Brautwerbung in "König Rother". Minne oder geplantes Vorgehen?

Analyse der Schuhepisode der Kemenatenszene


Hausarbeit, 2015

21 Seiten, Note: 2,3

Maxim Rhein (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Brautwerbung
2.1 Brautwerbung als Tradition
2.2 Das Brautwerbungsschema

3 Verhalten der Protagonisten vor der Schuhepisode
3.1 Handlungen von König Rother
3.2 Handlungen der Prinzessin
3.3 Ablehnung der Einladung

4 Die Schuhepisode

5 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Protagonist Rother erscheint in der Ausgangssituation des Werkes König Rother als edler und machtvoller König. So beschreibt ihn auch Zimmermann:

„Für Rother gewährleisten seine edle Abstammung sowie die gelungene Einbindung qualitativ hochwertiger Gefolgsleute seine Macht, seine Geltung und seine hohe Position in der Adelshierarchie, wodurch sich wiederum seine Herrschaftsfähigkeit hinreichend bezeugt. [...] Doch obwohl diese Makellosigkeit [...] so hervorgehoben [wird, besitzt er ein] [...] erhebliches Defizit: die fehlende Ehefrau.“[1]

Deutlich wird hierbei, dass König Rother eine Frau benötigt, um die hohe Position in der Adelshierarchie in Form eines Thronerben zu sichern. Dies bedeutet, dass die Ehefrau lediglich zur Sicherung seiner Thronfolge dient. Nach dem Lesen des Werkes weiß der Leser, dass König Rother diese Ehefrau in der Tochter des Königs aus Konstantinopel findet. Allerdings stellt sich die Frage, ob König Rother nur um die Königstochter wirbt, um einen Thronerben zu sichern oder ob auch andere Gründe zur Heirat führen.

Daraus ergibt sich die Fragestellung, ob zwischen König Rother und der Prinzessin aus Konstantinopel Minne in Form von „Liebe“ vorhanden ist oder ob sie nur zur Sicherung der Thronfolge durch einen von ihr geschenkten Thronerben dient. Beim erstmaligen Lesen des Werkes scheint sich eine auf Liebe beruhende Beziehung zwischen den beiden Protagonisten zu entwickeln. Doch wird das Werk unter dem Aspekt der Minne präziser gelesen, könnte die Prinzessin auch nur als Mittel zum Zweck angesehen werden.

Dieser Fragestellung wird in dieser Hausarbeit nachgegangen, indem zunächst dem Brautwerbungsschema Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dazu wird anfangs das Brautwerbungsschema als Tradition betrachtet, um aufzuzeigen wie dieses Schema entstanden ist. Anschließend wird die „Schablonenhaftigkeit“ des Brautwerbungsschemas dargelegt, indem der Aufbau dieses Schemas veranschaulicht wird. Dabei wird konkretisiert, wie sich die einzelnen Elemente des Aufbaus in dem Werk König Rother widerspiegeln. In Bezug auf den Aufbau spielen sogenannte „Handlungsfixpunkte“ eine entscheidende Rolle. Eine Definition für diesen Begriff erfolgt in Kapitel 2.2. Einen dieser Handlungsfixpunkte stellt die Kemenatenszene dar, in der die „Schuhepisode“ als wichtige Schlüsselszene fungiert.

Damit auf diese Schlüsselszene Bezug genommen werden kann, wird das Verhalten der Protagonisten vor der Schuhepisode näher analysiert, da dieses einen starken Einfluss auf die „Schuhepisode“ nimmt. Dazu werden die Episoden und Verse näher beleuchtet, in denen König Rother und die Königstochter in Interaktion treten. Auf diese Weise kann sowohl Rothers Perspektive als auch die der Prinzessin dargestellt werden. Anhand der Verhaltensweisen der Protagonisten vor der Schuhepisode wird analysiert, ob zwischen den Protagonisten Minne in Form von „Liebe“ vorherrscht oder ob Rothers Handlungen ein geplantes Verhalten darstellen, um seine Thronfolge zu sichern.

In einem abschließenden Fazit wird das Ziel dieser Hausarbeit noch einmal aufgegriffen, um zu resümieren, ob Minne in der Beziehung zwischen König Rother und der Prinzessin aus Konstantinopel eine Rolle spielt oder ob jegliche Handlungen von Rother einen gezielten Schachzug darstellen.

