Die vorliegende Arbeit hat sich die Untersuchung des Zusammenhangs von Freiheit und Selbstmord in Arthur Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung zur Aufgabe gesetzt. Im ersten Teil unserer Betrachtungen soll Schopenhauers Philosophie in ihren Grundgedanken, wie er sie in Die Welt als Wille und Vorstellung dargelegt hat, hinsichtlich der Begründung des Leidens und der Unmöglichkeit dauerhaften Glücks nachvollzogen werden (siehe 1.1). In dem begrenzten Rahmen dieser Arbeit kann diese Darstellung aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Die Kapitel 1.2.1 und 1.2.2 ergänzen das Kapitel 1.1 um einige relevante Aspekte zur Begründung des Leidens und der Unmöglichkeit dauerhaften Glücks in Schopenhauers Philosophie. Dabei wird unter 1.2.1 insbesondere die Frage nach der Möglichkeit persönlicher Entscheidungsfreiheit in Schopenhauers Willensmetaphysik erörtert. Kapitel 1.2.2 bietet eine allgemeine Erklärung der Begriffe „Bejahung des Willens zum Leben“ und „Verneinung des Willens zum Leben“. Die Konsequenzen, die sich daraus für Schopenhauers Philosophie ergeben, werden hier aber nur angedeutet. Mit Abschluß des ersten Teils unserer Arbeit wird sich der Hintergrund für die Frage eröffnet haben, ob der Selbstmord als mögliche Konsequenz aus der Evidenz des Leidens in nach Schopenhauer vertretbar ist. Unter dem Kapitel 2.1.1 wird mit Bezug auf Schopenhauers Schriften Aphorismen zur Lebensweisheit, Preisschrift über das Fundament der Moral und Parerga und Paralipomena eine Stellungnahme Schopenhauers zum Selbstmord erörtert, die augenscheinlich in einem gewissen Widerspruch zu seiner Bewertung des Selbstmords in Die Welt als Wille und Vorstellung steht.
Die Kapitel 2.1.2 und 2.2 werden sich schließlich mit Schopenhauers Erörterung der Selbstmordproblematik in Die Welt als Wille und Vorstellung befassen. Insbesondere hinsichtlich der Frage nach dem Zusammenhang von Selbstmord und Freiheit wird die Erörterung der Begriffe „Bejahung des Willens zum Leben“ und „Verneinung des Willens zum Leben“ vertieft. Im abschließenden Fazit werden die Ergebnisse unserer Arbeit zusammengefaßt. Bis dahin offen gebliebene Fragen, die sich im Verlauf der Untersuchung ergeben haben, werden dort noch einmal verdeutlicht und diskutiert. Anmerkung zur Form: Zitate, die sich in Schriftgröße 12 über drei Zeilen erstrecken würden, werden in Schriftgröße 10 wiedergegeben und als Paragraphen eingeschoben.
Inhalt
Einleitung
1 Zur Begründung des Leidens und der Unmöglichkeit dauerhaften Glücks
1.1 Die Welt als Wille und Vorstellung
1.2.1 Die Freiheit des Willens und persönliche Entscheidungsfreiheit
1.2.2 Bejahung und Verneinung des Willens zum Leben
2.1.1 Zum Selbstmord bei Schopenhauer
2.1.2 Selbstmord als starke Bejahung des Willens zum Leben
2.2 Verneinung des Willens zum Leben: Selbsttötung durch Askese
Fazit
Verzeichnis der verwendeten Literatur
Einleitung
Die vorliegende Arbeit hat sich die Untersuchung des Zusammenhangs von Freiheit und Selbstmord in Arthur Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung zur Aufgabe gesetzt.
Im ersten Teil unserer Betrachtungen soll Schopenhauers Philosophie in ihren Grundgedanken, wie er sie in Die Welt als Wille und Vorstellung dargelegt hat, hinsichtlich der Begründung des Leidens und der Unmöglichkeit dauerhaften Glücks nachvollzogen werden (siehe 1.1). In dem begrenzten Rahmen dieser Arbeit kann diese Darstellung aber keinen An-spruch auf Vollständigkeit erheben.
Die Kapitel 1.2.1 und 1.2.2 ergänzen das Kapitel 1.1 um einige relevante Aspekte zur Be-gründung des Leidens und der Unmöglichkeit dauerhaften Glücks in Schopenhauers Philo-sophie. Dabei wird unter 1.2.1 insbesondere die Frage nach der Möglichkeit persönlicher Entscheidungsfreiheit in Schopenhauers Willensmetaphysik erörtert. Kapitel 1.2.2 bietet eine allgemeine Erklärung der Begriffe „Bejahung des Willens zum Leben“ und „Verneinung des Willens zum Leben“. Die Konsequenzen, die sich daraus für Schopenhauers Philosophie erge-ben, werden hier aber nur angedeutet.
