Fußballfans in Deutschland. Eine Subkultur im Wandel

Neue Herausforderungen für die soziale Arbeit in den Fanprojekten?


Diplomarbeit, 2004

100 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


1. Inhaltsverzeichnis

2. Einführung

3. Geschichte des Fußballs
3.1. Fußball in Großbritannien
3.2. Fußball in Deutschland
3.2.1. Die Spielorte
3.2.2. Die Vereine und Spieler
3.2.3. Das Fernsehen

4. Das Fußballpublikum
4.1. Entwicklungen des Fußballpublikums

5. Der Fußballfan
5.1. Erscheinungsformen
5.1.1. Kutten / Fanclubs
5.1.2. Hooligans
5.1.3. Fan-Initiative / Fanzines
5.1.4. Ultras

6. Soziologische Betrachtung von Fußballfans
6.1. Fanverhalten aus systemtheoretischer Sicht
6.2 Jugendliche Fußballfans in Peer-Groups
6.3. Jugendliche Fußballfans als Subkultur

7. Auswirkungen der neueren Entwicklungen im Fußball auf jugendliche Fangruppen
7.1. Auswirkungen durch Veränderung der Stadien
7.1.1. Der Aspekt der polizeilichen Maßnahmen
7.1.1.1. Exkurs Datei „Gewalttäter Sport“
7.1.1.2. Exkurs Stadionverbote
7.1.2. Die Ebene der Modernisierungskonsequenzen
7.1.3. Die Ebene der Stadionatmosphäre
7.2. Auswirkungen durch Veränderung der Vereine und Spieler
7.2.1. Der Aspekt der Identifikation
7.2.2. Der Aspekt der Mitbestimmung
7.3. Auswirkungen durch Veränderungen durch das Fernsehen
7.3.1. Die Perspektive der Spieltagsveränderung
7.3.2. Die Perspektive der TV-Gelder
7.3.3. Die Perspektive des verzerrten Fan-Bildes
7.3.4. Die Perspektive der Interpretationsinstanz

8. Fußball-Fanprojekte
8.1. Entstehungsgeschichte
8.2. Konzeption
8.3. Organisation und Struktur
8.4. Finanzierung
8.5. Probleme & Zukunft der Fanprojektarbeit

9. Literaturverzeichnis

2. Einführung

„Manche Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich bin von dieser Einstellung sehr enttäuscht. Ich kann Ihnen versichern, es ist sehr viel wichtiger als das!“ (Bill Shankly, Manager des FC Liverpool)

Bereits zu Beginn meines Studiums war ich mir ziemlich sicher, dass der Bereich soziale Arbeit und Fußballfans zu meinem favorisierten Diplomarbeitsthema werden würde. Dies liegt zum einen daran, dass Fußball ein Massenphänomen und alleine deshalb schon aus soziologischer Sicht interessant ist, zum anderen liegt es insbesondere aber auch daran, dass ich persönlich nun schon seit über zehn Jahren selbst Fußballfan bin. Dabei bediene ich sicherlich oftmals das Bild des ‚klassischen’ Fußballfans. Ich treffe mich mit Freunden im Stadion, trinke dabei gerne das ein oder andere Bier, feuere ‚meine’ Mannschaft an und verhalte mich oftmals auch nicht so, wie ich mich für gewöhnlich außerhalb des Stadions verhalte. Für einige Spiele fahre ich mehrere hundert Kilometer quer durch die Bundesrepublik. Vor den Spielen bin ich nervös und angespannt, nach den Spielen entweder glücklich oder enttäuscht. Mein Hobby ist nicht nur äußerst zeitintensiv, sondern auch ziemlich kostspielig: Dauerkarte, Mitgliedsbeitrag, Auswärtsfahrten, Fan-Artikel etc..

Wenn mich jemand fragt, warum ich das alles mache, habe ich allerdings keine passende Antwort parat, zumal ich Fan eines Vereins bin, der in den letzten Jahren den Sturz aus der ersten Bundesliga bis in die Oberliga Westfalen durchgemacht hat. Somit gab es nur äußerst selten Gründe zur Freude. Die Gegner und Stadien werden zunehmend uninteressanter, die Fußballspiele mehr und mehr unästhetisch, die Stimmung im Stadion wird immer schlechter. Jedoch gehe ich jedes Mal wieder hin und versuche, möglichst kein Spiel zu verpassen. Warum?

Diese Frage nicht nur für andere Menschen, sondern vielleicht auch einmal für mich selbst zu beantworten, ist das erste Ziel dieser Diplomarbeit (Kapitel 5 und 6).

Der zweite Aspekt, mit dem ich mich beschäftigen möchte, sind Veränderungen, die das gesellschaftliche ‚Ereignis’ Fußball und damit auch große Teile dessen Fanszene erfahren haben (Kapitel 3). Die Kommerzialisierung des Profifußballs hat nicht nur ökonomisch weitreichende Folgen gehabt, die Auswirkungen bekommen auch, wenn nicht sogar vor allem, die Fußballfans zu spüren (Kapitel 7).

Einige Sozialarbeiter haben aufgrund ihres Berufes mit Fußballfans zu tun. So z.B. in den zahlreichen Fanprojekten der oberen Fußballligen. Was ist ein Fanprojekt? Wie wird dort gearbeitet? Inwiefern wird dort soziale Arbeit geleistet? Das Klientel der Fanprojekte hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Arbeiten die Fanprojekte noch zeitgemäß und wo liegt die Zukunft der Fanprojekte? Diese Fragen zumindest ansatzweise zu beantworten ist das dritte Ziel meiner Diplomarbeit (Kapitel 8).

Wenn ich in Wattenscheid im Stadion stehe, bin ich parteiisch. Für mich zählt lediglich mein Verein, die SG Wattenscheid 09. Dieser Diplomarbeit hoffe ich jedoch die nötige Objektivität gegeben zu haben - selbst als Fußballfan.

3. Geschichte des Fußballs

Die Sportart Fußball und seine Faszination auf die Menschen haben in einer sehr langen Zeitspanne verschiedenste und sehr konträre Entwicklungen genommen.