2 Brautwerbung

Wie zu Beginn erwähnt, wird nun zunächst ein Einblick in die Herkunft des Brautwerbungsschemas gegeben, um verstehen zu können, wie das Brautwerbungsschema entstanden ist. Im Anschluss wird der Aufbau dieses Schemas erläutert und verdeutlicht, wie sich dieser in dem Werk König Rother vollzieht.

2.1 Brautwerbung als Tradition

Die mündliche und schriftliche Überlieferung von Geschichten und Sagen wurde für viele Völker zur Tradition. Hierzu gehören auch die Brautwerbungssagen. Die Brautwerbungsdichtung fand ab Mitte des 12. Jahrhunderts ihre Popularität, allerdings wird diese Dichtung „im Vergleich mit der gleichzeitig aufkommenden vorhöfischen und höfischen Dichtung meist als altertümlich und kunstlos beurteilt“[2]. Dazu wird die Brautwerbungsdichtung als „formelhaft, ungelenk [beschrieben], greift auf immer die gleichen Wendungen zurück.“[3] Ein Grund hierfür könnte sein, dass sich die Autoren der Brautwerbung nur an mündlichen Erzählungen orientieren konnten. Im Gegensatz dazu richteten sich die Autoren der vorhöfischen und höfischen Dichtung nach schriftlichen Vorlagen. Aufgrund dessen ist die Brautwerbungsdichtung sprachlich sehr stark an den mündlichen Erzählungen angelehnt, sodass „sich typologische Zahlen, zeichenhafte Kenntlichmachung der Personen [und] stehende Wendungen“[4] finden. „Das Interesse der Autoren von Brautwerbungsdichtungen galt daher weniger dem sprachlich bewältigten Text als genuinem literarischen Artefakt, sondern der inneren Handlungslogik der von ihnen geschaffenen Brautwerbungsvariante [...]“[5].

Zu diesen Dichtungen zählt auch die Spielmannsepik, die dieses Strukturprinzip der Brautwerbung verfolgt. Das Muster der Brautwerbung wurde jedoch auch für andere epische Dichtungen, wie der Heldenepik, genutzt. Ein Exempel hierfür stellt das Nibelungenlied dar, das mit dem Schema einer Brautwerbung beginnt[6]. Ein Werk der Spielmannsdichtungen, das sich sehr stark an dem Strukturprinzip der Brautwerbung orientiert, ist König Rother. Damit auf dieses Werk in Hinblick auf die Brautwerbung eingegangen werden kann, wird im Folgenden ein Überblick zum Brautwerbungsschema gegeben, indem der Aufbau näher betrachtet wird.

2.2 Das Brautwerbungsschema

Das Brautwerbungsschema hat unterschiedliche Eigenschaften und besteht aus verschiedenen Elementen. Zu letzterem gehören die Raumstruktur, die Handlungsrollen und -träger und die Handlungsstruktur.

Das mittelhochdeutsche Brautwerbungsschema weist eine Dreiteilung der Raumstruktur auf, die zum einen aus dem Machtbereich des Werbers besteht, zum anderen aus dem Machtbereich des Brautvaters und dem dritten Element, dem Meer, welches die jeweiligen Machtbereiche voneinander trennt[7]. „[Der] Machtbereich des Werbers [erscheint] stets als bekannter, meist europäischer Festlandraum, der Machtbereich des Brautvaters bzw. -hüters als fremdes, jenseits des Meeres liegendes Gebiet“[8]. Diese Dreiteilung lässt sich darauf zurückführen, dass „[die] ältesten Formen der Werbungsfahrt des Helden [...] in der patriarchalischen Gentilordnung mit exogamen Verhältnissen verbunden [sind]“[9]. Unter Exogamie ist in diesem Fall zu verstehen, „[...] daß man sich die Frau nicht nur außerhalb der eigenen Sippe und Verwandtschaft, sondern auch außerhalb des Stammes, dem man zugehört, holen muß“[10]. In dem Werk König Rother ist die Fernwerbung dadurch begründet, dass sich in der Welt des Königs Rother keine ihm ebenbürtige Frau finden lässt[11].

