Leseprobe
Inhalt:
1. Einleitung
2. Der Erzähler
2.1. Süskinds Erzähler
2.2. Tykwers Erzähler
3. Vergleich des Anfangs
3.1. Der Anfang des Buches
3.2. Der Anfang des Films
4. Der Schluss
5. Bibliographie
6. Filmographie:
1. Einleitung
Im Jahr 1985 erschien im Diogenes Verlag ein Roman eines deutschsprachigen Autors, den es in dieser Form noch nicht gab. Es handelt sich um Patrick Süskinds „Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders“. Obwohl weder über den Autor selbst, noch über die genaue Entstehungsgeschichte des Buches viel bekannt ist, wurde der Stoff ein Verkaufsschlager. Mit über 15 Millionen verkauften Exemplaren und einer Übertragung in über 40 Sprachen, ist “das Parfum“ einer der größten Bucherfolge des 20. Jahrhunderts. (Das Buch hielt sich 9 Jahre lang auf der Spiegel-Bestsellerliste.) 1987 wurde der Roman mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet.[1]
Es war wahrscheinlich, dass so ein erfolgreiches Buch verfilmt werden sollte. Süskind wollte am Anfang sein Buch nicht freigeben, obwohl Regisseure wie Steven Spielberg, Tim Burton, Ridley Scott und Bernd Eichinger Interesse zeigten. 2001, 20 Jahre nach Erscheinung des Buches, überließ Patrick Süskind Bernd Eichinger, einem guten Freund die Rechte an “Das Parfum“.
In Zusammenarbeit mit Tom Tykwer, arbeitete Eichinger 5 Jahre an der Produktion des Films bis er 2006 erschien.[2]
Im Folgenden werde ich die Romanvorlage in zwei Punkten mit dessen Verfilmung vergleichen.
2. Der Erzähler
2.1. Süskinds Erzähler
Bei erster Betrachtung erscheint der Roman “Das Parfum“ in einer auktorialen Erzählsituation dargestellt zu sein, die in erster Linie durch einen allwissenden Erzähler gekennzeichnet ist.
Der Erzähler ist von der ersten Seite an präsent. Er erzählt seine Geschichte im Präteritum, wie es für eine solche Erzählweise typisch ist, des Weiteren verzichtet Süskind auf Nebenhandlungen, Verschachtelungen und Umgruppierungen, um keine Verwirrung beim Leser zu stiften.[3]
Nachdem der Leser das Buch gelesen hat, stellt er fest, dass der Erzähler, wie bereits vorhin erwähnt, von Anfang an präsent ist, aber sich nur selten in das Geschehen einmischt. Greift er doch einmal in die Situation ein, benutzt er nie das erzählerische “Ich“ sondern bezieht sich auf das Pluralis Modestiae[4] (“Zu der Zeit, von der wir reden, [...]“)[5]. Mit diesem doch recht wirksamen Stil, will er den Leser an das Buch fesseln, unter anderem, weil er dem Rezipienten im Voraus garantieren will, was er hören wird, nämlich, dass die Geschichte im höchsten Maß ergreifend ist[6]. Der Erzähler nimmt die Rolle der Vertrauensperson für den Leser ein.
Er kommentiert nicht nur, sondern wertet das Geschehene teils ironisch (“ [...], der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte.“).[7] Obwohl er nie eine beschreibbare Gestalt annimmt, hinterlässt er für den Leser sichtbare Spuren.[8]
Anhand der Beschreibungen erkennt man, dass der Erzähler nicht im 18. Jahrhundert lebt, sondern aus der Perspektive des modernen Menschen[9] spricht (“Denn der zersetzenden Aktivität der Bakterien war im 18. Jahrhundert noch keine Grenzen gesetzt [...]“)[10]. Außerdem scheint er sich auf dem historischen Gebiet sehr gut auszukennen, da er detailgetreu die damaligen Ereignisse und Gerüche schildert.
