Konfliktanalyse nach Giesecke. Theoretische Grundlagen und Beispiel


Hausarbeit, 2004

32 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Konfliktorientierung nach Hermann Giesecke – Theoretische Grundlagen
2.1 Der Konflikt als Lerngegenstand
2.2 Lernziele des politischen Unterrichts
2.2.1 „Mitbestimmung“ als oberstes Lernziel
2.2.2 Die Teillernziele des politischen Unterrichts
2.3 Die Methode „Konfliktanalyse“

3 Konfliktanalyse am Beispiel der Sonderabgabe auf Alkopops
3.1 Konfrontation
3.2 Analyse
3.3 Stellungnahme
3.4 Kontrovers-Verfahren
3.5 Generalisierung

4 Fazit

5 Anhang
5.1 Literatur- und Quellenverzeichnis
5.2 Materialien

1 Einleitung

Als Wolfgang Giesecke seine Theorie des politischen Unterrichts mit dem zu behandelnden Gegenstand „Konflikt“ 1965 erstmalig publizierte, befand sich die deutsche politische Bildung in einem weit reichenden Veränderungsprozess. Gieseckes Konflikttheorie hat sich über die Jahre hinweg als sinnvoll und durchführbar erwiesen und ist bis heute aktuell. Es gilt als eines der wichtigsten Konstrukte in der Didaktik der Politik.

Um Gieseckes Konfliktorientierung im Unterricht anwenden zu können, ist es notwendig, seine theoretischen Überlegungen dazu darzulegen. Im ersten Teil der Arbeit soll dies nach einer kurzen historischen Einordnung geschehen. Die Methode der Konfliktanalyse wird erläutert. Anschließend wird eine Konfliktanalyse dargestellt. Ähnlich einem Unterrichtsentwurf sollen Überlegungen zur praktischen Durchführung der Konfliktanalyse in die Arbeit einfließen, wie Organisation der Arbeitsgruppen oder mögliche Präsentationsformen.

Ziel der Arbeit soll keine persönliche Bewertung des Ansatzes Gieseckes sein als viel mehr die Betrachtung der Umsetzung im Sozialkundeunterricht.

2 Konfliktorientierung nach Hermann Giesecke – Theoretische Grundlagen

2.1 Der Konflikt als Lerngegenstand

Hermann Giesecke formuliert 1965 in seiner „Didaktik der politischen Bildung“ den Begriff des Konfliktes erstmalig als zentralen Lerngegenstand der politischen Bildung. Vorausgegangen war eine Umorientierung in der politischen Bildung und ihrer Funktion für die gegenwärtigen Industriegesellschaften in den 1960er Jahren. Erste Tendenzen dazu gab es bereits 1957 mit der Erziehungsoffensive in den USA als Reaktion auf den Sputnikstart der Sowjetunion. Erstmals stellte man die Beziehung zwischen Fortschritt und Investitionen der Technologie und Wirtschaft in Beziehung zum Bildungssystem. Die Formel „Wachstum durch Bildung“ wurde umfassend anerkannt, wobei man dabei ursprünglich mehr auf Expansion aus war als auf inhaltliche Auseinanderstetzungen [vgl. Kuhn 1990: 219f.].

Zur Debatte über den Zustand der politischen Bildung kam es schließlich aufgrund einer Reihe von Hakenkreuzschmierereinen von Jugendlichen – nicht nur in Deutschland. Die Kritik am vorherrschenden politischen Unterricht wurde stetig lauter und man fragte nach dem „Wie“.

Giesecke und so genannten die hessischen Didaktiker versuchen daraufhin, ihre vorhandene Konzeption zu etablieren. 1965 veröffentlicht Giesecke seine „Didaktik der politischen Bildung“ erstmalig, „Erziehung zum Konflikt und zum Konfliktverhalten“ [ebd.: 222] wird als Mittelpunkt der Diskussion benannt. Angelehnt an Dahrendorfs soziologische Konflikttheorie sei ein Konflikt ein normaler Vorgang, der Oppositionen bildet und legitimiert.

