Einsatz der Balanced Scorecard für die Operationalisierung von Beschaffungsketten


Examensarbeit, 2003

106 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Beschaffung
2.1 Definition
2.2 Aufgabe
2.3 Ziele
2.3.1 Sach- und Formalziele
2.3.2 Teilziele
2.3.3 Zielkonflikte
2.4 Konzepte der Beschaffung in Beschaffungsketten
2.4.1 Supply Chain
2.4.2 Just-In-Time
2.4.2.1 Begriffsbestimmung
2.4.2.2 Merkmale
2.4.2.3 Beurteilung
2.4.3 Vendor Managed Inventory
2.4.3.1 Begriffsbestimmung
2.4.3.2 Merkmale
2.4.3.3 Beurteilung
2.4.4 Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment
2.4.4.1 Begriffsbestimmung
2.4.4.2 Merkmale
2.4.4.3 Beurteilung

3 Anforderungen an ein Controllingsystem für Beschaffung in Ketten
3.1 Anforderungen
3.2 Matrizen

4 Controlling von Beschaffungsketten
4.1 Definition
4.2 Aufgaben
4.3 Ziele
4.4 Traditionelle Controllinginstrumente
4.4.1 Kennzahlen
4.4.2 Kennzahlensysteme
4.5 Balanced Scorecard
4.5.1 Begriffsbestimmung
4.5.2 Perspektiven
4.5.2.1 Finanzperspektive
4.5.2.2 Kundenperspektive
4.5.2.3 Prozessperspektive
4.5.2.4 Lern- und Entwicklungsperspektive
4.5.3 Ursache-Wirkungsketten
4.5.4 Funktion der Kennzahlen in der Balanced Scorecard 70
4.5.5 Beurteilung der Balanced Scorecard

5 Balanced Scorecard in Beschaffungsketten
5.1 Notwendigkeit einer Anpassung der Balanced Scorecard
5.1.1 Inhaltliche Anpassung
5.1.2 Inhaltliche und strukturelle Anpassung
5.1.3 Integration des Kooperationsaspektes in die Balanced Scorecard
5.2 Inhaltliche Ausgestaltung der Balanced Scorecard für Beschaffungsketten.
5.2.1 Finanzperspektive
5.2.2 Marktperspektive
5.2.3 Prozessperspektive
5.2.4 Kooperationsperspektive
5.2.5 Ressourcenperspektive
5.3 Exemplarisches Ursache-Wirkungsgeflecht am Beispiel von CPFR

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Modell eines integrierten Unternehmensnetzwerkes

Abbildung 2: Konzepte der produktionssynchronen Beschaffung

Abbildung 3: Prozessablauf bei VMI

Abbildung 4: Prozessablauf bei CPFR

Abbildung 5: Gegenüberstellung Merkmale JIT/Anforderungen an Controlling

Abbildung 6: Gegenüberstellung Merkmale VMI/Anforderungen an Controlling

Abbildung 7: Gegenüberstellung Merkmale CPFR/Anforderungen an Controlling

Abbildung 8: Anforderungen an Kennzahlen und Kennzahlensysteme

Abbildung 9: DuPont-Kennzahlensystem

Abbildung 10: ZVEI-Kennzahlensystem

Abbildung 11: RL-Kennzahlensystem – Liquiditätsteil

Abbildung 12: RL-Kennzahlensystem – Rentabilitätsteil

Abbildung 13: Performance Measurement-Matrix

Abbildung 14: Grundkonzept der Balanced Scorecard

Abbildung 15. Strategieentwicklung mit Hilfe der Balanced Scorecard

Abbildung 16: Messung/Bewertung strategischer finanzwirtschaftlicher Themen

Abbildung 17: Kernkennzahlen der Kundenperspektive

Abbildung 18: Wertkettenmodell der internen Prozessperspektive

Abbildung 19: Ursache-Wirkungskette in der BSC

Abbildung 20: Alternative Berücksichtigung von Kooperationen im Balanced Scorecard-Konzept

Abbildung 21: Balanced Scorecard nach Stölzle

Abbildung 22: Netzwerk-Balanced Scorecard

Abbildung 23: Ursache-Wirkungskette beim CPFR-Konzept

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Traditionelle Beschaffungsstrukturen verändern sich in Zeiten, in denen Kunden immer höhere Anforderungen an Qualität, Preis und Service stellen. Durch Globalisierung, moderne Informationstechnik und zunehmende Marktsättigung wird der Konkurrenzkampf immer härter. Die Beschaffung soll nicht nur niedrige Beschaffungkosten für die im Unternehmen benötigten Güter gewährleisten, sondern einen weitergehenden, konstruktiven Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leisten. Als Reaktion auf diese Veränderungen wurden im Laufe der Zeit verschiedene wertschöpfende und unternehmensübergreifend prozessorientierte Beschaffungs-strategien entwickelt.

Veränderte Beschaffungsstrukturen haben veränderte Anforderungen an das Controlling zur Folge. Klassische Planungs-, Kontroll- und Informationsaufgaben des Controllings werden über den Horizont eines Einzelunternehmens hinaus in Richtung von Wertschöpfungsketten erweitert. Zunehmend stehen neben finanziellen Zielen zukünftige Erfolgspotentiale, Marktorientierung und interne respektive. Umwelt-beziehungen im Blickpunkt der Unternehmensführung. Sie können vom herkömmlichen Rechnungswesen und den daraus entstandenen traditionellen Kennzahlensystemen nicht mehr optimal geplant, gesteuert und kontrolliert werden. Die Balanced Scorecard ist ein neues Konzept des Controllings, das diese Anforderungen erfüllen soll.