Mit Abschluß des ersten Teils unserer Arbeit wird sich der Hintergrund für die Frage er-öffnet haben, ob der Selbstmord als mögliche Konsequenz aus der Evidenz des Leidens in nach Schopenhauer vertretbar ist.
Unter dem Kapitel 2.1.1 wird mit Bezug auf Schopenhauers Schriften Aphorismen zur Le-bensweisheit, Preisschrift über das Fundament der Moral und Parerga und Paralipomena ei-ne Stellungnahme Schopenhauers zum Selbstmord erörtert, die augenscheinlich in einem ge-wissen Widerspruch zu seiner Bewertung des Selbstmords in Die Welt als Wille und Vorstellung steht.
Die Kapitel 2.1.2 und 2.2 werden sich schließlich mit Schopenhauers Erörterung der Selbstmordproblematik in Die Welt als Wille und Vorstellung befassen. Insbesondere hin-sichtlich der Frage nach dem Zusammenhang von Selbstmord und Freiheit wird die Erörte-rung der Begriffe „Bejahung des Willens zum Leben“ und „Verneinung des Willens zum Leben“ vertieft.
Im abschließenden Fazit werden die Ergebnisse unserer Arbeit zusammengefaßt. Bis dahin offen gebliebene Fragen, die sich im Verlauf der Untersuchung ergeben haben, werden dort noch einmal verdeutlicht und diskutiert.
Anmerkung zur Form: Zitate, die sich in Schriftgröße 12 über drei Zeilen erstrecken wür-den, werden in Schriftgröße 10 wiedergegeben und als Paragraphen eingeschoben.
1 Zur Begründung des Leidens und der Unmöglichkeit dauerhaften Glücks
1.1 Die Welt als Wille und Vorstellung
Schopenhauers Philosophie geht von der Überzeugung aus, daß die Welt einerseits Vor-stellung und andererseits Wille ist. Die Begriffe „Vorstellung“ und „Wille“ werden in seinem
System jedoch in anderen Bedeutungen verwendet als in der Alltagssprache. Dies wird in der folgenden Darstellung der Grundgedanken der Schopenhauerschen Philosophie deutlich, die den Hintergrund zu unserer Untersuchung bildet.
Im ersten Teil seines Hauptwerkes mit dem programmatischen Titel Die Welt als Wille und Vorstellung zeigt Schopenhauer, daß dem Menschen die empirisch erfahrbare Welt nur mittel- bar über die Sinnesorgane zugänglich ist. Durch sein Vermögen der Vernunft, das „reflektirte
abstrakte Bewußtsein“ wird er gewahr, „daß er keine Sonne kennt [...]; sondern immer nur ein Auge, das eine Sonne sieht[...].“.[1]
Die Welt als Vorstellung besteht also nur in Relation auf einen Vorstellenden, ist Objekt für ein erkennendes Subjekt.[2] Wenn Schopenhauer davon spricht, daß ein Subjekt Bedingung für die Existenz eines Objekts ist, so ist damit kein Kausalzusammenhang bezeichnet. Diese Feststellung ist insofern wichtig, als daß sie die Zweifel an der Realität der vorgestellten Welt aufhebt. Denn wie sollte das denkende, rein erkennende Subjekt materielle Objekte hervor-bringen?
