Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Menschenbild und Freiheitsbegriff
1.1 Thomas Hobbes
1.2 John Stuart Mill
2 Freiheit in der Gesellschaft
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Von Aristoteles, über Rousseau und Kant, bis hin zu Karl Marx – im Laufe der Geschichte haben sich die Vorstellungen und Ansichten in Bezug auf den Menschen, die Freiheit und die Prinzipien einer idealen Gesellschaft, nach denen die Menschen miteinander leben sollen, gewandelt. Während man in der Antike eher davon ausging, dass das Leben vorherbestimmt sei und jedem eine bestimmte Aufgabe zukommt, liegt die Gestaltung des Lebens im neuzeitlichen Denken eher im Ermessen eines jeden Menschen selbst.
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit den Überlegungen von Thomas Hobbes und John Stuart Mill. Insbesondere geht es um die Freiheit innerhalb der Gesellschaft, wie diese dort auftritt und welche Bedeutung ihr zukommt. Dazu ist es zunächst erforderlich, sowohl Menschenbilder als auch Freiheitsbegriffe der beiden Philosophen darzulegen. Grundlage dafür bilden die Werke „Leviathan“ von Thomas Hobbes und „Über die Freiheit“ von John Stuart Mill.
Im „Leviathan“ betrachtet Hobbes zunächst den Menschen als kleinstes Glied der Gesellschaft, um auf Basis der anthropologischen Erkenntnisse die Grundlagen des menschlichen Miteinanders auszulegen. Die Gesellschaft ist seines Erachtens nach ein Produkt menschlicher Leistung, dessen Rechtfertigung zum Einsatz politischer Macht er ermittelt.1 Thema von Mills „Über die Freiheit“ sind die soziale und die bürgerliche Freiheit, womit er das „Wesen und [die] Grenzen der Macht, welche die Gesellschaft rechtmäßig über das Individuum ausübt“ meint.2 Er beschäftigt sich also damit, inwieweit ein Eingreifen der Gesellschaft in die persönliche Freiheit eines Menschen gerechtfertigt ist.
Im Abstand von rund 200 Jahren wurden sowohl Hobbes (1588, Westport) als auch Mill (1806, London) in England geboren. Während Mill als Begründer der Verbreitung des Positivismus im englischen Raum galt3 und mit seiner Philosophie versuchte, ein positives Bild des Universums und des Platzes, den der Mensch darin hat, zu entwickeln, um so sowohl zum Fortschritt menschlichen Wissens und Wohlbefindens als auch individueller Freiheit, beizutragen4, gelten in Hobbes Ausführungen die Angst vor dem gewaltsamen Tod oder vor dem Krieg als charakteristische Elemente des menschlichen Wesens.5 Grund dafür sind aller Wahrscheinlichkeit nach die permanenten Kriegszustände und Instabilitäten, unter denen er aufwuchs.
1 Menschenbild und Freiheitsbegriff
1.1 Thomas Hobbes
Sein Menschenbild begründet Thomas Hobbes auf dem Naturzustand, einem Gedankenexperiment, in dem er von der Abwesenheit einer Staatsgewalt ausgeht und in dem die Menschen nicht von Gesetzen reguliert werden, sondern ein jeder unter der Leitung seiner eigenen Vernunft steht.6 Bezüglich physischer und geistiger Fähigkeiten ist die menschliche Beschaffenheit von Natur aus gleichermaßen verteilt. Sollten die Ausprägungen dennoch unterschiedlich sein, so ist es nicht der Fall, dass daraus für jemanden ein ungerechter Vorteil resultieren würde. Es sei nämlich sogar dem Schwächsten möglich, den Stärksten mithilfe von List oder durch den Zusammenschluss mit anderen Schwachen zu töten.7
Durch den Mangel einer regulierenden Instanz, gilt der Vorsatz „Gewalt mit Gewalt zu vertreiben“8 und es herrscht der Zustand eines Krieges aller gegen alle. Gründe, wieso die Menschen einander feindselig gegenüber treten, sind Konkurrenz, Verteidigung, sowie das Streben nach Anerkennung. Weil jeder ein Recht auf alles hat, was ihm aktuell oder für die Zukunft zur Sicherung seines Lebens als nützlich erscheint9, ist es stets nötig davon ausgehen, dass niemand unter der Prämisse der Selbsterhaltung vor der gewaltsamen Aneignung eines Gutes, das auch für jemand anderen von Interesse ist, zurückweicht. Begegnen sich zwei Menschen, die dasselbe wollen, muss sich einer unterwerfen oder er wird getötet . Demnach herrscht bei den Menschen untereinander Furcht, Gewalt und Unsicherheit. Hobbes zufolge ist der Mensch also ein von Leidenschaften getriebenes, egoistisches Wesen, das gewaltsam und gegebenenfalls auch durch Mord für die Erhaltung seines Selbst sorgt.
