Die "Nautilus" von Javier Senosiain. Organische Strukturen in der Architektur


Studienarbeit, 2013

42 Seiten

Ilka Viehmann (Autor:in)


Leseprobe

Gliederung

1. Einführung
1.1 Einleitung
1.2 Einführung in die organische Architektur
1.3 Die Philosophie von Javier Senosian

2. Die Nautilus
2.1 Entstehung und Konzept
2.2 Ursprung der Form
2.3 Das Raumgefüge der Nautilus
2.4 Vorbild Natur

3. Vergleiche mit anderen Architekturen
3.1 Vergleich mit dem Park Güell
3.1.1 Der Park Güell
3.1.2 Parallelen und Unterschiede von Nautilus und Park Güell
3.1.3 Javier Senosiain und Antonio Gaudí
3.2 Vergleich mit dem Wohnhaus von Eugene und Nancy Bavinger
3.2.1 Das Wohnhaus von Eugene und Nancy Bavinger
3.2.2 Parallelen und Unterschiede der beiden Wohnhäuser 23-
3.3 Vergleich mit dem Augenschlitzhaus
3.3.1 Das Augenschlitzhaus
3.3.2 Parallelen und Unterschiede der beiden Wohnhäuser
3.3.3 Friedensreich Hundertwasser und Javier Senosiain

4. Vergleich mit einem anderen Projekt von Javier Senosiain
4.1 Das Organic House
4.2 Parallelen und Unterschiede von Nautilus und Organic House

5. Fazit
5.1 Allgemeines Fazit
5.2 persönlicher Kommentar

6. Bibliographie
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Sonstige Quellen
6.3 Abbildungsverzeichnis

1. Einführung

1.1 Einleitung

Der Studienarbeit ging eine Beschäftigung mit organischen Architekturen voraus.

Die Nautilus, die sich in die lange Liste organisch anmutenden Architekturen einreiht, ist eine von diesen. Sie ist wegen ihrer ungewöhnlichen Außenwirkung aufgefallen.

Die Nautilus ist ein Gebäude des Architekten Javier Senosiain, sie wurde 2006 in Mexiko erbaut. Es ist ein Wohnhaus welches die Form einer einschaligen Muschel hat, deren Öffnung durch ein Fenster aus buntem Glasmosaik geschlossen ist. Ob in einer architektonisch unkonventionellen Form ein bequemes Wohnen möglich ist, erscheint fraglich.

Es ist ein Vergleich mit Architekturen Javier Senosiain's Vorbilder wie Antonio Gaudí, Bruce Goff und Hundertwasser. Außerdem ein Versuch der Inspiration aus der Natur auf den Grund zu gehen. Ebenso behandelt werden Parallelen zu einer seiner anderen Architekturen und den Herangehensweisen bei architektonischen Konzepten von Javier Senosiain.

Ist die Form der Nautilus lediglich der einer Muschel nachempfunden oder hat es einen weiteren Hintergrund? Sind die Vorbildarchitekturen kopiert oder weiterentwickelt worden? Welche Elemente finden sich in allen Architekturen von Javier Senosiain wieder? Welche Philosophie steckt in seiner Architektur? Ist die Nautilus nur eine spannende Form oder ermöglicht sie auch bequemes Wohnen? Diese und weitere Fragen werden im Folgenden aufkommen und behandelt.

1.2 Einführung in die organische Architektur

In der frühen Geschichte der Architektur, der Antike, verkörperten die Gebäude eine Abgrenzung zur Natur. Die Tempel sollten prachtvoll und mächtig sich von der Natur abheben und sie übertrumpfen. Später entstanden Kirchenbauten, die zwar Elemente nach Vorbild der Natur verwendeten, jedoch immer noch eine Abgrenzung zur Natur darstellten.

Nach der industriellen Revolution, die eine immer weitere Verdrängung der Natur aus unserem näheren Umfeld mit sich brachte wurde eine Sehnsucht entfacht, die Natur in die direkte Umgebung miteinzubeziehen. Gebäude und Umgebung sollten im Fluss miteinander sein, so entstanden Konzepte, die man als organische Architektur klassifizieren kann.