Man hüte sich vor dem großen Mißverständniß, daß [...] zwischen Objekt und Subjekt das Verhältniß von
Ursache und Wirkung bestehe. Eben auf jener falschen Voraussetzung beruht der thörichte Streit über die
Realität der Außenwelt[...]. Insofern ist also die angeschaute Welt in Raum und Zeit, welche sich als lauter
Kausalität kund giebt, vollkommen real.[3]
Wenn der Eindruck entsteht, daß das erkennende Subjekt außerhalb der Welt als Vorstel-lung dem Objekt seiner Erkenntnis gegenübersteht, so ist an dieser Stelle darauf hinzuwei-sen, daß Subjekt und Objekt als „zwei wesentliche, nothwendige und untrennbare Hälften“ die Welt als Vorstellung bilden, daß das Subjekt also eng in den Weltzusammenhang einge-bunden ist.[4] Daraus ergibt sich ferner, daß das Bedingungsverhältnis zwischen Subjekt und Objekt kein einseitiges ist: „... und umgekehrt alles Subjekt es nur ist dadurch daß es Objek- te hat, d.h. vorstellt.“[5]
Während Form des Objekts Raum und Zeit ist, durch die erst die Vielheit der Objekte be-steht, ist das Subjekt „ungetheilt“ außerhalb von Raum und Zeit.[6]
Raum und Zeit sind für sich, „als leere Formen“, nur durch die „reine Sinnlichkeit“[7] erfaß-bar; dem Verstand sind sie nur als Kausalität zugänglich.[8] Zeit und Raum werden erst durch sukzessive Veränderung in Raum und Zeit zugleich, an der Materie anschaulich. Materie ist aber Wirken: „Ursache und Wirkung ist also das ganze Wesen der Materie [...] Materie ist [...] durch und durch nichts als Kausalität.“[9]
Da nun die Kausalität als Prinzip der Welt als Vorstellung erkannt ist, erklärt Schopen-hauer den Verstand als „subjektives Korrelat“ der Kausalität, womit er besagt, daß Kausalität nur für den Verstand da ist, der Verstand mithin die Welt als Vorstellung erstellt.[10] Der Ver-stand kommt sowohl dem Menschen als auch dem Tier zu. Beide erstellen die Welt als Vor- stellung nach demselben Muster:
- Der Verstand ist in allen Thieren und allen Menschen der nämliche, hat überall die selbe einfache Form:
Erkenntniß der Kausalität, Uebergang von Wirkung auf Ursache und von Ursache auf Wirkung, und nichts
außerdem.[11] Erst indem der Verstand von der Wirkung auf die Ursache übergeht, steht die Welt da, als An-
schauung im Raume ausgebreitet, der Gestalt nach wechselnd, der Materie nach durch alle Zeit beharrend:
denn er vereinigt Raum und Zeit in der Vorstellung M a t e r i e, d. i. Wirksamkeit.[12]
Nun verfügt der Mensch im Gegensatz zum Tier über das Vermögen der Vernunft, die ge-genüber dem Verstand, der intuitiven Vorstellung, die abstrakte Vorstellung ist.[13] Die Vernunft eröffnet dem Menschen eine Dimension der Erkenntnis, die ihn gegenüber dem Tier auszeichnet:
Dieses neue, höher potenzirte Bewußtseyn, dieser abstrakte Reflex alles Intuitiven [Anm.: Erkenntnis nach den Formen des Verstandes] im nichtanschaulichen Begriff der Vernunft, ist es allein, der dem Menschen jene Besonnenheit verleiht, welche sein Bewußtsein von dem des Thieres so durchaus unterscheidet, und wodurch sein ganzer Wandel auf Erden so verschieden ausfällt von dem seiner unvernünftigen Brüder.
Gleich sehr übertrifft er sie an Macht und an Leiden.[14]
Das Leiden, das an dieser Stelle so unvermittelt erwähnt wird, hat nicht seinen Ursprung in
der Vernunft, denn auch Tiere leiden offenbar. Gleichwohl liegt eine besondere Intensität des Leidens in der Vernunft begründet. Schopenhauer erklärt, zu welchem Bewußtsein, und zu welcher Erkenntnis nur der Mensch befähigt ist: Während das Tier nur nach augenblicklich gegenwärtigen Bestimmungen handelt, lebt der Mensch auch in Zukunft und Vergangenheit, kann vorausschauend planen, ist er in der Lage sich über Sprache mitzuteilen, zu lügen, die Wahrheit zu sagen oder etwas in seinen Gedanken zu verheimlichen. Mittels der Sprache kann er eine Vielzahl von Menschen in einem Staat zusammenführen und Wissenschaft be-treiben.[15] Man kann Schopenhauer nur zustimmen, wenn er sagt, daß der Mensch das Tier an Macht übertrifft. Doch ist die Macht nur die eine Seite dieses Vermögens. Die andere ist das Leiden, daß sich mit dem gedanklichen Blick in die Zukunft eröffnet:
Das Thier lernt den Tod erst im Tode kennen: der Mensch geht mit Bewußtseyn in jeder Stunde seinem Tode näher, und dies macht selbst Dem das Leben bisweilen bedenklich,, der nicht schon am ganzen Le- ben selbst diesen Charakter der steten Vernichtung erkannt hat.[16]
Die pessimistische Grundstimmung der Philosophie Schopenhauers klingt hier schon an. Sie wird letztlich aber nur durch den „Willen“ als dem allem zugrundeliegendem Lebensprin-zip erklärbar.