Ein kurzer Ausschnitt aus einer Zeittafel der Entwicklung des Fußballspiels verdeutlicht sein immenses Alter:

2967 v. Chr. Legendäre „Erfindung“ des chinesischen Fußballs (Tshu Küh) durch den mythischen Kaiser Huang-Ti

um 1300 v. Chr. Beginn der mittelamerikanischen Ballspielkultur bei den Olmeken

um 160 Abhandlung über das „Spiel mit dem kleinen Ball“ des griechisch-römischen Arztes Galen

6./7. Jh. Japanisches Kemari (Kreisfußball)

ca. 1460 Erstmalige Erwähnung des italienischen Calcio in einem anonymen Gedicht („La palla al Calcio)

(Bausenwein, 1995, S. 527)

Weitestgehend ist für uns allerdings nur die Entwicklung des „modernen Fußballs“ interessant, wie er im oft zitierten Mutterland des Fußballs – nämlich Großbritannien – erfunden wurde.

3.1. Fußball in Großbritannien

In seiner Anfangszeit war Fußball Volkssport, an dem ganze Viertel, Dörfer oder sogar Städte teilnahmen. Feste Regeln gab es so gut wie keine, ebenso fehlten die aus heutiger Zeit bekannten Spielfeld- oder Spieldauerbegrenzungen. Auch eine Unterscheidung zwischen Sporttreibenden und Zuschauern war nur schwer möglich. „Oft wurde über eine Entfernung von mehreren Kilometern auf das gegnerische Stadttor oder auf Marksteine gespielt. [...] In dieser Phase seiner Entwicklung wurde Fußball in England vornehmlich von Bauern und Gesellen gespielt, während sich die Oberschicht, respektive die Aristokratie, fernhielt. Ein Grund für die Popularität und ein wesentlicher Katalysator für die Verbreitung des Fußballspiels war dabei sicherlich der Derbycharakter der Begegnungen: Mit Hilfe des Spiels wurde lokale Identität gestiftet und demonstriert sowie nachbarschaftliche Rivalität ausgetragen“ (König, 2002, S.8).

Die Versuche der Obrigkeit zur Eindämmung des wilden Spiels, von dem man eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung befürchtete, und die einsetzende Zeitepoche der Industrialisierung verdrängten diese volkstümliche Art des Fußballsports.

Während sich die Ausübung des Spiels für einige Zeit lediglich auf den Schulsport in den damaligen Public-Schools bzw. Universitäten beschränkte, veränderte sich seine Form durch den Einfluss der dortigen feudalen und bürgerlichen Schüler und Studenten. Der Fußball wurde zunehmend reglementiert und zivilisiert. Diese Entwicklung erfuhr ihren vorläufigen Höhepunkt im Jahre 1863 in London mit der Gründung der Football Association (FA), dem ältesten Fußballverband der Welt. Durch das eingeführte offizielle Regelwerk, welches in Grundzügen bis heute erhalten blieb, kam es somit zu einer klaren Abtrennung zur artverwandten Sportart Rugby (Gründung des ersten Rugbyverbands 1871).

Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung wurde der Arbeiterklasse zunehmend mehr Freizeit zur Erholung, vor allem am Wochenende zugesprochen. Da der Sonntag dem Kirchenbesuch vorbehalten war, entdeckten die Fabrikarbeiter insbesondere den Samstag für den Fußballsport als willkommene Abwechslung von der monotonen Fabrikarbeit. „Der Fußball bot ihnen die Möglichkeit, ein kreatives Bewegungsspiel auszuüben. 1883 gewann mit den ‚Blackburn Olympics’ eine Arbeitermannschaft den FA-Cup, und brach damit die Vorherrschaft der Upper-Class. Mit der zunehmenden Popularität des Fußballs unter den Aktiven nahm auch die Zahl der Zuschauer zu. Verfolgten 1872 gerade einmal 2.000 Zuschauer das Finale, so füllten 1901 111.000 Zuschauer das 1884 erbaute ‚Crystal Palace Stadion’“ (König, 2002, S. 9).

Fortan waren die Entwicklungen des Fußballs in Großbritannien überwiegend durch den Prozess der Professionalisierung geprägt. Bereits 1885 wurde der Profifußball eingeführt. Erstmals spielten ausgewählte Vereine regelmäßig in einem Ligabetrieb gegeneinander. Fußball war somit nicht mehr nur ein Freizeit- bzw. Amateursport, sondern er fungierte ab sofort u. a. auch als Einnahmequelle für professionelle Spieler, die Vereine an sich und die Geschäftsleute (z.B. Wirtshausbesitzer) in der Peripherie der Spielstätten.

3.2. Fußball in Deutschland

Im Gegensatz zu Großbritannien besteht in Deutschland keine vorindustrielle Tradition des Fußballsports. Als Resultat der militärischen Leibesertüchtigung nahm in Deutschland das Turnen einen sehr hohen Stellenwert ein. Der Fußball, der höchstwahrscheinlich durch englische Kaufleute und Studenten um die Jahrhundertwende nach Deutschland quasi importiert wurde, hatte in seiner gegenüber dem Turnen doch robusten Spielart zunächst keine große Akzeptanz in der Bevölkerung.

Ähnlich wie in Großbritannien konnte sich der Fußball erst über den Einzug in den deutschen Schulbetrieb etablieren. Der Lehrer Konrad Koch sorgte dafür, dass der Fußball 1878 an seinem Braunschweiger Gymnasium als verbindliches Schulspiel eingeführt wurde, um eine neue Bewegungskultur zu erzielen. Die Schüler verloren nämlich zunehmend die Freude an dem fremddiszipliniertem Turnen mit mili-tärischem Drill-Charakter. Der selbstdisziplinierte Fußball entwickelte sich zum beliebtesten Sport unter den Jugendlichen.

Die ersten privaten Fußballvereine wurden allerdings erst kurz vor der Jahrhundertwende gegründet. Diese entsprangen oftmals den ehemaligen Schulmannschaften und den bei den übergeordneten Turnvereinen unbeliebten Fußballabteilungen.