Drei der neueren Beschaffungskonzepte, Just-in-Time, Vendor Managed Inventory und Collaborative Planning, Forcasting und Replenishment, werden in dieser Arbeit vorgestellt. Im weiteren Verlauf wird gezeigt, dass die Balanced Scorecard ein System voneinander abhängiger Zielsetzungen, Messgrößen und Aktionen ist, die die gesamte Unternehmensstrategie und Maßnahmen sie zu erreichen beschreibt. Ebenfalls soll dargestellt werden, dass es sich bei der Balanced Scorecard im Gegensatz zu den traditionellen Kennzahlensystemen nicht nur um ein Leistungsmesssystem, sondern um ein Managementsystem handelt, das sich sowohl für den Einsatz im Einzelunternehmen als auch in Beschaffungsketten eignet.

Abschließendes Ziel dieser Arbeit ist es, für die oben erwähnten Beschaffungstrategien eine Balanced Scorecard zu entwicklen, die entsprechende Zielsetzungen und Kennzahlen enthält, und exemplarisch eine Ursache-Wirkungskette darzustellen. Zum Schluß sollen Möglichkeiten und Grenzen einer Balanced Scorecard für Beschaffungsketten aufgezeigt werden.

2 Beschaffung

Die Beschaffung unterliegt einem stetigen Wandel. Bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts hatte sie eine abwicklungsorientierte Versorgungsfunktion mit den Zielgrößen Verfügbarkeit und Preis. Daraus entwickelte sich eine integrierte Materialwirtschaft, bei der verstärkt auf Kosten und Qualität geachtet wurde, um in einem weiteren Schritt zum Supply Management zu werden. Die Zielgrößen wurden z.B. auf Total-Cost-of-Ownership oder Time-to-Market erweitert. In der heutigen Zeit verändert sich die Beschaffung immer mehr zu einem externen Ressourcenmanagement, das seinen Beitrag zum Unternehmenswert liefert.1

Aus dieser Entwicklungsgeschichte heraus entstanden in der Literatur verschiedene Definitionen zum Begriff der Beschaffung.2 Daher soll dieser zunächst eingegrenzt werden.

2.1 Definition

In älteren Definitionen aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts wird Beschaffung mit Einkauf gleichgesetzt. Weiterentwickelte Definitionen nehmen eine Unterscheidung vor. Zur Beschaffung im weiteren Sinne zählen all jene Maßnahmen, die die Versorgung der Unternehmensprozesse mit nicht selbst erstellten Gütern zum Ziel haben.3 Jüngere Definitionen sehen die Unterteilung in Beschaffung im engeren bzw. weiteren Sinne wieder anders. So bezeichnet Arnolds die Beschaffung im engeren Sinn als Übernahme von Erzeugnis- und Betriebsstoffen vom Markt in die Unternehmung. Die Beschaffung im weiteren Sinne umfasst darüber hinaus auch die Bereitstellung von Betriebsmitteln, Arbeitskräften und Kapital. Er weist allerdings darauf hin, dass Praktiker aus der Wirtschaft den Beschaffungsbegriff im weiteren Sinne ablehnen, da sich wegen der unterschiedlichen Marktstrukturen der Finanz- und Personalmärkte spezielle Finanz- und Personalabteilungen heraus gebildet haben.4 Eine neuere Definition beschreibt den Beschaffungsbegriff allgemeiner:

Beschaffung umfasst sämtliche unternehmens- und/oder marktbezogenen Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, einem Unternehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte verfügbar zu machen.“5

Hier wird die Beschaffung allerdings auf die reine Vollzugsaufgabe reduziert und nicht als aktive, auf das Zielsystem der Unternehmung als Ganzes gerichtete Führungsaufgabe gesehen.6 Dieser Sichtweise findet sich bei Fieten grundsätzlich wieder, indem er die Beschaffung als eine Kerntätigkeit der Materialwirtschaft sieht. Demnach sind Beschaffung, Bevorratung, und Bereitstellung die konstituierenden Tätigkeiten der betrieblichen Aufgabe der Materialwirtschaft. Neuerdings gehören, wenn auch mit Einschränkungen, Entsorgung und Recycling zu diesen Tätigkeiten Die Beschaffung umfasst danach die Festlegung des qualitativen und quantitativen Materialbedarfs und die Deckung des Bedarfs aus den Beschaffungsmärkten im Wege des Einkaufs oder aus der eigenen Vorproduktion.7

Wie bereits beschrieben, findet in der Beschaffung ein Umbruch statt. Das traditionelle Beschaffungsverhalten ändert sich zu Gunsten eines marketingorientierten Beschaffungsverhaltens. Kennzeichen des traditionellen Verhaltens sind autokratische, abweisende Partner, kurzfristige Orientierung, kaum Vorausplanung, viele Bezugsquellen, primär preisorientierte Einkaufsentscheidungen, Standard-Qualitätsvorschriften und fest vorgeschriebene Spezifikationen. Im Vordergrund steht das fertige Produkt bzw. die abgeschlossene Dienstleistung. Auch werden große Lose bestellt, die häufig mit Verspätung angeliefert werden. Demgegenüber findet ein neues Beschaffungsverhalten Eingang in die Unternehmen, das im Sinne eines Ressourcenmanagements einen Beitrag zum Unternehmenswert liefert. Es zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: Partner agieren miteinander, durch eine langfristige Orientierung wird eine genauere Vorausplanung möglich, die Lieferantenauswahl findet unter Berücksichtigung langfristiger Gemeinkosten statt, Leistungskriterien werden von den Partner gemeinsam entwickelt. Im Vordergrund stehen Design, Materialeigen- schaften und verfahrenstechnische Kapazitäten. Durch kleinere Bestellmengen werden die vereinbarten Lieferzeiten eingehalten.8

Da sich die Anforderungen an die Beschaffung geändert haben, erweitere ich die Definition von Arnold:

Beschaffung umfasst sämtliche unternehmens- und/oder marktbezogenen Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, einem Unternehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte verfügbar zu machen und dabei die Unternehmensstrategie zu unterstützen.

