García Lorcas und Celans poetologische Positionen im Vergleich


Seminararbeit, 2000

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. García Lorcas dichtungstheoretische Ansätze
2.1. „Das dichterische Bild bei Don Luis de Góngora“
2.2. „Theorie und Spiel des Dämons“

3. Celans dichtungstheoretische Ansätze: „Der Meridian“

4. Lorcas und Celans Ansätze im Vergleich
4.1. Die Aufgaben der Dichtung
4.2. Die Form der Dichtung
4.3. Die Entstehung von Dichtung

5. Schlussbemerkung

6. Bibliographie

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den poetologischen Positionen Federico García Lorcas und Paul Celans . Anhand von Lorcas Rede „Das dichterische Bild bei Don Luis de Góngora“ (1926) und Auszügen aus seiner Schrift „Theorie und Spiel des Dämons“ (1933) sowie von Celans Büchner-Preis Rede „Der Meridian“ (1960) sollen charakteristische Merkmale ihrer jeweiligen dichtungstheoretischen Ansätze herausgearbeitet werden. In einem zweiten Schritt gilt es dann Gemeinsamkeiten und grundlegende Differenzen zwischen den beiden Poeten aufzuzeigen. Hierbei wird sich nur auf die vorgestellten Texte bezogen, so dass etwaige spätere Veränderungen der Positionen keine Berücksichtigung finden.

2. García Lorcas dichtungstheoretische Ansätze

2.1. „Das dichterische Bild bei Don Luis de Góngora“

In seiner Rede „Das dichterische Bild bei Don Luis de Góngora“, die der junge Lorca am 13.Februar 1926 als Eröffnungsrede des neugegründeten „Ateneo Científico , Literario y Artístico“ in Granada hielt, thematisiert er das Werk des titelgebenden spanischen Barockdichters (1561-1627). Dieser galt den jungen spanischen Dichtern aus Lorcas Generation als Vorbild und wurde sogar zum „Vater der modernen Lyrik“[1] erhoben. Daher ist es legitim viele Aussagen Lorcas über die Dichtung des großen Vorbilds auf sein eigenes Schaffen zu übertragen.

Am Anfang seiner Rede grenzt Lorca den thematischen Bereich ein auf das „dichterische Bild“, das für ihn immer eine „Sinn-Übertragung“ ist[2] und das gerade in der Dichtung Góngoras seine Perfektion gefunden hat. Im Folgenden geht es Lorca darum, Góngora von den anderen Dichtern seiner Zeit abzugrenzen. Im Kampf zwischen „volkstümlichen“ und „höfischen“ Dichtern nimmt Góngora eine ganz besondere Position ein, da er sich in Abgrenzung zur „Ritter- und Mittelaltertradition“ auf die Suche nach der „glorreichen lateinischen Überlieferung“ machte, die den aufeinander abgestimmten Gebrauch von Metaphern und deren systematische Recherche forderte.[3]

Nach dieser historischen und inhaltlichen Einleitung geht es Lorca im weiteren Verlauf seiner Rede darum, die Besonderheiten des gongorinischen Sprechens an Beispielen näher aufzuzeigen. Dabei ist ihm besonders wichtig den Vorwurf vieler Kritiker zu widerlegen, dass Góngoras Lyrik „dunkel“ und „unverständlich“ sei. Nach Lorcas Ansicht muss man, um Góngora verstehen zu können, dessen Lyrik nicht bloß „lesen, sondern studieren“. Dementsprechend kann man, wie er später ausführen wird, dem Dichter nicht vorwerfen, dass er dunkel sei, sondern muss diesen Vorwurf vielmehr an den Rezipienten richten, der angesichts des eigenen Nicht – Verstehens die Schuld bei der Unverständlichkeit des Textes sucht. Die Erklärung für Góngoras „neues Modell der Sprache“[4] sieht Lorca in dessen „angeborenem Bedürfnis nach neuer Schönheit“. Diese soll sich vor allem in den keinem Zufall überlassenen dichterischen Bildern manifestieren, von deren Qualität die Ewigkeit der Dichtung abhängt. Denn nach Lorca ist die Metapher „frei von vergehenden Realitäten“ und steht damit im Gegensatz zu „spontanen Expressionen“ und „menschlichen Gefühlen“, die nur in einigen Augenblicken mitreißen können. Sie ist das Mittel für die Schaffung einer „objektiven, zweckfreien Schönheit“, die Lorca hier klar im Sinne von Mallarmés poésie pure versteht und konsequenterweise Mallarmé im weiteren Verlauf der Rede als „besten Schüler“ Góngoras bezeichnet. Wie Marie Lafranque betont, ist diese „zweckfreie Schönheit“ gleichzusetzen mit einer „réalité distincte“, einer „dichterischen Realität“, die ganz bewusst einen Gegensatz zur „realen Realität“ bilden soll und den Dichter dazu befähigt das