Mit dieser Konzeption behandelt Giesecke die gestellte Wie-Frage eingehend: Der „Konflikt“ soll nicht nur zur Inhaltsauswahl dienen, sondern definiert auch das Politische als obersten Lerngegenstand. Nach Giesecke ist Politik das „noch nicht Entschiedene“, „etwas offenes, umstrittenes“. Der politische Unterricht dient damit der „Analyse aktueller politischer Konflikte“ [Kuhn 1990: 223], die nicht nur auf institutioneller, sondern besonders auf gesellschaftlicher Ebene stattfindet. Damit Jugendlichen Politik „schmackhaft“ gemacht werden kann, muss sie in ihrer Bearbeitung für den politischen Unterricht beim Alltäglichen beginnen [vgl. Gagel 1991: 8].

Walter Gagel begründet die Auswahl des Konfliktes als Lerngegenstand damit, dass „die Schüler dadurch eine realitätsnahe Vorstellung von politischer Wirklichkeit erhalten.“ [ebd.: 11ff.]. Er fasst dies mit drei Stichworten zusammen [ebd.][1], die als mentale Voraussetzung für die Behandlung von Konflikten dienen:

Konfliktfähigkeit: Den Schülern soll die Konfrontation mit Kontroversen als „[…] Normalfall des politischen Lebens […]“ begegnen. Das im Mensch vorhandene Harmoniebedürfnis muss abgebaut und die Lernenden müssen mit der „Pluralität und Widersprüchlichkeit“ vertraut gemacht werden.

Abbau des ideologischen Denkens: Die im Schüler etablierten dichotomen Gesellschaftsbilder sollen mittels Konfliktorientierung aufgebrochen werden. Dabei geht es nicht darum, dem Schüler das „richtige“ oder „falsche“ Gesellschaftsbild aufzuzeigen, als vielmehr die vorhandenen politischen Gesamtvorstellungen als Teilwahrheiten anzusehen. So wird ihm der Blick auf „ein Denken in Differenzierungen, in Alternativen“ ermöglicht und wird somit „realitätsnäher“.

Entzauberung des Staates: Werden dem Schüler die politischen Institutionen in Form von Lehrgängen inhaltslos beschrieben, kann sich der Eindruck von Autorität und Macht festsetzen. Stellt man dagegen den Konflikt in den Vordergrund, wird sichtbar, dass auch diese „staatlichen Autoritäten Niederlagen erleiden oder […] in Kompromissen zurückstecken [müssen].“

2.2 Lernziele des politischen Unterrichts

2.2.1 „Mitbestimmung“ als oberstes Lernziel

Giesecke formuliert in seiner „Didaktik der politischen Bildung“ in der Neuauflage von 1972 Mitbestimmung als oberstes Lernziel, wobei er dies nicht als bloßes „’Mitmachen’ in den vorgegebenen Institutionen und Organisationen“ meint, „sondern auch um deren planmäßige Veränderung in Richtung auf zunehmende Demokratisierung der Gesamtgesellschaft“ [1972: 139] versteht. Dieses Lernziel leitet sich nach Giesecke aus dem Grundgesetz ab, wenn man es „historisch-dynamisch“ [ebd.: 158] auslegt. Historisch deshalb, weil bestehende Strukturen nicht neu erfunden, sondern ausgebaut und korrigiert werden müssen, und dynamisch, weil die „planmäßige Veränderung“ keine einmalige Handlung, sondern ein fortlaufender Prozess ist [vgl. ebd.: 141].

Die fundamentale Demokratisierung soll nicht nur die staatliche Ebene betreffen, sondern „in allen Bereichen, in denen Menschen – notwendigerweise oder freiwillig – miteinander kommunizieren“ [ebd.: 139]. Die Art und Weise, wie die prinzipielle Beteiligung aller Menschen in allen sie betreffenden Bereichen realisiert wird, sei allerdings nicht festgelegt [vgl. ebd].

Zusammengefasst meint Giesecke, dass die Menschen ihre Möglichkeit, bei der Demokratisierung mitzuwirken, nur nutzen können, wenn sie ihre Interessen feststellen, artikulieren und vertreten. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, Schüler zur Mitbestimmung anzuregen und zu befähigen. Deshalb ist Mitbestimmung nicht nur primäres Lernziel, sondern auch „Gegenstand des Unterrichts selbst“ [ebd.: 140].

