Sexuelle Gewalt ist in vielen Familien ein alltägliches Problem. Durch ein gestärktes Selbstwertgefühl und selbstsicheres Auftreten sollen Kinder und Jugendliche befähigt werden, sich selbst gegen unsittliche Übergriffe und sexuellen Missbrauch zu schützen.
Diese Forschungsarbeit ermittelt per Fragebogenauswertung Vorgehensweisen und Methoden, welche in der Grundschule zur Stärkung des Selbstwertgefühls eingesetzt werden.
Die psychischen und körperlichen Folgen sexueller Gewalt werden genau beschrieben sowie mögliche Präventionsmaßnahmen erklärt. Des Weiteren werden die unterschiedlichen Missbrauchsarten erläutert, Opfer- und Tätertypen beschrieben sowie die rechtlichen Grundlagen genannt.
Die Beschreibung von Vorgehensweisen und Methoden zur Aufklärung sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ebenfalls Teil dieser Arbeit. Weiterhin werden mögliche Einrichtungen genannt, welche für Opfer sexueller Gewalt Hilfeleistungen und Unterstützung anbieten.
Inhaltsverzeichnis
Abstrakt
Abstract
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Kennzahlen für Österreich
3 Historisches
4 Sexuelle Gewalt
4.1 Definitionen
4.2 Kategorien sexueller Gewalt
4.3 Alternative Begriffe zu „sexueller Gewalt“
4.4 Arten sexueller Gewalt
4.4.1 Der sanfte Missbrauch
4.4.2 Der gewaltsame Missbrauch
4.4.3 Der seelische Missbrauch
5 (Langzeit-)Folgen sexueller Gewalt
5.1 Einflussfaktoren auf die Folgen sexueller Gewalt
5.2 Auswirkungen auf Selbstwert und Körpergefühl
5.3 Psychodynamische Theorien zum Selbstgefühl
5.4 Empirische Untersuchungen
6 Opfer sexueller Gewalt
6.1 Gefühlslage und Situationsbeschreibung
6.2 Reaktionen der Opfer auf sexuelle Gewalt
6.3 Geheimhaltungsverpflichtung
7 Täter
7.1 Vorgehensweisen
7.2 Tätertypologien
7.3 Täterstrategien
7.3.1 Opferauswahl und Kontaktaufnahme
7.3.2 Beziehungsaufnahme
7.4 Täteraussagen
8 Vom Opfer zum Täter
9 Sexuelle Gewalt in Familien
9.1 Risikofamilien
9.2 Familiäres Zusammenleben in Risikofamilien
9.3 Risikofaktoren für sexuelle Gewalt
10 Sexualerziehung
10.1 Ziele zeitgemäßer Sexualerziehung
10.2 Sexualität und Tabu
11 Sexuelle Entwicklung
12 Persönlichkeitsentwicklung
12.1 Die psychosexuelle Entwicklung nach Freud
12.1.1 Die orale Phase (1. Lebensjahr)
12.1.2 Die anale Phase (2./3. Lebensjahr)
12.1.3 Die phallische Phase (4./5. Lebensjahr)
12.1.4 Die Latenzperiode (6. - 12. Lebensjahr)
12.1.5 Die genitale Phase (ab 12. Lebensjahr)
12.2 Die Bindungstheorie
12.2.1 Einleitung
12.2.2 Entstehung
12.2.3 Bindungsentwicklung
12.2.4 Bindungsverhalten
12.3 Vier Phasen der Bindungstheorie
12.4 Kritik an Bindungstheorie
13 Psychotraumatologie
14 Trauma
14.1 Begriffsdefinition
14.2 Traumatheorie
14.3 Physische und psychische Reaktionen
14.4 Ablauf von Traumen (3 Phasen)
14.4.1 Schockphase
14.4.2 Einwirkungsphase
14.4.3 Erholungsphase
14.5 Latenzzeit bei psychischem Trauma
14.6 Folgen
14.7 Traumabewältigung als soziale Aufgabe
15 Aufklärung sexueller Missbrauchsfälle
15.1 Signale erkennen
15.2 Vorgehensweisen
15.3 Hilfe und Unterstützung
15.3.1 Wer bietet Hilfe und Unterstützung an?
15.3.2 Wie kann Opfern sexueller Gewalt geholfen werden?
15.4 Opferberatung
15.5 Täterberatung
15.6 Prozessbegleitung
16 Rechtliche Grundlagen
16.1 § 206 - Schwerer sexueller Missbrauch
16.2 § 207 - Sexueller Missbrauch von Unmündigen
16.3 § 212 - Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses
17 Prävention
17.1 Ziele
17.2 Verantwortlichkeiten im Grundschulbereich
17.3 Inhalte der Präventionsarbeit
17.4 Elternarbeit
17.5 Säulenmodell für eine wirkungsvolle Präventionsarbeit