Alles zu tun, was zur Selbsterhaltung beiträgt, ist die im Naturrecht inbegriffene Freiheit, die die Abwesenheit äußerlicher Hindernisse umfasst.10 Des Weiteren gibt es natürliche Gesetze, die als Regeln der Vernunft geltend machen, nichts zu tun, was der Selbsterhaltung schadet und nichts zu unterlassen, was ihr nützt. Das erste natürliche Gesetz besagt, dass man Frieden suchen und halten soll, sofern er in Aussicht ist, denn ansonsten gilt es gemäß des Naturrechtes, mit allen Mitteln für die Selbsterhaltung zu sorgen. Das zweite gebietet - vorausgesetzt, dass auch die anderen dazu bereit sind und die Selbsterhaltung gesichert ist - den Verzicht auf das Recht auf alles und ordnet an, den anderen die Freiheit einzuräumen, die man auch für sich selbst erwartet. Weil die Menschen aber von gegenseitiger Furcht und gegenseitigem Misstrauen beeinflusst sind, werden sie ihre Freiheit, sich alles nötige ohne Rücksicht auf andere nehmen zu können, nicht zugunsten einer Freiheit aufgeben, die sie anderen zugestehen und für sich selbst einschränken müssen, da dadurch die Gefahr bestünde, dass irgendwer von dem Verzicht der anderen profitieren will, da sie sich ihm dann „willig zum Raube dar[...]bieten“ würden.11
1.2 John Stuart Mill
John Stuart Mill geht davon aus, dass die Menschen gewohnheitsbedingt annehmen, dass die Regeln des menschlichen Benehmens aus dem Gefühl eines jeden Menschen resultieren, welches darüber entscheidet, wie er sich selbst und wie diejenigen, die sich mit ihm verstehen, ihn gerne handeln sehen wollen. Allerdings gesteht sich in Wirklichkeit „niemand ein, dass der Maßstab seines Urteils von seinen eigenen Wünschen abhängt“.12 Welche Ansichten ein Mensch bezüglich der Moral, des Anstandes oder der Angemessenheit von Lob und Tadel eines Benehmens vertritt und welche Wünsche er an das Verhalten anderer stellt, werden von seinen Vorlieben beeinflusst, die er im Alltag als einzigen und ausnahmslos genügenden Grund angibt.13
Räumen die Menschen sich gegenseitig die Möglichkeit ein, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es für richtig halten, so steigert sich ihr persönlicher Gewinn. Überschneiden sich dabei aber die Interessenkreise mehrerer Personen, ist die Überwachung des Handelns durch Andere mit Berufung auf die Nützlichkeit rechtens. Somit könnte man den Menschen im Sinne Mills auch als einen ‚homo oeconomicus‘ bezeichnen, da er seine eigenen Ziele verfolgt und dabei die Maximierung des Nutzens, in diesem Fall durch die Gestattung individueller Lebensführungen oder Beobachtung fremden Verhaltens bezüglich des Allgemeinwohls, beabsichtigt.14
Freiheit kann sich auf verschiedene Aspekte des individuellen Lebens beziehen, womit insgesamt das „Gebiet der menschlichen Freiheit“15 beschrieben wird. Dabei handelt es sich um die Aspekte des Lebens eines Einzelnen, die nur ihn persönlich und direkt betreffen. Der Einzelne ist physisch und psychisch gesehen ein souveräner Herrscher über sich selbst.16 Sofern andere ebenso davon betroffen sind, bedarf es ihrer unbeeinflussten Zustimmung.
Zuerst gibt es eine solche Freiheit, die das innere Bewusstsein und die Gewissensfreiheit, aber auch die Freiheit der Meinung, des Denkens und des Fühlens betrifft. Zwar ist es so, dass die Meinungsfreiheit zu dem „Teil [der] persönliche[n] Lebensführung gehört, [der] andere Leute mit betrifft“17, zum Beispiel durch eventuelle Beeinflussung anderer, jedoch ist sie nicht eindeutig von der Freiheit der Gedanken zu trennen, weswegen sie ebenso der menschlichen Freiheit zugeordnet wird.
Des Weiteren bezieht sich die Freiheit auf persönliche Dispositionen und die auf ihnen aufbauende Gestaltung des Lebens, welche bedenkenlos von statten gehen soll, sofern andere Personen nicht darunter leiden. Das Eingreifen in die individuelle Lebensplanung eines Menschen ist nicht zulässig, nur weil andere Menschen kein Verständnis für eine bestimmte Art und Weise aufbringen können und es selbst anders handhaben würden.
