Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Die Problemkarriere der 'Islamisierung des Abendlandes' unter Pegida in Dresden
1. Einleitung
2. Die Problemkarriere der 'Islamisierung des Abendlandes'
2.1 Definition ‚soziales Problem‘
2.2 Problemkarriere und Phasenentwicklung der Pegida und der Islamisierung
2.3 Der kollektive Akteur
2.3.1 Die soziale Bewegung PEGIDA
2.3.2 Die Problemnutzer
2.4 Virtuelle Probleme am Beispiel Alien Abduction und Ritual Cult Abuse
3. Schluss
4. Literaturverzeichnis
Die Problemkarriere der 'Islamisierung des Abendlandes' unter Pegida in Dresden
vorgelegt von:
Lisa Maria Neulist
Erwartete Leistungspunkte: 4 LPs
Bachelor Erziehungswissenschaft, 5. Fachsemester
Augsburg, den 30.03.2015
1. Einleitung
In Dresden treibt es tausende Menschen auf die Straße, die neue Bewegung Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). Ziel der Bewegung ist eine Abgrenzung zu 'fremden Konflikten'. „Anstoß für die Aktionen ‘gegen Islamisierung’ sei eine Demonstration von PKK-AnhängerInnen in Dresden gewesen, gab Initiator Lutz Bachmann zu Protokoll. Dass diese im Mittleren Osten gegen Islamisten kämpft, spielte für ihn keine Rolle. Bei Pegida heißt es schlicht: Keine ‘Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden’. Pegida geht es nicht um analytische Präzision, vielmehr appelliert man an das ‘Herr-im-Haus-Gefühl’“ (Weiß 2014). Der Artikel im Spiegel online konstatiert zuletzt: „Aber es ist ohnehin wohl kaum der Islamismus, sondern ein allgemeines Unbehagen, das die Leute zu Tausenden auf die Straße treibt“ (ebd.).
Beim Zensus 2011, für den Zahlen aus Verwaltungen genutzt werden, wurde der Islam unter die Kategorie 'Sonstiges' eingeordnet, da die Zahl der Mitglieder in Sachsen sehr gering war. Der Innenminister Markus Ulbig legte die Zahl, der in Sachsen lebenden Muslime, bei unter 0,1 Prozent fest. Ebenso wenig spielt der Anteil an Salafisten geschweige denn Islamisten eine große Rolle. Trotz der geringen Anzahl an Muslimen, wird in Dresden auf die Straße gegangen unter anderen mit der Parole ‘Gegen die Islamisierung - für den Heimatschutz’. Lutz Bachmann betonte auf der Kundgebung am 27.12.2014, dass es nicht um den Islam an sich ginge, sondern um Meinungsfreiheit, gegen radikale Islamisten, sowie der Islamisierung des Landes. Ein begehrter Satz zum Beginn von Statements der Bewegung ist "Ich bin kein Nazi aber endlich sagt es mal jemand". In einem Gespräch mit der tagesschau.de betont der Politikwissenschaftler Alexander Häusler, dass das Schlagwort Islamisierung vielmehr als Chiffre benutzt wird für andere Themen. Der Islamismus wird von der Pegida als Feindbild genutzt, um gegen eine multikulturelle Gesellschaft zu protestieren (vgl. Gensing 2014).
Seit den Protesten bleibt die Frage offen, was die Bewegung genau will, wer die Akteure sind und wo das Problem ausgemacht werden kann. Die Akteure der Bewegung sehen die deutsche Kultur durch eine ‚Islamisierung‘ gefährdet. Schuld daran ist die Asylpolitik Deutschlands.
Es soll nicht die Frage dieser Arbeit sein, die deutsche Gesellschaft und Kultur auf eine Islamisierung hin zu untersuchen, geschweige denn eine positive oder negative Wertung für potentielle Prozesse zu konstatieren, da dies außerhalb von soziologischen Fragestellungen liegt. Untersucht werden soll, wie eine solche Bewegung in einem Teil Deutschlands entstehen kann, in dem es so wenige Ausländer gibt. Wie konnte die ‚Islamisierung‘ zu einem Problem Deutschlands werden, ohne dass eine kollektive Übereinstimmung über einen Sachverhalt von Islamisierung vorhanden ist. Fragen sollen beantwortet werden, wie ob die ‚Islamisierung‘ oder die ‚Pegida‘ ein soziales Problem geworden sind und wer von der Problemkarriere des Sachverhalts eventuell profitiert.
