Gewalt ist eine wesentliche Frage für die gesamte Gesellschaft, für die Freiheit der Einzelnen und soziale Gerechtigkeit. Wenn Menschen durch Gewalt gehindert werden, sich persönlich zu entwickeln, das Haus zu verlassen, Freundschaften zu schließen, sich im Beruf voll einzubringen oder sich politisch zu beteiligen, dann geht das an die Substanz des Gemeinwesens. Gewalt betrifft den Menschen als Ganzes, der wiederum systemtheoretisch gesprochen, als organisches und psychisches System einen Teil sozialer Systeme bildet. Analog dazu leisten die jeweiligen Einzelwissenschaften ihren Erklärungsbeitrag zum „Gewaltphänomen“. Wie groß und gewichtig kann der Beitrag der Sozialwissenschaften und der Soziologie im Besonderen sein, um Empirie und Theorie von Biologie, Medizin und Psychologie zu ergänzen und eventuell zu korrigieren, und Ursachen und Wirkungen von Gewalt zu erklären? Ohne in die Tiefe einer ätiologischen Untersuchung als solcher zu gehen, versucht die vorliegende Arbeit das Phänomen „Gewalt“ mit dem Phänomen „Geschlecht“ zu kombinieren und diesbezüglich einen soziologischen Forschungsansatz zu begründen, dessen Ergebnisse bzgl. des Zusammenhangs von Gewalt und Geschlecht von großer praktischer Bedeutung z. B. für das politische System und das Rechtssystem einer Gesellschaft sein müssen.
Wie steht es nun um die Gewaltaffinität der Geschlechter? Die sowohl in der Täter- als auch in der Opferstatistik ausgewiesenen starken Unterschiede der geschlechtlichen Verteilung von Gewaltdelikten können ein Anlass sein, die These einer geschlechtlichen, nämlich vorwiegend männlichen Konnotation von Gewalt zu verfolgen und im Extremfall ausschließlich biologistisch zu determinieren. Eine soziologische Analyse kann sich mit dem Hinweis auf ein quantitatives Ungleichgewicht nicht begnügen. Zu entschlüsseln ist, welche geschlechtstypische Handlungslogik die Wirklichkeit produziert, die in den Zahlen der Statistik sichtbar wird. Das erfordert, geschlechtsspezifisches Gewalthandeln aus den sozialen Konstitutionsbedingungen vom jeweiligen Geschlecht zu erklären. Diese Perspektive, die auf die geschlechtliche Differenz der „Sozio-Logiken“ von Gewalt zielt, ist ungeachtet dessen notwendig, dass laut amtlicher Statistik Frauen vergleichsweise selten Gewalt ausüben. Anliegen der vorliegenden Arbeit kann es nicht sein, eben diesen „sozialen Sinn“ geschlechtsspezifischer Gewalt herauszuarbeiten, vielmehr soll allein die Möglichkeit eines solchen Unterfangens belegt werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Forschung
- 2.1 Geschichte der Thematisierung
- 2.1.1 Suzanne Steinmetz und „The battered husband“
- 2.1.2 Reaktionen auf Susanne Steinmetz
- 2.2 Forschungsstand Querschnitt
- 2.3 Forschungsstand Längsschnitt
- 2.1 Geschichte der Thematisierung
- 3 Arbeitshypothese
- 3.1 Gewalt als soziales Phänomen
- 3.2 Geschlecht als soziales Konstrukt
- 4 Zusammenfassung und Fazit
- 5 Erstellen eines Fragebogens
- 5.1 Methodologie und Methode
- 5.2 Fragebogen
- 5.2.1 Persönliche Daten
- 5.2.2 Einstellungen zur Gewalt
- 5.2.3 Gewalterfahrungen: aktiv, passiv
- 5.2.4 Subjektive Empfindungen
- 6 Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Phänomen der Gewalt in Verbindung mit dem Geschlecht. Sie soll die Möglichkeit eines soziologischen Forschungsansatzes belegen, der den Zusammenhang von Gewalt und Geschlecht untersucht. Ziel ist es, die These einer hauptsächlich männlichen Konnotation von Gewalt zu hinterfragen und die geschlechtstypischen Handlungslogiken zu entschlüsseln, die zur statistisch sichtbaren Verteilung von Gewaltdelikten beitragen.
- Gewalt als soziales Phänomen und ihre Auswirkungen auf das Individuum und die Gesellschaft
- Geschlecht als soziales Konstrukt und seine Rolle in der Ausübung und Erfahrung von Gewalt
- Analyse geschlechtsspezifischer Handlungslogiken im Kontext von Gewalt
- Empirische Untersuchungen zur Gewaltausübung und -erfahrung in heterosexuellen Beziehungen
- Entwicklung eines Fragebogens zur Ergänzung bestehender empirischer Untersuchungen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel definiert Gewalt als ein gesellschaftliches Problem und erläutert den Beitrag der Soziologie zum Verständnis von Gewalt. Kapitel 2 untersucht die Forschungsgeschichte zum Thema Gewalt, insbesondere im Kontext der Familienkonfliktforschung. Die Entwicklung des "battered child syndrome" und des "battered woman syndrome" wird dargestellt. Kapitel 3 beleuchtet die Arbeitshypothese, dass Gewalt ein soziales Phänomen ist und Geschlecht ein soziales Konstrukt. Das Kapitel 4 stellt die Zusammenfassung und das Fazit der Arbeit dar, wobei der Fokus auf den Schlussfolgerungen liegt, die sich aus der Analyse der empirischen Daten und der soziologischen Theorie ergeben. Kapitel 5 beschreibt die Entwicklung eines Fragebogens, der zur Ergänzung bestehender empirischer Untersuchungen dienen soll. Das Kapitel soll dazu beitragen, Daten zu generieren, die Rückschlüsse auf den Zusammenhang zwischen Gewalt und Geschlecht ermöglichen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die zentralen Themen Gewalt, Geschlecht, Soziologie, Familienkonfliktforschung, empirische Forschung, Fragebogenentwicklung und die Analyse von geschlechtstypischen Handlungslogiken. Wichtige Konzepte sind "battered child syndrome", "battered woman syndrome", soziale Konstruktion von Geschlecht, und die Rolle von Geschlecht in der Produktion und Erfahrung von Gewalt.
- Arbeit zitieren
- Joachim Klenk (Autor:in), 2004, Gewalt durch Frauen oder hat Gewalt ein Geschlecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32454