Architektur im "Dritten Reich" - Monumentalbauten im Dienst der Ideologie. eine Untersuchung anhand des neuen Reichskanzleigebäudes


Seminararbeit, 2004

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Megalomanie als Staatsdoktrin
2.1. „L’art pour l’art“ als Ausdruck der Moderne
2.2. Nationalsozialismus und Moderne – von der Ästhetik nach dem 30. Januar 1933
2.3. Hitlers Kunstbegriff und die Funktion der Bauten

3. „Wer ein Volk zum Stolz erziehen will, muß ihm auch sichtbaren Anlaß zum Stolz geben!“[1] – das neue Reichskanzleigebäude
3.1. Die Geschichte des Reichskanzleigebäudes von 1878-1933
3.2. Der Gedanke der „Volksgemeinschaft“ im Widerspruch architektonischer Realität – die neue Reichskanzlei
3.3. Speers Architekturtheorem und die ideologische Bedeutung des Natursteins

4. Fazit

5. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einführung

„Was den Städten des Altertums und des Mittelalters die charakterlichen und damit bewunderungswürdigen Züge verlieh, war nicht die Größe der bürgerlichen Privatgebäude, als vielmehr die sich weit darüber erhebenden Dokumente des Gemeinschaftslebens...“[2] Dieses „Führer“-Zitat beinhaltet bereits ein Gros der Forderungen an die nationalsozialistische „Baukunst“, die zuvörderst gigantische „Sanktuarien“ der NS-Ideologie errichten sollte, für welche beispielsweise das Zeppelinfeld in Nürnberg oder das Berliner Olympiastadion zu nennen sind.

Diese Hausarbeit beschäftigt sich neben einem theoretischen auch noch mit einem praktischen Teil – das neue Reichskanzleigebäude. Es soll dargelegt werden, inwiefern etwaige Anlagen der Selbstreferenz Hitlers dienten, welche Bedeutung sie für die „braune Weltanschauung“ hatten und was ihre konkrete Funktion war.

Unterpunkt 2.1. „L’art pour l’art“ als Ausdruck der Moderne referiert kurz über den Neoklassizismus als signifikantes architektonisches Ausdrucksmittel, geht auf das Schönheitsempfinden der Weimarer Republik ein, wobei primär dessen Ursprung aufgeführt wird. In seinem besonderen Einfluss werden die Anfänge des „Neuen Bauens“ angesprochen und hieran letzten Endes die Politisierung der Architektur belegt. Diese hat in Hitler-Deutschland weiterhin Verwendung gefunden. Außerdem wird am Rand auf Phänomene des besiegten Kaiserreiches eingegangen.

2.2. Nationalsozialismus und Moderne – von der Ästhetik nach dem 30. Januar 1933 spricht das Ende des Bauhauses an und erläutert das Verhältnis der Nazis zur (verhassten) Weimarer Republik. In extenso setzt sich dieser Unterpunkt wie in 2.1. kurz angesprochen mit dem Neo-/ Primitivklassizismus als vermeintliche Stilrichtung totalitärer Regime auseinander und führt „Schönheit“, „Erhabenheit“, „Natürlichkeit“ sowie „Gesundheit“ als Paradigmen unter dem Hakenkreuz auf. Des weiteren kann eine Kontinuität der Bauhaus-Architektur in ihren Grundfacetten auch noch nach 1933 belegt werden, wodurch das NS-System seine Modernität hervorheben wollte. Besonderes Augenmerk muss dem „politisierten“ Bauwesen gelten.

Hitler avisierte eine deutsche Suprematie, wobei er sich in erster Linie an den Errungenschaften Roms orientierte. Hierüber informiert 2.3. Hitlers Kunstbegriff und die Funktion der Bauten und gibt Auskunft über die Hauptaufgaben nationalsozialistischer Prunkanlagen. Weiterhin wird das dezentrale Bauprogramm kurz angesprochen und somit Bezug auf die in 2.2. dargelegte, nicht existente einheitliche Architekturtheorie genommen, was ergo die Frage nach der „richtigen volksgemeinschaftlichen Ausprägung“ aufdrängt, sollen die monumentalen Bauwerke doch die Symbiose „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ gewährleisten, also das Führerprinzip visualisieren. Bereits auf den praktischen Teil hinweisend, wird kurz die Planungsphase für das neue Reichskanzleigebäude geschildert.

3.1. Die Geschichte des Reichskanzleigebäude von 1878-1933 erzählt von dem bereits unter Bismarck repräsentativen Charakter der Anlage und liefert eine kleine Darstellung seiner Vergangenheit, ehe der von 1928-1930 verfügte Umbau im Zeichen des Neuen Bauhauses heftige Kritik konservativer Kräfte der Weimarer Republik nach sich zog, setzten die verantwortlichen Architekten Eduard Jobst und Robert Kisch doch verstärkt auf Funktionalität.