17.6 Intervention und Behandlung
17.6.1 Behandlung bei intrafamiliärem Missbrauch
17.6.2 Behandlung bei extrafamiliärem Missbrauch
18 Maßnahmen zur Prävention von sexueller Gewalt und Stärkung des Selbstwertgefühls in der Grundschule
18.1 Aufbau Fragebogen
18.2 Umfrageteilnehmer
18.3 Ergebnisdarstellung
18.3.1 Teilnehmergruppe
18.3.2 Einzelfragenauswertung Präventionsmaßnahmen
18.3.3 Bekannte Missbrauchsfälle
19 Schlusswort
20 Quellenverzeichnis
Abstrakt
Sexuelle Gewalt ist in vielen Familien ein alltägliches Problem (vgl. Goebel). Durch ein gestärktes Selbstwertgefühl und selbstsicheres Auftreten sollen Kinder und Jugendliche befähigt werden, sich selbst gegen unsittliche Übergriffe und sexuellen Missbrauch zu schützen.
Diese Forschungsarbeit ermittelt per Fragebogenauswertung Vorgehensweisen und Methoden, welche in der Grundschule zur Stärkung des Selbstwertgefühls eingesetzt werden.
Die psychischen und körperlichen Folgen sexueller Gewalt werden genau beschrieben sowie mögliche Präventionsmaßnahmen erklärt. Des Weiteren werden die unterschiedlichen Missbrauchsarten erläutert, Opfer- und Tätertypen beschrieben sowie die rechtlichen Grundlagen genannt.
Die Beschreibung von Vorgehensweisen und Methoden zur Aufklärung sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ebenfalls Teil dieser Arbeit. Weiters werden mögliche Einrichtungen genannt, welche für Opfer sexueller Gewalt Hilfeleistungen und Unterstützung anbieten.
Abstract
Nowadays sexual assault is an ordinary and serious problem in many families (cf. Goebel). A strong character and a forceful personality combined with a positive self-esteem should empower children and adolescent people to protect themselves against the sexual misuse and immortal violation.
In order to analyse methods and procedures that are used in primary school to strengthen the feelings of self-respect and self-assurance of all individual pupils, a questionnaire was carried out.
This thesis, therefore, deals with all the psychological and physiological consequences of sexual assaults. Furthermore prevention skills are explained. Additionally all different forms of sexual abuse are listed. This document also describes all the different types of victims and perpetrators. The legal regulations in the respect of sexual assault are described in a separate chapter. The goal and content of the sexual education are also part of this bachelor work. Furthermore possible facilities are mentioned, which offer help and support for victims of sexual assaults.
1 Einleitung
Sexuelle Gewalt ist die gezielte Demütigung und Missachtung des Willens einer Person. Dazu zählt nicht nur Vergewaltigung, sondern auch das Nichtbeachten der Intimsphäre, sexuelle Redensweisen, sexuelle Nötigung und Belästigung, Präsentation von pornographischen Heften und Filmen gegen den Willen von Kindern und Jugendlichen. Sexualität wird das Instrument des Täters, um eine Person zu unterwerfen und diese zum Objekt seiner Bedürfnisse zu machen.
Die gravierenden psychischen, gesundheitlichen und sozialen Folgen von sexueller Gewalt gegen Kindern und Jugendlichen stellen ein bedeutendes gesellschaftliches Problem dar. Die psychischen und psychosomatischen Folgeerscheinungen haben Auswirkungen auf familiäre und soziale Beziehungsstrukturen, die Erwerbssituation und, je nach Intensität der Gewalt, auch auf die Folgegeneration. Des Weiteren kann sexuelle Gewalt oft auch auf Suchterkrankungen, selbstschädigendes Verhalten, Angststörungen, Beziehungsstörungen und Sexualstörungen zurückgeführt werden.
