mit den Schülern hier primär Arbeitstechniken und Rechtschreibung vertiefend zu behandeln.

Die erste Unterrichtsreihe – wenn man bei einem einstündigen Kurs überhaupt von einer „Reihe“ sprechen kann – widmete sich dem unter der Kategorie „Arbeitstechniken“ im schuleigenen Lehrplan aufgeführten Aspekt „ Arbeitsmaterialien ordnen “. Dieser Aspekt wurde ausgeweitet zu der Thematik des häuslichen Arbeitsplatzes und dem arbeitsökonomischen Erledigen von Hausaufgaben. Von den in den Lehrplänen für die Jahrgangsstufen 5 und 6 aufgeführten Konkretisierungen zu dem Bereich „Arbeitstechniken“[2] wurden bisher v. a. das Alphabetisieren und Nachschlagen aufgegriffen.

Für den Bereich „Rechtschreibung“ sehen die Lehrpläne die drei wenig trennscharfen Kategorien „satzbezogen“, „wortbezogen“ und „Selbständigkeit“ vor. Aufgabe des Rechtschreibunterrichts in den Klassen und 5 und 6 ist demnach, den Grundwortschatz zu sichern und zu erweitern, das Laut-Buchstaben-Verhältnis sowie Abweichungen davon zu beleuchten, für Vokallängen und Ausnahmen davon zu sensibilisieren, die s-, ss- und ß-Schreibung zu thematisieren sowie die Schüler mit den Rechtschreibprinzipien der Umlautschreibung und Auslautverhärtung und dem evtl. Erhalt der Doppelschreibung – gemeint ist wohl das Stammprinzip – zu konfrontieren. Des weiteren vorgesehen ist die Großschreibung von Konkreta, von Anredepronomen sowie von Nomen mit den Endungen „heit“, „keit“, „ung“ und „nis“, die Zusammenschreibung sowie die Silbentrennung. Zu den satzbezogenen Phänomenen, die in dieser Doppeljahrgangsstufe behandelt werden sollen, gehören die Großschreibung von Satzanfängen, die verschiedenen Satzschlusszeichen sowie das Komma bei Datum, Anrede, Aufzählung und wörtlicher Rede.[3] Die schuleigenen Lehrpläne der Hauptschule ordnen diese zu behandelnden Themen im Sinne der Forderung nach einem integrativen Deutschunterricht den verschiedenen Themen des Deutschbuches zu. Der Umstand, dass für den Förderkurs Deutsch nur eine Unterrichtsstunde pro Woche vorgesehen ist, erschwert es, dieser Forderung nach Integration des Rechtschreibunterrichts auch im Förderkurs gerecht zu werden. Im Rahmen meiner Reihe mit dem Titel „ den Rechtschreibregeln auf der Spur “ beabsichtige ich aber, von einem Stück Literatur, und zwar einer Fabel, auszugehen. Anhand der Differenzerfahrung von heutiger Schreibweise und Originalfassung sollen die Schüler in dieser Stunde Mutmaßungen zu Regeln der heutigen Rechtschreibung anstellen. In den folgenden Stunden werden dann die verschiedenen Rechtschreibprinzipien, die der eindeutigen Laut-Buchstaben-Zuordnung, dem Phonemprinzip, zuwiderlaufen, sukzessive zur Sprache kommen.

3. Überlegungen zur methodischen Gestaltung

Wie der Untertitel der Unterrichtsstunde schon andeutet, folgt die methodische Gestaltung der Stunde dem Prinzip des entdeckenden Lernens. Mein Verhältnis zum sogenannten entdeckenden Lernen ist ein durchaus kritisches. Zum einen beruht die Forderung nach entdeckendem Lernen auf den zweifelhaften erkenntnistheoretischen Prämissen des Konstruktivismus. Zum anderen gibt es durchaus ein Erfordernis des Lehrens, denn es ist ja geradezu unmöglich, Kinder alles selbst entdecken lassen zu wollen. „Die Kunst ist lang, / doch kurz ist unser Leben“, das gilt nicht zuletzt auch für den Unterricht. Es müssen also schlagkräftige Argumente angeführt werden können, will man in dieser Stunde die höchst effiziente und oft zu Unrecht abgewertete Form des lehrgangsförmigen Rechtschreibunterrichts zugunsten eines zeitaufwendigen induktiven, selbstentdeckenden Lernens aufgeben. Die für einen Unterrichtsentwurf aufgrund der strikten formalen Vorgaben gebotene Kürze birgt dabei die Gefahr der Überpointierung, weil für die so dringend erforderliche Ausführung der Zuspitzungen kein Raum ist.

[...]


[1] Konrad Gaiser, „Wieviel Grammatik braucht der Mensch?“ (1950), in: Hans G. Rötzer (Hrsg.), Zur Didaktik der deutschen Grammatik (Darmstadt: 1973), S. 1-15 .

[2] Vgl. Ministerium für Schule, Jugend und Kinder (Hrsg.), Richtlinien und Lehrpläne für die Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Deutsch (Düsseldorf/Frechen: 1989 (unveränderter Nachdruck 2003)), S. 116.

[3] Vgl. ebd., S. 111-113.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Den Rechtschreibregeln auf der Spur: Wir erforschen, wie man im Mittelalter schrieb
Untertitel
Selbsttätig-entdeckendes Rechtschreiblernen anhand des Vergleichs der Originalfassung einer Luther-Fabel mit der heutigen Schreibweise
Autor
Jahr
2004
Seiten
11
Katalognummer
V32179
ISBN (eBook)
9783638329637
ISBN (Buch)
9783640108695
Dateigröße
768 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In diesem Unterrichtsversuch werden die Schüler nicht mit Regelwissen zur Rechtschreibung überfordert, sondern sie entdecken selbständig Phänomene unserer Rechtschreibung anhand der Originalfassung einer Luther-Fabel. Der Entwurf versucht dabei die Grabenkämpfe der Germanisten bezüglich des Rechtschreiblernens zu skizzieren: Ist Rechtschreibung nur ein Ränkespiel des Bildungsbürgertums? Oder gibt es grammatische Prinzipien, denen die Rechtschreibung folgt? Mit AB und Anregungen zur Binnendiff.
Schlagworte
Rechtschreibregeln, Spur, Mittelalter
Arbeit zitieren
Marcel Haldenwang (Autor:in), 2004, Den Rechtschreibregeln auf der Spur: Wir erforschen, wie man im Mittelalter schrieb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32179

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