Der Komplex in seiner baulichen Ausführung sowie besonderen Anforderungen an das Inventar ist Gegenstand von 3.2. Der Gedanke der „Volksgemeinschaft“ im Widerspruch architektonischer Realität – die neue Reichskanzlei. Rückbesinnung auf das Handwerk war für die Nazis zumindest offiziell von erheblicher Bedeutung, aber dies steht im Widerspruch zur in 2.2. / 3.2. aufgeführten Entpersönlichung des Individuums sowie rationalisierter Produktionsweisen. Schließlich informiert dieser Unterpunkt über den Gebäudeplan und spricht den Naturstein in seiner hervorragenden Symbolkraft an, worauf der folgende Teil näher eingeht.

3.3. Speers Architekturtheorem und die Bedeutung des Natursteins referiert über dessen „Theorie vom Ruinenwert“, wobei besonderes Interesse besagtem Baumaterial in seiner ideologischen Relevanz gilt. Weiterhin wird die Genese von Speers Gestaltungsbegriff erläutert.

Im 4. Fazit werden die Ergebnisse der einzelnen Kapitel zusammengetragen, um herzuleiten, dass die verfügten Anlagen des „Tausendjährigen Reiches“ der Selbstreferenz Hitlers dienten, welcher sogar persönliche Interessen mit in den Planungs- und Bauzyklus hatte mit einfließen lassen.

2. Megalomanie als Staatsdoktrin

2.1. „L’art pour l’art“ als Ausdruck der Moderne

Wie jedes totalitäre Regime, beispielsweise die ehemaligen Sowjets in Moskau oder die „Steinzeitkommunisten“ in Pjöngjang, wollte auch die nationalsozialistische Diktatur Deutschlands ihre menschenverachtende Ideologie durch megalomane Pracht- und Kultbauten glorifizieren, welche letzten Endes das Resultat eines radikalen Kulturprogramms waren. Allerdings war der hierfür damals vorherrschende Stil des Neoklassizismus nicht ausschließlich Diktaturen vorbehalten, sondern fand auch in anderen demokratischen Systemen für den Bau von repräsentativen Staatsgebäuden Verwendung, worüber der zweite Abschnitt detaillierter berichtet. Besagtes kulturpolitisches Leitbild unter dem Swastika beruhte auf einem rassischen Dualismus gepaart mit einem kulturphilosophischen Antagonismus.[3] Was waren nun aber dessen Ausdrucksmittel sowie Intentionen und wo lag der Ursprung jenes Paradigmas?

Um die Bedeutung der Architektur herauszuarbeiten, soll dieser Unterpunkt zunächst über die Ästhetik der Moderne referieren, wobei kurz auf Phänomene des Wilhelminischen Kaiserreichs eingegangen wird. Anschließend wird das Bauwesen im Zeichen des Hakenkreuzes aufgezeigt. Hier gilt besonderes Augenmerk der Synthese von Ideologie und architektonischer Gestaltung. Den Betrachtungen muss allerdings vorausgeschickt werden, das eine Politisierung der Baukunst bereits seit 1918 im Deutschland der Weimarer Republik erfolgte,[4] doch soll hierauf an anderer Stelle näher eingegangen werden.

Der Erste Weltkrieg bedeutete für die moderne Architektur eine Zäsur, welche das soziale, ökonomische und kulturpolitische Leben maßgeblich beeinflussen und schließlich im Neuen Bauen kulminieren sollte. In der Nachkriegszeit kam es europaweit zu „geistigen Revolutionen“ von Schriftstellern, Bildhauern sowie Künstlern, welche versuchten, die (angewandte) Kunst im kulturellen Bewusstsein ihres Staates einzubinden und umwälzende Ideen formulierten[5] (z.B. Dadaismus, Expressionismus etc.). Im politisch weitestgehend instabilen Weimar-Deutschland lehnte die neue Schule um Walter Gropius, der das Bauhaus mit Unterstützung der provisorischen republikanischen Administration des Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach durch den von ihm forcierten Zusammenschluss von Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in der Stadt an der Ilm im April 1919 begründete[6], da er an eine Synthese von Kunst, Industrie und Handwerk glaubte, veraltete Wertvorstellungen ab und verzichtete auf traditionelle Vorbilder, woraus letztlich ein Konflikt mit konservativen Architekten, deutsch-nationaler Presse und rechtsorientierten Gruppierungen resultierte. An der staatlichen Institution für Künstler, Designer und Architekten, welche nach Differenzen mit der neuen konservativen Regierung seit 1925 in Dessau zu finden war, standen neben Modernität und Funktionalität auch die Erprobung neuer Produktionsverfahren auf dem Curriculum.[7]

Vertreter besagter avantgardistisch-rationalistischer Theorie teilten eine „gemeinsame[...] Abscheu gegen den Krieg und“ waren von „eine[r] umfassende[n], die Architektur einschließende[n] kulturellen Umwälzung, die auf jegliche Vorbilder der Vergangenheit zu verzichten habe [überzeugt].“[8] Entgegen aller Kritik fand der neue Stil allem voran durch den explizit von ihm charakterisierten Massenwohnungsbau positive Resonanz. Nach der überwundenen Inflation bekamen Bauhaus-Architekten staatliche Aufträge in eben jenem Sektor, weswegen man ihre Arbeiten schnell mit politischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen des neuen Systems assoziierte. „Der neue Stil sollte Ausdruck der neuen nachrevolutionären Kultur und Gesellschaft sein. Sie [,die Architekten,] forderten darum die Unterstützung der eben gegründeten Republik.“[9] – die Verflechtung von Politik und Baukunst begann, auf welche eingangs hingewiesen wurde.