2.2 Aufgaben

Als Hauptaufgabe der Beschaffung sehen die zitierten Autoren die wirtschaftliche Bereitstellung der Beschaffungsobjekte in der erforderlichen Qualität, zum günstigsten Preis, in der ausreichenden Menge, zum richtigen Zeitpunkt und am nachgefragten Ort.9 Diese Aufgabenzuweisung resultiert aus der Vergangenheit als Beschaffung ein Synonym für Einkauf war. Darüber hinausgehend ordneten sie der Beschaffung logistische Funktionen wie Warenannahme und –prüfung, Lagerhaltung, innerbetrieblicher Transport sowie Planung, Steuerung und Kontrolle des Material- und Informationsflusses zu.10

Aus der Hauptaufgabe der Beschaffung lassen sich weitere Detailaufgaben entwickeln. Zunächst ist die Erforschung, Beobachtung und Analyse der Beschaffungsmärkte zu nennen11, wobei die systematische Markterforschung einer eher zufälligen Markterkundung gegenüber steht.12

„Beschaffungsmarktforschung ist die unternehmerische Tätigkeit der Informations-versorgung, die alle Handlungen der systematischen Gewinnung und Aufbereitung von relevanten Informationen über Beschaffungsmärkte und über deren Beeinflußbarkeit umfaßt, die für die Erreichung der strategischen Beschaffungsziele erforderlich sind.“ 13

Eine wesentliche Aufgabe der Beschaffungsmarktforschung besteht darin, dem Unternehmen neue wirtschaftliche Möglichkeiten (neue Produkte, neue Problem-lösungen) zugänglich zu machen. Die Suche nach Substitutionsgütern ist ein wichtiges Teilgebiet der Beschaffungsmarktforschung, für das technisches Wissen und Verständnis der Produktionsprozesse Voraussetzung sind. Auf Grund der Kenntnis des jeweiligen Produktes, können die strukturellen Besonderheiten der Angebots- und Nachfrageseite des zu erforschenden Marktes analysiert werden. Die Dynamik und die Entwicklungstendenzen am Beschaffungsmarkt müssen erkennbar gemacht werden und je nach Produkt nimmt auch der Preis einen wichtigen Platz bei den Beobachtungen ein. Nicht zuletzt ist der Lieferant Untersuchungsobjekt der Beschaffungsmarktforschung.14 In diesem Zusammenhang ist die Anbahnung von Lieferantenbeziehungen zu nennen. Daneben wird die Pflege der Lieferantenbeziehungen als wichtige Aufgabe der Beschaffung gesehen.15 Langfristig versteht man darunter den Aufbau, die Entwicklung und Beendigung von Geschäftsbeziehungen. Die kurzfristige Betrachtungsweise umfasst alle Planungs-, Entscheidungs- und Verhandlungsprozesse und sämtliche Güter-, Informations- und Werteflüsse zwischen Abnehmern und Lieferanten.16

Die Summe aller Lieferantenbeziehungen eines Unternehmens ergeben das Lieferantenportfolio, welches gleichbedeutend mit der Lieferantenbasis zu sehen ist. Ein Lieferantenmanagement umfasst also die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Lieferantenportfolios und Lieferantenbeziehungen eines Unternehmens, wobei sich die Unternehmen in der Regel auf drei wesentliche Aktivitäten konzentrieren können:

- Management der Lieferantenbasis,
- Lieferantenentwicklung,
- Lieferantenintegration.17

Veränderungen auf den Beschaffungsmärkten erfordern beim Lieferantenmanagement Aktivitäten wie Optimierung der Lieferantenanzahl oder Lieferantenauditierung.18

Die Lieferantenauditierung, bei der sich Fachleute aus dem Einkauf und der Qualitätssicherung des Unternehmens beim Lieferanten vor Ort ein Bild über seine Qualitätsfähigkeit machen, bietet sich für die Lieferantenbewertung besonders an, da eine Lieferantenbefragung erfahrungsgemäß subjektiv gefärbte Informationen bringt.19 Bei der Lieferantenentwicklung werden die Lieferanten aktiv vom Unternehmen unterstützt, etwa durch Schulungen oder Workshops.20 Das primäre Einsatzfeld der Lieferantenförderung befindet sich im Produktionsbereich des Zulieferunternehmens. Durch Beratung bei Rationalisierungsvorhaben, Qualitätssteigerungsprogrammen, Technologieumstellungen oder der Ablaufoptimierung kann der Abnehmer durch Einbringung des eigenen Know-hows den Erfolg der Maßnahmen beim Zulieferer erhöhen. Auch in den Bereichen der Beschaffung, des Absatzes oder der Forschung und Entwicklung können Förderungsmaßnahmen eingesetzt werden. Neben der Bereitstellung von Wissen kann eine befristete Überlassung von spezialisiertem Personal stattfinden.21

Aber die Integration von Lieferanten führt noch weiter. Durch eine enge Lieferanten-anbindung versucht der Hersteller die Produkterstellung kontinuierlich zu verbessern.22 In der traditionell gesteuerten Fertigung weichen die geplanten Fertigungstermine häufig von den tatsächlichen ab, da es immer wieder zu Störungen in der Material-beschaffung oder Produktion kommt. Die Folge sind verspätete Lieferungen, Eilaufträge oder überhöhte Lagerbestände. Störungen in der Materialversorgung und Produktion sind auf eine unvollständige oder zeitverzögerte Weitergabe von Planungsdaten zurückzuführen. Daher lassen sich zuverlässige Liefertermine in der Regel erst nach der Fertigmeldung in der Produktion weitergeben. Die erforderliche

Änderung der Planungsprozesse muss in eine kontinuierliche Auftragsplanung münden. Unter der Berücksichtigung bereits eingeplanter Aufträge, reservierter Lagerbestände oder belegter Fertigungskapazitäten kann der frühestmögliche Fertigstellungstermin für jede Kundenanfrage ermittelt werden, wenn mit Hilfe von DV-unterstützten Instrumenten die Lagerbestände und freien Kapazitäten beim Lieferanten überprüft werden.23 Dies setzt bei beiden Partnern eine enge Kooperation und damit großes Vertrauen voraus.