Sexuelle Gewalt ist für viele Knaben und Mädchen heutzutage ein alltägliches Problem. Laut Expertenschätzungen sind mehr als 25% der Mädchen und 12% der Jungen Opfer von sexuellen Übergriffen und Misshandlungen. Gestärktes Selbstbewusstsein, selbstsicheres Auftreten und sexuelle Aufklärung bilden die Kernkompetenzen für den aktiven Selbstschutz gegen sexuelle Gewalt.
Durch eine Fragebogenauswertung soll eine Aussage über Methoden und Vorgehensweisen identifiziert werden, welche gegenwärtig in ausgewählten burgenländischen Schulen eingesetzt werden, um das Selbstbewusstsein und persönliche Auftreten von Kindern und Jugendlichen zu stärken, um sexuelle Übergriffe zu erkennen und diese zu beenden.
Des Weiteren wurde der Begriff sexuelle Gewalt definiert, die unterschiedlichsten Missbrauchsarten genau beschrieben sowie die Opfer- und Täterstrukturen erklärt.
Die Auswirkungen und Langzeitfolgen sexueller Gewalt sowie mögliche Präventionsmaßnahmen für den Schutz von Kindern und Jugendlichen werden in separaten Kapiteln thematisiert und erläutert.
Eine genaue Beschreibung der Aufgaben, Inhalte und Ziele der Sexualerziehung in der Grundschule ist nicht Inhalt dieser Arbeit. In einem separaten Kapitel werden lediglich die Ziele des Sexualunterrichts genannt. Für weiterführende Informationen wird auf die Internetseite des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur verwiesen:
http://www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/lp/Volkschullehrplan3911.xml bzw.
http://www.bmukk.gv.at/medienpool/14055/lp_vs_gesamt.pdf.
2 Kennzahlen für Österreich
Jedes 3. bis 4. Mädchen und jeder 7. bis 8. Bub ist zwischen dem 1. und 16. Lebensjahr von sexuellem Missbrauch betroffen. Der Großteil der Kinder ist bei Beginn der sexuellen Gewalt zwischen 6 und 12 Jahre alt - sexueller Missbrauch kann sich über Jahre hinausziehen und kann sich bis ins Erwachsenenalter erstrecken. Sexueller Missbrauch bzw. sexuelle Gewalt betrifft zwar vorwiegend Kinder und Jugendliche, spiegelt aber oft auch ein Machtgefälle zwischen Männern und Frauen wider, denn in 80-90% der Fälle sexuellen Missbrauchs geht die Gewalteinwirkung vom Mann aus (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, 42007, S. 8).
In Österreich werden jährlich rund 700 Sexualdelikte an unter 14-Jährigen zur Anzeige gebracht. Betroffen sind vor allem Kinder aus Familien, die verschiedene Belastungsmerkmale, wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Gewalt oder auch Vernachlässigung, aufweisen (vgl. Altbauer)
3 Historisches
Sexuelle Gewalt an Kindern ist als eine Beständigkeit der Menschheitsgeschichte anzusehen, welche bis in die Gegenwart hineinreicht. Erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts wurde begonnen, die Realität des atemberaubenden Ausmaßes sexueller Übergriffe in unserer Gesellschaft vermehrt anzuerkennen. In den antiken Hochkulturen heranzuwachsen, bedeutete nicht selten das Risiko, sexueller Gewalt ausgesetzt zu sein. In Griechenland wurden die Kinder als Prostituierte verkauft oder manchmal sogar gemietet (vgl. Deegener, 52010, S. 39f.).
„In der Rechtssprechung dieser Zeit und im Alten Testament war Vergewaltigung eines Mädchens oder einer Frau eher ein Eigentumsdelikt zuungunsten des Mannes als ein Delikt gegen die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers“ (Deegener, 52010, S. 40).
Wenn beispielsweise ein Mann ein noch nicht verlobtes Mädchen ohne Zustimmung des Vaters sexuell missbrauchte, hatte er mit Konsequenzen zu rechnen. Als Strafe musste er dieses Mädchen zur Frau nehmen und den Brautpreis dem Vater auszahlen. Die Jungfräulichkeit der Frau war im 5.- 18. Jahrhundert ein wichtiges Merkmal für die Strafbarkeit von Missbrauch. Beginnend mit der Expansion und weiterentwickelten Ethik des Christentums setzte sich die „Unschuld des Kindes“ durch. Die kindliche Erotik sowie alle sexuellen Vorgänge galten als unannehmbar und unmoralisch.