Für Grenouille übernimmt er manchmal die Rolle des Übersetzers, da dieser nur wenige sprachliche Fähigkeiten besitzt und der Leser verstehen soll, was er von sich gibt.[11] Außerdem fällt einem beim Lesen auf, dass der Erzähler Grenouille bei dem ersten Mord entlastet. Dies nimmt man durch die detaillierte Beschreibung des Mordes wahr, da der Erzähler einem mehrfach erklärt, wie berauscht Jean-Baptiste von dem Geruch des Mirabellenmädchens ist und dass er die reine Schönheit[12] ihres Duftes einfangen will. Auch bestätigt der Erzähler am Kapitelende noch einmal, dass Grenouille sich keiner Straftat bewusst war.[13]
Des Weiteren beschreibt der Erzähler häufig die Gedanken der Nebenfiguren. Seine Erzählung ist somit immer monoperspektivisch und gewährleistet dadurch die Einsträngigkeit der Handlung. Das Ergebnis ist eine epische Distanz[14], der Leser bekommt manchmal das Gefühl eines Panoramablickes.[15]
Trotz der erzählten Zeit verzichtet der Erzähler nicht auf ein chronologisches Verfahren. Da dieser Roman eine komplette Biographie enthält, werden häufig Zeitsprünge und Zeitraffer benutzt. Das betrifft vor allem den ersten Teil, einem Zeitraum von ungefähr 18 Jahren. Eine Zeitdehnung tritt hier nicht in Kraft, trotz der Tatsache, dass die Erzählzeit länger als die erzählte Zeit ist. Eine Zeitdeckung kommt nur in wenigen Szenen vor, vorwiegend bei „dramatischen“ Augenblicken.[16]
Während des gesamten Romans hat man das Gefühl, man würde zwischen der Wahrheitsfrage der Geschichte und der natürlichen Skepsis schwanken. Frizen beschreibt die Situation des Lesers so: „Er steht mit einem Bein in jenem, mit dem anderen in unserem Jahrhundert, lässt Wunder zu und tut doch wissenschaftserfahren.“[17]
Angesichts all dieser Punkte kann man nun fest behaupten, dass wir es hier mit einem auktorialen Erzähler zu tun haben.
2.2. Tykwers Erzähler
Auch in der Verfilmung von Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders wird von einem Erzähler Gebrauch genommen. Bei dem Erzähler in der deutschen Synchronfassung handelt es sich um den 2013 in Berlin verstorbenen Otto Sander.
Mit seiner klangvollen, wohltuenden Stimme fasst Sander ganze Passagen zusammen, was zur Folge hat, dass die Schauspieler recht wenig Dialogszenen haben, man spielt nach, worüber der Erzähler berichtet.[18]
Der Erzähler setzt im Film an der gleichen Stelle an, wie der im Buch. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Erzählinstanzen teilweise gekürzt, erweitert, zensiert oder zusammengefasst wurden.
Nach mehrfachem Sichten des Films wird einem erst bewusst, wann der Erzähler sich in das Geschehen einmischt. Nämlich immer dann, wenn es einer Erklärung durch ihn bedarf oder die Situation nicht mit filmischen Mitteln eingefangen werden kann. Man kann ihn also als einen on-off Erzähler betrachten, das heißt, dass der Erzähler sich in gewissen Punkten einschaltet und kurze Zeit später wieder aus dem Geschehen zurückzieht.
Im Film werden anders als im Roman nur bestimmte Phasen von Grenouilles Leben gezeigt, es entsteht eine Zusammenfassung im Zeitraffer.
Ein gutes Beispiel ist die Kindheit von Jean-Baptiste Grenouille. Im Film wird er nach seiner Geburt sofort zu Madame Gaillard gebracht, im Buch hingegen verbringt er die ersten Wochen bei der Amme Jeanne Bussie und bei Pater Terrier. Erst später kommt er zu Madame Gaillard ins Kinderheim.
Der Erzähler kommentiert auch die Zeit in der sich Jean-Baptiste in der Höhle, weitab von allen Gerüchen und jeglicher Zivilisation befindet. Um sich in der Zeitspanne von etwa 5 Minuten[19] nicht zu langweilen, erläutert der Erzähler das Geschehen. Es wirkt zeitüberbrückend. Er zieht sich zurück, als Grenouille sich auf den Weg nach Grasse begibt. Immer wenn er verstummt, tritt eine zur Situation passende Musik ein, die unter anderem spannungssteigernd ist. Die musikalische Untermalung ist ein bedeutungsvoller Bestandteil des Films. Die unheimlichen und doch wundervollen Klänge tragen die Botschaft der Bilder auf eine beeindruckende Art und Weise.