Als weitere Aufgabe der Beschaffung ist die Bedarfsanalyse zu nennen. Weil ein Industriebetrieb viele verschiedene Teile zu beschaffen hat, muss er Schwerpunkte setzen und die Beschaffungsaktivitäten auf Materialgruppen zu konzentrieren, die wegen ihrer Wertigkeit eine besondere Bedeutung für das Unternehmen haben. Ein wichtiges Mittel der Bedarfsanalyse ist die ABC-Analyse24, die auf die Klassifizierung der Materialien abzielt. Dabei stellt die klassische ABC-Analyse den Zusammenhang zwischen Wert und Art und Menge des Materials dar.25 So enthält Klasse A Materialien mit geringem Mengen-, aber hohem Wertanteil. Klasse B solche mit verhältnismäßig ausgeglichenem Mengen-Wert-Anteil, Klasse C Materialien mit hohem Mengen-, aber geringem Wertanteil. Die ABC-Analyse ist vor allem dort anwendbar, wo ein Erzeugnis aus zahlreichen Einzelteilen zusammengesetzt ist, wie in der Einzel- oder Serienfertigung mit mehrstufigen Erzeugnissen ist.26 Eine Erweiterung dieser Analyse-Methode bildet die XYZ-Analyse. Sie klassifiziert mit der Verbrauchsstruktur als Maßstab. Dadurch werden Aussagen über die Art des Verbrauchsverlaufs und damit über die Vorhersagegenauigkeit des Materialverbrauchs möglich.27 Durch diese Analysemethoden lässt sich etwa ableiten, ob Eigenfertigung oder Fremdbezug (Make-or-Buy) bevorzugt wird, oder ob für spezielle Teile eine besondere Beschaffungs-strategie in Frage kommt.28 Eventuell eignen sich für bestimmte Teile sogenannte Sourcing-Strategien. Dies kann die Anzahl der alternativen Lieferanten betreffen (Sole, Single, Dual, Multiple), die Beschaffungszeit (Stock, Demand tailored, Just-in-time), das Beschaffungssubjekt (Individual, Cooperative) oder das Beschaffungsareal (Local, Domestic, Global).29

Neben den genannten strategischen Aufgaben der Beschaffung, der Beschaffungsmarkt-forschung, der Bedarfsanalyse und dem Lieferantenmanagement30 stehen die operativen Aufgaben des Tagesgeschäfts. Dazu gehören die Anfrage, die Angebotsbearbeitung sowie im Einzelfall Preis- und Lieferverhandlungen, sofern keine festen Lieferverträge ausgehandelt wurden. Der Abgleich der Bestellung mit dem Lieferschein der gelieferten Ware sowie die Rechnungsprüfung insbesondere hinsichtlich der Einhaltung der vereinbarten Menge und des Preises stellen weitere Aufgaben dar.31

2.3 Ziele

2.3.1 Sach- und Formalziele

Piontek unterscheidet für die Beschaffung zunächst Sachziele und Formalziele. Als Sachziel wertet er die langfristige Versorgungssicherheit des Unternehmens zur Erstellung von Gütern. Im Wesentlichen beinhaltet das Sachziel die termintreue Zuführung der zur Produktion notwendigen Inputfaktoren und die Sicherung des Qualitätsniveaus. Als Formalziel nennt er die Optimierung der mit der Material-bereitstellung verbundenen Kosten und Leistungen, wodurch eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit erreicht werden soll. Die Komponenten des Formalziels sind in der Erschließung von Leistungsverbesserungs- und Kostensenkungspotentialen zu sehen.32 Erweiternd sieht Arnold als strategische Ziele der Beschaffung den Beitrag zur Verkürzung der Entwicklungszeit und die Autonomieerhaltung des Unternehmens an.33

2.3.2 Teilziele

Diese Zielvorstellungen halte ich für zu global, um praktikabel zu sein. Die Beschaffungsziele müssen präzisiert und differenziert werden, um konkrete Aktivitäten ableiten zu können. Die Sicherung der Materialversorgung unterteilt sich in, Wahrung der Flexibilität, Risikostreuung, beschaffungsseitige Diversifikation, Steigerung der vertikalen Integration und Sicherung der langfristigen Wachstumsrate. Die Sicher-stellung der Qualität sollte zum einen die Qualitätsstandards des Materials betreffen, zum anderen dessen Technologiestandard. Teilziele für die Sicherung der Beschaffungsmarktposition können die Sicherung der Nachfragemacht betreffen und/oder die Wahrung des Ansehens des Unternehmens. Zur Optimierung der Beschaffungskosten tragen die Optimierung der Einkaufspreise sowie die Optimierung der Bezugs- Bereitstellungs- und Beschaffungsverwaltungskosten bei. Dies dient der Sicherung der Liquidität und der Lieferbereitschaft des Unternehmens.34 Erst, wenn diese Teilaspekte berücksichtigt sind, kann ein individuelles Zielbündel in der Beschaffung zusammen gestellt werden.

2.3.3 Zielkonflikte

Bei der Realisation dieser Zielbündel entstehen schnell Konflikte zwischen den einzelnen Teilzielen. Dies beleuchtet die Gegenüberstellung der „Sicherung der qualitativen Materialversorgung“ und der “Optimierung der Beschaffungskosten“. Erst aus den strategischen Zielsetzungen des Unternehmens ergibt sich der Stellenwert des einzelnen Teilziels. Legt die Unternehmung beispielsweise großen Wert auf ein hohes Qualitätsniveau der Endprodukte, wird sie auch im Rahmen der Beschaffungspolitik bestrebt sein, Lieferanten mit besonderen Leistungen im qualitativen Bereich zu finden. Dadurch kann sie das Teilziel Kostenminimierung nicht optimal erfüllen.35 Mit der Reduzierung der Lieferantenanzahl verfolgt speziell der Handel das Ziel, die Komplexität zu verringern. Dies kann auf der einen Seite die Verwaltungskosten mindern. Auf der anderen Seite führt das Qualifizieren von „einfachen“ Lieferanten zu

„strategischen“ Lieferanten, die in Entwicklungsprozesse einbezogen werden, zwar zu einer Verminderung der Anzahl von Lieferanten. Die Beschaffungskosten aber sinken nicht immer, da die Wahrung der Unabhängigkeit nicht gewährleistet ist. Nicht zuletzt stehen bei neuen Produkten kurze Entwicklungszeiten den Anforderungen an die Qualität gegenüber.36 Ein großer Stellenwert kommt deshalb der Erarbeitung und Umsetzung eines auf die Strategien des Unternehmens abgestimmten Zielbündels zu.