In den Erziehungsbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts wurde den Kindern nachspioniert, um jede Form von sexuellen Aufklärungen zu vermeiden. Die Desexualisierung der Kinder reichte weit bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, wie beispielsweise dieser Satz belegt: „Nicht die Masturbation verbieten, sondern verächtlich machen.“
In der Renaissance bekamen die Entwicklungsphasen der Kinder im Laufe der Jahrhunderte einen immer größeren Eigenwert. Gesellschaftliche Notwendigkeiten spielten ebenso eine bedeutende Rolle: „Die Eltern-Kind-Beziehung musste von sexuellen Momenten befreit werden, um die neu entstandene Struktur der bürgerlichen Familie nicht zu gefährden, die auf die Monopolisierung der Sexualität zwischen den Ehepartnern angewiesen ist. Außerdem setzte sich wohl die Einsicht durch, dass seelisch und körperlich gesunde Kinder den Industriellen und Militärs mehr nützten als ausgebeutete, kranke Kinder“ (Deegener, 52010, S. 43).
Trotzdem hörte die sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen nicht auf. In den vergangenen hundert Jahren ist die Anerkennung der sexuellen Übergriffe eng mit der Geschichte der Psychoanalyse von Sigmund Freud verknüpft (vgl. Deegener, 52010, S.41-46). „Es ist wohl Wirtz (1989) zuzustimmen, wenn sie schreibt, dass dies nicht Geschichte und veraltete Gesetzgebung, sondern auch heute noch schmerzliche, immer wieder erfahrbare Realität ist. Weltweit ist dabei zu erinnern an Kinderpornografie, an Prostitution, an Mädchenentführung, an Zwangsverheiratung und an Vergewaltigung“ (Deegener, 52010, S. 46).
4 Sexuelle Gewalt
„Sexueller Missbrauch ist, wenn Erwachsene oder ältere Jugendliche sich bewusst und beabsichtigt am Körper eines Kindes befriedigen oder sich von einem Kind befriedigen lassen. Ebenso wird unter diesem Begriff das gewaltsame Eindringen in die Psyche und den Körper eines Kindes durch Blicke, Bemerkungen, … verstanden. In erster Linie werden Kinder als Mittel, um Macht und Dominanz zu gewinnen, missbraucht. Außerdem ist sexuelle Gewalt ein Missbrauch des Vertrauens der Kinder“ (Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, 42007, S. 7). Der Wille des Kindes wird außer Acht gelassen (vgl. Deegener, 52010, S. 21f.).
Meist beginnt sexuelle Gewalt, wenn Erwachsene absichtlich Situationen herbeiführen, planen oder ihre Machtposition missbrauchen, um sich sexuell zu erregen. Darüber hinaus beginnt sexueller Missbrauch mit einer nicht altersgemäßen Auskunft über Sexualität und Erotik. Sexuelle Übergriffe können aber auch mit intimen Küssen starten. Wenn die Täter das Kind beim Ausziehen, Baden oder Waschen beobachten, so wird dieses Verhalten Voyeurismus genannt. Unter Exhibitionismus wird das Herzeigen der eigenen Genitalien verstanden (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, 42007, S. 7). In den meisten Fällen entwickelt sich sexuelle Gewalt häufig von weniger intimen Formen bis hin zu intimen Formen des Körperkontaktes sowie letztendlich auch zu eindeutigen sexuellen Übergriffen (vgl. Deegener, 52010, S. 22).
„Sexueller Missbrauch eskaliert bis zu Pornografie mit Kindern und Jugendlichen, Masturbieren in Anwesenheit eines Kindes, Berühren oder Manipulieren der Genitalien des Kindes, Zwingen eines Kindes, die Genitalien des Erwachsenen zu berühren, Reiben des Penis am Körper des Kindes, Eindringen in die Scheide des Mädchens oder in den After des Kindes mit Finger(n), Penis oder Fremdkörper, bis hin zur Kinderprostitution“ (Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, 42007, S. 7).