Der Zuschauer kann besser in Grenouilles Welt eintauchen und seine Handlungen nachvollziehen. Er soll das Gefühl bekommen, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, die aber wie in einem Märchen erzählt wird.
Als der Erzähler sich bei Grenouilles Rückkehr nach Paris wieder einschaltet, holt er den Zuschauer aus einer Art Trance wieder zurück in die Realität und zeigt ihm Jean-Baptiste Grenouilles letzte Augenblicke und dessen Tod.
Durch den geringen Dialog wirkt der Film alles in allem sehr ruhig. Man könnte sagen, dass die Verfilmung eine Widerspiegelung von Grenouille selbst ist, einem Einzelgänger, der nicht viel spricht, sondern handelt.
Die Erzählstimme der deutschen Fassung wirkt auf keinen Fall störend, eher beruhigend. Dies liegt vor allem an der wohltuenden und ruhigen Stimme von Otto Sander. Wenn man sich jedoch die englische Fassung des Films ansieht, wirkt die Stimme des Erzählers etwas störend und befremdlich.
Bei Otto Sander hat man jedoch das Gefühl man wäre mit ihm in einem Raum. Wenn er die ganze Geschichte erzählen würde und im Hintergrund der Soundtrack laufen würde, bräuchte man keinen Film, man würde einfach die Augen schließen und die Bilder würden vor dem inneren Auge vorbeiziehen.
Im Vergleich zu anderen Filmen ist Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders von einer starken Präsenz des Erzählers geprägt. Im Allgemeinen ist der Erzähler in fast jedem Film schwächer als in den jeweiligen Büchern.[20]
Wäre der Erzähler bei Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders auch so wenig präsent wie bei den meisten Filmen, würde das Märchenhafte verloren gehen, es wäre nur noch eine fiktionale Handlung, eben ein typischer Hollywoodfilm mit viel Kitsch und wenig Blut.
Dies liegt jedoch nicht vor, der Erzähler nimmt neben der Hauptperson Jean-Baptiste Grenouille, gespielt von Ben Whishaw, eine tragende Rolle ein. Man könnte behaupten, dass der Erzähler auch eine Hauptfigur der Geschichte ist.
[...]
[1] Vgl. http://www.worldfantasy.org/awards/search.pl?searchname=&searchtitle=Perfume&searchyear=.&searchype= .
[2] Informationen zu den genauen Details wurden dem Artikel „Patrick Süskind So flüchtig wie ein Duft“ erschienen in http://www.focus.de/kultur/buecher/patrick-sueskind-so-fluechtig-wie-ein-duftaid383496.html (2009) entnommen.
[3] Vgl. Frizen, Werner und Spancken, Marilies: Das Parfum, Interpretation, Oldenburg, München 1998, S. 116.
[4] Bußman, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft. Kröner. Stttgart 2008. S. 535.
[5] Süskind, Patrick: Das Parfum, Die Geschichte eines Mörders. Zürich 1994. S. 5.
[6] Vgl. Frizen. 1998. S. 121.
[7] Süskind. 1994. S. 5.
[8] Vgl. Frizen. 1998. S. 121.
[9] Vgl. Frizen. 1998. S. 121.
[10] Süskind. 1994. S. 6.
[11] Vgl. Reisner, Hanns-Peter. Lektürehilfen, Patrick Süskind „Das Parfum“. Stuttgart 2005. S. 83.
[12] Süskind. 1994. S. 55.
[13] Süskind. 1994. S. 58.
[14] Frizen. 1998. S. 121.
[15] Frizen. 1998. S. 122.
[16] Frizen. 1998. S. 122.
[17] Frizen. 1998. S. 124.
[18] Vgl. “Das Parfum”: Um Nasenlänge verfehlt von Jenny Hoch, erschienen im Spiegel Online Kultur, 12.09.2006. http://www.spiegel.de/kultur/kino/das-parfum-um-nasenlaenge-verfehlt-a-436380.html .
[19] Vgl. Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders (FR, USA, DE, ESP, 2006). [00:56:05 – 01:00:52]. Regie: Tom Tykwer.
[20] Vgl. Monaco, James: Film verstehen, Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien. Mit einer Einführung in Multimedia. Reinbek, Hamburg 2000. S. 47.