Antifaschismus als Legitimation einer linksextremistischen Herrschaft am Beispiel der DDR


Hausarbeit, 2012

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Terminologien im Begriffsfeld des Antifaschismus
1.1 Extremismus
1.1.1 Linksextremismus
1.2 Faschismus
1.2.1 allgemeine / wissenschaftliche Faschismustheorie
1.2.2 marxistisch-leninistische Faschismustheorie
1.3 Antifaschismus
1.3.1 demokratische Antifaschismustheorie
1.3.2 extremistische Antifaschismustheorie

2. Analyse des Antifaschismus in der DDR
2.1 Allgemeines zur DDR
2.2 Die Rolle des Antifaschismus in der DDR
2.2.1 als Integrationsideologie
2.2.2 als Legitimationsgrundlage der SED Herrschaft
2.2.3 in der Aufarbeitung der NS-Zeit

3. Fazit

Einleitung

Bekennt man sich offen zu den Grundsätzen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung, so impliziert dies zweifellos eine Ablehnung des Faschismus als eine Form von totalitärer, diktatorischer Herrschaft. Spricht man dabei im Umkehrschluss jedoch allen überzeugten Antifaschisten eine demokratische Grundüberzeugung zu, so ist diese Gleichsetzung defi- nitiv unzutreffend. Keineswegs ist jeder Antifaschist gleichzeitig auch Befürworter der De- mokratie. Die Ablehnung von Faschismus ist nicht selten der einzige gemeinsame Nenner verschiedener Gruppen von Antifaschisten. Zu oft wurde und wird der Begriff Antifaschismus von Bewegungen benutzt, die neben ihrer Gegnerschaft zum Faschismus ebenso offen ihre Ablehnung einer demokratischen Ordnung kundtun. Unter dem Vorwand des Antifaschismus legitimieren sie ihre Vorstellung einer Gesellschaftsordnung. Gleichzeitig werben sie um Unterstützung von demokratischen Partnern, die auf dem Konsens des Antifaschismus zu Bündnissen bereit sind. Antifaschismus kann aus rein demokratischen Überzeugungen betrieben werden, jedoch ist die Bekämpfung des Faschismus nicht immer auch mit dem Willen verbunden, eine demokratische Ordnung vor allen Formen einer Diktatur zu schützen. Der Antifaschismus richtet sich per se gegen den rechtsextremistischen Faschismus, nicht aber zwingend gegen eine andere Form der Dik- tatur.

In der Geschichte der DDR spiegelt sich genau dieser Ansatz eines extremistischen Antifa- schismus wieder. Zwar grenzte sich die parteipolitische Führung mit ihrem antifaschisti- schen Staat klar zum kapitalistischen Faschismus der Vergangenheit ab, doch stand die Er- richtung eines demokratischen Staates nie zur Debatte. Stattdessen diente der Begriff Anti- faschismus stets zur Legitimation der Parteiführung und der Existenz der DDR-Diktatur. Die Analyse der Rolle, die dem Antifaschismus sowohl in der Legitimation und Integration als auch in der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit in der DDR zukam, soll zentrales Thema dieser Arbeit sein.

Bevor es zur konkreten Analyse kommt, werden im Folgenden zunächst theoretische Normen herausgearbeitet, deren Definition und Abgrenzung bei der Beschäftigung mit dem Thema Antifaschismus vonnöten sind. In diesem Teil dienen grundlegende Werke zum Extremismus wie zum Beispiel das Lehrbuch für politischen Extremismus von Hans- Gerd Jaschke oder verschiedene Schriften von Eckhard Jesse zur Klärung der Begrifflichkeiten bei. Veröffentlichungen von Wolfgang Wippermann werden insbesondere bei der Beschäftigung mit dem Begriff Faschismus zu Rate gezogen. Unterstützend trägt der Bericht Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zur allgemeinen Definition und der Abgrenzung verschiedener Begrifflichkeiten bei.

