Comenius und der Begriff „Bildung“


Hausarbeit, 2015

16 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Bildung
1.1. eruditio
1.2. Formatio

2. Bilden
2.1. formare
2.2. nicht formare

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die Große Didaktik bzw. die Didactica Magna von Johann Amos Comenius gilt als eines der ersten großen Werke der Pädagogik überhaupt. Das Ziel der Didaktik von Comenius wird in dem berühmten Zitat „alle alles ganz zu lehren“ beschrieben. Da­bei ist ein großes Thema die Bildung der Schüler bzw. inwiefern wie die Schüler gebildet werden müssen, um dieses Ziel zu gewährleisten. Daraus lassen sich zwei Fragestellungen ableiten. Zum einen wird der deutsche Begriff Bildung im lateini­schen Original unterschieden in eruditio und formatio und diese wissenschaftliche Arbeit wird untersuchen inwiefern sich die Benutzungen unterscheiden und inwie­fern eine Einheitlichkeit in der Benutzung vorherrscht. Zum anderen wird das Wort bilden und seine konjugierten Formen auf Einheitlichkeit und Gebrauch eruiert.

Im ersten Teil der Arbeit werden die Nomen jeweils einzeln und für sich überprüft, während im zweiten Teil die deutsche Übersetzung von bilden im Mittelpunkt steht und welche Worte im lateinischen Originaltext verwendet wurde. Dafür wird die Übersetzung der Großen Didaktik von Andreas Flitner herangezogen. Da in diesem Zusammenhang notwendig ist mit vielen Zitaten zu arbeiten, werden die zu untersuchenden Begriffe textlich hervorgehoben und die untersuchten Textzitate eingerückt, um eine bessere Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Die passende lateinische Textpassage aus der ursprünglichen Schrift wird dabei immer den ausge­wählten deutschen Zitaten nachgestellt.

1. Bildung

In folgendem Kapitel wird die deutsche Übersetzung des Wortes Bildung unter­sucht. Dabei muss beachtet werden, dass das deutsche Wort Bildung mehrere Definitionen hat, die im Lateinischen in unterschiedlichen Wörtern ausgedrückt werden.

Der Duden unterscheidet dabei diese Bedeutungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 (Duden 2015)

Dabei sind vorallem die Bedeutungen unter Punkt 1 und 2 für diese wissenschaftli­che Untersuchung von Bedeutung, da diese fast deckungsgleich damit sind, wie Flitner diese in seiner Übersetzung der Didactica Magna verwendet.

Dieser konstatiert im Vorwort zu seiner Übersetzung der Großen Didaktik, dass „das Wort ‚Bildung’ der lateinischen ‚formatio’ entspricht, d.h. den geistigen Formungsprozeß, nicht aber der Zustand des Gebildetseins meint; daß dem gegen­über ‚gelehrte Bildung’ meist für ‚eruditio’ steht, nämlich die Beherrschung der drei Gebiete der Gelehrsamkeit (Wissenschaften, Künste und Sprachen)“ (Comenius, 1985, S. 8).

Im Folgenden wird untersucht, ob und inwiefern die Begriffe formatio und eruditio einheitlich verwendet werden bzw. in welchem Kontext und inwieweit Flitners Übersetzung der Begriffe nach seinem persönlichen Maßstab erfolgt.

1.1. eruditio

eruditio kann in das Deutsche übersetzt werden mit „Bildung, Unterricht und Erzie­hung“ (Stefan Schulze Steinmann, 2010a).

In der Übersetzung von Flitner wird eruditio fast ausschließlich mit Bildung über­setzt. Weiter noch wird oft ein Adjektiv vorangestellt, um zu betonen, dass es sich dabei um die Bedeutung des „Gebildetseins“ (Comenius, 1985, S. 8) handelt. Die vorangestellten Adjektive sind beispielsweise wissenschaftlich:

„Die wissenschaftlichen Studien (res literaria) und die Schulen waren derma­ßen belastet mit Mühe und Qual, mit Zweifel und Phantasterei, mit Fehlern und Irrtum, daß nur die mit übermenschlichen Kräften Begabten zu einer gründlichen wissenschaftlichen Bildung gelangen konnten.“ (Comenius, 1985, S. 12).