Zuletzt geht es den Aspekt der Vereinigung. Sind alle beteiligten Personen mündig und schädigen niemand anderen mit ihrem Vorhaben, ist es völlig gleich zu welchen Zweck sie miteinander in Verbindung treten. Allerdings darf der Zusammenschluss nicht auf Zwang oder Vortäuschung falscher Tatsachen beruhen.
2 Freiheit in der Gesellschaft
Das Leben im Naturzustand Hobbes ist ein Krieg aller gegen alle, in dem die Menschen den Grundsätzen der Vernunft nicht folgen, da sie ihren Leidenschaften prinzipiell zuwider laufen. Jene können nur dann wirksam gemacht werden, sobald die Furcht vor Bestrafung durch eine obere Instanz besteht.18 Daraus entsteht die Notwendigkeit der Errichtung eines Staates, der die Menschen durch Gesetze reguliert. Es erfolgt der Übergang in einen Zustand, in dem jeder einen Vertrag mit einem jeden schließt, anstatt Krieg mit ihm zu führen. Im Vertrag geschieht die Übergabe des Rechtes der Selbstbeherrschung, insofern alle anderen dieses auch abtreten, auf einen Stellvertreter des Staates, dem Souverän, dem dann die höchste Gewalt innewohnt. Alle einzelnen Personen bilden von dort an eine einzige Person und es entsteht der „große Leviathan“.19
Wenn Mill von Gesellschaft spricht, dann geht er von einem Zustand aus, in dem die Menschen dazu befähigt sind, durch Überzeugungskraft zu ihrem eigenen Fortschritt und ihrer Verbesserung, ihrer „Vervollkommnung“, bewegt zu werden.20 Das Gebiet der menschlichen Freiheit ist für die Gesellschaft nur von indirektem Interesse.21 Erfolgt eine uneingeschränkte Achtung und Respektierung der individuellen Freiheiten, so ist eine Gesellschaft frei und unabhängig, wobei allerdings gewisse Ausnahmeregelungen zu berücksichtigen sind. In die Handlungsfreiheit eines anderen Individuums darf nur dann eingegriffen werden, wenn man sich selbst schützen muss.
Bei Hobbes hingegen sind diese individuellen bzw. bürgerlichen Freiheiten, das heißt Meinungs- und Versammlungsfreiheit, für den Staat von besonderer Relevanz und werden gleichzeitig mit seiner Entstehung eingeschränkt. Dem Souverän steht es zu, bestimmte Literatur oder Versammlungen, in denen Informationen weitergegeben werden sollen, zu verbieten, um eine Gefährdung des Staates auszuschließen. Basis dafür ist, dass Handlungen auf Meinungen beruhen und die Wahrheit der „Zweck des Lehrens“22 ist, weswegen es gilt, Inhalte mit Sorgfalt zu überprüfen. Die Freiheit innerhalb der Gesellschaft ist demnach abhängig vom „Stillschweigen der Gesetze“.23 All die Dinge, die nicht von den Gesetzen bestimmt wird, relativ – weil der Souverän sie nach Belieben einschränken oder erweitern kann - uneingeschränkt frei sind.
Von uneingeschränkter Freiheit und rechtmäßiger Unabhängigkeit des Einzelnen kann man bei Mill dann sprechen, wenn niemand sonst von etwas betroffen ist. Die Ausnahme dabei bilden Kinder und Jugendliche, bei denen man noch nicht von Mündigkeit sprechen kann, weswegen Sorge zu tragen ist, sie sowohl vor äußerlichem Schaden als auch vor Schaden durch ihr eigenes Handeln zu schützen. Explizit gegen den Willen eines Individuums darf nur dann gerechtfertigt eingegriffen werden, wenn man die Schädigung anderer Personen verhindern möchte, weil ein Mensch nur dann Verantwortung für die Gesellschaft trägt, wenn er mit seinem Handeln andere Personen in Mitleidenschaft zieht.24 In schwerwiegenden Fällen ist es auch möglich, jemanden für seine Untätigkeit gegenüber der Gesellschaft verantwortlich zu machen. Die einzigen Gründe, die ein solches ‚Wegsehen‘ rechtfertigen, sind entweder die untragbare Last für die Gesellschaft, bei der man die Person lieber sich selbst überlässt, oder weitaus größere, durch das Eingreifen zu verursachende, Schäden.
Da es gilt, die Handlungen der anderen so zu betrachten, als hätte man sie selbst ausgeführt, wird den Menschen bei Hobbes für das Funktionieren der Gesellschaft durch das Eingreifen in das Handeln anderer eine größere Verantwortung zugeschrieben.25
Fazit
Hobbes und Mills Ansichten über den Menschen, über die Freiheit und ihre verschiedenen Bereiche, sowie die Relevanz jener Bereiche zum Funktionieren der Gesellschaft sind durchaus unterschiedlich. Grund dafür sind die Lebensbedingungen, denen beide zu ihrer Zeit ausgesetzt waren. Aufgrund dessen erheben sie auch komplett andere Ansprüche in Bezug auf die Gesellschaft.