Im zweiten Teil der Arbeit erfolgt zunächst ein allgemeiner Informationspart über die Deutsche Demokratische Republik. Die für diesen Abschnitt verwendete Literatur setzt sich hauptsächlich mit allgemeinen geschichtlichen Daten über die DDR auseinander. Besonders Hermann Weber liefert mit seinem Werk: DDR- Grundriß der Geschichte erforderliche Inhalte. Die Analyse des Antifaschismus in der DDR wurde insbesondere seit den 1990er Jahren von zahlreichen Autoren mit sehr unterschiedlichen Ansätzen aufgegriffen. Für diese Ausarbeitung wichtige Inhalte liefert unter anderem Robert Erlinghagen mit seinem Buch zur Diskussion um den Begriff des Antifaschismus seit 1989/90 sowie der Aufsatz Plädoyer für den genauen Blick in Helden, Täter und Verräter von Anette Leo und Peter Reif-Spirek. Zudem wird Armin Pfahl-Traughber häufig aus seinem Beitrag zum Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung von 2010 zitiert.

1. Terminologien im Begriffsfeld des Antifaschismus

1.1 Extremismus

„In der Politikwissenschaft und in der Rechtspolitik bedeutet Extremismus das politische organisierte Agieren gegen die demokratische Verfassung auf der Basis extremistischer Überzeugungen.“1 In der Wissenschaft hat sich also ein recht eindeutiges Begriffsverständnis von Extremismus durchgesetzt, demnach eine politische Gruppierung dann als extremistisch gilt, wenn sie kämpferisch gegen die existierende Verfassung vorgeht, und dabei für die Errichtung einer autoritären Herrschaftsordnung eintritt, die Grundprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Volkssouveränität und Demokratie ablehnt.2

Politischer Extremismus ist damit der Gegenbegriff zum demokratischen Verfassungsstaat. Extremistische Bewegungen lehnen die Pluralität von Interessen ab, streben keine Mehr- parteienlandschaft an und verhindern das Aufkommen einer funktionierende Opposition.3 Merkmale von extremistischen Strömungen sind zudem eine vom Führer vorgegebene Ideologie oder Weltanschauung, die durch ihren religionsähnlichen Status den Anspruch erhebt, die jeweils einzig Wahre zu sein.4 „Die Formen des politischen Extremismus lassen sich für den nationalen wie den internationalen Vergleich ebenfalls vielfältig differenzieren. Sie variieren in ihren ideologischen Ausrichtungen (Rechts-, Linksextremismus und Fundamentalismus), in ihren Organisationsformen (Parteien, Vereinigungen, Netzwerke), in ihrem Aktionismus (gewalttätig, militant, nicht militant) und in ihren Strategien (legalitätsorientiert, subkulturorientiert).“5

Die Begriffe Extremismus und Radikalismus finden sich seit fast 200 Jahren im politischen Sprachgebrauch wieder. Bis heute sind die Abgrenzungen der beiden Begriffe voneinander jedoch von Land zu Land derart unterschiedlich, dass von einer einheitlichen Definition keine Rede sein kann. Eine Vereinheitlichung ist schon allein deshalb unwahrscheinlich, da die international vorherrschenden Ansichten und politischen Interessenlagen sehr verschieden sind und die Nutzung der Begriffe damit beeinflussen. Eine eindeutige Fi- xierung der Begriffe sucht man auch in der Bundesrepublik vergeblich. Bis zur Mitte der 70er Jahre verwendete der Verfassungsschutz beide Begriffe synonym. Erst seit 1975 er- folgt in Verfassungsschutzberichten eine klare Trennung zwischen den Begriffen Extremismus und Radikalismus.6 Im Gegensatz zum Extremismus beschreibt der Radikalismus eine Gegnerschaft zum Verfassungsstaat, die noch innerhalb dessen Grenzen stattfindet. Radikalismus ist damit zwar antidemokratisch nicht jedoch verfassungswidrig. Extremismus zeichnet sich hingegen durch seine fundamental antidemokratische Haltung aus, die bereits außerhalb der Grenzen des Verfassungsstaates liegt, also als verfassungswidrig bezeichnet werden kann.7 Gemäß der oben zitierten Extremismusdefinition von Eckhard Jesse und Tom Thieme ist eine Kategorisierung des Extremismus gemäß den jeweils zugrunde liegenden Ideologien möglich. Bei dieser Einordnung wird zwischen Links- und Rechtsextremismus sowie Fundamentalismus unterschieden. Für die Bearbeitung der vorliegenden Fragestellung ist in erster Linie die Beschäftigung mit dem Linksextremismus erforderlich.

