1. Einleitung
In den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts formulierten der chilenische Neurophysiologe Humberto Maturana und sein studentischer Zögling und späterer wissenschaftlicher Mitarbeiter Francisco Varela eine biologisch-konstruktivistische Theorie des Erkennens.
Maturana und Varela vertraten in ihren Publikationen die These, dass die Realität in einem objektiven Sinne nicht existent ist, sondern allein ein Produkt unserer Art der Sinneswahrnehmung.
Weiterhin beschreiben sie Lebensformen als komplexe Systeme, die die Eigenschaft der Autopoiese aufweisen.
Diese Grundlagen einer biologischen, konstruktivistischen Systemtheorie nahm auch der deutsche Soziologe Niklas Luhmann zur Kenntnis, die ihm als Anregung und Ideengeber für seine soziologische Systemtheorie dienten.
In diesem Referat versuchen wir die Ideen Maturanas und Varelas zu skizzieren, aus denen sich späterhin Bezüge zur Luhmannschen Systemtheorie ergaben.
Dabei beziehen wir uns hauptsächlich auf das Werk „Der Baum der Erkenntnis – Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens“ der beiden oben genannten Autoren, ohne das Buch zu reproduzieren.
Es ist nicht Anliegen dieses Referates, Bezüge und Analogien zwischen Maturana/Varela und Luhmann beziehungsweise deren Theoriegebäuden zu verdeutlichen.
[...]
Inhalt:
1. Einleitung
2. Konstruierte Realität
3. Komplexe Systeme
3. 1. Sebstreferentialität
3. 2. Operative Geschlossenheit
3. 3. Strukturelle Kopplung
3. 4. Autopoiese
4. Schlussbetrachtung
5. Literatur
1. Einleitung
In den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts formulierten der chilenische Neurophysiologe Humberto Maturana und sein studentischer Zögling und späterer wissenschaftlicher Mitarbeiter Francisco Varela eine biologisch-konstruktivistische Theorie des Erkennens.
Maturana und Varela vertraten in ihren Publikationen die These, dass die Realität in einem objektiven Sinne nicht existent ist, sondern allein ein Produkt unserer Art der Sinneswahrnehmung.
Weiterhin beschreiben sie Lebensformen als komplexe Systeme, die die Eigenschaft der Autopoiese aufweisen.
Diese Grundlagen einer biologischen, konstruktivistischen Systemtheorie nahm auch der deutsche Soziologe Niklas Luhmann zur Kenntnis, die ihm als Anregung und Ideengeber für seine soziologische Systemtheorie dienten.
In diesem Referat versuchen wir die Ideen Maturanas und Varelas zu skizzieren, aus denen sich späterhin Bezüge zur Luhmannschen Systemtheorie ergaben.
Dabei beziehen wir uns hauptsächlich auf das Werk „Der Baum der Erkenntnis – Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens“ der beiden oben genannten Autoren, ohne das Buch zu reproduzieren.
Es ist nicht Anliegen dieses Referates, Bezüge und Analogien zwischen Maturana/Varela und Luhmann beziehungsweise deren Theoriegebäuden zu verdeutlichen.
2. Konstruierte Realität
Eine der Hauptthesen Maturanas und Varelas besagt, dass es keine Wirklichkeit im Sinne einer objektivierbaren Realität gibt, sondern der Mensch die Realität über seine Art der Perzeption und der Reizverarbeitung konstruiert, sie für sich generiert.
„Wir neigen dazu, in einer Welt von Gewissheit, von unbestreitbarer Stichhaltigkeit der Wahrnehmung zu leben, in der unsere Überzeugungen beweisen, dass die Dinge nur so sind, wie wir sie sehen.
Was uns gewiß erscheint, kann keine Alternative haben.
In unserem Alltag, in unseren kulturellen Bedingungen, ist dies die übliche Art, Mensch zu sein.“ (Maturana/Varela, 1987, S. 20)
Das gemahnt ein wenig an weltanschauliche Aspekte der Quantenphysik, an Schrödingers Katze, ist aber hier in einem gänzlich anderen Sinnzusammenhang - nämlich eines neurophysiologischen und neuropsychologischen - gemeint.