2.4 Konzepte der Beschaffung in Beschaffungsketten

In der Vergangenheit galten in vielen Branchen Zulieferungen als notwendiges Übel. Sie griffen nur dann darauf zurück, wenn die Eigenfertigung nicht genügend Kapazität aufwies. Dies hat sich grundlegend geändert. Unternehmen nehmen vermehrt Zulieferungen von leistungsfähigen Lieferanten in Anspruch. Gründe sind im Rahmen der Steigerung der Komplexität von Produkten, der Verkürzung von Entwicklungs-zeiten und der daraus resultierenden Konzentration der Unternehmen auf ihr Kerngeschäft zu sehen. Wie oben bereits angesprochen, wandelt sich das traditionelle Beschaffungsverhalten hin zu einer neuen Konzeption der Zusammenarbeit zwischen Abnehmern und Lieferanten als Wertschöpfungspartnern.37 Es entstehen Beschaffungs-ketten, die als Weiterentwicklung der integrierten Materialwirtschaft zu sehen sind, da sie nicht nur eine nach innen gerichtete Optimierung der Beschaffung und Bestandsverwaltung, sondern auch eine ständige Optimierung der Wertschöpfungskette vom Lieferanten bis zum Abnehmer als Ziel haben.38 In die Gestaltung von Wertschöpfungsketten sind daher Erfolgsfaktoren wie Qualität, Zeit, Preis/Kosten, Innovation und Kundenorientierung einzubeziehen.39

2.4.1 Supply Chain

Der Begriff der Supply Chain ist wörtlich mit Lieferanten- oder Angebotskette zu

übersetzen. Dabei wird von der Vorstellung ausgegangen, dass die Wertschöpfung in Stufen stattfindet. Die Verkettung mehrerer einander folgender Unternehmen, die jeweils die Funktion des Lieferanten der nachfolgenden Stufe übernehmen, heißt Supply Chain. An ihrem Ende steht der Endkunde beziehungsweise der Konsument.40 Die Supply Chain wird auch als logistische Kette bezeichnet. Sie fasst einzelne Prozesse im Unternehmen und in seinem direkt mit der Leistungserstellung verbundenen Umfeld zu bereichsübergreifenden Organisations- und Informationseinheiten zusammen. Sie dehnt sich über den innerbetrieblichen Ablauf auf das Zusammenwirken mit Kunden, Lieferanten, Dienstleistern und anderen Externen aus.41 Der entscheidende Unterschied zwischen der herkömmlichen Logistikkette und der Supply Chain liegt darin, dass die einzelnen Teilnehmer bisher aus ihrer isolierten Sicht nach einzelwirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden. Dagegen liegt der optimalen Supply Chain eine ganz-heitliche Betrachtung der Logistikkette zu Grunde. Das Interesse der einzelnen Teilnehmer zielt auf eine Abstimmung der Güter- und Informationsflüsse aller Beteiligten ab. Diese Ausführungen verdeutlichen, dass es bei der Supply Chain um eine Zusammenarbeit aller Unternehmungen der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette geht.42 Dabei ist der Begriff „Kette“ irreführend, da es sich in vielen Fällen um ein integriertes Wertschöpfungsnetzwerk handelt (Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Modell eines integrierten Unternehmensnetzwerkes, mit Änderungen entn. aus

Walther/Bund, S.13

Für die Zukunft der Supply Chains wird gefordert, dass sie reaktionsfähig, flexibel, schlank und intelligent sein sollen. Durch diese neue Aufgabe für das Management der Materialwirtschaft43, wandelt sich das klassische Beschaffungsmanagement respektive Supply Management wandelt sich zum Supply Chain Management (SCM).44

Unter SCM versteht man die Planung, Steuerung und Kontrolle des Güter- und Dienstleistungsflusses, einschließlich der damit verbundenen Informations- und Geldströme innerhalb eines Netzwerkes von Unternehmen. Diese sind im Rahmen aufeinander folgender Stufen von Wertschöpfungsketten an der Entwicklung, Produktion und Verwertung von Sachgütern und/oder Dienstleistungen unter Einbe-ziehung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien beteiligt.45

Als Grundziele des SCM gelten:

- Kosten entlang der gesamten Supply Chain reduzieren
- Auftragsabwicklung transparent gestalten
- Informationsfluss optimieren
- Doppelarbeiten erkennen und aufheben
- Transport- und Liegezeiten verkürzen
- E-Commerce in Warenwirtschaft und Logistik verknüpfen
- Serviceniveau für die Endverbraucher erhöhen46

Die Partner einer Supply Chain treten in eine Kundenbeziehung zueinander. Dabei hat sich die Denkrichtung des SCM in letzter Zeit geändert. Früher stand der Supply-Ansatz im Vordergrund, das „Nach-vorne-Schieben“ (Push-Prinzip) von Waren vom Lieferanten an den Abnehmer. Mit der Kundenzufriedenheit als oberstes Ziel wird heute in die andere Richtung gedacht, nämlich vom Nachfrager ausgehend in Richtung auf die seiner Lieferanten (Pull-Prinzip). Diese Denkweise lässt den Begriff „Demand Chain Management“ zu.47