1.1.1 Linksextremismus

Linksextremisten fordern generell die Abschaffung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung sowie der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das angestrebte Ziel ist dabei, eine klassenlose Gesellschaft zu errichten, die entweder einer sozialistisch-kommunistischen oder einer anarchischen Ideologie folgt und diese in Form einer Diktatur oder einer anar- chistischen Gesellschaftsordnung durchsetzen will.8

In der DDR trat Linksextremismus gemäß der ersten Kategorisierung - dem sozialistisch- kommunistischen Modell in Form einer Diktatur auf. Ideologisch gesehen kann man die Ausprägung als marxistisch-leninistisch bezeichnen, die durch das System des Stalinismus ergänzt wurde. Die Ausrichtung am Stalinismus implizierte eine sogenannte Herrschaft der Apparate. Das politische System glich dabei dem Aufbau einer hierarchisch organisierten Bürokratie, in der die kommunistische Partei in ihrer Hegemonialstellung über das alleini- ge Machtmonopol verfügte.9 Die zusätzlich marxistisch-leninistische Lehre folgte den Grundsätzen des Marxismus, der als Sammelbegriff für die theoretischen Lehren von Karl Marx und Friedrich Engels steht. „Ihm liegt eine Sichtweise der Wirklichkeit zugrunde, der zufolge das politische, geistige, kulturelle und sonstige Leben von Gesellschaften durch die ökonomischen Strukturen und Verhältnisse bestimmt wird.“10 Um die aus dem Gegensatz Arbeit und Kapital resultierenden Widersprüche zu überwinden und eine klassenlose Ge- sellschaft zu erhalten, musste mit dem Kapitalismus radikal gebrochen werden. Sowohl Lenin als auch Stalin griffen die Ansätze des Marxismus auf und entwickelten sie mit ihren eigenen Ansätzen weiter. Durch dieses ergänzte Modell - das als Marxismus-Leninismus bezeichnet wird, entstand eine Betrachtungsweise, derzufolge der Verlauf der Geschichte bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterlegen ist, die den Triumph des Sozialismus als dominierende Gesellschaftsform über den Kapitalismus voraussagen. Zur Durchsetzung dieser Überlegenheit muss die Revolution in der Gesellschaftsschicht der Arbeiter stattfin- den und die Führung durch eine elitäre Gruppe wie der Hegemonialpartei erfolgen.11

Der für die Fragestellung essentielle Zusammenhang zwischen der Priorität des Zieles, den Kapitalismus für immer zu überwinden und der damit einhergehenden Ablehnung des Faschismus wird erst durch die Betrachtung der marxistisch-leninistischen Auslegungsweise des Faschismus deutlich. Da der Begriff Faschismus nicht nur in diesem Kontext eine bedeutende Rolle spielt, sondern auch der maßgebliche Gegenbegriff für die Forschung am Antifaschismus ist, soll er im Folgenden sowohl von seiner wissenschaftlichen Seite, als auch in der marxistisch-leninistischen Deutung betrachtet werden.

1.2 Faschismus

1.2.1 allgemeine / wissenschaftliche Faschismustheorie

Die Bezeichnung Faschismus geht auf die im Jahre 1919 von Mussolini gegründete, rechtsgerichtete Bewegung Fasci di combattimento aus Italien zurück. Sie diente als Be- zeichnung für eine antisozialistische Politik, die gegen ihre politischen Gegner mit Metho- den des Straßenkampfes unter Zuhilfenahme von uniformierten und teils bewaffneten Gruppen (fasci) rigorose Gewalt ausübte. Die bald zur Partei gewordene Partito Nazionale Fascita(PNF) gewann rasch eine breite Massenbasis und konnte schließlich durch den so- genannten Marsch auf Rom an die Macht kommen.12 „Die neuartige politische Richtung kennzeichnete sich durch religionsähnliche, militaristische und betont männlichen Riten und Rituale.“13 Mussolinis Faschismusbewegung bezog sich zwar zunächst ausschließlich auf seine Herrschaft in Italien, wurde jedoch bereits kurz nach der Machtübernahme im Jahre 1922 auch auf Länder außerhalb Italiens ausgeweitet. Die Bewegung konnte damit bald als gesamteuropäisches Phänomen angesehen werden und der Begriff Faschismus diente fortan europaweit für Politiker, Parteien und Regierungen, die dem politischen Vor- bild Mussolinis folgten.14