Während und nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Fußball zur Massensportart. 1900 bekam der Fußballsport schließlich mit der Gründung des Deutschen Fußball Bundes (DFB) einen eigenständigen Dachverband und somit eine organisatorische Strukturierung. Vor 1914 waren selbst bei sportlich attraktiven Spielen nur weniger Zuschauer zugegen, schon wenige Jahre später fanden die Endspiele um die Deutsche Meisterschaft vor durchschnittlich 50.000 Zuschauern statt.

Obwohl sich der Fußball in Großbritannien bereits zunehmend zu einem Arbeitersport gewandelt hatte, prägte in Deutschland vor allem die Bevölkerungsgruppe der Angestellten sein Bild. Sie machten den Großteil der aktiven Spieler auf höherem Niveau aus. Der deutsche Arbeiter hatte aufgrund seiner Arbeitszeiten nur selten die Zeit, sich zusätzlich noch intensiv dem Fußballspiel zu widmen. In fast allen europäischen Ländern, in denen der Fußball als Massensportart Einzug erhalten hatte, wurden durch die jeweiligen nationalen Fußballverbände Profiligen installiert. Dass man in Deutschland stattdessen am Amateurideal festhielt, hatte einen relativ starken bürgerlichen Charakter des Fußballs in Deutschland zur Folge. Die Zahl der zuschauenden Arbeiter stieg allerdings kontinuierlich, was sicherlich u. a. auch auf die Erfolge des ersten traditionellen Arbeitervereins FC Schalke 04 zurückzuführen war.

Bereits 1920 beschloss der DFB die Einführung einer Profiliga. Diese wurde mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten jedoch verhindert, um im Sinne einer konservativ-nationalistischen Ideologie eine zusammengehaltene Volksgemeinschaft zu erreichen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Fußball in Deutschland seinen zweiten Boom. Weil der nötige Einsatz finanzieller Anstrengungen vergleichsweise gering war, stellte er nicht nur eine der wenigen ausgeübten Sportarten dar, er diente vor allem auch der Ablenkung von den Problemen der damaligen Zeit und in gewissem Sinne auch der Integration, Solidarisierung und lokalen Identifikationsbildung.

Insbesondere die lokale und regionale Identifikationsbildung führte dazu, dass in Deutschland im Gegensatz zu Großbritannien die soziale Bindung zwischen Zuschauern und Spielern besonders stark ausgeprägt war. Eine Fußballmannschaft rekrutierte sich weitest-gehend aus Bewohnern des Stadtteils, in dem der jeweilige Verein ansässig war. Auch die Zuschauer spiegelten oftmals die Sozialstruktur des Viertels wider.

Der bereits angedeutete Zuschauerboom in den Nachkriegsjahren beschleunigte dann allerdings auch in Deutschland einen Professionalisierungsprozess, der dem in England in weiten Teilen ähnelte. Mit der Professionalisierung ging ein mehrschichtiger Kommerzialisierungsprozess einher, der nachfolgend unter den wichtigsten Einzelaspekten behandelt werden soll, da gerade die noch zu betrachtenden Details einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklungen des Fußballpublikums in Deutschland hatten.

3.2.1. Die Spielorte

In den Anfangsjahren des Fußballs in Deutschland, wurden zunächst militärische Exerzierplätze als Spielorte benutzt. Darüber hinaus fanden auch größere Rasenflächen und ruhige Straßenzüge ihre Funktion als Spielstätte. Erst im Laufe der Jahre bildeten sich feste Fußballplätze heraus, meist in unmittelbarer Nachbarschaft des Stadtteilvereins.

„Mit der Entwicklung des Fußballs zum lukrativen Zuschauersport veränderten sich auch die Plätze. Die ersten baulichen Maßnahmen galten in Deutschland in der Regel nicht der Verbesserung des Komforts, sondern dem Kassieren von Eintrittsgeldern. Deshalb wurden um die Plätze herum Zäune und Mauern errichtet. Es folgten die ersten Tribünen, deren Kapazität gering ausfiel. Sie blieben zunächst den Vereinsmitgliedern, den Gönnern und der lokalen Prominenz vorbehalten. Das gemeine Volk versammelte sich auf der Gegengeraden, die unüberdacht war und nur aus Stehplätzen bestand. [...] Zum Ausbau der Kurven, die zunächst nicht mehr als aufgeschüttete Sandwälle ohne Stufen waren, kam es erst später“ (Schulze-Marmeling, 1995, S. 13 f.).

Die Kurven waren die günstigsten Plätze im Stadion, weshalb es auch nicht verwundert, dass gerade hier fast ausschließlich Zuschauer aus den Unterschichten und junge Leute zu finden waren. Im weiteren Verlauf kristallisierten sich gerade die Kurven bzw. die dort positionierten Zuschauer als äußerst stimmgewaltig und stimmungsfördernd heraus. Es gründete sich gewissermaßen eine ‚Kurven-Kultur’ und wenn jemand primär in das Stadion ging, um stimmgewaltig seine Loyalität zum Verein zu äußern, dann tat er dies ausschließlich in den Kurven.

Die ersten Vorgänger der zum Teil heute noch in modernisierter Form existierenden größeren Stadien wurden in den 20er und 30er Jahren gebaut, wie z.B. das Waldstadion in Frankfurt (1925) oder das Müngersdorfer Stadion in Köln (1923). „Ein sprunghafter Anstieg der Besucherströme setzte zu Beginn der 1920er Jahre ein. Ausschlaggebend für die nach dem Ersten Weltkrieg um ca. eine Zehnerpotenz vergrößerte Publikumsmenge war die neue Freizeitgesetzgebung der Weimarer Republik, die nun auch der Arbeiterschaft den Spielbesuch möglich machte. Für die wirklich großen Veranstaltungen mit 60.000 bis zu gedrängten 100.000 Besuchern wurden jedoch aus den Mitteln des Kampfbahnen-Bauprogramms, das weitestgehend von der öffentlichen Hand finanziert war, zusätzliche Stadionbauten errichtet. Der martialisch klingende Name übersetzt wörtlich die weitaus geläufigere griechische Vokabel: ‚Stadion’ heißt wörtlich ‚Kampfbahn’“ (Herzog, 2002, S. 273).