2. Die Problemkarriere der 'Islamisierung des Abendlandes'
2.1 Definition ‚soziales Problem‘
Nachdem die Soziologie eine dichotome Vorstellung von Ideen- und Seinslage überwunden hat, wird von Berger und Luckmann eine mikrosoziologische Fundierung geschaffen, welche zeigt, wie eine primär symbolisch gezeichnete Wirklichkeit durch Deuten und Handeln von Individuen alltäglich reproduziert und zur objektiven Faktizität wird. Die Folge ist eine theoretische Wende unter Herbert Blumer für die Problemsoziologie (vgl. Schetsche 2000, S. 10). „Soziale Probleme sollten zukünftig nicht mehr als Diskrepanz zwischen objektiven, soziologisch eindeutig konstatierbaren Lebenslagen und der Wertordnung einer Gesellschaft beschrieben werden, sondern als Folge eines sozialen Definitionsprozesses […]. Die ‘gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit’ wurde zum problemsoziologischen Programm“ (ebd., S. 10f.).
Mit dem Terminus ‚soziales Problem‘ wird ein Sachverhalt der sozialen Wirklichkeit beschrieben, welcher den MitgliederInnen der Gesellschaft als problematisch erscheint (vgl. Schetsche 2008, S. 11). Themen mit dem Label ‚soziales Problem‘ fordern öffentliche Aufmerksamkeit und konfrontieren die Soziologie, wie ihre Nachbarsdisziplinen mit den Fragen, „um was für Phänomene es sich hier überhaupt handelt, wie sie in die Welt kommen und wie in der Gesellschaft gewöhnlich mit ihnen umgegangen wird“ (ebd., S. 14). Aufgabe der Soziologen ist es sich nicht von gesellschaftlichen Deutungen und Wertungen leiten zu lassen, sondern diese zum Gegenstand der Untersuchung zu machen (vgl. ebd.).
Anders als in der objektivistischen Problemanalyse, werden nicht Sachverhalte zum Gegenstand der Analyse, sondern Aussagen über diese Sachverhalte. Diese werden in Form von konsensualen Sachverhalten erhoben. „‘Konsensual’ sollen dabei Feststellungen über soziale Bedingungen heißen, die sich in Problemmustern ebenso finden, wie in Deutungen, die das jeweils thematisiere Phänomen nicht als soziales Problem definieren“ (Schetsche 2000, S. 165). Ob die Aussagen von kollektiven Akteuren zutreffend sind oder nicht, kann nicht konstatiert werden. Im Normalfall ist davon auszugehen, dass bis zu einem gewissen Grad eine Übereinstimmung über einen Sachverhalt erreicht werden kann. Bei dem Beispiel von sexuellen Missbrauch wäre der Konsens, dass eine sexuelle Interaktion zwischen Kindern und Erwachsenen stattfindet. Diese Annahme wird sowohl von strukturierten Pädophilen, wie auch von den thematisierenden Akteuren der Missbrauchsmuster geteilt. Es wird ein eindimensionales Kontinuum relativ-realer sozialer Bedingungen ausgemacht mit den Extremen ‘real’ und ‘virtuell’. Es bestehen nach dieser Argumentation Problemwahrnehmungen, bei denen konsensuale Sachverhalte nicht ermittelt werden können (vgl. ebd., S. 165f.). „Neben reale Probleme, bei denen die Beschreibung der problematisierten Sachverhalte auch von den Akteuren akzeptiert wird, welche ihre Deutung als Problem nicht teilen, treten also virtuelle, bei denen bereits diese Sachverhalte umstritten sind“ (ebd., S. 166, Hervorhebungen im Original). Nicht die Bewertung, sondern die selbst Existenz der Sachverhalte wird angezweifelt. Zwei Beispiele dazu werden im Kapitel 2. 4 erörtert.
Eine Analyse eines potentiellen Sachverhalts von Islamisierung Deutschlands würde den Rahmen dieser Arbeit deutlich sprengen. Es soll also untersucht werden, ob und wo ein ‚soziales Problem‘ auszumachen ist, ohne das Bestehen der ‚Islamisierung‘ zu beweisen.
In der politischen Talkshow Anne Will konstatiert der deutsche Politikwissenschaftler Werner Josef Patzelt, dass weder in den 19 Punkten, noch anderswo die Islamisierung eine Gewichtung bei der Problemwahrnehmung der Pegida ist (vgl. Anne Will 2014).
Letztendlich kann sowohl die Islamisierung, als auch die Bewegung an sich als soziales Problem analysiert werden, je nachdem welcher Akteur eine Problemdeutung vornimmt.