„ideoqve laborum et molestiarum, haesitationum et hallucinationum, errorum et mendorum, plena fuitres Literaria, plenae Scholae; ut nonnisi qvibus divini­ora contingebant ingenia, ad solidiorem eruditionem eluctari possent.“ (Comenius, 1657, S. 7).

Oder er benutzt dauerhaft wie in diesem Beispiel:

„Viele klagen darüber und der Sachverhalt bestätigt es, daß nur wenige aus der Schule eine dauerhafte gelehrte Bildung (solida eruditio) mitbringen, die meisten aber kaum eine oberflächliche oder auch nur einen Schatten davon.“ (Comenius, 1985, S. 107).

„PAucos esse qvi e Scholis solidam exportent eruditionem, plerosqve vix superficiem, vel umbram, et qverelae multorum sunt, et res ipsa testatur.“ (Comenius, 1657, S. 87).

Aber er gebraucht auch dessen Steigerung sehr dauerhaft:

„Das wird außer angenehmster Unterhaltung auch großen Nutzen bringen; es wird damit einer sehr dauerhaften Bildung der Weg gebahnt (...).“ (Comenius, 1985, S. 115).

„Qvod praeter jucundissimam oblectationem insignem qvoqve habebit usum: qvippe solidissimae eruditioni sternet viam (...).“ (Comenius, 1657, S. 95).

Und außerdem verwendet er noch umfassend und gründlich:

„Infolgedessen griff der eine dies, der andere jenes auf, und niemand eignete sich eine umfassende und deshalb gründliche Bildung an“ (Comenius, 1985, S. 120).

„Inde fiebat ut alius hoc alius illud arriperet, nec cujusqvam eruditio omnino universalis, ideoqve fundamentalis, esset. (Comenius, 1657, S. 100).

In den meisten Textstellen wird eruditio jedoch als gelehrte Bildung übersetzt, wie es Filtner auch in seinem Vorwort anmerkt (siehe Punkt 1.).

Im Folgenden werden exemplarische Textauszüge ausgesucht, in denen eruditio mit gelehrter Bildung übersetzt wird:

„Diese drei Bedürfnisse bezeichnen wir mit allgemeinen bekannten Worten als 1. gelehrte Bildung“ (...)(Comenius, 1985, S. 35).

„Qaes tria si tribus vulgo notis exprimamus verbis, erunt I. ERUDITIO“ (...)(Comenius, 1657, S. 20).

„Dabei verstehen wir unter gelehrter Bildung die Kenntnis alles Dinge, Künste und Sprachen;“ (Comenius, 1985, S. 35).

Eruditionis nomine, omnem Rerum, Artium, et Ling varum cognitionem;“ (Comenius, 1657, S. 20).

„So steht es auch mit der gelehrten Bildung; sie muß gleichsam in der inne­ren Wurzel der Erkenntnis zuerst empfangen, gehegt und gestärkt werden, doch muß man zugleich dafür sorgen, daß sie sich auch nach außen in Zwei­gen und Laub ansehnlich ausdehnt.“ (Comenius, 1985, S.115).

„Sic igitur Eruditio qvoqve, ut ut in interiore intelligentiae radice primum concipienda, fovenda, roboranda.“ (Comenius, 1657, S. 96).

„Daraus folgt, daß auch die gelehrte Bildung ohne häufiges und geschickt angelegtes Wiederholen und Üben zu keiner Dauerhaftigkeit gelangen kann. Welches aber das beste Übungsverfahren sei, lehren uns die natürlichen, dem Ernährungsvorgang dienenden Regungen des lebenden Körpers: Aufnahme, Verdauung und Verteilung.“ (Comenius, 1985, S. 116).

„Seqvitur inde, perduci ad soliditatem non posse Eruditionem, sine Repetitionibus et Exercitiis qvam creberrimis, et qvam dexterrime institutis. Quae autem sit exercitiorum ratio optima, docent nos naturales nutritivae facultati inservientes in corpore vivo motus: nempe Attractionis, Concoctio­nis, et Digestionis.“ (Comenius, 1657, S. 96).