Leben zu übersteigen und eine Art von Ewigkeit zu erreichen.[5] Um die Fähigkeit zu einer solchen Weltflucht zu erhalten, muss sich der Dichter nach Lorca „beschränken“, das heißt auf sich selbst konzentrieren und seine fünf Sinne (Gesicht, Gefühl, Gehör, Geruch, Geschmack) zu beherrschen lernen. Die Betonung liegt hierbei auf dem „visuellen Bereich“, in dem sich alle Bilder öffnen und auf dem Tastgefühl, welches die „Qualität der lyrischen Stoffe“ zeigt.

Im Folgenden erläutert Lorca den Prozess dichterischen Schaffens näher und bezieht sich hier auch konkret auf sein eigenes Werk. Um die zwei entgegengesetzten Welten der realen und der dichterischen Realität verbinden zu können, bedarf es eines „Reitersprungs der Bildvorstellungskraft“. Diese Bildvorstellungskraft entsteht durch die bewusste, sinnliche Wahrnehmung der Natur, wobei die Bilder nicht bloß von der Natur abgeschöpft werden. Vielmehr muss sich der Dichter „in einem sehr fernen Wald auf eine nächtliche Jagd“ begeben, jedoch nicht, ohne vorher bereits einen festen Plan der von ihm zu durchstreifenden Gegenden zu haben. Er darf sich also nicht gehen lassen, sondern muss das Bild in seiner „mentalen Landschaft“ bewusst „erjagen“. Ohne Rücksicht auf konventionellen Wohlklang wählt er das „weiße, verlassene Bild“, das aber auf Grund des Rats seiner fünf Sinne unausweichlich ist. Marie Lafranque erklärt diese Entscheidung unter Bezugnahme auf die „Kreationisten“, für die in der Überraschung der Schlüssel der ästhetischen Emotion liegt.[6] Mit Bezug auf Paul Valéry gibt Lorca an, dass der Prozess der „Bilderjagd“ in einem unbewussten Zustand der „Eingebung“ erfolgt. Dieses unterstreicht der Redner durch die sehr lyrische Qualität der Textpassage. Dennoch sieht er Dichtung nicht als reines Ergebnis von Inspiration. Diese liefert dem Dichter nur das Bild, also die „poetische Substanz“, nicht aber das „Kleid“, also die Form und Sprache des Gedichts. Um diese zu erlangen muss der Dichter „die Qualität und den Klang des Worts mit Gleichmut und ohne gefährliche Leidenschaft betrachten“. Dichtung – und hier meint Lorca auch seine eigene Dichtung – entsteht für ihn also immer in zwei Schritten, in einem Wechselspiel aus Inspiration und Sammlung. Als große Aufgabe der Dichtung betrachtet er das Beseelen und Beleben der Natur.

Am Ende seiner Rede rekurriert Lorca wieder verstärkt auf das Thema der gongorinischen Dichtung, speziell auf die Entwicklung vom „einfachen“ zum „gehobenen“ Góngora und erklärt Góngoras „Dunkelheit“ mit dessen „Besorgnis um Dauer“ seines Werkes, mit dem Wunsch, das Werk „widerstandsfähig gegen die Zeit“ werden zu lassen; ein Wunsch, der allein mit den Mitteln des „volkstümlich Derben“ nicht zu erreichen gewesen wäre.

[...]


[1] Gibson, Ian: Federico García Lorca. Biographie. Frankfurt am Main und Leipzig 1991. S.219.

[2] García Lorca, Federico: Das dichterische Bild bei Don Luis de Góngora. In: Federico García Lorca: Werke in drei Bänden. Ausgewählt und übertragen von Enrique Beck. 3. Aufl. Frankfurt am Main 1995.

[3] Lafranque, Marie: Les Idées esthétiques de Federico García Lorca. Paris 1967. S.119.

[4] Gibson, S.219.

[5] Lafranque, S.119.

[6] Lafranque, S.124.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
García Lorcas und Celans poetologische Positionen im Vergleich
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Veranstaltung
Positionen zeitgenössischer Poetik
Note
2,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V32379
ISBN (eBook)
9783638331128
ISBN (Buch)
9783656661238
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
García, Lorcas, Celans, Positionen, Vergleich, Poetik
Arbeit zitieren
Florian Pottmeyer (Autor:in), 2000, García Lorcas und Celans poetologische Positionen im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32379

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