Sitzplätze und überdachte Plätze machten den geringsten Teil der Stadien aus. Des öfteren bestanden die Zuschauerränge sogar ausschließlich aus Stehplätzen. Zwischenzeitlich konnten die Stadien dem Zuschaueransturm nur unzureichend genüge tun, nicht selten standen die Zuschauer dicht gedrängt bis zu den Spielfeldumgrenzungslinien. Hinzu kam, dass oftmals keine hinreichende Organisation und Infrastruktur für solche Großereignisse vorhanden war. So kamen im Jahre 1931 anlässlich eines Freundschaftsspiels zwischen dem FC Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf über 70.000 Zuschauer in die für lediglich 30.000 Besucher konzipierte Glückauf-Kampfbahn in Gelsenkirchen.

Da es in solchen Situationen fast zwangsläufig zu Tumulten und Rempeleien kam, wurde vor allem zum Schutz der Spieler und anderen Vereinsverantwortlichen im Laufe der Jahre dazu übergegangen, nicht nur das Stadion nach außen hin mit Mauern und Zäunen abzugrenzen, sondern auch innerhalb der Stadien das Spielfeld von den Zuschauerrängen mit Zäunen oder Gräben zu trennen. Die Publikumsränge wurden meistenteils zudem noch intern in verschiedene Blöcke geteilt. Um auch Abendspiele stattfinden lassen zu können, kam es ebenfalls vermehrt dazu, dass entsprechende Flutlichtanlagen installiert wurden.

Die Stadien wurden ständig erweitert und umgebaut. Neben dem kontinuierlichen Zuschauerzuwachs gab es zwei Phasen von besonderer Bedeutsamkeit, wenn es um bauliche Veränderung der Stadien ging. Zum einen waren es die Olympischen Spiele 1936 in Deutschland, für die unter anderem das Berliner Olympiastadion errichtet wurde, zum anderen war es vor allem die erstmalige Vergabe der Fußballweltmeisterschaft nach Deutschland im Jahre 1974, die für damalige Verhältnisse moderne Stadien wie z. B. das Westfalenstadion in Dortmund entstehen ließ. Sämtliche nicht neu gebauten großen Stadien wurden einer Modernisierung unterzogen, weil die jeweiligen Städte – oftmals die Stadioneigentümer – um die ökonomischen Vorteile eines WM-Spielortes buhlten. Ähnliche Entwicklungen sind übrigens momentan anlässlich der Fußball-weltmeisterschaft 2006 in Deutschland erneut zu beobachten.

Tragische Ereignisse in den 80ern sorgten für eine weitere – diesmal weltweite - architektonische Weiterentwicklung der Fußballstadien und der Organisation rund um Fußballspiele. „Im Mittelpunkt standen dabei einmal mehr die Fans von der britischen Insel. Im Mai 1985 verbrannten im englischen Bradford 57 Zuschauer bei lebendigem Leibe, als eine veraltete Holztribüne, unter der Müll gelagert war, durch eine weggeworfene Zigarettenkippe in Flammen aufging. Nur 18 Tage später ereignete sich in Brüssel die sogenannte ‚Heysel-Katastrophe’. Vor dem Finale im Europacup der Landesmeister wurden bei Ausschreitungen von Liverpool-Fans 38 Menschen (zumeist Anhänger von Juventus Turin) getötet, als eine Tribünenwand in der baufälligen Arena zusammenbrach. Die größte Katastrophe geschah allerdings 1989 im Sheffielder Hillsborough-Stadion. Beim Halbfinale im FA-Cup zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forest wurden 96 Fans der ‚Reds’ (Spitzname der Liverpooler ; d. V.) auf einer überfüllten Tribüne zu Tode gequetscht und getrampelt. Insbesondere Hillsborough war symptomatisch für die administrative Krise des Fußballs. Die überfüllte Tribüne war die Folge miserabler Organisation. Der Fluchtweg aufs Spielfeld wurde durch hohe Zäune versperrt, die man errichtet hatte, um ‚Fan-Invasionen’ zu verhindern. Über die Sicherheit der Fans hatten die Sicherheitsfanatiker hingegen nicht einen einzigen Gedanken verschwendet. Verletzte mussten auf abmontierten Werbebanden wegtransportiert werden, da es im Stadion an Bahren mangelte. [...] Die Neustrukturierung des Fußballs und die Modernisierung der verrotteten Stadien wurde zu einer nationalen Angelegenheit“ (Schulze-Marmeling, 1995, S. 18 f.).

Dieses Sicherheitsproblem war kein spezifisch britisches Problem. Bereits 1979 war es in Deutschland zu einer ähnlichen Katastrophe gekommen. Der Unterschied zu den Unglücken in Großbritannien bestand lediglich darin, dass es keine Toten gab. Der Hamburger Sportverein (HSV) war nach 19 Jahren erstmals wieder Deutscher Meister geworden. Der damalige HSV-Manager Günther Netzer hatte sich bei den Fans bedankt: „Ihr habt alle beim Titelgewinn mitgeholfen“. Dementsprechend sahen sich die treuesten Hamburger Fans aus dem Block E beim nur noch unbedeutenden Heimspiel gegen Bayern München im Recht, als sie versuchten, möglichst nah an den Feierlichkeiten zur Meisterschaft teilzuhaben. „Zehn Minuten vor Spielende hatten ein paar Jugendliche damit begonnen, den Stacheldraht auf dem zwei Meter hohen Zaun zu durchtrennen. Gleichzeitig wurde am Zaun gerüttelt und gerissen, bis schließlich ein Loch entstand. Vier Minuten vor dem Schlusspfiff sahen die Fans, wie das Siegespodest sowie elf Mercedes-Wagen ins Stadion rollten. Gleichzeitig sahen sie, wie das Loch im Zaun inzwischen größer geworden war. Das war das Signal zum Sturm. Alle sahen die Möglichkeit, aufs Spielfeld zu kommen, alle wollten aufs Spielfeld, und wer nicht wollte, der musste, denn von oben entstand eine ungeheurer Druck. Über 4000 Leiber drängen, schieben, quetschen zu dem kleinen Loch im Zaun hin“ (Pramann, 1980, S. 146). Insgesamt wurden 62 Menschen verletzt, 7 davon lebensgefährlich.