An diesen Beispielen wird ersichtlich, dass Flitner seinem eigenen Übersetzungsvorschlag im Vorwort (siehe Punkt 1) für eruditio nachgekommen ist. Es finden sich jedoch auch Textpassagen, in denen Flitner eruditio freier übersetzt. Dabei tauchen metaphorische Begriffe auf wie beispielsweise Schatz der Gelehrsamkeit:

„Wenn man nun in jeder Stunde nur einen einzigen Satz aus einem Wissensgebiet, eine einzige handwerkliche Regel, eine einzige schöne Ge­schichte oder einen Sinnspruch dazulernt, was man offensichtlich mühelos kann, was für ein Schatz von Gelehrsamkeit wird da zusammenkommen!“ (Comenius, 1985, S. 86).

„Jam si singulis horis vel unicum scientiae alicujus Theorema, unicam artifi­osae operationis Regulam, unicam elegantem Historiolam vel Sententiam addiscas (qvod nullô labore fieri posse, palam est) qvantus qvaeso prodibit Eruditionis thesaurus ?“ (Comenius, 1657, S. 70).

Oder er benutzt größte Gelehrsamkeit:

„Das heißt, die haben nicht gezeigt, wie die Dinge aus sich selbst heraus und in sich selbst sind, sondern was über dies und jene der eine oder andere, ein dritter oder zehnter denkt oder schreibt, so daß es für ein Zeichen der größ­ten Gelehrsamkeit galt, die abweichenden Ansichten vieler Leute über viele Dinge im Gedächtnis zu haben.“ (Comenius, 1985, S. 111).

„Id est, non monstrarunt Res ipsas, qvomodo a seipsis, et in seipsis sint, sed qvid de hoc et illo unus et alter, et tertius, et decimus qvisqve, sentiat et scri­bat: ut maximae eruditionis habitum fuerit, de multis multorum discrepantes tenere sententias.“ (Comenius, 1657, S. 91).

Flitner auch einmal den Begriff der Allgemeinbildung:

„Dem Verstande der Knaben, die sich den Studien widmen, sollen schon von der ersten Zeit ihres Bildungsganges an die Grundlagen einer Allgemeinbil­dung (universalis eruditio) vermittelt werden.“ (Comenius, 1985, S. 94).

„Mentibus puerorum, studiis dedendorum, jam inde a primo formationis tem­pore Vniversalis eruditionis fundamenta ingerantu.“

(Comenius, 1657, S. 74).

Sowie er einmal von einer Realbildung spricht:

„Schließlich können die Schüler durch den äußeren Bereich der Realbildung (eruditio realis), die wir ja anstreben, ebensogut mit Hilfe von muttersprachlichen Büchern, welche die Namen der Dinge enthalten, geführt werden.“ (Comenius, 1985, S. 195).

„Tandem, qvia nos Eruditionem qvaerimus realem, aeqve facile per exterio­rem ejus ambitum deduci possunt auxiliô Librorum vernaculorum, Nomenclaturam Rerum absolventium.“ (Comenius, 1657, S. 173).

In diesem letzten Textbeispiel übersetzt er eruditio zweimal mit Variationen von Gelehrsamkeit:

„In all diesen Wissenschaften sollen die Jünglinge nach Beendigung der sechsjährigen Studienzeit wenn auch nicht perfekt sein (denn Vollkommen­heit läßt einmal schon ihre Jugendlichkeit nicht zu, da es längerer Erfahrung bedarf, um die Theorie durch die Praxis zu festigen; zum zweiten ist es unmöglich, in sechs Jahren den Ozean der Gelehrsamkeit zu erschöpfen), so doch eine feste Grundlage für eine künftige vollkommenere Gelehrsam­keit gewonnen haben.“ (Comenius, 1985, S. 200).

„In his omnibus, studiorum sexennii hujus cursu peracto, Adolescentes sisti cupimus, si non perfectos (perfectionem enim nec juvenilis aetas admittit, cum experientiâ longiore sit opus ad theorian praxi sirmandam, nec unô sexenniô Eruditionis oceanum exhauriri possibile est) certe tamen futurae cujusdam perfectae Eruditionis fundamenta solida habentes.“ (Comenius, 1657, S. 177).