Arnold sieht als maßgebliche Voraussetzungen für die Entwicklung eines SCM die Globalisierung des Beschaffungsmarktes, Standardisierungsbestrebungen für Teile oder Module, Verantwortungsverlagerung auf Lieferanten, Konkurrenzkampf und Preisdruck.48 Im SCM erhöht sich die Fokussierung auf die Schnittstellenproblematik. Grund sind die wachsende Fragmentierung von Wertschöpfungsketten durch die Konzentration auf Kernkompetenzen und dem daraus folgenden Outsourcing ausgewählter Produktionsteile.49 Dadurch kann es entlang der Supply Chain zu verzögerter oder unvollständiger Informationsweiterleitung über die tatsächliche Nachfrageentwicklung kommen. Wenn eigene Bestände oder die bei Partnerunter-nehmen nicht bekannt sind, dann entspricht der Produktionsauftrag beim Produzenten den kumulierten Bestellungen der nachgelagerten Supply Chain Stufen. Dies tritt ein, weil Unternehmen keine Kenntnis der Produktionspläne der vor- und nachgelagerten

Wertschöpfungsstufe haben. Auch ist die Varianz der Bestellungen beim Produzenten deutlich größer als die tatsächliche Varianz am Point-of-Sale. Unberücksichtigt bleiben saisonale oder durch Preisaktionen induzierte oder zufällige Nachfrageschwankungen beim Endverbraucher. Hier wird deutlich, dass Ineffizienzen und mangelnde Flexibilität bei kurzfristigen Änderungen wesentlich auf einer unzureichenden Informations-verfügbarkeit resultieren. Dies bewirkt Furcht vor Lieferunfähigkeit, die Unternehmen bauen hohe Sicherheitsbestände entlang der Supply Chain auf. Ergebnis ist eine Kumulation der Bestände auf den verschiedenen Produktionsstufen – der Bullwhip-Effekt oder Peitschenschlageffekt.50 Dieser stellt dar, dass schon kleinste Ver-änderungen der Endnachfrage zu einem überproportionalen und verzögerten Anstieg der Bestellmenge beim jeweils vorgelagerten Unternehmen führen können.51

Trotz intensiver Diskussion ist SCM heute keineswegs Unternehmensalltag. Etablierte SCM-Konzepte beschränken sich auf einige führende Großunternehmen, meist aus der Automobilbranche. In anderen Unternehmen werden jedoch Ausschnitte der gesamten Wertschöpfungskette zum Gegenstand der Optimierung von Geschäftsprozessen.52

2.4.2 Just-In-Time

2.4.2.1 Begriffsbestimmung

Ein Konzept der Lieferantenintegration in der Supply Chain ist die Just-in-Time-Produktion beziehungsweise Just-in-Time-Beschaffung.53 Der Ursprung des Just-in-time-Konzepts liegt im Toyota Production System begründet, das bei dem japanischen Autoproduzenten zur Rationalisierung des Materialflusses innerhalb der Fertigungs-bereiche eingeführt wurde. Das sogenannte Kanban-System54 organisiert die Bereit- stellung von Materialien nach dem Supermarktprinzip. Dabei nimmt der Verbraucher

immer nur dann ein Teil aus dem Regal, wenn es benötigt wird. Das Regal wiederum wird aufgefüllt, wenn ein Mindestbestand erreicht wurde. Dahinter steht die grundlegende Überlegung, nur die Art und Menge eines Produktes zu fertigen, die gerade verbraucht wurde.55

Die Elemente des Kanban-Systems sind:

- Schaffung miteinander verflochtener selbststeuernder Regelkreise
- Implementierung des Hol-Prinzips für die jeweilig nachfolgende Ver-brauchsstufe
- Flexibilisierung des Personal- und Betriebsmitteleinsatzes
- Übertragung der kurzfristigen Steuerung an die ausführenden Mitarbeiter mit Hilfe des speziellen Informationsträgers, der Kanban-Karte

Ziel des Kanban-Systems ist es, auf allen Fertigungsstufen eine „Produktion auf Abruf“, also eine Just-in-Time-Produktion zu erreichen.56 Das Just-in-Time-Konzept der Fertigung beschränkt sich auf den innerbetrieblichen Material- und Warenfluss. Daneben existiert eine unternehmensübergreifende Konzeptauslegung in Richtung vorgelagerter Wertschöpfungsstufen, die Just-in-Time-Beschaffung.57

Folgende Prinzipien liegen der Strukturierung des Material- und Informationsflusses im JIT-Konzept zu Grunde: Hohe Bestände verdecken Fehler; werden Bestände gesenkt, so werden Fehler offensichtlich und es besteht die Notwendigkeit, sie zu beseitigen. Fehlerbeseitigung bedeutet gleichzeitig Produktivitätssteigerung und setzt höher qualifiziertes Personal voraus. Die Zeit stellt einen eigenständigen Wettbewerbsfaktor dar, dazu zählen insbesondere die Lieferzeit, Durchlaufzeit und Wieder-beschaffungszeit. Diese Zeitgrößen lassen sich durch Strukturveränderungen im Materialfluss und in der Beschaffung reduzieren. Dafür werden Informationssysteme benötigt, die diese Strukturveränderungen unterstützen. Die kostengünstigste Produktion ist die Fließfertigung. Das Optimum wäre erreicht, wenn sich der ständige Wechsel in der kundenorientierten Produktion zeitlich und kostenmäßig gegen Null

- Bereitschaft des Zulieferers zur JIT-Lieferung

- Standardisierung der Bestellvorgänge
- Qualitätskontrollen des Abnehmers beim Zulieferer und/oder Selbstver-pflichtung des Zulieferers zur Sicherung einer hohen Materialqualität
- Auswahl eines Transportmittels zur Anlieferung ohne Verspätung
- Zuverlässigkeit des Spediteurs und Liefertreue des Zulieferers
- Räumlich und ablauforganisatorisch störungsfreie Warenannahme
- Teile mit regelmäßigem bis leicht schwankenden Bedarf bei hohem bis mittlerem Verbrauchswert
- Ablauforientierte Produktionsstruktur (minimale Transportwege)
- Hoch qualifiziertes Personal
- Installierung eines durchgängigen Informationssystems59

