Es stellt sich die Frage, warum westlich-demokratische Regime immer wieder eine scheinbar innere, zusammenhängende Logik von Wohlfahrt, Demokratie und Kapitalismus betonen, obwohl Kapitalismuskritik von links und von rechts inzwischen eine Form der „Salonfähigkeit“ erreicht hat, die als historisch einmalig zu bezeichnen ist. Was jedoch sind theoretische Bezugs- und Spannungspunkte zwischen Kapitalismus und Demokratie? Ist Demokratie ein geeignetes Konzept zur Überwindung des Kapitalismus?
Nähert man sich diesen Fragen, ist das Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie historisch mit Frank Deppe geklärt: Wo sich frühe Formen einer kapitalistischen Wirtschafts-ordnung entwickelten und durchsetzten – genauer: in England seit dem 17. Jahrhundert –, entwickelte sich (im Gefolge der so genannten ‚Glorious Revolution‘ von 1688) die repräsentative Demokratie als eine Form der Staatsorganisation. C. B. Macpherson habe gezeigt, wie sich im 17. Jahrhundert die Herausbildung einer Eigentümer-Marktgesellschaft auf der Ebene des politischen Denkens reflektiert: Thomas Hobbes konstruiere den starken ‚Leviathan‘, der Staat, der durch den Vertrag freier und vernünftiger Individuen geschaffen werde, als Voraussetzung für die Sicherheit der Bürger und ihres Eigentums, also für das Funktionieren einer Rechtsordnung. Für John Locke trete die Frage in den Mittelpunkt, wie die bürgerliche Klasse, deren Privateigentum zu einem vorstaatlichen Naturrecht erklärt werde, Einfluss auf die Staatsgeschäfte nehmen könne und die Macht der staatlichen Zentralgewalt begrenzt werde. Die Gesellschaft werde zu einer Anzahl freier und gleicher Individuen, die zueinander in Beziehung stünden als Eigentümer ihrer eigenen Fähigkeiten und dessen, was sie durch deren Anwendung erwerben würden. Die Gesellschaft bestehe aus Tauschbeziehungen zwischen Eigentümern. Der Staat wird zu einem kalkulierten Mittel zum Schutz dieses Eigentums und der Aufrechterhaltung einer geordneten Tauschbeziehung.
Inhaltsverzeichnis
- „Es ist alles so offensichtlich“. Zum Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie
- Theoretische Bezugs- und Spannungspunkte zwischen Kapitalismus und Demokratie
- Kapitalismus und Demokratie: Historische Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen
- Demokratie als Konzept zur Überwindung von Herrschaft
- Demokratie von unten und die Wiederentdeckung der „Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit“
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay analysiert das Spannungsverhältnis zwischen Kapitalismus und Demokratie. Er beleuchtet die historischen Entwicklungen und die aktuellen Herausforderungen, die sich aus der Verbindung dieser beiden Systeme ergeben.
- Die historische Entwicklung des Verhältnisses von Kapitalismus und Demokratie
- Die Kritik am Kapitalismus und seinen Auswirkungen auf die Demokratie
- Die Rolle des Staates und der Politik im Kontext des Kapitalismus
- Die Bedeutung der sozialen Bewegungen und der Demokratisierung von unten
- Die Suche nach einem neuen Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie
Zusammenfassung der Kapitel
Der Essay beginnt mit einer Analyse der aktuellen Debatte über das Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie. Er beleuchtet die Kritik am Kapitalismus und die Forderung nach einer stärkeren demokratischen Kontrolle. Dabei werden die zentralen Argumente von Colin Crouch, Ingo Schulze, Alex Demirovic und anderen Autoren vorgestellt.
Im zweiten Kapitel wird die historische Entwicklung des Verhältnisses von Kapitalismus und Demokratie untersucht. Dabei wird die Rolle des Liberalismus und der bürgerlichen Revolutionen in der Entwicklung des modernen Staates beleuchtet.
Das dritte Kapitel widmet sich der Frage, ob Demokratie ein geeignetes Konzept zur Überwindung des Kapitalismus ist. Es werden verschiedene demokratietheoretische Perspektiven vorgestellt, die sich mit der Frage der Machtverteilung und der Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse auseinandersetzen.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Idee der „Demokratie von unten“ und ihrer Bedeutung für die Überwindung von Herrschaftsverhältnissen. Es werden die Ideen von John Holloway und Jacques Rancière vorgestellt, die eine radikale Umgestaltung der Demokratie fordern.
Schlüsselwörter
Demokratie, Kapitalismus, Neoliberalismus, Herrschaft, Macht, soziale Ungleichheit, Gesellschaftspolitik, Rätedemokratie, Politik, Politisches, Produktivkräfte, gesellschaftliche Arbeit.
- Arbeit zitieren
- Ole Norhausen (Autor:in), 2013, „Es ist alles so offensichtlich“. Ein Essay zum Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322106