Inhaltlich wird das Wort eruditio immer im Kontext der Schule bzw. der Studien verwendet und beschreibt das Bilden von Schülern zu gelehrten Menschen. Auch die Textstellen in denen eruditio mit Gelehrsamkeit übersetzt wird, stellen keine Besonderheit dar, da „die Beherrschung der drei Gebiete der Gelehrsamkeit (Wissenschaften, Künste und Sprachen)“ (Comenius, 1985, S. 8) einen Teil der eruditio darstellt.

Somit kann festgehalten werden, dass Flitner in seiner Übersetzung seine selbst gesetzten Richtlinien für das Wort eruditio einhält.

1.2. Formatio

Formatio sieht Flitner in der Bedeutung eines Prozesses in dem der Geist geformt wird (vgl. Comenius, 1985, S. 8) und passt zur Übersetzung des Duden unter Punkt 2 (siehe Abb. 1). Neben Bildung kann es auch in der Bedeutung von „Gestaltung“ benutzt werden (Stefan Schulze Steinmann, 2010b).

Im Folgenden werden Textpassagen untersucht in denen formatio im Originaltext steht und mit Bildung ins Deutsche übersetzt wurde.

„Aber wenn auch der drohende Tod nicht zur Eile mahnte und man eines sehr langen Lebens sicher wäre, so müßte man dennoch frühzeitig mit der Bildung beginnen, weil das Leben ja nicht mit Lernen, sondern mit Handeln zugebracht werden soll.“ (Comenius, 1985, S. 50).

„Sed etsi mors imminens non urgeat, et vitae vel longissimae securus sis, na­ture tamen formatio incipere debet ideo quia Vita non discendo, sed agendo traducenda est.“ (Comenius, 1657, S. 37).

„Aber wer von all denen, welche die Bildung der Jugend anfassen, denkt daran, sie zuerst für die Aufnahme dieser Bildung tauglich zu machen?“ (Comenius, 1985, S. 71).

„At qvotusqvisqve eorum qvi Juventutem formandam suscipiunt, ut eam sibi formationi suscipiendae aptam primo reddat, cogitat?“ (Comenius, 1657; S. 57).

„Und wir wundern uns noch, daß manche eine solche Bildung ablehnen und meiden. Verwunderlicher ist doch, daß sie überhaupt jemand aushalten kann.“ (Comenius, 1985, S. 71).

„Et miramur esse, qvi talem: formationem detrectent, ac refugiant? mi­randum potius sustinere qvenqvam posse.“ (Comenius, 1657, S. 57).

„Die Bildung des Menschen muß im Frühling des Lebens begonnen werden, d.h. im Knabenalter.“(Comenius, 1985, S. 88).

- (Comenius, 1657, S. 72).

„Dem Verstande der Knaben, die sich den Studien widmen, sollen schon von der ersten Zeit ihres Bildungsganges an die Grundlagen einer Allgemeinbil­dung vermittelt werden.“ (Comenius, 1985, S. 94).

„Mentibus puerorum, studiis dedendorum, jam inde a primo formationis tempore Vniversalis eruditionis fundamenta ingerantur.“ (Comenius, 1657, S. 74.)

In diesen Textzitaten macht die nähere Bestimmung für formatio, als einen geisti­gen Bildungsprozess uneingeschränkt Sinn. In den folgenden beiden Zitaten ist je­doch auch eine zusätzliche biologische Komponente des Bildens vorhanden:

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Comenius und der Begriff „Bildung“
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Veranstaltung
Theorien und Modelle der frühkindlichen Bildung und Erziehung II – Aktuelle Ansätze: Der Bildungsbegriff in der Pädagogik der frühen Kindheit
Note
2,0
Jahr
2015
Seiten
16
Katalognummer
V323379
ISBN (eBook)
9783668224858
ISBN (Buch)
9783668224865
Dateigröße
870 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
comenius, begriff, bildung
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Comenius und der Begriff „Bildung“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323379

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