2.2 Problemkarriere und Phasenentwicklung der Pegida und der Islamisierung
Die Voraussetzung zur Entstehung eines Problems ist die Problematisierung. „Entsprechend wird bei der empirischen Analyse der Schwerpunkt auf der Untersuchung des Prozesses liegen, in dem es konstruiert wird: die Problemkarriere “ (Schetsche 1996, S. 11, Hervorhebung im Original).
Eine Problemkarriere beginnt mit der ersten öffentlichen Thematisierung durch einen primären Akteur, welche meist wissenschaftliche Experten oder soziale Bewegungen sind. Dadurch kommt dem primären Akteur eine besondere Definitionsmacht zu Gute, wodurch Zuständigkeiten zugewiesen werden, beispielsweise bezüglich der Bekämpfung (vgl. ebd., S. 14).
Es können mehrere Komponenten ausgemacht werden, welche während der Problemkarriere wirken. Die Formulierung eines Problemmusters durch kollektive Akteure, in dem Fall der Pegida also einer soziale Bewegung, ist die Festlegung eines Sachverhalts als moralischen Verstoß gegen das bestehende Wertesystem der Gesellschaft, genannt Problemdeutung. Die Problemdeutung wird durch Massenmedien verbreitet und durch Diskursstrategien verstärkt. Wird die Problemdeutung durch die Gesellschaft und die staatlichen Instanzen übernommen, so wird die Problemwahrnehmung durch einen epistemologisch undurchdringlichen Wahrnehmungskokon umhüllt und ein gesellschaftlich anerkanntes soziales Problem ist manifestiert (vgl. Schetsche 2008, S. 49).
Um die Anerkennung der Problemwahrnehmung in der Öffentlichkeit zu fördern, werden Diskursstrategien von den Akteuren genutzt. In den Wahrnehmungskokon sollen hierdurch Emotionen assimiliert werden, welche den Deutungsträgern keine Handlungs- und Denkalternativen lassen. Wenn sich die Problemdeutung gegen alle Alternativdeutungen durchgesetzt hat, entsteht eine alltäglich ideale und faktische Reproduktion, wodurch der Wahrnehmungskokon zur Kokonrealität wird und das soziale Problem ist alleinige praxisrelevante Wirklichkeit. (vgl. Schetsche 1996, S. 13)
Die am Anfang stehenden sozialen Sachverhalte werden durch eine allgemeine gesellschaftliche Anerkennung festgelegt und der Tatsache, dass sie mit wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen werden können. „Für die Analyse sozialer Probleme ist ein Sachverhalt hinreichend als Summe der Wissensbestände beschrieben die allen (auch den nicht problematisierenden!) Deutungen gemein sind“ (Schetsche 1996, S. 16). Bei einer allgemeinen Übereinstimmung von Problemmustern versagt diese Methode (vgl. ebd.).
Neben den eben benannten Komponenten einer Problemkarriere, welche wohl auch mehr oder minder in einen zeitlichen Verlauf gebracht werden können hat Blumer fünf Phasen einer Problemkarriere definiert. Nach den ersten zwei auch oben beschriebenen Phasen, dem Auftauchen (die erste Thematisierung) und der Legitimation (Deutung als Problem des Sachverhalts) findet die dritte Phase statt, die ‚Mobilisierung des Handelns‘. Hier werden konkrete Handlungspläne zur Bekämpfung ausgearbeitet. Anschließend in Phase vier ‘Bildung eines offiziellen Handlungsplanes’ werden die Pläne von diversen Instanzen bearbeitet. Unter anderem spielt der Staat als Institution in der Linderung der Probleme eine entscheidende Rolle. Die letzte Phase ist die ‘Ausführung des offiziellen Plans’. Aufgrund der Tatsache, dass die ersten drei Stufen empirisch so gut wie nie getrennt voneinander auftreten, wird ein erweitertes Phasenmodell vorgeschlagen mit sechs Phasen, welche mit dem sozialen Sachverhalt beginnen und mit der Phase der Problemlösung enden. Ergänzt wurden auf- und absteigende Phasenübergänge und die Hypothese, dass stets ein Auf- und Abstieg in der Problemkarriere von statten gehen kann. Durch dieses Modell werden auch Erklärungen für zyklische Entwicklungen in der Problemerkennung möglich. Soll eine Rekonstruktion einer Problemkarriere erfolgen, so ist besonders zu beachten, dass eine Problemlobby die Problemwahrnehmung erheblich beeinflussen kann. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich bedeutsame Eigendynamiken in der Problemkarriere entwickeln. Wurden Probleme einmal thematisiert, so werden sie schnell zu eigenständigen Formen von sozialer Realität (vgl. ebd., S. 28 - 31). „Bei auch langfristig nicht ausräumbaren Sachverhalten wird es dabei zu guter Letzt immer eine Frage der Interpretation sein, ob ein altes Problem einen neuen Zyklus beginnt oder ein neues entstanden ist“ (ebd., S. 32).
Auch bei der Problemkarriere Pegidas sind diese Auf- und Abstiege zu beobachten. Bei der Analyse ist dies wichtig, da die geringe Aufmerksamkeit der Medien im Februar 2015 nicht bedeutet, dass die Bewegung und das Problem nicht mehr existieren.
2.3 Der kollektive Akteur
Gesellschaftliche Anerkennung kann ein Problem nur erlangen durch das Engagement von Akteuren. Schetsche arbeitet daher für das konstruktivistische Modell einer Problemkarriere acht Typen von Akteuren heraus: Betroffene, Advokaten, Experten, Soziale Bewegungen, Moralunternehmer, Massenmedien und den Wohlfahrtsstaat (vgl. ebd., S. 39f.).
2.3.1 Die soziale Bewegung PEGIDA
Die Pegida ist als Akteuren der sozialen Bewegung zuzuordnen. Wie von allen Akteuren, wird auch von der sozialen Bewegung eine Notlage ausgemacht. Dem Namen der Bewegung nach zu urteilen ist die Problemwahrnehmung eine Islamisierung. Demnach würde Heckmann das soziale Problem aufgrund von ethnischen Vorurteilen ausmachen.
„Ethnische Vorurteile als gesellschaftliche Ideologien existieren idealtypisch in drei Grundformen: als Rassismus, Kulturzentrismus und Nativismus. [...]. Bei allen grotesken Verfälschungen und Uebertreibungen im Kulturzentrismus kann man dennoch sagen, daß[sic!] Kulturzentrismus eine weniger drastische Vorurteilsideologie darstellt: im Unterschied zum Rassismus sind die behauptete Ungleichheit und Ungleichwertigkeit der anderen Gruppe prinzipiell aufhebbar – unter der Bedingung der Uebernahme der Kultur der überlegenen Gruppe. Nativismus ist ein Konzept für Ideologien und gesellschaftliche Bewegungen, das eine ablehnende und abwertende Reaktion auf was ‚Fremdes‘, auf fremde Zuwanderung, fremde kulturelle Einflüsse und fremde Macht seitens einheimischer Bevölkerungen darstellt“ (Heckmann 1999, 350f.).
Der Bewegung können zumindest in der Führungsebene Charakteristika der Unterformen des Rassismus, wie dem Kulturzentrismus und Nativismus zugesprochen werden.
Der Initiator der Bewegung Lutz Bachmann trat so Anfang Januar zurück, aufgrund von rassistischen Äußerungen. Flüchtlinge wurden als ‚Viehzeug‘ und ‚Dreckspack‘ bezeichnet (vgl. Jacobsen 2015a). In der zweiten Phase von drei, welche die Bewegung laut Jacobsen durchlaufen hat, wurden 19 Punkte veröffentlicht, durch die Forderungen und Einstellungen deutlich werden sollten. Dort wird erläutert, warum Pegida nicht zwingend dem Rassismus zuzuordnen ist, da AsylbewerberInnen grundsätzlich (wenn Anspruch auf Asyl nach deutschem Recht vorhanden ist) aufgenommen werden sollen mit der Einschränkung, dass diese sich integrieren müssen. Es geht um eine konsequente Umsetzung des Asylrechts. Dementsprechend wird die Möglichkeit einer deutschen Kulturübernahme der AsylbewerberInnen gesehen und gefordert (vgl. ebd.).
Neben der Vermutung, dass Pegida rassistischen AnhängerInnen einen Raum zur Artikulation bietet, wird auch angenommen, dass Pegida eine Sammelbewegung ist aus politisch linken, rechten und der Mitte, sowie enttäuschten Deutschen „all die Nichtwähler, die Abgehängten und Verängstigten“ (Assheuer 2015). Die folgenden Analysen für die Popularität der Bewegung sind besonders geeignet für die ‚Mitläufer‘ und nicht nur für die Führungsebene. Durch das Schweigen der DemonstrantInnen gegenüber JournalistInnen bleiben die Motivationen Spekulationssache.