Alle faschistischen Bewegungen zeichnen sich durch gleichzeitig antisozialistische und an- tikapitalistische Ziele aus. Als Bewegung der Massen folgt der Faschismus einer strengen, nach dem Führerprinzip organisierten Hierarchie und charakterisiert sich durch die Verfü- gungsgewalt über uniformierte, bewaffnete Truppen, die ihre Ziele durch Einsatz von radi- kaler Gewalt durchsetzen. Die faschistische Ideologie ist dabei geprägt von einer extrem nationalistischen, antidemokratischen und gewaltverherrlichenden Lehre.15 Neben der wis- senschaftlichen Beschäftigung mit dem Faschismus seit den 1920er Jahren herrschte auch in der marxistisch-leninistischen Lehre ein andauernder Diskurs über die Einordnung des Feindbildes Faschismus. Auf welche Theorie des Faschismus sich DDR-Theoretiker stets beriefen, soll im Folgenden erläutert werden.

[...]


1 Jaschke, Hans-Gerd (2006): Politischer Extremismus - Lehrbuch. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 124

2 Vgl. ebd., S. 125

3 Vgl. Jesse, Eckhard (2004): Formen des politischen Extremismus, in: Bundesministerium des Inneren, Referat G5 (Hrsg.): Extremismus in Deutschland - Erscheinungsformen und aktuelle Bestandsaufnahme. Berlin: Bundesministerium des Inneren, S.9ff

4 Vgl. Jaschke, Hans-Gerd (2006): Politischer Extremismus - Lehrbuch. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 125

5 Jesse, Eckhard/ Thieme, Tom (2011): Extremismus in den EU-Staaten - Theoretische und Konzeptionelle Grundlagen, in: Jesse, Eckhard/ Thieme, Tom (Hrsg.): Extremismus in den EU-Staaten. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 13

6 Vgl. Madloch, Norbert (2000): Lexikalische Erläuterungen zu den im Rechtsextremismus-Teil verwandten Hauptbegriffen, in: Kinner, Klaus/ Richter, Rolf (Hrsg.): Rechtsextremismus undAntifaschismus - Historische und aktuelle Dimensionen. Berlin: Karl Dietz Verlag, S. 252

7 Vgl. Jaschke, Hans-Gerd (2006): Politischer Extremismus - Lehrbuch. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S.18

8 Vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (2003): Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg , S. 7

9 Vgl. Weber, Hermann (1991): DDR - Grundriß der Geschichte 1945-1990. Hannover: Fackelträger- Verlag, S. 13f

10 Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (2003): Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg , S. 7

11 Vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (2003): Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg , S. 8

12 Vgl. Classen, Christoph (2003): Faschismus und Antifaschismus - Die nationalsozialistische Vergangenheit im ostdeutschen Hörfunk (1945-1953). Köln: Böhlau Verlag, S. 62

13 Wippermann, Wolfgang (1989): Faschismustheorien - zum Stand der gegenwärtigen Diskussion. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 3

14 Vgl. ebd., S. 3

15 Vgl. Wippermann, Wolfgang (1981): Zur Analyse des Faschismus. Frankfurt am Main: Verlag Moritz Diesterweg, S. 146

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Antifaschismus als Legitimation einer linksextremistischen Herrschaft am Beispiel der DDR
Hochschule
Universität Passau  (Lehrstuhl für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Politischer Extremismus als Gegenmodell zum demokratischen Verfassungsstaat
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V322224
ISBN (eBook)
9783668213913
ISBN (Buch)
9783668213920
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
DDR, Antifaschismus, Demokratie, freiheitlich-demokratisch, Extremismus, Diktatur
Arbeit zitieren
Vanessa Stötzel (Autor:in), 2012, Antifaschismus als Legitimation einer linksextremistischen Herrschaft am Beispiel der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322224

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