Großbritannien reagierte als erstes der bedeutsamsten Fußball-länder. Man hatte ein Expertengutachten in Auftrag gegeben, dass ein neues Sicherheitskonzept in den englischen Stadien zum Ziel hatte. Dem daraufhin veröffentlichten Taylor-Report, benannt nach dem englischen Fan-Forscher Rogan Taylor, folgte die englische Politik und die FA mit der Verpflichtung der Vereine, die Zäune zu entfernen und sämtliche Stehplätze in Sitzplätze umzuwandeln. So entstanden unter enormen finanziellem Aufwand in Großbritannien entweder modernisierte oder gänzlich neu erbaute reine Sitzplatzstadien.

In Deutschland beschränkten sich die baulichen Veränderungen zunächst darauf, die in den Fankurven abgegrenzten Blöcke weiter zu verkleinern und so genannte ‚Wellenbrecher’ zu installieren. Diese vereinzelt und parallel zu den Zäunen erbauten horizontalen Absperrungen sollten die Wahrscheinlichkeit verringern, dass es zu einer ähnlichen vertikalen Massendruckbewegung kommt, wie bereits 1979 in Hamburg geschehen.

Auch die UEFA, der europäische Fußballverband, entschied 1991 für seine internationalen Wettbewerbe, „dass ab der Saison 1991/92 nur 70% der Stehplätze verkauft werden dürfen und in den folgenden Jahren jeweils 10% weniger. Darüber hinaus wurde 1993 beschlossen, dass bei Spielen mit erhöhtem Risiko bis 1997/98 Stehplätze zugelassen werden, allerdings nur bis max. 20% der Gesamtkapazität des Stadions. Der DFB schloss sich 1991 den UEFA-Bestimmungen in seinen ‚Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesligaspielen’ an und empfahl den Bundesligavereinen eine schrittweise Umwandlung der Stehplatzränge in Bereiche mit nummerierten Einzelsitzen, wobei Restkontingente an Stehplätzen je nach Begutachtung durch die DFB-Sicherheitskommission erhalten bleiben dürfen“ (Schulze-Marmeling, 1995, S. 60).

Spätestens wenn die deutschen Vereine einen der begehrten Plätze in den verschiedenen europäischen Wettbewerben errungen hatten, wurden somit die Stehplätze in den Kurven weitestgehend in Sitzplätze umgebaut. Die gesperrten Stehplätze bedeuteten, wie bereits zuvor angesprochen, nicht nur ein leeres und stimmungsloses Stadion, sondern auch finanzielle Einbußen. Die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland führt hierzulande zusätzlich zu einem beschleunigten Modernisierungs- bzw. Neubaubestreben.

Mittlerweile bestehen europaweit fast ausschließlich reine Sitzplatzstadien, was sich durch Statistiken der Internetseite www.fussballtempel.net/uefa/listeuefa.html belegen lässt. Lediglich in Deutschland existieren noch vereinzelt Stehplatzblöcke, oftmals aber auch hier mit kurzfristig installierbaren Sitzplatzvorrichtungen oder klappbaren Schalensitzen für internationale Spiele.

Die Fußballstadien haben sich mittlerweile in Deutschland zu multifunktionalen Arenen entwickelt, mit ausgeklügelten Merchandising-, Verpflegungs- und VIP-Bereichen, mit eigenen Parkhäusern, Bahnhöfen oder Autobahnabfahrten. Bestes Beispiel ist sicherlich die neue Arena „AufSchalke“ in Gelsenkirchen. Ein hochmodernes großes Stadion, mit (bei Bedarf) automatisch und vollends schließbarem Dach. Die Fußballspiele können nunmehr nicht nur wetterunabhängig ausgetragen werden, sondern dem Eigentümer erschließen sich zusätzliche Einnahmequellen aus anderen Großveranstaltungen wie z. B. Musikkonzerten. In direkter Stadionnähe entstehen zudem derzeit in Gelsenkirchen noch ein vereinseigenes Hotel, ein Rehabilitations-Zentrum und ein Jugendinternat.

Näher auf die neue Dimension der Fußballarenen einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, bei weitergehendem Interesse empfiehlt sich ein Blick auf das Internetportal www.stadionwelt.de .

3.2.2. Die Vereine und Spieler

Die Fußballvereine in Deutschland und auch der DFB hatten ebenfalls ihre Probleme, sich an den modernen Fußball anzupassen. Diese resultierten aus den ständig steigenden Publikumsmassen, wenn auch anfangs nur indirekt.

Mit den steigenden Zuschauereinnahmen der Vereine stieg auch gleichzeitig die Anzahl derer, die an dieser Entwicklung partizipieren wollten.

Einerseits wurden die Vorstände der Vereine „nun von lokalen Geschäftsleuten geführt, vornehmlich von Gastwirten, Brauereibesitzern und Bauunternehmern, die mit dem Fußball ihre Umsätze steigerten. Was die Administration des Fußballs anbelangt, so war er nie ein ‚proletarisches Phänomen’. Selbst die klassischen Arbeitervereine wurden in der Regel nicht von Arbeitern geführt“ (Schulze-Marmeling, 1995, S. 12).