2.4.2.2 Merkmale

Als wichtigstes Merkmal der JIT-Beschaffung ist die lagerlose Sofortverwendung zu nennen. Die Warenbereitstellung erfolgt bei diesem Prinzip genau zu dem von der Produktionsplanung vorherbestimmten Zeitpunkt. Eingehendes Material wird sofort zum Ort der Weiterverarbeitung gebracht, ohne dass ein Lagerungsvorgang notwendig wird.60 Eng damit verbunden sind drei Grundkonzepte, die sich im Bereich der produktionssynchronen Beschaffung herauskristallisiert haben:

1. Direktabruf
2. Lieferantenansiedlung in Werksnähe des Abnehmers
3. Gemeinsame Bestandssteuerung (Abbildung 2)

Abbildung 2: Konzepte der produktionssynchronen Beschaffung, entn. aus Schulte, S.239

Beim Direktabruf erfolgt die konkrete Materialanforderung beim Lieferanten erst dann, wenn beim Abnehmer tatsächliche Kunden- und daraus abgeleitete Fertigungsaufträge vorliegen. Dieser Ebene vorgelagert sind Rahmenvereinbarungen, die in der Regel eine Laufzeit von zwölf Monaten umfasssen. Sie beinhalten Bedarfs- und Kapazitäts-vorausschauen auf Quartalsbasis inklusive der Qualitätsanforderungen nach Artikel-gruppen. Rahmenaufträge an den Lieferanten werden meist für einen Zeitraum von drei Monaten erteilt bei monatlicher Aktualisierung. Sie bewirken beim Lieferanten die Freigabe für seine Beschaffung beziehungsweise für die Vorfertigung der von ihm benötigten Materialien.

Die Ansiedlung der Lieferanten in Werksnähe des Abnehmers schließt transport-bedingte Verspätungen bei der Belieferung aus. Dadurch fällt außerdem die Bevorratung im Liefer- und im Empfängerwerk weg. Eine produktionssynchrone Anlieferung ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn der Prozess der Warenannahme, der Qualitäts- und Mengenprüfung sowie der kurzfristigen Zwischenlagerung und Bandbelieferung zu keiner Verschiebung oder Verzögerung der auftragsbezogenen Lieferreihenfolge führt. Daher sind einheitliche Transport- und Fördertechniken sowie neue Prüfroutinen notwendig, wie die hundertprozentige Ausgangsprüfung beim Lieferanten.

Bei der gemeinsamen Bestandsteuerung ändert sich ein wesentlicher Aspekt in den Informationsbeziehungen zwischen Lieferant und Kunde, die unmittelbar für die Fertigung und Montage benötigten Teile werden vom Abnehmer per DFÜ abgerufen. Dabei erhält der Abnehmer Einblick in interne Dateien des Partners.61 Vertrauen und Diskretion sind deshalb Voraussetzung. Das JIT-Konzept erfordert letztendlich eine enge Zusammenarbeit mit wenigen, ausgesuchten Lieferanten und Logistik-Dienstleistern.

Zusammenfassend kann das JIT-Konzept folgendermaßen dargestellt werden: Es handelt sich um eine am Pull-Prinzip ausgerichtete Steuerung des Material- und Warenflusses. Das unternehmensinterne Konzept (Just-in-Time-Fertigung) greift in das unternehmensübergreifende Konzept (Just-in-Time-Beschaffung), wobei je nach Sichtweise die Zulieferer auf einer oder mehrerer vorgelagerten Wertschöpfungsstufen mit einbezogen werden. Zielsetzung der JIT-Beschaffung sind die bestandsarme oder bestandslose Versorgung der Produktion, mit dem Ziel Lagerkosten sowie Durchlauf- und Lieferzeiten zu senken. JIT ermöglicht eine schnelle Reaktionsfähigkeit auf Bedarfsmeldungen, sprich hohe Lieferflexibilität und die Einhaltung eines hohen Qualitätsniveaus.62

2.4.2.3 Beurteilung

Das JIT-Konzept, das häufig auch als Vorläufer von SCM bezeichnet wird, birgt bei optimaler Umsetzung folgende Vorteile:

- Die Durchlaufzeiten der Fertigungsaufträge werden auf Grund der kleineren Losgrößen kürzer.
- Bei gleichzeitig hoher Termineinhaltung und Lieferbereitschaft sind die Materialbestände im Produktionsbereich gering.
- Der Steuerungsaufwand ist durch die weitgehende Selbststeuerung des Systems gering.
- Durch die geringeren Bestände und kürzeren Durchlaufzeiten der kleineren Fertigungslose wird der Materialfluss übersichtlicher.
- Geringere Bestände führen dazu, dass operative Probleme im Bereich der Produktion besser erkannt werden können, und zwingen Disponenten zu deren Lösung.
- Die Mitarbeiter haben mehr Verantwortung, dadurch steigt ihre Motivation und sie werden produktiver.

Das JIT-Konzept hat auch Nachteile:

- Wegen der geringen Pufferbestände wirken sich Störungen bei einer Produktionsstelle, einem Arbeitsplatz oder einem Betriebsmittel sehr schnell auf die nachfolgenden Produktionsstellen, Produktionsbereiche oder sogar Unternehmen aus. Es kommt zu Produktionsverzögerungen oder Produktionsstillständen.
- Bei starken Schwankungen der Produktionsmengen ist die JIT-Steuerung ungeeignet: Eine Erhöhung der Menge wird nicht durch die Erhöhung von Losgrößen erreicht, sondern nur durch die Erhöhung der Auflagehäufigkeit, also durch Überstunden.
- Eventuelle kundenspezifische Sonderanfertigungen mit geringen Lieferzeiten können kaum realisiert werden, da für einen längeren Zeitraum ein Produktionsplan mit gleichem täglichen Ablauf vorliegen muss;63
- Aus Sicht des Zulieferers wird dessen Planungsrisiko genannt, Produktion „auf Verdacht“ verhindert die angestrebte Synchronisation.
- Die Abrufmengen sind häufig nicht kongruent mit den Fertigungslosgrößen der Zulieferer, auch dies stellt ein Synchronisationsproblem dar.