Zusammenfassend ist zu sagen, dass unter sexuellem Missbrauch von Kindern auch Handlungen bzw. Situationen verstanden werden, denen das kindliche Opfer aufgrund seiner physischen, psychischen, sprachlichen oder auch geistigen Reife unterlegen ist. Aufgrund dieser Eigenschaften kann es diesen Vorgängen nicht bewusst zustimmen. (vgl. Deegener, 52010, S. 22).
4.1 Definitionen
Allgemein
Beinahe allen Definitionsversuchen ist gemeinsam, dass zwischen Tätern und Opfern im Regelfall ein Gefälle im Hinblick auf Alter, Reife oder Macht besteht und dass sexuelle Gewalt in den meisten Fällen gegen den Willen des Kindes bzw. des Jugendlichen erfolgt (vgl. Egle u. a., 32005, S. 12).
„Unter sexuellem Missbrauch versteht man alle sexuellen Verhaltensweisen, die unter Ausnutzung bestehender Macht- und Autoritätsstrukturen von entwicklungsbedingt überlegenen Personen an Minderjährigen vorgenommen werden. Dabei verfolgen die Täter das Ziel, sich selbst und/oder ihre Opfer sexuell zu erregen bzw. zu befriedigen und sie zum Geheimhalten dieser Handlungen zu bewegen“ (Hobmair, 32002, S. 386).
Unter dem Begriff sexueller Gewalt versteht man nicht eine gewalttätige Form von Sexualität, sondern eine sexuelle Form von Gewalttätigkeit (vgl. Altbauer).
Definition nach Dr. Friedrich 1998
„Wie schädigend sexueller Missbrauch ist, hängt nicht nur davon ab, durch wen und mit wie viel Gewalt die Übergriffe passieren, sondern auch davon, wie sie vom Opfer subjektiv erlebt werden sowie von der Reaktion der Umwelt bis zum Zeitpunkt der Thematisierung der Übergriffe“ (Schlager).
4.2 Kategorien sexueller Gewalt
„Andrews et al. (2001) unterscheiden in ihrer Metaanalyse von 169 internationaler Studien nur drei Kategorien, nämlich Missbrauch erstens ohne und zweitens mit Körperkontakt und drittens mit versuchter oder vollzogener Penetration. Andere Parameter der Intensität können sein: Häufigkeit, Dauer, Alter des Opfers bei Beginn des Missbrauchs und die Beziehung zwischen Täter und Opfer“ (Egle u.a., 32005, S. 12).
In sozialwissenschaftlichen Untersuchungen wird sexuelle Gewalt über unterschiedliche sexuelle Vorgänge bzw. Ereignisse operationalisiert. Einige Schriftsteller kategorisieren diese Handlungen sogar nach Intensitätsgraden:
- Zu leichteren Ausprägungen von sexuellen Übergriffen (ohne Körperkontakt) zählen Exhibitionismus, spöttische Bemerkungen, das Kind oder den Jugendlichen (gegen seinen Willen) beim Baden, Duschen oder Anziehen zu beobachten oder unter anderem ihm pornografische Filme zu zeigen.
- Wenig starke Missbrauchshandlungen sind Versuche, die intimen Zonen bzw. die Geschlechtsorgane des Kindes anzufassen, das Anfassen der Brust oder sexualisierte Zärtlichkeiten, wie z.B. Küsse.
- Als intensivere Missbrauchsformen werden das Berühren oder Vorzeigen der Genitalien, wenn das Kind oder der Jugendliche vor dem Täter masturbieren muss oder der Täter vor dem Opfer mastubiert, gewertet.
- Zur intensivsten Form von sexueller Gewalt zählt die versuchte oder bereits vollzogene orale, anale oder vaginale Vergewaltigung (vgl. Egle u.a., 32005, S. 12).
4.3 Alternative Begriffe zu „sexueller Gewalt“
Es gibt eine große Anzahl an alternativen Begriffen zu „sexueller Gewalt“. Alle Begriffe definieren und beschreiben die sexuelle Misshandlung von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen.
Liste alternative Begriffe zu „sexueller Gewalt“:
- Sexuelle Gewalt
- Sexualisierte Gewalt
- Sexuelle Kindesmisshandlung
- Sexuelle Ausbeutung
- Sexuelle Übergriffe
- Sexueller Missbrauch
4.4 Arten sexueller Gewalt
Bei Missbrauch unterscheidet man zwischen „sanftem Missbrauch“, „gewaltsamem Missbrauch“ und „seelischem Missbrauch“. Jeder Begriff ist immer mit allen Arten des Missbrauchs verbunden. Grundlegend ist, dass bei jeder Form von Missbrauch eine Schädigung der Seele zurückbleibt.