Andererseits wollten auch immer mehr Spieler an dem gestiegenem ökonomischem Wert des Fußballs partizipieren. „Mit seiner Verwurzelung und in seiner Zuschauerstruktur war er im Prinzip immer noch Teil der Arbeiterkultur, während sich die Spieler mehr und mehr von diesem Milieu entfernten. Der DFB lehnte zwar weiterhin den Vollprofi ab und beharrte auf dem Amateurstatus der Spieler, die Realität sah jedoch anders aus: Die Spieler erhielten, ob legal mit ‚Scheinarbeitsverträgen’ oder ‚unter der Hand’ Gagen, die in keiner Relation mehr zum Verdienst der Zuschauer standen. Zusätzlich führten die Vereinswechsel der Spieler vor jeder Saison und ebenso die Entwicklung von traditionellen Stadtteilvereinen zum Großstadtclub zu einer weiteren Entfremdung zwischen Aktiven und Zuschauern“ (König, 2002, S. 18).

In Fußballdeutschland setzte ein oligopolistischer Prozess ein. „An die Stelle von drei, vier Spitzenvereinen einer Stadt, wie z. B. in Duisburg der Duisburger SV, Meidericher SV und Hamborn 07, ist durch Spielerankauf, Spielerabwerbungen und Vereinsfusionierungen ein repräsentativer städtischer Großverein getreten, in diesem Fall der MSV Duisburg. [...] Aber nicht nur die Vereine wurden konzentriert: an die Stelle der ‚Plätze’ der Vorortvereine traten die ‚Stadien’ der Repräsentationsvereine. [...] Die Repräsentations-vereine werden städtisch bzw. kommunal subventioniert, indem ihnen z. B. Pachtgebühren erlassen, Darlehen, Kredite und Bürgschaften oder städtische und kommunale Gelder gegeben werden. [...] Die primäre Funktion des Fußballsports als Teil städtisch/kommunal subventionierter Kulturveranstaltungen besteht darin, über die Vermittlung eines Unterhaltungsereignisses, den Werbewert der Stadt bzw. der Region zu steigern (ständige oder punktuelle Präsenz in der Berichterstattung der Massenmedien), den Erlebnis- und Freizeitwert der Stadt bzw. der Region zu erhöhen und Arbeitskräfte sowie Gäste heranzuziehen und zu binden“ (Hopf, 1998, Seite 162 f.).

Der Fußball befand sich zwischen 1965 und 1973 in einer Phase des Umbruchs. Er war zu einem Wirtschafts- und Kulturzweig geworden. Ein erster negativer Höhepunkt dieses Kommerzialisierungs-prozesses zeigte sich in dem Bundesligaskandal der Saison 1970/71. „Am Ende der Spielzeit wurde publik, dass insgesamt über 1 Million DM Bestechungsgelder für die Verschiebung von Spielen gezahlt worden waren. Der Zwangsabstieg von zwei Vereinen, die Bestrafung von über 50 Spielern, Trainern und Funktionären, vor allem aber ein massiver Zuschauereinbruch in den nächsten Spielzeiten waren die Folge. [...] Durch sein (der DFB ; d. V.) stures Festhalten am Amateurstatus war verhindert worden, dass die Spieler ihren Anteil am immer größer werdenden Bundesligageschäft auf legale Weise erhielten. Dies entschuldigte zwar nicht die Betrugsversuche einzelner, aber die realitätsferne Konstruktion des Lizenzspielers konnte auf Dauer nicht aufrechterhalten werden. Im Jahre 1974 wurden die Bestimmungen geändert und das Vollprofitum eingeführt. Spielergehälter und Ablösesummen waren nun keinen Begrenzungen mehr unterworfen und stiegen in den kommenden Jahren kontinuierlich. Im gleichen Jahr wurde Werbung auf den Trikots der Spieler zugelassen und damit auch äußerlich die Entwicklung des Profisports dokumentiert. 1974 wurden dazu die in zwei Gruppen spielende zweite Bundesliga eingeführt, um einen besseren Unterbau für die Bundesliga zu bilden“ (König, 2002, S. 18 f.).

Inzwischen haben sich die Vereine zu Wirtschaftsunternehmen mit Millionenumsätzen entwickelt. Dennoch waren sie weiterhin in ihrer Funktion als Verein gemeinnützig und wurden von ehrenamtlichen Vereinsvorständen geführt. Deshalb werden mittlerweile die Lizenzabteilungen der Fußballvereine oftmals ausgegliedert und in Wirtschaftsformen gebracht. Prominentestes Beispiel ist hier sicherlich der Börsengang der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA. Auch innerhalb der Vereine sind die Strukturen weitestgehend professionalisiert und die Vereinsgeschäfte werden von Geschäftsführern, Aufsichtsräten und Managern geführt.

Am 15.12.1995 ging mit dem so genannten Bosmann-Urteil und der darauf folgenden Abschaffung der Transferentschädigungen bei Spielerwechseln ein sprunghafter Anstieg der Gehälter der Fußballprofis einher. Fast ausschließlich das mögliche Gehalt eines Spielers entschied ab sofort, bei welchem Verein er zukünftig Fußball spielte. „Während die Spieler früher greifbare subkulturelle Repräsentanten waren, die sich ihrer kulturellen und ökonomischen Nähe zu ihren Anhängern bewusst waren, welche ihrerseits ihre Rolle erfüllten und ihnen kulturelle und ökonomische Unterstützung gaben, ist der professionelle Fußballspieler seinem Publikum als ‚Star’ im Alltagsleben entrückt. Auf diesem Sektor haben sich die Methoden der Vergnügungsindustrie schon manifest durchgesetzt. [...] Während für den Spieler ‚alten Typus’ die Treue zum Verein gleichbedeutend war mit Treue zum Viertel, zur lokalen Umgebung, realisiert der mobile Spieler ‚neuen Typus’, dessen faktische Mobilität durch die Möglichkeit, auch während der laufenden Spielsaison den Verein zu wechseln, erhöht worden ist, die ihm gebotene Möglichkeit als freier Verkäufer seiner Ware ‚Fußballspielen’“(Hopf, 1998, S. 166).