Doch selbst wenn jeder Mensch das Recht auf Mitbestimmung hat, ist es nötig, „diejenigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten [zu] lernen, die zur Wahrnehmung dieses Rechts erforderlich sind.“ [ebd.: 139] Um dies zu erreichen, formuliert Giesecke fünf Teillernziele, die erst im Zusammenhang zu einem optimalen Politikunterricht und damit zum Gelingen des obersten Lernziels „Mitbestimmung“ beitragen.

2.2.2 Die Teillernziele des politischen Unterrichts

Auch bei den Teillernzielen spricht Giesecke nicht vom Erfinden neuer, sondern von der Korrektur vorhandener. Damit spricht er sich gegen den „Lernziel-Fetischismus“ aus, der „möglichst jeden Lernzielschritt bereits in einem systematischen Zusammenhang vorausbestimmen will.“ [ebd.: 141]

Aus dem obersten Lernziel „Mitbestimmung“ lassen sich die Teillernziele ableiten. Hierbei steht die Frage im Vordergrund, welche mentalen und kognitiven Voraussetzungen geschaffen sein müssen, damit man in einer bestimmten politischen Handlungssituation[2] sein Recht auf Mitbestimmung ausführen und durchsetzen kann. Giesecke benennt fünf Teillernziele [ebd.: 144-158][3]:

1. Analyse aktueller Konflikte: Es soll gelernt werden, „[…] sich im Sinne des allgemeinen Fortschritts an Demokratisierung und der Durchsetzung der eigenen Interessen in manifesten Konflikten zu engagieren und diese möglichst auf die latenten zurückzuführen.“ Latente Konflikte beschreiben die „epochal-langfristig“ und global auftretenden Konflikte, die stets im Hintergrund vorhanden und bereit sind, in den Vordergrund zu treten. Mittels dieser Konflikte wird der Demokratisierungsprozess vorangetrieben. Manifeste Konflikte sind klare, eindeutige Konflikte, die die latenten erst zum Ausdruck bringen.
2. Training systematischer gesamtgesellschaftlicher Vorstellungen: Aufgabe ist es, dem Schüler zu ermöglichen, das sich durch Sozialisation erworbenes Gesamtgesellschaftsbild zu modifizieren und Konfliktsituationen von der rein subjektiven Bewertung unabhängig zu machen. Dazu bedarf es verschiedener Schwerpunkte, die Giesecke aufgrund einer Vielzahl an möglichen Stoffinhalten festlegt. Damit soll der Schüler in einen Prozess versetzt werden, „[…] der die Verbesserung des Bewusstseins in der Auseinandersetzung mit der Realität in Gang zu setzen vermag.“ Ziel ist es dabei nicht, das „falsche Bewusstsein“ augenblicklich durch ein „richtiges“ zu ersetzen.

[...]


[1] Alle folgenden Zitate in den Punkten 1. bis 3. stammen, sofern nicht anders gekennzeichnet, aus diesem Textabschnitt.

[2] Giesecke unterscheidet zwei Arten von Handlungssituationen: die mittelbare und die unmittelbare. Während die mittelbare die „’eigentliche’ politische Handlungssituation des Bürgers“ [1972: 143f.] umfasst, wie beispielsweise die im Grundgesetz manifestierte Wahl zur Ausführung der „repräsentativen Demokratie“ [ebd.], betrifft die unmittelbare Handlungssituation die politische Aktivität in „gesellschaftlicher Organisationen“ [ebd.]

[3] Alle folgenden Zitate in den Punkten 1. bis 5. stammen, sofern nicht anders gekennzeichnet, aus diesem Textabschnitt.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Konfliktanalyse nach Giesecke. Theoretische Grundlagen und Beispiel
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltung
Einführung in die Didaktik der Sozialkunde
Note
1-
Autor
Jahr
2004
Seiten
32
Katalognummer
V32212
ISBN (eBook)
9783638329897
Dateigröße
1148 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konfliktanalyse, Giesecke, Theoretische, Grundlagen, Beispiel, Einführung, Didaktik, Sozialkunde
Arbeit zitieren
Lydia Brandl (Autor:in), 2004, Konfliktanalyse nach Giesecke. Theoretische Grundlagen und Beispiel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32212

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