Die organische Architektur bezeichnet eine Architekturform die Umgebung, Bedürfnisse des Menschen und Materialien in einen harmonischen Einklang bringt. Die organische Architektur lässt sich jedoch schwer eingrenzen und beurteilen, da es kaum eindeutige Merkmale gibt, die sich in allen organisch anmutenden Gebäuden wiederfinden. Es werden Formen und Elemente aus der Natur, meist der direkten Umgebung einbezogen und übernommen. So entwickelt sich die Form oft aus äußeren Bedingungen heraus, immer an der Funktion orientiert, welche sich dann wieder am Erscheinungsbild ablesen lassen kann.

Javier Senosiain beschreibt in seinem Buch Bio-Architecture in dem Kapitel "The Organic: our natural space" das Organische und die organische Architektur wie folgend:

"At the beginning of the eighteenth century, people began to use the terms 'organism' and 'organisation' to describe a harmonious combination of parts. The word 'organic', that comes from biology, means organisation as it is related to the animal and plant kingdoms, and was applied for the first time to architecture in Paris, in 1863.

Although there are some exceptions, organic architecture is based on the experience and independence of Euclidean geometry. "[1]

1.3 Die Philosophie von Javier Senosian

Javier Senosiain ist ein mexikanischer Architekt, gefeiert als ein Schlüsselexponent der sogenannten organischen Architektur. Seine Arbeiten sind teilweise an denen von Frank Lloyd Wright, Bruce Goff, Paolo Soleri, Friedensreich Hundertwasser, Buckminster Fuller, Antonio Gaudí und Rudolf Steiner orientiert. Zwischenzeitlich nahm er eine Professur für Architektur an der National Autonomous University of Mexico (UNAM) an.

In seinem Buch „Bio-Architecture“ von 2003 erforscht er den Ursprung einiger Formen aus in der Natur vorkommenden Elementen. So entspringt nach seiner Auffassung die Form des Jumbojets der eines Schwertwals und die eines Bootes der des Delphins: „The shape of a dolphin's nose applied in the prow area of boats is an excellent application of bionics in the design of aquatic transportation. Skin-diving equipment, such as fins, has been designed from shapes of marine animals“ [2]

Außerdem beschreibt er seine Vorstellung eines organischen Lebensraum insbesondere organischer Architektur. Er stellt seine Arbeit als eine sich an den Ursprüngen des Menschen orientierende, die Grundbedürfnisse erfüllende jedoch nicht regressive wirkende dar:

„In my own work I have designed organic dwellings with the aim of creating spaces to suit our physical and psychological needs as well as our environment.

The idea was to look at the beginning of the human's origin in nature and the organic space throughout history to develop suitable living spaces. These spaces would be similar to the womb, an animal's lair, a troglodyte dwelling, an igloo... They would represent not a return to the past but rather premeditated reconciliation.”[3]

Seine Gebäude verschmelzen häufig mit der Umgebung und besitzen kaum Ecken oder rechte Winkel. So platzieren sie sich wie eine bunte Blumenwiese oder schlängeln sich wie eine Echse durch die Landschaft.

Die Fassaden und Innenräume sind meist aus rau verputzten Beton, der farbig gestrichen und vereinzelt mit buntem Mosaik verkleidet ist. Zugleich ein immer wiederkehrendes Element im Innenraum ist der Übergang von Wand zu Möbeln. Die Möbel sind selten einfach in den Raum gestellt, sondern ergeben sich aus der Form der Gebäudehülle oder gehen von Wand und Decke fließend in ein funktionelles Element, wie beispielsweise ein Waschbecken, über.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.01: Das Organic House von Javier Senosiain

