Was ist ein Gedicht? An dieser Fragestellung haben sich schon Generationen von Dichtern und Theoretikern die Zähne ausgebissen. Bis heute liegt wohl keine Antwort vor, die allgemeine Zustimmung finden würde. Aber vielleicht sollte man anders fragen, etwa: Was zeichnet ein Gedicht aus? Woran erkennt man ein Gedicht? Oder wie steht es mit dem notwendigen Gegenstück, dem Dichter? Und nicht zuletzt: Wo endet (schöne) Kunst und wo fängt „Trash“ an? Schon hier wird ersichtlich, dass die Antwort sehr unterschiedlich ausfallen wird, je nachdem wie man die Frage formuliert. Strebt man eine otologisch-philosophische Begr ündung an? Oder entscheidet man sich für eine weniger deduktive Methode und tastet sich eher üb er Abgrenzungen und unterscheidende Merkmale heran? Vielleicht aber nimmt man dieses „Ding“ einfach so, wie es uns vorliegt, als ein Artefakt, hinter dem ein tätiger Mensch steht, und geht von diesem, seinen Intentionen, seiner gesellschaftlichen Rolle bzw. Funktion aus. Aber ist ein Gedicht nicht schön? Soll es nicht schön sein? Dann käme man doch über den Begriff des „Schönen“ an eine Definition?
Man wird einwenden: Ein wenig viele Fragen für eine strukturierte Hausarbeit, oder? Der Grund für die etwas n aiv anmutende Aufzählung zu Beginn ist, dass Käte Hamburger in den 50er Jahren den Versuch unternommen hat, gleich ein ganzes Bündel dieser Fragen zu beantworten. Die Formulierung „Versuch“ wird dem G anzen aber wohl nicht gerecht, denn sie hat eine komplette Theorie der Dichtungsgattungen entworfen, die sehr kontrovers diskutiert wurde. Ihre Die Logik der Dichtung ist Thema dieser Arbeit.
Ein kurzer Nachtrag. Noch nicht zum Zuge kam das ganze mühsam erworbene germanistische Begriffs-Instrumentarium: Vers, Reim, Schweifreim, Metrum, Rhythmus, Jambus, Metapher, ect. Könnte man nicht damit arbeiten? Was fängt man aber dann mit dem vor kurzem durch alle Zeitungen gegangenen Text „Die Sonne scheint zum Fenster rein / Hak` ab, es wird schon richtig sein“ an? Zwei Verse mit 4-hebigem Trochäus, Auftakt, Paarreim und stumpfer Kadenz. Die literaturwissenschaftlichen Kategorien greifen - aber was halten sie in ihren Fängen? Wohl kein Gedicht. Noch heute würde Käte Hamburger sagen, dass sich prinzipiell alles in lyrische Form bringen lässt, ohne dass es deswegen schon Lyrik ist. Man kann aber die Kategorien nicht für „schöne Künste“ reservieren und sie der sog. „Alltagsprosa“ vorenthalten. Es fehlt also ein schlagkräftiges Kriterium.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Die Metaphysik der Sprache?
- Die philosophische Hintertreppe
- Das Aussagesystem der Sprache
- Exkurs: Sprachwissenschaft ade?
- Das System der Dichtung
- Die Lyrik
- Die lyrische Aussage
- Der Dichter - seine Erlebnisse, sein Leser
- An den Grenzen einer Theorie
- Käte Hamburger - ein Schlussplädoyer
- Kritische Würdigung
- Kurze Rezeptionsgeschichte
- Die Logik der Dichtung für „Gestresste“
- Käte Hamburger die Psychologin?
- Die lyrische Ich-Erzähler?
- Wie logisch ist die Logik der Dichtung?
- Das Rätsel um das lyrische Ich
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Käte Hamburgers „Logik der Dichtung“ und analysiert ihre Theorie der Lyrik. Ziel ist es, Hamburgers Argumentation zu verstehen und ihre zentralen Aussagen im Kontext der damaligen und heutigen Debatten um die Lyrik zu bewerten.
- Die Beziehung zwischen Sprache und Dichtung
- Die Rolle der Sprachlogik in Hamburgers Theorie
- Das Wesen des Lyrischen und die Abgrenzung zu anderen Textformen
- Die Bedeutung des lyrischen Ichs und seine Funktion
- Die Rezeption und Kritik von Hamburgers Theorie
Zusammenfassung der Kapitel
- Vorwort: Das Vorwort stellt die Fragestellung „Was ist ein Gedicht?“ in den Vordergrund und führt den Leser in die komplexe Thematik der Lyriktheorie ein. Käte Hamburgers „Logik der Dichtung“ wird als ein Versuch vorgestellt, diese Fragen umfassend zu beantworten.
- Die Metaphysik der Sprache?: Dieses Kapitel analysiert den Titel „Logik der Dichtung“ und beleuchtet die zugrundeliegende Sprachtheorie Hamburgers. Es wird deutlich, dass Hamburger die Sprache als Ausgangspunkt ihrer Theorie sieht und sich dabei von traditionellen Sprachtheorien abgrenzt. Der Bezug auf Ludwig Wittgenstein und Hegel wird hergestellt.
- Die philosophische Hintertreppe: Das Kapitel beleuchtet Hamburgers Bezug auf Ludwig Wittgensteins Sprachlogik und zeigt, wie sie die Sprache als Mittel der Erkenntnis und zugleich als Gestaltungsmittel begreift. Es wird die These vorgestellt, dass Dichtung Teil des allgemeinen Vorstellungs- und Sprachsystems ist.
- Die Lyrik: Dieses Kapitel befasst sich mit der Lyrik als spezifischer Textform. Es wird die lyrische Aussage, die Rolle des Dichters und des Lesers sowie die Grenzen einer Lyriktheorie diskutiert. Käte Hamburgers eigene Position wird als Schlussplädoyer für ihre Theorie vorgestellt.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe dieser Arbeit sind: Lyriktheorie, Logik der Dichtung, Sprachtheorie, Aussagesystem, Dichtung, Lyrik, lyrisches Ich, Mimesis, Fiktion, Rezeption, Kritik.
- Arbeit zitieren
- Stefan Dettl (Autor:in), 2004, Nichts als die Wirklichkeit - Die Lyriktheorie in Käte Hamburgers "Logik der Dichtung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32468