4.4.1 Der sanfte Missbrauch
Zu diesem Begriff zählt der Missbrauch, der im Namen der „Liebe“ ausgeführt wird. Das Opfer wird manipulativ in eine Rolle gedrängt, bei dieser es aber keine Schmerzen empfindet, geschlagen oder offensichtlich zu etwas gezwungen wird. Der Täter handelt mit sexueller Absicht. Häufig gestalten sie den Missbrauch fließend über zufällige Berührungen. Das Opfer erfährt trotzdem eine schwere Grenzverletzung. Möglicherweise wird es im späteren Leben Probleme bei der Definition seiner Grenzen und der Grenzen anderer Menschen entwickeln.
4.4.2 Der gewaltsame Missbrauch
Zum gewaltsamen Missbrauch zählen Abartigkeit, Schläge und Perversion. Das Opfer wird vom Täter zu bestimmten Handlungen gezwungen. Häufig wird das Kind unter Gewalteinwirkung gehorsam gemacht. Beim gewaltsamen Missbrauch wird das Opfer körperlich verletzt, z.B. indem es vergewaltigt wird.
4.4.3 Der seelische Missbrauch
Unter dem Begriff „seelischer Missbrauch“ kann auch eine Art des Missbrauchs verstanden werden, der „nur“ mit Worten stattfindet, wie z.B. sexualisierte Sprache. Bei allen Arten des Missbrauchs erleidet das Opfer eine seelische Schädigung.
5 (Langzeit-)Folgen sexueller Gewalt
Der Körper vergisst nicht, was einst mit ihm geschehen ist. Die als missbrauchtes Kind bewährten Überlebensstrategien und Abwehrmechanismen prägen die Missbrauchsopfer oft für ihr restliches Leben. Ein großer Teil der Frauen lebt mit ihrem Misstrauen, ihrer Hoffnungslosigkeit und den Minderwertigkeitsgefühlen. Ihre unterdrückte Wut und den erfahrenen Schmerz richten sie oft in selbstzerstörerischer Weise gegen sich selbst. Schlafstörungen, Ängste, psychosomatische Beschwerden sind keine Seltenheit - im Gegenteil. Ein großer Teil von suizidgefährdeten, drogen- und alkoholabhängigen Frauen, Prostituierten und Psychiatriepatientinnen sind als Mädchen sexuell missbraucht worden (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, 42007, S. 11).
5.1 Einflussfaktoren auf die Folgen sexueller Gewalt
Merkmale des Missbrauchs
Die Störung des Kindes ist im Normalfall größer, je enger die Beziehungen zwischen den am sexuellen Übergriff beteiligten Erwachsenen und dem Kind ist (Landis, 1956; Gibbens & Prince, 1963). Die Dauer und die Häufigkeit von sexuellem Missbrauch sind ebenso bedeutsam (vgl. Klicpera, 2007, S. 268).
Merkmale der Kinder
Es gibt keine Unterschiede bei sexuellen Auswirkungen auf Mädchen oder Jungen. Häufig sind Jungen der Meinung, latent homosexuell zu sein und aus diesem Grund vom Täter auserwählt worden zu sein (Watkins & Bentovom, 1992) (vgl. Klicpera, 2007, S. 269).
5.2 Auswirkungen auf Selbstwert und Körpergefühl
Zu charakteristischen Erscheinungen im Selbsterleben Traumatisierter gehören Störungen des Selbstwertgefühls mit Empfindungen völligen Unwertes, verbunden mit ununterbrochenen Selbstzweifeln, verwirrenden Entwertungszyklen in Beziehungen sowie trostlosen Körpergefühlen. Diese negativen Selbstwertgefühle stehen im Zentrum der Persönlichkeitsstörungen von Opfern sexuellen Missbrauchs.
5.3 Psychodynamische Theorien zum Selbstgefühl
„Das Selbstgefühl ist die Vorstellung, ein abgegrenztes, auf andere bezogenes Wesen mit individuellen Gefühlen, Empfindungen und Reaktionen zu sein, das bestimmte dauerhafte Eigenschaften hat“ (Egle u.a., 32005, S. 194).