[...]

1 Vgl. Wagner 2002, S. 8

2 Vgl. Fieten 1994, S. 31; Bichler, Krohn 2001, S. 1

3 Vgl. Bedacht 1995, S. 9

4 Vgl. Arnolds/Heege/Tussing 1985, S. 20

5 Arnold, D. et al. 2002, S. B2-1

6 Vgl. Roland, S. 3

7 Vgl. Fieten 1994, S. 30f.

8 Vgl. Piontek 1994, S. 29

9 Vgl. Arnolds/Heege/Tussing 1985, S. 23; Piontek 1994, S. 37; Bichler, Krohn 2001, S. 4

10 Vgl. Schulte 1999, S. 215

11 Vgl. Fieten 1994, S. 36; Piontek 1994, S. 36

12 Vgl. Large 2000, S. 82

13 Large 2000, S. 83

14 Vgl. Arnolds/Heege/Tussing 1985, S. 105ff.

15 Vgl. Fieten 1994, S. 36

16 Vgl. Wagner 2002, S. 13

17 Vgl. Wagner 2002, S. 11

18 Vgl. Wagner 2002, S. 14f.

19 Vgl. Hartmann/Pahl/Spohrer 1997, S. 55

20 Vgl. Wagner 2002, S. 15f.

21 Vgl. Piontek 2003, S. 52

22 Vgl. Wagner 2002, S. 16f.

23 Vgl. Piontek 2003, S. 11f.

24 Vgl. Arnold, D. et al. 2002, S. B2-9 f.

25 Vgl. Kluck 1998, S. 33ff.

26 Vgl. Weber,R.. 2000, S. 41

27 Vgl. Kluck 1998, S. 39ff. ; Hartmann 2002, S. 181f.

28 Vgl. Arnold, D. et al. 2002, S. B2-9 f.

29 Vgl. Arnold, U./Essig. 2000, S. 122-128

30 Vgl. Quervain/Wagner 2003, S. 100f.

31 Vgl. Arnold, D. et al. 2002, S. B2-2 ff.

32 Vgl. Piontek 1994, S. 31f.

33 Vgl. Arnold, D. et al. 2002, S. B2-8

34 Vgl. Piontek 1994, S. 32f.

35 Vgl. Piontek 1994, S. 31

36 Vgl. Arnold, D. et al. 2002, S. B2-8

37 Vgl. Fieten 1994, S. 68

38 Vgl. Hartmann 2002, S. 24

39 Vgl. Ballmer 2002, S. 947

40 Vgl. Marbacher 2001, S. 16

41 Vgl. Thaler 2000, S. 41

42 Vgl. Corsten/Gössinger 2001, S. 83

43 Vgl. Hartmann 2002, S. 24

44 Vgl. Stölzle 1999, S. 146ff.

45 Vgl. Walther/Bund 2001, S. 12; Preißner 2002 a, S. 52

46 Vgl. Wannenwetsch 2002, S. 333; Corsten/Gössinger 2001, S. 94f.

47 Vgl. Corsten/Gössinger 2001, S. 85 ; Preißner 2002 a, S. 52

48 Vgl. Arnold, D. et al. 2002, S. B2-7

49 Vgl. Baumgarten/Darkow 2002, S. 91

50 Vgl. Baumgarten/Darkow 2002, S. 93

51 Vgl. Corsten/Gössinger 2001 S. 86ff.; Corsten/Gabriel 2002, S. 9ff.

52 Vgl. Baumgarten/Darkow 2002, S. 91

53 Vgl. Wildemann 1988, S.3

54 Das japanische Wort KANBAN bedeutet im weiteren Sinne Karte. Auf diesen Steuerkarten sind

Informationen über Art, Menge, Bereitstellungs- und Aufbewahrungsorte eines KANBAN-Behälters

vermerkt.

55 Vgl. Oeldorf/Olfert 1998 S. 287; Fandel 1999, S. 461; Stölzle 1999, S. 179; Lackes 1995, S. 7ff.

56 Vgl. Oeldorf/Olfert 1998 S. 287

57 Vgl. Stölzle 1999, S. 179

16

senken läßt. Dann kann in jeder Art der Produktion das Fließprinzip realisiert werden.58

Mehrere Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine einsatzsynchrone Beschaffung installieren zu können:

58 Vgl. Wildemann 1991, S. 150

59 Vgl. Fandel 1999, S. 462; Bichler/Krohn 2001, S. 14; Jung 2000, S. 500

60 Vgl. Bichler/Krohn 2001, S. 13

61 Vgl. Schulte 1999, S. 238ff.

62 Vgl. Stölzle 1999, S. 180f.

Ende der Leseprobe aus 106 Seiten

Details

Titel
Einsatz der Balanced Scorecard für die Operationalisierung von Beschaffungsketten
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Note
gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
106
Katalognummer
V32234
ISBN (eBook)
9783638330053
ISBN (Buch)
9783640865116
Dateigröße
1175 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Veränderte Beschaffungsstrukturen haben veränderte Anforderungen an das Controlling von Beschaffungsketten zur Folge. Die Balanced Scorecard ist in diesem Zusammenhang nicht nur als Leistungsmesssystem, sondern als Managementsystem zu betrachten. Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II/berufliche Fachrichtung (Wirtschaft)
Schlagworte
Einsatz, Balanced, Scorecard, Operationalisierung, Beschaffungsketten
Arbeit zitieren
Gabriele Schweitzer (Autor:in), 2003, Einsatz der Balanced Scorecard für die Operationalisierung von Beschaffungsketten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32234

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Einsatz der Balanced Scorecard für die Operationalisierung von Beschaffungsketten



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden