Die wahre Freiheit eines Unfreien. Senecas Sklavenbrief (Ep. 47)


Hausarbeit, 2015

17 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historisches Hintergrundwissen
2.1 Kurzbiographie zu Lucius Annaeus Seneca
2.2 Definition Sklaverei
2.3 Sklaverei im römischen Reich

3. Allgemeine Grundsätze zum Stoizismus

4. Interpretation / Analyse Senecas Brief 47
4.1 Übersetzen und analysieren
4.2 Zusammenfassung der Interpretationsergebnisse

5. Gegenwartsbezug / Ergebnis

6. Literatur - und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„ Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit “ 1

Marie von Ebner-Eschenbach (*1830 in Wien) griff knapp 2000 Jahre nach Lebzeiten des Philosophen Seneca, den Aspekt der „wahren Freiheit“ eines Sklaven auf. Auf den ersten Blick scheint dieses Zitat sehr widersprüchlich zu sein, man könnte sich fragen, warum sollte ein Sklave ein Feind der Freiheit sein?

Im Kopf des Lesers wird wahrscheinlich ein großes Fragezeichen zu finden sein. Besteht denn nicht der größte Wunsch eines Sklaven darin, frei zu sein? Ist es nicht das Ziel eines jeden Menschen, in Freiheit zu leben? Nun muss man sich die Frage stellen, von welcher Freiheit sprechen wir hier eigentlich?

Offensichtlich kann es sich hier nicht um die Freiheit handeln, an die wir gerade alle denken, nämlich das Entfliehen aus der Gefangenschaft in Sklaverei oder beispielsweise der Freiheit, in welche man nach einem Gefängnisaufenthalt gelangt. Diese Freiheit ist oben in dem Zitat gemeint, aber anscheinend gibt es noch ein anderes Verständnis von Freiheit.

So findet Seneca eine andere Definition von Freiheit. Um das oben genannte Zitat zu verstehen, muss man sich seine Definition von Freiheit, welche im Verlauf dieser Facharbeit die „wahre Freiheit“ genannt werden wird, vor Augen führen und versuchen zu verstehen.

Zum Verständnis dieser Frage, soll die vorliegende Facharbeit dienen. Gemeinsam mit ihr wird sich der Leser im Rahmen dieser Arbeit, mithilfe des Sklavenbriefes Seneca´s, sowie Ansätzen der stoischen Philosophie und weiterer notwendiger historischer Grundlagen, welche ein umfassendes Bild von der antiken Sklaverei im allgemeinen und Seneca´s Leben gewährleisten, auf die Suche nach der Frage zur „wahren Freiheit“ machen.

2. Historisches Hintergrundwissen

2.1 Kurzbiographie zu Lucius Annaeus Seneca

Logisch betrachtet, finden sich die Ursprünge des Gedankens von der wahren Freiheit natürlich bei seinem Urheber Seneca. Aber wer war überhaupt dieser Seneca? Lucius Annaeus Seneca war ein Politiker, römischer Dichter und philosophischer Schriftsteller, welcher zwischen 4 vor und 1 nach Chr. in Corduba, der Hauptstadt der römischen Provinz Baetica, geboren worden ist. Seine Eltern und Familienmitglieder zählten zum Ritterstand und besaßen zur besagten Zeit recht hohes Ansehen in Corduba, was bedeutet, dass der junge Seneca in ausgesprochen gute Verhältnisse hinein geboren wurde. Seneca der Ältere1 war wie auch sein Sohn Schriftsteller und zudem Rhetoriker. Seine Frau Helvia ist nach verschiedenen Überlieferungen gut 30 Jahre jünger gewesen als er selbst und zusammen hatten sie neben Seneca dem Jüngeren noch zwei weitere Söhne, Lucius Annaeus Novatus und Lucius Annaeus Mela.

Auf Antreiben des Vaters kam Seneca bereits früh in seiner Kindheit nach Rom, um beste Bedingungen für seine berufliche Karriere zu schaffen.2 Dort genoss er während seiner Jugend eine äußerst ansehnliche Bildung. Neben Unterrichtseinheiten beim Grammaticus3, beim Rhetor4 oder beim Juristen kamen auch, ganz zum Missfallen des Vaters, Einflüsse aus der Philosophie beim jungen Seneca nicht zu kurz.5 Geprägt wurde der Knabe hier vor allem vom Philosophen Sextius, welcher in Rom eine Philosophenschule eröffnet hatte und die Lebensweise der Stoa lehrte, sowie den Stoikern Attalus und Sotion. Insgesamt wurde hier neben den Grundsätzen der Stoa aber auch eine asketische Lebensweise vermittelt, welche für Seneca vorerst unter anderem den Verzicht auf Fleisch bedeutete. Für sein eigenes Verständnis von Philosophie war zu dieser Zeit wohl die wichtigste seiner Erkenntnisse, dass es möglich ist, nicht nur über die Philosophie zu sprechen, sondern diese tatsächlich praktisch auszuleben und sie für die persönliche Lebensgestaltung von existentieller Bedeutung anzusehen und zu nutzen.

Zum Ende seiner Jugend war es Seneca, immer noch unter väterlichem Einfluss stehend, nicht möglich, ausschließlich in der Schule der Philosophen zu verweilen.

Getrieben vom Wunsch des Vaters und der gehobenen Gesellschaftsstellung in welche er hineingeboren worden ist, wurde er zu dem Beginn einer politischen Laufbahn gedrängt. Hier wählte Seneca für sich die Senatorenlaufbahn. Sich auf den Cursus Honorum vorbereitend, verrichtete er verschiedene Amtsgeschäfte, wie zum Beispiel Anwaltstätigkeiten.

Zeit seines Lebens wurde Seneca von Krankheiten und schlechten gesundheitlichen Zuständen geplagt. Als er um das Jahr 25 n. Chr. das nötige Alter erreichte, sowie ausreichend Erfahrungen für das Amt als Quaestor gesammelt hatte, machte seine Gesundheit dem Amtsantritt einen Strich durch die Rechnung. Seneca war mehr oder minder gezwungen seine Ämterlaufbahn vorerst für einige Zeit auf Eis zu legen. Stattdessen trat er, wahrscheinlich auf ärztlichen Rat hin, zur Förderung seines Genesungsprozesses, eine Reise nach Ägypten an. Dort prägte ihn eine Ergriffenheit der ägyptischen Götterlehre, welche später möglicherweise noch Einfluss auf sein eigenes Philosophieverständnis nahm.

Im Jahre 31 n. Chr. kehrte Seneca nach Rom zurück und bewarb sich trotz spürbarer Unlust, dem Wunsch seines Vaters nachkommend, für das Amt des Quaestors, welches er um 34 n. Chr. schließlich auch ausübten durfte. Sein Amtsantritt verschaffte ihm die Mitgliedschaft im Senat, in welchem er zugleich schnell durch seine Redekunst Aufsehen erregte. Nach seiner Quaestur bekleidete er vermutlich ein weiteres Amt, am ehesten das des Ädils, jedoch gibt es hierüber im Detail keine genaueren Informationen. Während dieser Zeit vernachlässigte Seneca seine philosophischen Studien und konzentrierte sich voll auf seine Amtstätigkeiten sowie die Machenschaften im Senat. Außerdem heiratete er und hatte bekanntermaßen mindestens ein Kind zusammen mit seiner Frau. Zu dieser Zeit stand der Senator also mit beiden Beinen fest im Leben.

Bis es im Jahre 41 n. Chr. zur Verbannung Senecas, durch den gerade neu ernannten Kaiser Claudius, auf die Insel Korsika kam, nachdem Seneca der Ehebruch mit der Schwester des vorherigen Kaisers Caligula vorgeworfen worden war. Dort verbrachte er acht harte, aber auch acht lehrreiche Jahre, welche den Stoiker in Seneca auf eine Prüfung stellten.1

Im Jahre 49 n. Chr. wurde Seneca auf Bestreben der neuen Gattin des Kaisers Claudius´, Agrippina, schließlich aus dem Exil zurückgeholt.2 Der „Gerettete“ selbst hatte nun im Sinn, ein Leben in der Zurückgezogenheit, gemäß der Philosophie zu leben. Doch dazu kam es nicht.

Nach Eintreffen Senecas in Rom wurde ihm ziemlich schnell das Amt der Praetur verliehen. Darüber hinaus suchte Agrippina für ihren Sohn Nero einen Erzieher, welcher ihn auf die Thronfolge vorbereiten konnte. Für diese Rolle war Seneca wie geschaffen. So stieg er neben seinem Amt umgehend zu Nero´s Erzieher auf und diente fortan am Kaiserhof.1 In dieser Position lehrte er den jungen Prinzen neben den Künsten der Rhetorik auch die Tugenden der stoischen Philosophie.