Zusammenfassend möchte ich an einigen Zahlen verdeutlichen, in welchen ökonomischen Dimensionen sich der aktuelle Profi-Fußball in Deutschland bewegt: die 18 Vereine der ersten Fußball-Bundesliga gingen in der Saison 2003/04 mit einem Gesamtetat von 596,7 Mio. Euro in die Spielzeit (Welt am Sonntag, 27.07.2003), der Marktwert ihrer Spielerkader belief sich vor der Saison 2003/04 auf 749,7 Mio. Euro (Kicker Sonderheft, 2003), der Umsatz im Bereich Merchandising wird in der ersten Bundesliga auf annähernd 350 Mio. Euro geschätzt (www.novo-magazin.de , 2003).

3.2.3. Das Fernsehen

Ein weiterer, wenn nicht sogar der wichtigste Aspekt in der Kommerzialisierung des deutschen Fußballsports ist sicherlich der Einzug des Fernsehens in die Unterhaltungsbranche Fußball in den frühen 60ern. Anfangs beschränkte sich das Fernsehen noch auf Zusammenfassungen der wesentlichen Ligaspiele und bei Live-Übertragungen auf seltene Länderspiele und Europapokalspiele; heutzutage kann man nahezu jeden Tag Fußball im Fernsehen betrachten.

„Neben der traditionellen Berichterstattung von der Bundesliga, dem DFB-Pokal, den Europapokalen und den Länderspielen gibt es mittlerweile Live-Übertragungen von Spielen der zweiten Liga, von Vorbereitungsspielen, von Hallenturnieren sowie Spielberichte aus den übrigen Ligen Europas und Südamerikas. Die dritten Programme senden darüber hinaus noch Kurzberichte der dritten und vierten Liga, und die Spartensender verwöhnen den Zuschauer mit weiteren Highlights“ (König, 2002, S. 12).

Die Entwicklung des TV-Fußballs lassen sich grob in vier Phasen zusammenfassen:

Die erste Phase reicht von den Anfängen des Fernsehens - bereits am 25.12.1952 übertrugen die Sender Köln und Hamburg ein Fußballspiel der örtlichen Vereine FC Köln und FC St. Pauli – bis hin zur Etablierung der beiden öffentlich-rechtlichen Sendungen ‚Sportschau’ (ARD) und ‚Aktuelles Sportstudio’ (ZDF).

Während sich die Fernsehsender anfangs darauf beschränkten, ausgesuchte Spiele in voller Länge anzubieten, kam es mit Einführung der Sportschau 1961 zu einer ersten Trendwende. „Waren zunächst noch Live-Übertragungen der bestimmende Faktor, so wurden diese zumindest im Sportalltag immer mehr von den bearbeiteten Berichten, die dann in Magazinform gesendet wurden, verdrängt. Abgesehen vom Sendeplatz und der Sendezeit, hat sich an dem eigentlichen Konzept der ‚Sportschau’ in den letzten 40 Jahren nichts geändert“ (König, 2002, S. 17).

Seit August 1963 wird das ‚Aktuelle Sportstudio’ an jedem Samstag ausgestrahlt. Es unterscheidet sich vom Konzept der ‚Sportschau’ deutlich und versucht, Sport eher in unterhaltender Form darzubieten. „Obwohl der Name anderes vermuten lässt, hatte die Sendung ein Aktualitätsdefizit. Die Ergebnisse der meisten Sportereignisse waren bekannt, über viele wurde bereits in der ARD berichtet. ‚Das Aktuelle Sportstudio’ machte sich diesen Nachteil zunutze, es hatte mehr Zeit, seine Berichte herzustellen, und so konnten nicht nur Ereignisse verkündet werden, sondern, in Verbindung mit einem Studiogast, auch Analysen betrieben werden. Durch viele Elemente, wie Studiouhr, Publikum, sichtbare Fernsehtechnik, Liveschaltungen, Studiogästen und nicht zuletzt das Schießen auf die Torwand, wurde der Live-Charakter unterstrichen und das ZDF seinem Aktualitätsanspruch gerecht“ (König, 2002, S. 17).

‚Sportschau’ und ‚Aktuelles Sportstudio’ prägten lange Zeit die Fußballberichterstattung im Fernsehen, das Schauen dieser beiden Sendungen entwickelte sich immer mehr zu einem Ritual unter den fußballinteressierten Fernsehzuschauern.

Die zweite Phase in der Entwicklung der Fußballberichterstattung im Fernsehen brach mit der Einführung des Privatfernsehens an. Bereits zur Saison 1988/89 erwarb mit der UFA erstmals ein Privatunternehmen die Übertragungsrechte an der Fußball-bundesliga. Die UFA verkaufte die Rechte dann ihrerseits an ARD, ZDF und den Privatsender RTL weiter, der damit eine dritte Fußballsendung, nämlich ‚Anpfiff’ etablieren konnte. „Aufgrund der schwachen Sendekapazitäten der ‚Privaten’ waren die öffentlichen-rechtlichen Sender immer noch für die flächendeckende Verbreitung des Fußballs zuständig, aber auch in ‚Kabelhaushalten’ konnten sie sich aufgrund der vernichtenden Kritiken für ‚Anpfiff’ behaupten. [...] Schon in der Saison 91/92 galt dies nur noch eingeschränkt, da RTL jetzt über alle Spiele unter der Woche, ARD und ZDF über alle Samstagsspiele, (jeweils exklusiv) berichten durften. Diese Aufteilung und ein verändertes Konzept sorgten dafür, dass nun auch RTL hohe Einschaltquoten verbuchen konnte. Trotz der zunehmenden Akzeptanz durch die Zuschauer beschloss RTL aber, sich aus wirtschaftlichen Gründen aus der Bundesliga zurückzuziehen“ (König, 2002, S. 21). RTL erwarb anstatt der Bundesligarechte die Übertragungsrechte an der UEFA-Championsleague.