Zugang zum Willen hat der Mensch über seinen Leib. In seiner Verbindung mit dem Leib findet sich das erkennende Subjekt erst als Individuum in der Welt. Nur als Erkennender jedoch ist der Mensch Subjekt, sein Leib hingegen ist „Objekt unter Objekten.“[17]
Nun müßte dem Menschen (als reines Subjekt des Erkennens) sein Leib in seinen Aktio-nen und Affektionen vollkommen unerklärlich sein („geflügelter Engelskopf ohne Leib“)[18]: Er würde die Aktionen des Leibes nicht anders wahrnehmen als jede andere Veränderung an Objekten.[19] Außer als Objekt der Anschauung ist dem Individuum sein Leib aber auch als un-mittelbar Bekanntes, nämlich als Wille gegeben: Der Leib ist „Objektität des Willens“.[20]
Zum Verständnis sind an dieser Stelle Willensakt und Willensbeschluß zu unterscheiden:
- Willensbeschlüsse, die sich auf die Zukunft beziehen, sind bloße Überlegungen der Vernunft, über das, was man dereinst wollen wird, nicht eigentliche Willensakte: nur die Ausführung stämpelt den Entschluß, der bis dahin immer nur noch veränderlicher Vorsatz ist und nur in der Vernunft, in abstracto existiert. In der Wirklichkeit sind sie Eins.[21]
Tatsächlich also drückt sich ein Willensakt erst in einer Aktion des Leibes aus. Jede Aktion des Leibes, z.B. das Heben eines Armes, ist Erscheinungsform des Willensaktes in der Vorstellung, so „daß der ganze Leib nichts Anderes, als der objektivirte, d.h. zur Vorstellung gewordene Wille ist.“[22]
Schopenhauer bestimmt weiterhin „Motive“ als außerhalb der Willensakte liegende Grün-de, die ein Anlaß zur Äußerung eines Willensaktes sind, nicht aber erklären „daß ich über-haupt will, noch w a s ich überhaupt will.“[23] Wenn hier von einer Veranlassung eines Willensaktes die Rede ist, so ist dies nur in bezug auf die Erscheinung des Willens kausal aufzufassen, nicht in bezug auf den Willen selbst, „weil eben nur die E r s c h e i n u n g des Willens dem Satz vom Grunde unterworfen ist, nicht aber er selbst, der insofern grundlos zu nennen ist.“[24] Ursachen und Reize für Handlungen, das sind objektivierte Willensakte, sind ebenso Objektivationen des Willens wie der Leib selbst, der auf seine Bedürfnisse hin zweckmäßig eingerichtet ist:
Die Theile des Leibes müssen deshalb den Hauptbegehrungen, durch welche der Wille sich manifestiert, vollkommen entsprechen, müssen der sichtbare Ausdruck derselben seyn: Zähne, Schlund und Darmkanal sind der objektivirte Hunger; die Genitalien der objektivirte Geschlechtstrieb[...].[25]
Wie der Mensch also die doppelte Seinsweise seines Leibes erkennen kann, so kann er von sich auch analog auf die Beschaffenheit aller anderen Objekte in der Natur schließen, die ihm mit dem Verstand zunächst nur als Vorstellung gegeben sind: Auch sie sind Wille.[26] Als Wir-ken des Willens ist die gesamte Natur zu begreifen, also auch als
[...]
[1] Schopenhauer, Arthur. Die Welt als Wille und Vorstellung I, 1977. ( im folgenden kurz W I) S. 29
[2] vgl. ebd. S. 31
[3] ebd. S. 41f.
[4] vgl. ebd. S. 32
[5] Schopenhauer, Arthur. Vom Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt:... ; 1984. S. 398
[6] vgl. W I. S. 32
[7] Schopenhauer hält sich hier an den Begriff Kants.
[8] vgl. ebd. S. 38f.
[9] vgl. ebd. S. 35
[10] vgl.ebd. S. 38 f.
[11] ebd. S.50
[12] ebd. S. 39
[13] vgl. ebd. S.33
[14] ebd. S. 68
[15] vgl. ebd. S. 68f.
[16] ebd. S.69
[17] vgl. ebd. S. 142
[18] ebd. S. 142
[19] vgl. ebd. S. 142
[20] vgl. ebd. S. 143
[21] ebd. S. 143f.
[22] vgl. ebd. S. 143
[23] vgl. ebd. S. 150
[24] vgl. ebd. S. 150
[25] ebd. S. 153
[26] vgl. ebd. S.148f.
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