Als Nero im Jahre 54 n. Chr. mit gerade mal 17 Jahren den Thron bestiegen hatte, begann für Seneca das sogenannte „Glückliche Jahrfünft“. Als treuer Berater des Kaisers hatte der Philosoph maßgeblichen Einfluss auf die Politik und den Senat, indem er die Reden des Kaisers schrieb und durch seinen persönlichen Rat Einfluss auf Entscheidungen, wie die der Gesetzgebung, nahm.2 Diese Machtposition verschaffte Seneca im Jahre 56/57 n. Chr. sogar das Konsulat, was den absoluten Höhepunkt seiner politischen Karriere bedeutete. Während dieser Zeit zählte der Stoiker zu einem der reichsten und angesehensten Männern Roms, was sich mit der gewinnbringenden Beziehung zu seinem Schützling Nero begründen lässt.3

Die Mutter des Kaisers, stets nach Macht strebend und auf die Herrschaft ihres Sohnes Einfluss nehmend, wurde 59 n. Chr. auf Neros Wunsch hin ermordet. Mit dem Tod Agrippinas begann Senecas Macht zu schwinden. Der Kaiser hatte nicht mehr das Bedürfnis nach Rückhalt und legte fortan stetig weniger Wert auf die Ratschläge seines Lehrers. Senecas Versuche, des Kaisers zunehmend ausschweifendes Temperament einzudämmen, hatten keinen Erfolg. So entschied sich der Philosoph 62 n. Chr. seinen Rücktritt zu erbitten und begab sich immer häufiger in sein Landhaus vor der Stadt.4 Dort begann er unter anderem an seiner Briefsammlung, den Epistulae Morales, zu arbeiten.

Im Jahre 65 n. Chr. warf Nero ihm schließlich die Beteiligung an einem Mordversuch seinerseits vor, woraufhin er Seneca zur Strafe seinen eigenen Selbstmord befahl. Diesem kam der Beschuldigte nach und schnitt sich im Alter von ca. 65 Jahren die Pulsadern auf, woraufhin er wegen eines Herzstillstandes zu Tode kam.

2.2 Definition Sklaverei

Jetzt wissen wir etwas über den Philosophen Seneca, doch wie kam es eigentlich, dass dieser sich Gedanken über die Sklaverei machte und wie muss man sich diese überhaupt vorstellen?

Unter dem Begriff Sklaverei versteht man den Zustand völliger rechtlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit eines Menschen (Sklave) von einem anderem (Sklavenhalter). 1

In der Antike galten Sklaven als Menschen ohne personale Rechte, welche oftmals wie eine res ( Sache) behandelt und auch angesehen wurden.2 Zu welchem Zweck ihn der Sklavenhalter gebrauchte, war völlig ihm überlassen. Dies bedeutet auch den Handel mit Sklaven oder die Legitimität bei der Tötung eines Sklaven. Sie haben keinen Anspruch auf die Menschenwürde und gehören meistens der untersten Klasse einer Gesellschaftsschicht an. Aufgrund verschiedenster Ausprägungen der Sklaverei in der Geschichte der Menschheit, welche teils extremer teils aber auch harmloser ausfallen konnten, wird der Begriff der Sklaverei juristisch gesehen nicht eindeutig für alle Erscheinungsformen definiert.3 Heute ist Sklaverei in den meisten Teilen der Welt offiziell verboten, so verbietet Artikel 4 der „Europäischen Menschenrechtskonvention“, welche 1950 ausgearbeitet worden ist, jegliche Formen der Sklavenhaltung sowie Leibeigenschaft.

2.3 Sklaverei im römischen Reich (Zur Kaiserzeit)

Allgemein lässt sich zur Situation bezüglich der Sklaverei in der Antike sagen, dass sie für jedermann selbstverständlich war und nicht angezweifelt wurde. Darüber hinaus wurde ebenfalls die Unfreiheit eines Menschen4 als völlig normal angesehen. Die Strukturen der Sklaverei waren tief in der Gesellschaft verwurzelt und nicht wegzudenken, denn sie bildeten die Wirtschaftsgrundlage der damaligen Zeit. Oftmals ging man der These nach, ein Sklave sei Sklave von Natur aus.

[...]


1 Zitat nach Marie von Ebner-Eschenbach

1 Vater Seneca ´ s

2 Manfred Fuhrmann S. 44f.

3 Sprachlehrer

4 Redekunst

5 Gregor Maurach S.18ff.

1 Manfred Fuhrmann S.100 f.

2 Gregor Maurach S. 34f.

1 Manfred Fuhrmann S. 160ff.

2 Manfred Fuhrmann S. 175f.

3 Manfred Fuhrmann S. 223f.

4 Manfred Fuhrmann S. 261f.

1 Der Jugend Brock Haus S. 655

2 Norbert Brockmeyer S.3

3 Norbert Brockmeyer S. 3

4 Norbert Brockmeyer S. 4

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die wahre Freiheit eines Unfreien. Senecas Sklavenbrief (Ep. 47)
Note
gut
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V323556
ISBN (eBook)
9783668230392
ISBN (Buch)
9783668230408
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Seneca, Sklaven, Sklavenbrief 47, Latein, Freiheit
Arbeit zitieren
Jan Nagel (Autor:in), 2015, Die wahre Freiheit eines Unfreien. Senecas Sklavenbrief (Ep. 47), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323556

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