2.2. Nationalsozialismus und Moderne – von der Ästhetik nach dem 30. Januar 1933

Nach der „Machtergreifung“ im Januar 1933 musste sich das Bauhaus aufgrund der diffamierenden nationalsozialistischen Politik am 20. Juli des selben Jahres auflösen.[10] Seine Mitglieder waren der Verfolgung ausgesetzt, mussten emigrieren oder fanden den Tod in Konzentrationslagern, wie etwa die in Auschwitz-Birkenau 1944 ermordete Otti Berger.[11] Das „braune“ Programm lehnte politische, wirtschaftliche sowie kulturelle Phänomene der Moderne restriktiv ab. Jene Neuerungen seien das Ergebnis der Weimarer Republik gewesen, die ihrerseits letzten Endes von Juden und „bolschewistischen Kräften“ geschaffen worden sei. In der avisierten „Volksgemeinschaft“ sollte es u.a. genannte Gruppen nicht mehr geben, weswegen man das verhasste demokratische System zunächst gezielte verunglimpfte, danach angriff und schließlich vernichtete.[12] Die Nazis glaubten den neuen Stil – Ausdruck der Moderne – als „Kunstbolschewismus“ stigmatisieren zu können, welcher nicht das Resultat sowohl gesellschaftlicher als auch sozioökonomischer Umstände in Weimar-Deutschland, sondern einer mit jener Staatsform verbundenen „Rassenmischung“ sei.[13]

[...]


[1] JANOWITZ, Günther: Wege im Labyrinth der Kunst. Begriffe, Daten, Stile, Aspekte, Tabellen, Werke. Ein Arbeitsbuch und Nachschlagewerk. Einhausen 1980, S.105. – zit.n. Hitler-Rede 1935.

[2] ebda, zit.n. Hitler-Rede 1937.

[3] vgl. hierfür MATHIEU, Thomas: Kunstauffassungen und Kulturpolitik im Nationalsozialismus. Studien zu Adolf Hitler, Joseph Goebbels, Baldur von Schirach, Heinrich Himmler, Albert Speer, Wilhelm Frick. Saarbrücken 1997, S.294.

[4] vgl. hierfür MILLER-LANE, Barbara: Architektur und Politik in Deutschland 1918-1945. Braunschweig/ Wiesbaden 1986, S.205.

[5] vgl. hierfür TIMMERMANN, Nicola: Repräsentative ’Staatsbaukunst’ im faschistischen Italien und im nationalsozialistischen Deutschland – der Einfluss der Berlin-Planung auf die EUR. Stuttgart 2001, S.76.

[6] vgl. hierfür http://www.uni-weimar.de/studium/uniinfo/ [view: 14. September 2004]

[7] vgl. hierfür http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/kunst/bauhaus/index.html [view: 17. September 2004]

[8] TIMMERMANN: ’Staatsbaukunst’, S.77.

[9] MILLER-LANE: Architektur, S.16.

[10] vgl. hierfür TIMMERMANN: ’Staatsbaukunst’, S.82.

[11] vgl. hierfür http://www.bauhaus.de/bauhaus1919/biographien/biographie_berger.htm [view: 14. September 2004]

[12] vgl. hierfür MATHIEU: Kunstauffassungen, S.301-303.

[13] vgl. hierfür TIMMERMANN: ’Staatsbaukunst’, S.82.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Architektur im "Dritten Reich" - Monumentalbauten im Dienst der Ideologie. eine Untersuchung anhand des neuen Reichskanzleigebäudes
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Proseminar: Einführung in die sozial- und kulturwissenschaftlich orientierte Technikgeschichte
Note
1,3
Autoren
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V32252
ISBN (eBook)
9783638330183
Dateigröße
562 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Hausarbeit beschäftigt sich neben einem theoretischen auch noch mit einem praktischen teil - das neue Reichskanzleigebäude. Es soll dargelegt werden, inwiefern etwaige Anlagen der Selbstreferenz Hitlers dienten, welche Bedeutung sie für die "braune Weltanschauung" hatten und was ihre konkrete Funktion war. Die wissenschaftliche Arbeit greift auf Internetpublikationen, Tagungsberichte sowie vereinzelt Hitler-/Speerzitate zurücke
Schlagworte
Architektur, Dritten, Reich, Monumentalbauten, Dienst, Ideologie, Untersuchung, Reichskanzleigebäudes, Proseminar, Einführung, Technikgeschichte
Arbeit zitieren
Daniel Mielke (Autor:in)Stefan Meinberg (Autor:in), 2004, Architektur im "Dritten Reich" - Monumentalbauten im Dienst der Ideologie. eine Untersuchung anhand des neuen Reichskanzleigebäudes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32252

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