2. Die Nautilus

2.1 Entstehung und Konzept

Die Nautilus ist eines der späteren Werke des Architekten Javier Senosiain, welches 2006 in Naucalpan am Rande von New Mexico entstand. Es ist konzipiert als Wohnhaus für das Paar Mayorga und ihre zwei Söhne. Sie hatten den Wunsch, dem städtischen Leben zu entfliehen, um in einer idyllischen Umgebung zu wohnen.[a]

Bei der Nautilus wird besonders das Raumerlebnis betont. So wird mit dem spiralförmigen Aufbau beinahe ein Spaziergang durch das Haus möglich. Besonders im Eingangsbereich mit der Innenraumbegrünung erscheint es, als hätte Javier Senosiain versucht ein idyllisches Landleben in das Haus integrieren zu wollen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.02: Blick zum Eingang der Nautilus vom Tor aus

„The creative process has been interesting, recreational, fun ... the best, as The Prince says, it is the process of growing the rose more than the result.

When entering from the outside you go up the stairs and, when getting inside the Nautilus through a big stained-glass window, a space experience is generated as you live the sequence of the distance traveled, where neither the walls nor the floor or the ceiling are parallel. It is a fluid space in three dimensions where you can perceive the continuous dynamic of the fourth dimension as you walk in spiral on the stairs, with a sense of floating over the vegetation. “[4]

Das Wohnhaus besteht aus einer durchgehenden Form. Eine innovative Stahlbetonkonstruktion lässt eine beinahe stützenfreie Architektur entstehen. Ihre Haupttragstruktur bildet die Mitte der Spirale. Die meisten Möbel und die Treppenstufen werden im Vorhinein mit Stahlgeflechten gefertigt und durch den Beton ausgebildet. Dies ermöglicht einen fugenfreien Übergang von Wand zu den Möbeln.

Die ganze Konstruktion wird durch Sprühverfahren mit sogenanntem „Grancrete“ beschichtet, dieser ist feuerbeständig, hoch tragfähig und bildet eine gute Isolierung. So entsteht eine sehr dünne, weit spannende Hülle, die die großzügige und bis zu sechs Meter hohe Eingangshalle ausformt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.03: Anfertigung der Stahlgeflechte für die Stufen im Rohbau

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.04: Rohbauzustand Eingangshalle

Die Klimatisierung des Wohnhauses integriert, sie benutzt die Spiralform. Die Außenluft wird an einem Klimasystem im Untergrund vorbeigeführt. Diese kühlen oder erhitzen die Luft je nach Saison, während des Sommers strömt die kalte Luft durch die Spirale nach oben und kühlt die Räume. Die verbrauchte Luft wird nach oben gedrückt und zieht durch eine Öffnung in der Spitze der Nautilus, wie bei einem Kaminabzug. Im Winter beheizt die durchströmende Luft das Haus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.05: Querschnitt

Unter dem Strich verbirgt die Nautilus nicht nur eine ästhetische Form sondern auch funktionale Intelligenz, die viele Funktionen aus der Struktur heraus erfüllt und wenig zusätzlicher, gegebenenfalls störender Elemente bedarf.

Javier Senosiain beschränkt sich nicht nur auf die Architektur, sondern plant und strukturiert den kompletten Innenausbau und die Möblierung mit. Er lässt dabei aber sehr wenig Veränderungsmöglichkeiten zu.

Das Haus platziert sich auf dem Grundstück so, dass es den Blick über die davor liegenden Häuser ermöglicht. Es ist nach Westen ausgerichtet, sodass die Morgen- und Mittagssonne nicht direkt in die großen Fenster scheint, sondern nur durch die Oberlichter gedämpft in die Räume gelangt. Am Nachmittag scheint die Sonne durch das große bunte Mosaikfenster und wirft ein farbenfrohes Lichtspiel in den Innenraum.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.06: Lageplan und Längsschnitt mit Sichtachsen

2.2 Ursprung der Form

Die Nautilus ist nach dem Vorbild einer einschaligen Muschel entstanden. Diese windet sich spiralförmig um eine Mitte, die immer weiter steigend in einer hohen Spitze endet.