In diesem Werk ist es so, dass der Machtbereich des Werbers gleich zu Beginn beschrieben wird. Dabei spielen in Bezug auf die Raumstruktur zwei Komponenten eine entscheidende Rolle. Zum einen „die Residenz des Werbers, wo der Entschluß zur Werbung gefaßt und die Planung durchgeführt wird [...], [zum anderen] der Ort, wo das Heer zur Heerfahrt gesammelt und eingeschifft wird“[12]. In König Rother entsprechen beide Komponenten einem Ort: Bari.

Diese beiden Komponenten sind ebenfalls auf den Machtbereich des Brautvaters übertragbar, nämlich zum einen „der Ort der heimlichen Landung, ein meist von Bergen abgeschirmter, bewaldeter Küstenstrich, an dem der heerfahrende Werber heimlich an Land geht [...], zum andern die Residenz des Brautvaters bzw. -hüters“[13]. Der Ort der heimlichen Landung ist in König Rother dementsprechend vorzufinden: die kiele giengen evene / inde quamen in ses wochen / over mere gevlozzen / hin ze Constantinople / <der> vil meren burge. / eine mile niderhalf der stat, / dar holz unde (52ͮ) geberge lach, / [...] (König Rother[14], V. 3639-3645). Die Residenz des Brautvaters befindet sich ebenfalls oster over se / einis riken kuninges t ? chter vil her, / da zo Constantinopole / [...] (KR, V. 65-67).

Das nächste Element des Brautwerbungsschemas stellen die Handlungsrollen und -träger dar. Werber und Braut selbst übernehmen feste Rollen, nämlich die Rolle des Werbers, der ein junger, vaterloser oder verwaister König ist[15] und die Rolle der potenziellen Braut, die eine „wohlbehütete Königstochter“[16] ist. Ihnen können weitere Handlungsrollen zugeordnet werden.

Dem Werber können dabei folgende Rollen zugewiesen werden: Der Nenner, der die potenzielle, ferne Braut nennt, und der Kundige, dem die vorherrschenden Verhältnisse im Land der potenziellen Braut bekannt sind[17]. Außerdem ein außergewöhnlicher Helfer, dem die Aufgabe gegeben wird, die Braut zu erobern und ein Bote, der das Anliegen der Brautwerbung dem Brautvater überbringt[18].

Der Braut hingegen können ebenfalls Handlungsrollen zugeordnet werden. Zum einen die Rolle des Brautvaters, der dem Werber an Macht und Reichtum ebenbürtig oder auch überlegen ist und zum anderen die Rolle der Brautmutter, die als Vermittler zwischen Brautvater und Werber fungiert[19].

Das letzte Element des Brautwerbungsschemas bildet die Handlungsstruktur. Diese weist die Besonderheit auf, dass sie nicht eindeutig aus dem Korpus bestimmt werden kann, wie die Raumstruktur oder der Bestand an Handlungsrollen. Die vorhandenen Dichtungen sind lediglich „Handlungsentwürfe innerhalb derselben Raumstruktur und mit demselben Grundbestand an Handlungsrollen [...]“[20]. Das vorliegende Korpus bietet die Möglichkeit eine allgemeine Handlungsstruktur zu abstrahieren, sodass sich das einfache Schema der Brautwerbung aus folgenden Teilhandlungen zusammensetzt: Die Auslösung und Vorbereitung der Werbung, die Werbungsfahrt, die Heimführung der Braut und die Hochzeit[21].

Zudem liefert das Schema Fixpunkte, die die Handlungen abdecken müssen. Diese Fixpunkte werden Handlungsfixpunkte genannt.

„Unter einem Handlungsfixpunkt ist ein überindividuelles Handlungselement zu verstehen, das an bestimmte Orte der Raumstruktur sowie an bestimmte Handlungsrollen gebunden ist und im Handlungsablauf seinen festen Platz hat. Der Handlungsfixpunkt [...] [ist] ganz bzw. in seiner besonderen Ausprägung (Ort, beteiligte Handlungsrollen) und Funktion an das Brautwerbungsschema gebunden [...]“[22].