Die Pegida als eine Querfront Bewegung, welche nach der Art der Front nationale die politischen Lager links/rechts/Mitte auflöst, um gegen die Elitenkollaboration zu sein, erleichtert das Verstehen der großen Anzahl von TeilnehmerInnen an den sogenannten ‚Spaziergängen‘. Eine These von Politikwissenschaftlern sei es, dass die Machtausübung in westlichen Demokratien technokratische Züge annimmt. Anstatt von offenen Streits, werden Konflikte verschwiegen und der Bevölkerung wird Alternativlosigkeit suggeriert, dies sei der Grund warum auf Dresdens Straße so viele Menschen demonstrieren. Zu diesem System gehören auch die JournalistInnen, wodurch das Paradoxum entsteht, dass für Meinungsfreiheit demonstriert wird, JournalistInnen aber, aufgrund der aufgestellten Regeln der Organisation, keine Interviews von den DemonstrantInnen bekommen. „Keine Parolen, keine Interviews“, lautet die Devise. Dies macht die Analyse der Bewegung schwierig (vgl. ebd.).
Ergänzend bezeichnet Herr Bude in seinem neusten Buch Deutschland als ‘Gesellschaft der Angst’, wegen Befürchtungen das Erreichte nicht an die nachfolgende Generation weitergeben zu können. Er beschreibt einen Wandel von diffusem Systemvertrauen zu einer diffusen Systemangst. Seit Gerhard Schröder ist das wichtigste Gut die Konkurrenzfähigkeit in einer globalisierten Welt. Genau dieses Bestreben ist die Ursache für die Angst nicht mehr mithalten zu können. Flüchtlinge werden dann als Konkurrenz angesehen. Die AnhängerInnen von Pegida sind ein bestimmter Teil von Islamophoben, welche sich als weltoffen empfinden, meist gut gebildet sind und sichere Positionen besetzten, trotzdem unter dem Gefühl leiden, unter ihren Möglichkeiten geblieben zu sein. Diese 13 Prozent der deutschen Bevölkerung sind überrepräsentiert in Ostdeutschland. Das sind die und sind die ‘Pegida-Leute’ (vgl. Theile 2015, S. 3).
„ Bude: Die haben einen latenten Hass im Hals. Sie denken: Eigentlich habe ich nie richtig zeigen können, was in mir steckt – aufgrund von Bedingungen, die ich nicht kontrollieren konnte. Und wenn die hören, dass wir auf qualifizierte Einwanderer angewiesen sind, dass wir eine Willkommenskultur entwickeln müssen, dann finden die: Jetzt muss aber mal Schluss sein. Ich hab doch auch nichts geschenkt gekriegt! Diese Menschen leiden unter einem fast existenziellen Neid“ (ebd., Hervorhebung im Original).
Es gehe nicht nur um Angst, sondern um Verbitterung unter dem Gefühl der Mindereinschätzung. Eine angemessene Reaktion der Politik ist es, auf diese Ängste einzugehen, sie ernst zu nehmen und zu lösen (vgl. ebd.).
Auch andere SprecherInnen für Pegida in bundesweiten Ablegern, zeigen rechte Tendenzen, wie Melanie Dittmer zur Hooligan- Szene in Nordrhein-Westfalen. Auch die 'Junge Freiheit', welche der AfD nahesteht, unterstützt die Pegida positiv (vgl. Weiß 2014).
2.3.2 Die Problemnutzer
Die AfD in Form der 'Junge Freiheit' ist nicht die einzige Institution als Partei, welche die Pegida unterstützt auch Frauke Petry die Bundes- und Landesvorsitzende der AfD tritt in der Talkshow Maybrit Illner am 11.12.2014 im ZDF als Fürsprecherin der Pegida auf.
„Während bei Advokaten wie Experten unterstellt werden darf, daß[sic!] der Wunsch nach Hilfe für die Betroffenen neben den Eigeninteressen eine zentrale Komponente der Motivation darstellt, funktionalisieren politische und religiöse Problemnutzer soziale Probleme lediglich für ihre Interessen. Dem politischen Problemnutzer geht es dabei um die Macht ihrer Gruppe im politischen Herrschaftsgefüge. [...]. Dieser Gruppe geht es um Sitze in Parlamenten und ähnlichen Gremien, in denen über Normen, Finanzmittel, die Verteilung von Posten sowie vielfältige Sachfragen entschieden wird“ (Schetsche 1996, S. 46).
In dem Kampf um Wählerstimmen werden von PolitikerInnen zwei Strategien gewählt. Neben dem Artikulieren von neuen sozialen Problemen, welche potentielle WählerInnen betreffen könnten, können auch bereits anerkannte soziale Probleme in den Wahlversprechen berücksichtigt werden. Bedenken und Ängste werden in der zweiten Strategie genährt und das Versagen von den 'Regierenden' bei der Problemlösung wird betont (vgl. ebd.). Die Diskussion um den Umgang mit Flüchtlingen wird immer wieder diskutiert, weswegen konstatiert werden kann, dass die AfD letztere Strategie wählt.
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