Obwohl die Begriffe Selbstwert und Selbstkonzept von Autoren häufig synonym verwendet werden, unterscheidet man zwischen diesen Begriffen. Unter Selbstkonzept versteht man das Wissen eines Menschen selbst, bestehend aus Emotionen, Einstellungen und Erwartungen (Pajares & Schunk, 2001). „Das Selbstkonzept ist eine kognitive, strukturierte Einheit, eine Vorstellung davon, wer man ist“ (Woolfolk, 102008, S. 108). Mit Selbstwert ist die Wertschätzung gemeint, die jedes Individuum für seine Eigenschaften, Fertigkeiten und Verhaltensweisen hegt. Dieser wird davon beeinflusst, ob das kulturelle Umfeld die Eigenschaften und Fertigkeiten des Individuums positiv bewertet. Wahrnehmungen von unserem Selbst verändern sich von Situation zu Situation und von einer Phase des Lebens zur anderen. „Selbstwert ist eine affektive Reaktion, eine bewertende Stellungnahme über den Selbstwert. Der Selbstwert ist ein Produkt der Selbstbewertung und der selbstbezogenen Gefühle“ (Woolfolk, 102008, S. 107ff.).
5.4 Empirische Untersuchungen
Bagley und Ramsey (1985) nehmen Bezug auf Selbstgefühlsstörungen und stellen in ihren Untersuchungen dar, dass Frauen, die testpsychologisch ein geringes Selbstwertgefühl hatten, viermal häufiger einem kindlichen sexuellen Übergriff in der Vergangenheit ausgeliefert waren.
„Martin und Runtz (2002) fanden bei Studentinnen mit einer Vorgeschichte von sexuellem Missbrauch im Vergleich zu gleich alten Nicht-missbrauchten größere Identitätsdefizite“ (Egle u.a., 32005, S. 198). Außerdem erwähnen missbrauchte Frauen mehr Probleme in Beziehungen und Sexualität.
Das Selbstkonzept von Opfern sexuellen Missbrauchs enthält falsche Meinungen über sich selbst. „Finkelhor und Browne (1985) differenzieren vier traumatisierende Wirkungen von sexuellem Missbrauch:
1. traumatische Sexualisierung,
2. Betrug/Verrat,
3. Machtlosigkeit und
4. Stigmatisierung“ (Egle u.a., 32005, S. 199).
Das kindliche Opfer lernt durch die traumatische Sexualisierung ein Verhalten kennen, das ihrem Alter nicht angemessen ist. Eine Verwirrung des sexuellen Selbstkonzeptes ist häufig die Folge (vgl. Egle u.a., 32005, S. 194-201).
„Aus klinischer Beobachtung ist bekannt, dass vor allem Patientinnen mit frühkindlichen Belastungsfaktoren auffällige Störungen im Körpererleben haben. In der Studie von Haaf et. Al. (2001) waren 73% der Patienten mit Borderline- Persönlichkeitsstörungen sexuell missbraucht worden“ (Egle u.a., 32005, S. 200).
6 Opfer sexueller Gewalt
6.1 Gefühlslage und Situationsbeschreibung
Die Missbrauchsopfer sind bei sexuellen Übergriffen in der Familie oder im näheren Bekanntenkreis einer Situation ausgesetzt, die so angsterregend ist, dass die Sinneswahrnehmung der Kinder beeinträchtigt wird - gleichzeitig wird jedoch Normalität gelebt. Gerade das ist das Verrücktmachende in solchen Fällen. Kinder sind in der Regel nicht lange im Stande, durch psychische Kraftanstrengung die ständigen Gewalttätigkeiten intrapsychisch auszugleichen.
Bei einem sexuellen Übergriff handelt es sich nur in den seltensten Fällen um einen „einmaligen Ausrutscher“ oder eine spontane Handlung (vgl. Niederle, 42002, S. 34).
Angst wird zu einem Lebensgefühl und kann vielfältige Formen annehmen: Angst vor Dunkelheit, vor Nähe, vor Männern, vor dem Alleinsein, vor bestimmten Personen oder Situationen. Manche Mädchen und Jungen zeigen selbstzerstörerisches Verhalten, sie ritzen sich die Haut, reißen sich die Haare aus oder verbrennen sich. Viele leiden auch unter Depressionen, sind traurig und teilnahmslos - oder aber „gefühllos“, weil sie die schlimmen Gefühle verdrängen und abspalten (vgl. Niederle, 42002, S. 35).