Javier Senosiain beschreibt diese Form als eine logarithmische Spirale, die sich an das Gelände anpasst. Also eine Spirale, die sich von dem Mittelpunkt aus in einem gleichbleibenden Faktor vergrößert.

Die Spirale ist nach Javier Senosiain eine äußert inspirierende und vielfältig verwendete Geometrie: „The spiral is the geometrical path that governs gastropods and other molluscs. A spiral is the trajectory that a physical line traces as it twists around again and again with an ever-increasing radius of curvature. The constant and the logarithmic spirals are the best known.

[...] the logarithmic spiral, described for the first time by René Descartes in 1638, is best understood by rolling a rope around a cone. Two examples from nature illustrate this: the shape into which an elephant curls its conical trunk and the shape of a nautilus.

The spiral, because its structural delineation, rhythm, feeling, and continuity, awakened curiosity and inspiration, and much has been written about this geometrical pattern throughout the centuries.”[5]

Javier Senosiain hat die gleichmäßige Entwicklung der logarithmischen Spirale in die Höhe übersetzt, womit eine Raumfolge entstanden ist, die in einer hohen Spitze endet.

Die Analogie zur Nautilusmuschel ist klar an der Fassade abzulesen, jedoch hat die Form der Muschel nicht für die Unterbringung aller vorgesehenen Räume genügt und ein Anbau wurde konzipiert. Dieser ist geschickt hinter der eigentlichen Muschel versteckt und nur seitlich an dem großen Fenster zu erahnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.07: Die Nautilus bei Nacht

2.3 Das Raumgefüge der Nautilus

Vor dem Wohnhaus befindet sich ein kleiner Vorgarten, der mit Rasen und blühenden Randbepflanzungen bewachsen ist. Über das Gras fliegende Stufen, die wie Pilze aus dem Boden ragen, führen zum Haupteingang des Hauses. Dort nimmt man vor allem die große mit buntem Glasmosaik geschlossene Öffnung der Muschel wahr. Die darin enthaltene Tür fällt kaum auf und ist erst bei näherer Betrachtung zu sehen. Die Hülle kragt etwas über das Glasmosaik, sodass ein Vordach und ein Weg, entlang der großen Öffnung, gleichermaßen daraus entstehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.08: Stufen zum Eingang Abb.09: Dachüberstand

An der linken Seite des Hauses erstreckt sich versteckt ein kleine Treppe zu einem weiteren Eingang, dem Personaleingang, vom dem aus man direkt zur Küche gelangt.

Auffallend sind zwei Fenster im oberen Bereich und ein weiteres, zurückgesetztes hinter der eigentlichen Muschelform, sie lassen die Ordnung der Räume im Inneren erahnen.

Diese sieht in der Muschelform die Unterbringung der Gemeinschaftsräume und des Empfangsbereiches vor. Im hinteren Teil, der nicht mehr direkt der Muschelform zugehört, liegen die intime Zone und die Nebenräume.

[...]


[1] Javier Senosiain: Bio-Architecture. Burlington 2003: 134

[2] Javier Senosiain: Bio-Architecture. Burlington 2003: 6

[3] Javier Senosiain: Bio-Architecture. Burlington 2003: 139

[a] Zach Miller: Video - The Nautilus House, http://www.youtube.com/watch?v=ID9ybku1rqg [Zugriff 18.02.2013]

[4] Javier Senosiain - Arquitectura Orgánica, http://organicarchitecture.weebly.com/the-nautilus.html [Zugriff 22.02.2013]

[5] Javier Senosiain: Bio-Architecture. Burlington 2003: 50

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Die "Nautilus" von Javier Senosiain. Organische Strukturen in der Architektur
Autor
Jahr
2013
Seiten
42
Katalognummer
V323858
ISBN (eBook)
9783668237520
ISBN (Buch)
9783668237537
Dateigröße
3885 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nautilus, javier, senosiain, organische, strukturen, architektur
Arbeit zitieren
Ilka Viehmann (Autor:in), 2013, Die "Nautilus" von Javier Senosiain. Organische Strukturen in der Architektur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323858

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