Während Hobbes auf der Suche nach Ursachen von Krieg und Frieden ist, um sie auf das menschliche Zusammenleben zu übertragen und Kriege künftig zu verhindern, will Mill zeigen, dass man seine Freiheit nicht notwendigerweise als Folge gesellschaftlicher Verhältnisse einbüßen muss. Mill hingehen sieht die Gefahr nicht in drohenden Kriegszuständen sondern darin, dass Minderheiten Meinungen und Ideale der Mehrheiten aufgedrängt bekommen könnten. Die „Tyrannei der Mehrheit“26 wird dabei von den aktivsten Mitgliedern der Gesellschaft ausgeübt.
Um die drohende Gefahr eines Krieges so gering wie möglich zu halten, setzt Hobbes zur Vermeidung von Uneinigkeiten und Streitereien auf die Konformität aller Bürger. Deshalb behält sich der Souverän zur Aufrechterhaltung einer allgemeingültigen Wahrheit, die den Frieden sichern soll, die Prüfung aller anderen Informationen vor, die möglicherweise als andere ‚Wahrheit‘ in Umlauf gelangen könnten. Für Mill sind es gerade die Unterschiede der Bürger – hinsichtlich ihrer Meinungen, Ideale oder Lebensstile – die für die Gesellschaft von großer Bedeutung sind, da er sich von der Vielfalt der Charaktere einen möglichst großen Fortschritt der menschlichen Natur erhofft.
Gerade im Hinblick auf die Meinungsfreiheit stößt man in gegenwärtigen Gesellschaften auf jeweilige Aspekte beider Theorien. Durch das Medium Internet, ist es praktisch jedem möglich, Menschen auf ganzer Welt zu erreichen und seine Meinungen und Ansichten mit ihnen zu teilen. Man kann dabei auf Toleranz und ein Gefühl von Bereicherung durch die Vielfalt der Lebensweisen und Mentalitäten einzelner Menschen, so wie es auch in Mills Sinn zum Fortschritt wäre. Allerdings gibt es auch Länder deren Auffassung eher Hobbes entspricht. Beispielsweise in China erfolgt eine starke Zensur des Internets zur selektiven Vermittlung von Nachrichten. Die Gestaltung der öffentlichen Meinung und das Fernhalten konträrer äußerer Einflüsse, um einer abweichenden Meinungsbildung entgegenzuwirken, dienen dabei der Erhaltung und Sicherung der politischen Macht.27
So unterscheiden sich also auch heutzutage die Ansprüche und Erwartungen an eine funktionierende Gesellschaft und die dafür nötigen Einschränkungen und Freiheiten.
[...]
1 Hörster, Norbert, Klassische Texte der Staatsphilosophie, München 2011, S. 92
2 John Stuart Mill, Über die Freiheit, Stuttgart 2010, S. 7
3 Röd, Wolfgang, Der Weg der Philosophie, 2. Band: 17. bis 20. Jahrhundert. München 2009, S. 316
4 http://plato.stanford.edu/entries/mill/ (Seitenaufruf am 08.09.2015)
5 Röd, Der Weg der Philosophie, S. 38
6 Thomas Hobbes, Leviathan. Erster und Zweiter Teil, Stuttgart 1970, S. 119
7 Hobbes, Leviathan, S. 113
8 Hobbes, Leviathan, S. 115
9 Hobbes, Leviathan, S. 119
10 Hobbes, Leviathan, S. 118
11 Hobbes, Leviathan, S. 119
12 Mill, Über die Freiheit, S. 13
13 Mill, Über die Freiheit, S. 14
14 http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/8004/homo-oeconomicus-v12.html (Seitenaufruf am 10.09.2015)
15 Mill, Über die Freiheit, S. 22
16 Mill, Über die Freiheit, S. 19
17 Mill, Über die Freiheit, S. 22
18 Hobbes, Leviathan, S. 151
19 Hobbes, Leviathan, S. 155
20 Mill, Über die Freiheit, S. 19/20
21 Mill, Über die Freiheit, S. 22
22 Hobbes, Leviathan, S. 161
23 Hobbes, Leviathan, S. 196
24 Mill, Über die Freiheit, S. 19
25 Hobbes, Leviathan, S. 155
26 Mill, Über die Freiheit, S. 11
27 https://de.wikipedia.org/wiki/Projekt_Goldener_Schild#Nutzen (Seitenaufruf am 17.09.2015)