6.2 Reaktionen der Opfer auf sexuelle Gewalt
Die Erfahrungen der Hilflosigkeit wirken beirrend und unter Umständen auch lebensbedrohend. Mit emotionalen Abwehrmechanismen versuchen die Betroffenen durchzuhalten. Häufig werden Gefühle nicht zugelassen. Es kommt zu Symptomen, die ihre Herkunft verbergen - und gleichzeitig enthüllen z.B. durch einen Waschzwang, um das Gefühl des Schmutzigseins loszuwerden. Die Kinder „verstricken“ sich innerlich. Sie übernehmen die Schuld für alles, was geschehen ist (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, 42007, S. 9).
„Die Schuldübernahme des Kindes, das Verbot des Täters, das „Geheimnis“ weiterzuerzählen, die Drohungen und bei Inzest die Abhängigkeit des Kindes von seinen Eltern bringen das Kind zum Schweigen. Dies kann zur Isolation und Einsamkeit führen“ (Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, 42007, S. 9). Alle betroffenen Kinder wünschen sich, dass der sexuelle Missbrauch aufhört. Sie versuchen, dies auf ihre Art mitzuteilen. Doch diese verschlüsselten Hilferufe werden häufig nicht wahrgenommen. Wenn sich Kinder trauen, offen auszusprechen, was sie erlebt haben, wird ihnen häufig leider nicht geglaubt.
Sexueller Missbrauch von Knaben kann aus geschlechtsspezifischen Motiven zusätzliche oder auch andere Effekte haben als bei Mädchen. Die Betroffenen fühlen sich ohnmächtig. Sie sind der Meinung, keinen Einfluss zu haben, was mit ihnen passiert. Nicht selten sehen sich die Missbrauchsopfer als Versager (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, 42007, S. 10).
„Unter den durch späteres Missbrauchsverhalten auffallenden Personen sind doppelt so viele ohne wie mit Missbrauchserfahrungen in der Kindheit. Während für psychiatrische Folgen von geringeren Geschlechtsunterschieden ausgegangen wird, bestehen solche bei den Transgenerationeneffekten: Missbrauchte Jungen werden als Väter eher Misshandler/Missbraucher, missbrauchte Mädchen nehmen als Mütter ihre Kinder eher nicht in Schutz (Vogel 1994; Banyard 1997)“ (Egle u.a., 32005, S. 637).
6.3 Geheimhaltungsverpflichtung
Die Geheimhaltung ist eines der zentralsten Gründe für die Sprachlosigkeit und Handlungsunfähigkeit des Opfers. Das Geheimnis hinterlässt nur selten sofort sichtbare Spuren am Körper. Bei 85% der Betroffenen wird nach außen hin nichts sichtbar. Eine weitere Ebene der Geheimhaltung ist die intrapsychische Stufe: Die missbrauchten Kinder reden sich ein, dass nichts passiert sei. Sie wollen das Geschehene nicht wahrnehmen. Der Zwang zu schweigen, aber eigentlich sprechen zu wollen, kann zu Sprachstörungen oder Verstummen führen. Auch
Körperhaltungen, die „stocksteif“ wie „versteinert“ wirken, oder Lähmungserscheinungen ohne körperliche Ursache können Hinweise liefern. Angst lähmt - im wahrsten Sinne des Wortes (vgl. Altbauer).
Geheimhaltung gibt es aber auch auf der intellektuellen Ebene zwischen Opfer und Täter. Es wird nicht über den Missbrauch gesprochen - es bleibt ein Geheimnis. Bei sexuellen Übergriffen in der Familie ist Schweigen das oberste Gebot. Die Tat selbst wird nie benannt und darf auch nicht genannt werden. So wird das Geschehene für das Kind erst real, wenn es das Kind benennen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es traumatisch, rutscht immer erneut weg, bleibt auf einer Zwischenstufe des Bewusstseins. Auch Gewalt mit viel Feingefühl zeigt ihre Wirkung. Das Kind ist gewöhnt, der Autorität des Erwachsenen vor allem im Familienkreis zu gehorchen (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, 42007, S. 15).
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