Bürgerkriege sind soziale Phänomene mit einer langen Zivilisationsgeschichte und vielen Facetten. So lassen sich bereits in den Mythologien früher Hochkulturen – beispielsweise China –Erzählungen über Bürgerkriege finden. Ferner macht es auch den Anschein, dass sich Bürgerkriegserzählungen wie ein roter Pfaden durch die europäische Zivilisationsgeschichte ziehen. Von der Semantik der „Stasis“ zu Zeiten der griechischen Polis, über Narrative des Brüderzwists im Römischen Reich, bis hin zu den nationalistisch codierten Bürgerkriegserzählungen in der modernen Peripherie Europas; lassen sich durchgängig Phänomene erkennen, welche mit der einen oder anderen Konnotation von Bürgerkriegsdefinitionen erfassbar sind.
Jedoch bleibt das wissenschaftliche Bild trotz der historischen Omnipräsenz des Phänomens sehr unscharf, nicht zuletzt weil es sich um einen Begriff handelt, dessen Bedeutungsgehalt mindestens so umkämpft ist, wie die jeweiligen sozialen Situationen in denen er extensiven Gebrauch findet. Ein weiterer Grund dieser Diffusität kann meines Erachtens nach in der komplexen und dynamischen Natur von Bürgerkriegsphänomenen gesehen werden. Denn es liegt nahe, davon auszugehen, dass Bürgerkriege keine statischen und ahistorischen Erscheinungen sind, sondern vielmehr fluide und mehrdimensionale Konfliktkonstellationen, deren soziokulturelle Formen mit den Anforderungen und Voraussetzungen ihrer sozialen Umwelt ko-evolvieren. Dadurch würde sich auch erklären lassen, warum zeitgenössische Bürgerkriegstheorien dazu tendieren, eine spezifische soziale Dimension (bspw. Religion oder Wirtschaft) universalisierend in den Fokus zu rücken. Denn die Bürgerkriege der Gegenwart ereignen sich unter den äußerst komplexen Voraussetzungen der emergierenden Weltgesellschaft, welche für die systematische Beobachtung besondere Herausforderungen bereithält.
Nichtsdestotrotz drängt sich aus einer historisch-komparativen Perspektive der Verdacht auf, dass – trotz der Partikularität und Besonderheit der einzelnen Phänomene – allen bisher dokumentierten Bürgerkriegen eine strukturelle Gemeinsamkeit immanent ist. An dieser Stelle wird die vorliegende Arbeit anknüpfen und gemäß der These, dass alle Bürgerkriege auf einer basalen Ebene spezielle Formen politischer Konflikte sind, versuchen, ein Sockelmodell zu konzipieren, welches als anschlussfähiges Fundament für die Entwicklung einer mehrdimensionalen und flexiblen Analyseheuristik dienen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Definition des Untersuchungsgegenstands - Bürgerkriege als Extremform sozialer Konflikte
- Grundlagen der Modernen Systemtheorie
- Eine Typik sozialer Systeme
- Das politische System der Gesellschaft
- Systemfunktion & Macht
- Primär- & Sekundärdifferenzierung
- Moderne Systemtheorie & politische Konflikte
- Konflikte und die primäre Differenzierung der Politik
- Konflikte und die sekundäre Differenzierung der Politik
- Ein systemtheoretisches „Sockelmodell\" des internen Krieges
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entstehung von Bürgerkriegen aus einer systemtheoretischen Perspektive. Ziel ist es, ein Sockelmodell zu entwickeln, das die strukturellen Gemeinsamkeiten von Bürgerkriegen aufzeigt und als Grundlage für eine mehrdimensionale Analyse dienen kann.
- Die Definition von Bürgerkriegen und ihre Bedeutung für die Forschung
- Die Anwendung der modernen Systemtheorie auf das Phänomen des Bürgerkrieges
- Die Rolle von Macht und Differenzierung in der Entstehung von Bürgerkriegen
- Die Entwicklung eines systemtheoretischen Modells zur Erklärung von Bürgerkriegen
- Die Möglichkeiten und Grenzen der systemtheoretischen Analyse von Bürgerkriegen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Relevanz des Themas Bürgerkriege dar und erläutert die wissenschaftliche Bedeutung des Forschungsgegenstandes. Sie beleuchtet die historische Omnipräsenz des Phänomens und die Komplexität der Bürgerkriegsphänomene in der Gegenwart.
- Definition des Untersuchungsgegenstands - Bürgerkriege als Extremform sozialer Konflikte: Dieses Kapitel definiert den Untersuchungsgegenstand „interner Krieg“ und grenzt ihn von anderen Konfliktformen ab. Es werden die zentralen Kriterien der Definition erläutert und die Anwendung auf konkrete Fälle diskutiert.
- Grundlagen der Modernen Systemtheorie: Dieses Kapitel stellt die grundlegenden Prinzipien der modernen Systemtheorie vor. Es wird die Konzeption von sozialen Systemen und ihre Funktionsweise erläutert.
- Eine Typik sozialer Systeme: Dieses Kapitel befasst sich mit der Unterscheidung von verschiedenen Typen sozialer Systeme und deren spezifischen Eigenschaften.
- Das politische System der Gesellschaft: Dieses Kapitel analysiert das politische System der Gesellschaft aus systemtheoretischer Sicht. Es werden die Funktionen des politischen Systems, die Machtstrukturen und die Prozesse der Differenzierung betrachtet.
- Ein systemtheoretisches „Sockelmodell\" des internen Krieges: Dieses Kapitel entwickelt ein systemtheoretisches Modell, das die Entstehung von Bürgerkriegen erklärt. Es werden die zentralen Elemente des Modells erläutert und deren Relevanz für die Analyse von Bürgerkriegen dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen und Konzepten der modernen Systemtheorie im Kontext von Bürgerkriegen. Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Bürgerkrieg, interner Krieg, politische Konflikte, Systemtheorie, Soziale Systeme, Macht, Differenzierung, Sockelmodell, Analyseheuristik.
- Quote paper
- Gino Krüger (Author), 2015, Die Emergenz von Bürgerkriegen. Ein systemtheoretisches Modell, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322348