Als schematypisch sind folgende Handlungsfixpunkte zu sehen:

„1) Ratszene
2) Botenbestimmung und -fahrt
3) Hilfeverpflichtung der Dienstleute [...]
4) Landung am heimlichen Ort [...]
5) Gang des Werbers vom heimlichen Ort zur Residenz des Brautvaters [...]
6) Kemenatenszene [...]
7) Entführung der Braut
8) Kampf zwischen Werber und Brautvater
9) Heimführung der Braut
10) Hochzeit“[23]

Diese Handlungsfixpunkte besitzen eine Art „Leitcharakter“[24]. Dies bedeutet, dass diese Fixpunkte Einfluss auf den weiteren Handlungsverlauf nehmen, weshalb bei der Nichterfüllung eines Handlungsfixpunktes ein Schemabruch vorliegt[25].

Einen der bedeutendsten Handlungsfixpunkte stellt die Kemenatenszene dar, in der der potenziellen Braut die Werbungsbotschaft verkündet wird[26]. In dem Werk König Rother werden die Werbungshelfer nach der Verkündung der Botschaft vom Brautvater König Constantin im Kerker gefangengesetzt, was dazu führt, dass König Rother selbst in das Land seiner potenziellen Braut fahren muss. „Die Gefangensetzung [...] ist als Geste machtvollen Selbstbewußtseins zu verstehen : als Herausforderung an den Werber selbst, der bislang nur Stellvertreter auf den Weg geschickt hat, und an seinen Personenverband.“[27]

Das Auffälligste an diesem Werk ist, dass König Rother mit List und Macht in den Machtbereich des Brautvaters vordringt, indem er sich für „Dietrich“ ausgibt, ein von Rother Vertriebener. Rother, als Dietrich getarnt, überbringt der Königstochter auch die Werbungsbotschaft. Heiraten möchte sie jedoch König Rother, obwohl sie nur durch Dietrichs Äußerungen über Rother von seiner Existenz Kenntnis genommen hat. Aufgrund ihres starken Interesses an Rother ist die Botschaft „problemlos und selbstverständlich: sie sind [...] als die Schönste und der Tapferste fraglos einander zugeordnet. Wie andere Brautwerbungsepen zeigen, ist ein Geständnis im eigentlichen Sinn nicht erforderlich.“[28] Die Kemenatenszene in König Rother stellt somit einen Sonderfall dar.

In der Kemenatenszene ist besonders die sogenannte „Schuhepisode“ von großer Bedeutung, da König Rother, immer noch getarnt als Dietrich, der Königstochter den Schuh auf seinem Schoß anprobiert. Als dieser sich zu erkennen gibt, erschrickt sie, da dieses Verhalten zu damaliger Zeit als unhöfische Verhaltensweise deklariert wird.

[...]


[1] Zimmermann (1993), S. 20f.

[2] Schmid-Cadalbert (1985), S. 94.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd., S. 97.

[6] Vgl. Tisdell (1978), S. 106.

[7] Vgl. Schmid-Cadalbert (1985), S. 83.

[8] Ebd.

[9] Zhirmunskiĭ (1961), S. 41.

[10] Gysi (1961), S. 1009.

[11] Vgl. Schmid-Cadalbert (1985), S. 83.

[12] Ebd.

[13] Ebd.

[14] Nachfolgend KR für das Werk König Rother

[15] Vgl. Schmid-Cadalbert (1985), S. 84.

[16] Ebd., S. 86.

[17] Vgl. ebd., S. 85.

[18] Vgl. ebd.

[19] Vgl. ebd. S. 86.

[20] Ebd., S. 87.

[21] Vgl. ebd., S. 95.

[22] Ebd., S. 87.

[23] Ebd., S. 88.

[24] Ebd., S. 87.

[25] Vgl. ebd.

[26] Vgl. ebd., S. 91.

[27] Schulz (2015), S. 201.

[28] Haug (2003), S. 24.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Brautwerbung in "König Rother". Minne oder geplantes Vorgehen?
Untertitel
Analyse der Schuhepisode der Kemenatenszene
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
2,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
21
Katalognummer
V323232
ISBN (eBook)
9783668244139
ISBN (Buch)
9783668244146
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
König Rother, Brautwerbung, Minne, Mediävistik
Arbeit zitieren
Maxim Rhein (Autor:in), 2015, Brautwerbung in "König Rother". Minne oder geplantes Vorgehen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323232

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