Die Realitätsschaffung durch den Menschen nach Maturana und Varela soll anhand des Hörvorgangs exemplifiziert werden:
Das Phänomen Schall gibt es in Analogie zum elektromagnetischen Spektrum mit geringer Energie (niederfrequent) bis hoher Energie (hochfrequent), der Mensch hat in diesem akustischem Spektrum jedoch nur einen partiellen Wahrnehmungsbereich, nämlich von etwa 15 bis 20 000 Hertz, das heisst Töne darunter und darüber kann er von seiner Sinnesausstattung her gar nicht wahrnehmen.
Erzeugt nun etwas einen Ton im hörbaren Frequenzbereich, etwa das Rascheln eines Laubbaumes durch den Wind, so wird der Schall durch Dichteschwankungen der Luft erzeugt, die schließlich unser Trommelfell erreichen.
Hier nun erfahren die Schallwellen ihre erste Transformation im Sinne einer Umwandlung in mechanische Energie, denn das Trommelfell leitet den Ton über drei winzige Knöchelchen des Innenohres (Hammer, Amboss, Steigbügel) weiter, die in Bewegung versetzt werden.
Die Schwingungen der Gehörknöchelchen wird weitergeleitet an das sogenannte Ovale Fenster, ein Häutchen des Innenohres, ähnlich dem Trommelfell.
Das Ovale Fenster trägt die Schwingung weiter in einen flüssigkeitsgefüllten Bereich des Innenohres (Endolymphe der Cochlea), es erfolgt also eine weitere Transformation der Schallenergie, da das Medium wieder wechselt.
Jetzt bewegen die Schwingungen der Gehörschneckenflüssigkeit spezielle Sinnesrezeptoren im sogenannten Corti-Organ, wodurch eine biochemische Reaktion ausgelöst wird, die wiederum einen elektrischen Impuls auslöst.
Eine weitere Transformation der ursprünglichen Schallenergie ist erfolgt, das Medium hat wieder gewechselt (Nervenbahn des Gehörnervs).
Der Nervenimpuls, aus dem Innenohr kommend, erreicht das Hörzentrum des cerebralen Scheitellappens und wird hier zunächst als Schall, bzw. als Tonfolge interpretiert.
Nehmen wir das Rauschen im Laubbaum bewusst wahr, wird augenblicklich der
reine Informationsgehalt des akustischen Phänomens Ton verknüpft mit anderen Hirnfunktionen und in einen Sinnzusammenhang gestellt, der zudem emotional gefärbt ist.
Wir genießen das angenehme Rauschen des Windes in einer Pappel und entsinnen uns eines romantischen Augenblicks in einer ähnlichen Situation.
Das ist unsere wahrgenommene Realität, doch stimmt sie mit der Kernaussage Maturanas und Varelas, dass es keine objektivierbare Realität gibt, überein?
Eine bestimmte Tonart und Tonfolge, eine Form modifizierter Luftschwingungen, lassen in uns ungeahnte Kontextualisierungen ablaufen, die das bescheidene physikalische Phänomen selbst gar nicht hergibt.
Wir bauen um das Phänomen herum einen Sinnzusammenhang, durchsetzt mit emotionalen Einflüssen.
Das eigentliche Phänomen der Tonerzeugung durch den Wind im Laub kommt zudem „pur“, also in seiner reinen Form gar nicht bei uns an, sondern erfährt verschiedene Transformationen (mechanisch, chemisch, elektrisch) und durchläuft verschiedene Medien (Luft, Flüssigkeit, Knochen).
Doch selbst nach mehreren Metamorphosen erlebt die „reine“ Schallinformation durch vernetzende Interpretationen des Gehirns noch Wandlungen.
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- Arbeit zitieren
- Frank Christian Petersen (Autor:in), 2003, Grundlagen des biologischen Konstruktivismus bei Maturana und Varela in ihrer Erkenntnistheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32624
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