Ab der Saison 92/93 kaufte die Agentur ISP die Fernsehrechte an der Bundesliga vom DFB. Die Erstverwertungsrechte verkaufte die ISP erstmals nicht an die öffentlich-rechtlichen Sender, sondern an den Privatsender SAT.1. Dieser stieß mit seiner Sendung ‚ran’ in neue Dimensionen der Fußball-Fernsehunterhaltung vor. „Trotz anfänglicher Probleme und schlechter Kritiken erwies sich der finanziell riskante Schritt für SAT.1 als richtig. SAT.1 konnte von den Erfahrungen der anderen Sender profitieren, nutzte die Chance der Erstverwertung und profilierte sich schließlich“ (König, 2002, S. 28).

Die dritte Phase ist ausschließlich von der Einführung des Pay-TV geprägt. Bereits 1991 bekam der Münchener Kirch-Konzern erstmals vom Deutschen Fußballbund die Live-Übertragungsrechte für die Bundesligaspiele. Um die Bundesligaspiele live zu verfolgen, müssen die Fernsehzuschauer vorerst den Kirch-Sender ‚premiere’ abonnieren. 1996 ging der konzerneigene digitale Bezahlsender DF 1 an den Start. Um Bundesligafußball live im Fernsehen erleben zu können, musste man fortan eine so genannte ‚d-box’ zur Entschlüsselung der Digital-Signale erwerben und bezahlt nur noch die vorher ausgesuchten Sportveranstaltungen, Events oder Programmpakete. Vorerst kann immer nur das vom Sender bestimmte Top-Spiel der Bundesliga übertragen werden. Im Oktober 2000 sichert sich die Kirch-Gruppe direkt die Übertragungsrechte der Bundesliga und DF 1 wird in Premiere World umbenannt. Ab sofort werden nicht nur alle Bundesligaspiele live übertragen, sondern auch die Spiele der UEFA-Championsleague. Ab dem Jahre 2002 scheint der Kirch-Konzern allerdings finanziell angeschlagen. Die Zahl der ‚Premiere World’-Abonennten bleibt hinter den Erwartungen zurück und die immensen Kosten für die Fußballübertragungsrechte können immer noch nicht refinanziert werden.

Damit wird die 4. Phase in der Entwicklung des TV-Fußballs eingeleitet. Für die Saison 2003/2004 sichert sich die Agentur ‚infront’ die Bundesliga-Übertragungsrechte und die Erstverwertungsrechte gehen nach 16 Jahren Abstinenz wieder zur ARD, die zwischenzeitlich noch nicht einmal bewegte Bilder von den Spielen zeigen durfte, zurück. Premiere erhält weiterhin die Rechte für Live-Übertragungen, das Deutsche Sportfernsehen (DSF) überträgt die Bundesligaspiele, welche sonntags stattfinden und die gesamte zweite Bundesliga. SAT.1 erwirbt erstmals die Übertragungsrechte an der UEFA-Championsleague.

Selbstverständlich blieben diese ganzen Entwicklungen nicht ohne Folgen für den Fußball in Deutschland.

Zunächst trug das Fernsehen sicherlich deutlich dazu bei, dem Fußball eine breitere Akzeptanz in der Gesellschaft zu verschaffen. Beleg dafür sind unter anderem die stetig steigenden Zuschauerzahlen vor den Fernsehbildschirmen bei ebenfalls reellem Zuschauerwachstum in den Stadien. Das Fernsehen überbrückte somit einerseits die räumliche Distanz zwischen potenziellem Zuschauer und Stadion, zusätzlich aber auch die begrenzte Kapazität der Fußballstadien.

Mit dieser immensen Vergrößerung des Fußballpublikums wurde der Fußball zwar relativ langsam, aber stetig, auch für die werbetreibende Industrie interessant. Aufgrund dessen entstand mit der Zeit eine wechselseitige Beziehung zwischen den folgenden drei Komponenten: dem Fußball, dem Fernsehen und der werbetreibenden Industrie. Der Fußball wird durch die Industrie als Transporteur für die Produktwerbung entdeckt, dies geschieht vor allem durch direktes Sponsoring und Fernseh-Werbung sowohl vor, während als auch nach der Fernsehübertragung. Das Fernsehen sieht im Fußball nicht nur eine durch hohe Marktanteile werbungslukrative Programmsparte, sondern kann durch die Übertragung von Fußballspielen zusätzlich seine Programmattraktivität erhöhen. Der Fußball profitiert somit finanziell von beiden Seiten. Ein Blick auf die Entwicklungen der Beträge für die Vermarktung der Übertragungsrechte belegt den immensen Zuwachs des ökonomischen Wertes des Fußballs:

Entwicklung der Rechte-Kosten seit 1965

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(medienmarkte.de, 2003)

Mit der zunehmenden finanziellen Bedeutung der Fernsehgelder für den Fußball – und damit komme ich nach dem durch das Fernsehen immens vergrößerten Publikum und dem gestiegenen finanziellen (Werbe-)Wert des Fußballs zu der dritten wesentlichen Konsequenz – stiegen auch die Einflussmöglichkeiten des Fernsehen bzw. der Industrie auf den Sport an sich.

International bedeutete dies beispielsweise, dass bereits relativ früh sogar die Rahmenbedingungen des Spiels beeinflusst werden konnten. So wurden bei der WM 1970 in Mexiko die Spiele bei extremer Hitze gerade in der Mittagszeit ausgetragen, nur um die Spiele auf dem wichtigen europäischen Markt zur besten Sendezeit zu präsentieren.

Im Bereich der Bundesliga wurden die Spieltage auf Druck des Fernsehens - weg vom klassischen Fußball-Samstag - auf fast die gesamte Woche entzerrt, um möglichst viele Spiele einzeln vermarkten zu können. Zur Zeit verteilt sich der Fußball fernsehtechnisch folgendermaßen auf die Woche:

[...]

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Fußballfans in Deutschland. Eine Subkultur im Wandel
Untertitel
Neue Herausforderungen für die soziale Arbeit in den Fanprojekten?
Hochschule
Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
100
Katalognummer
V32492
ISBN (eBook)
9783638331999
ISBN (Buch)
9783638703857
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fußballfans, Deutschland, Eine, Subkultur, Wandel
Arbeit zitieren
Bastian Renner (Autor:in), 2004, Fußballfans in Deutschland. Eine Subkultur im Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32492

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