Bei den Literaturrecherchen für mein Referat über >Dysgrammatismus< wurde ich mit dreierlei Sachverhalten konfrontiert, die für die (sprach)wissenschaftliche Auseinandersetzung und Diskussion innerhalb des Seminars von großer Wichtigkeit sind: i) keine einheitliche Terminologie; ii) unterschiedliche Phänomenologie sowie iii) unterschiedliche Therapieformen. Und auf die ich deshalb hier (wie im mündlichen Vortrag bereits referiert!) kurz eingehen werde.
Inhaltsverzeichnis
1. Beschreibung des Erscheinungsbildes
1.1 Grundmuster für die dysphasische Sprache
1.2 Die Profilanalyse nach Clahsen
2. Sprachtherapeutische Implikationen
2.1 Digitale Medien als Strukturierungshilfen
2.2 Die Entwicklungsproximale Sprachtherapie
3. Gedanken zum Abschluss
4. Literaturverzeichnis
1. Beschreibung des Erscheinungsbildes
(sprachliche Phänomene)
Bei den Literaturrecherchen für mein Referat über >Dysgrammatismus< wurde ich mit dreierlei Sachverhalten konfrontiert, die für die (sprach)wissenschaftliche Auseinandersetzung und Diskussion innerhalb des Seminars von großer Wichtigkeit sind: i) keine einheitliche Terminologie; ii) unterschiedliche Phänomenologie sowie iii) unterschiedliche Therapieformen. Und auf die ich deshalb hier (wie im mündlichen Vortrag bereits referiert!) kurz eingehen werde.
i) Keine einheitliche Terminologie
Überraschend für mich war beim Einlesen in die Literatur, dass Sprachwissenschaftler, Sprachtherapeuten, Heilpädagogen, Linguisten etc. meist keine einheitliche Terminologie für das gleiche Phänomen eines „dysgrammatisch“ sprechenden Kindes benutzten.
So spricht bspw. Dannenbauer von „Entwicklungsdysphasie“ (vgl. Dannenbauer, 1997, S. 167), Grimm und Kaltenbacher von „Sprachentwicklungsauffälligkeit“ (vgl. Grimm, 1997, S. 83), sowie Scholz von einer „temporellen und strukturellen grammatischen Entwicklungsstörung“ (vgl. Scholz, 1987, S. 103), in der ehemaligen DDR fand der Begriff des „Agrammatismus“ Verwendung. Schöler, Grohnfeldt und Homburg vertrauen hingegen auf den Begriff „Dysgrammatismus“ (vgl. Grohnfeldt, 1997, S.5).
ii) unterschiedliche Phänomenologie
Folglich logisch hingegen war dann die doch sehr unterschiedliche Phänomenologie bzw. Feststellung über einen auftretenden „Dysgrammatismus“, eine Morphosyntaktische Störung beim Kind. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass die Definition und Unterscheidung von Liebmann (1901 in seinem Aufsatz >Agrammatismus infantilis<) bis in die frühen 80iger Jahre hinein, bestand hatte. Er definierte den kindliche Dysgrammatismus als „die Unfähigkeit in grammatisch und syntaktisch correcten Sätzen zu reden“ und beschrieb drei Erscheinungsformen dieser Störung (Hansen, 1997, S.23).
Gerda Knura hingegen ergänzt unter Einbeziehung linguistischer Kriterien: Dysgrammatismus, „lässt sich im allgemeinen kennzeichnen als die Unfähigkeit, das morphologische und syntaktische Regelsystem der Muttersprache zu erwerben und/oder zu gebrauchen.“ (Knura, 1980, S.24).
Dannenbauer hingegen konstruiert eine eher ganzheitlich anmutende Definition des Entwicklungsdysgrammatismus, er sieht ihn als Form einer sprachlichen Entwicklungsstörung, „die durch verspätet einsetzende, verlangsamte, teilweise auch stockende, inkonstante und undifferenzierte Lernprozesse geprägt ist, ohne dass sich massive Persönlichkeitsstörungen, Hospitalismus usw. zur Erklärung heranziehen lassen.“ (Dannenbauer, 1984, S. 27)
iii) unterschiedliche Therapieformen
Auch bei einer einheitlichen Therapieform für dysgrammatisch sprechende Patienten scheiden sich die Sprachtherapeuten/Geister.
Im Groben kann man (nach Homburg) zwischen einer spezifischen und einer unspezifischen Therapie unterscheiden. Beide haben ihre Anhänger, ihre Stärken und Schwächen, auf die ich am Ende meiner schriftlichen Ausarbeitung noch einmal gesondert eingehen möchte.
1.1 Grundmuster für die dysphasische Sprache
Seit Anfang der 80er Jahre beschäftigt sich die Dysgrammatismusforschung intensiver mit unterschiedlichen Fragestellungen: Wie spricht ein dysgrammatisch sprechendes Kind? Ab wann, gesehen auf die Modifikation der Syntax, kann man überhaupt von Dysgrammatismus sprechen? Welche Querverbindungen lassen sich zu anderen Entwicklunspsychologischen Theorien knüpfen?
Eine Erkenntnis steht jedoch für alle Fachwissenschaftler als gesichert fest und wird so auch von Niemanden bezweifelt: Dysgrammatiker bilden keine homogene Gruppe!
Nach Clahsen erwerben Kinder mit Dysgrammatismus „keine bizarren sprachlichen Systeme, sondern Grammatiken, die in den Geltungsbereich universeller Prinzipien fallen.“ (Clahsen, 1988, S.122)
Um sich als nicht Sprachentwicklungsgestörter Mensch ein empathisches Bild des Dysgrammatismus Patienten zu machen kann man die Sprachstörung anhand eines syntaktisch korrekten Satzes nacherleben. (vgl. dazu Grohnfeldt, 1997, S. 3-16).
So steht im Normalfall: Da fährt ein Auto.
Bei der Störung der Wahrnehmungsorganisation: dafährteinauto.
Bei der Störung der Zerlegung und Bündelung: daf ährtei nau to.
Kany und Kaltenbacher beschäftigten sich Mitte der 80iger Jahr intensiv mit der Wortstellung von sprachunauffälligen und dysphasischen Kindern (T.B.: meint hier dysgrammatisch sprechende Kinder). Aufgrund von ausgewerteten Videoaufnahmen konnten sie so ein „Grundmuster für die dysphasische Sprache“ entwerfen.
In einer Längsschnittstudie von Schöler, Dalbert und Schäle wurden acht vierjährige dysgrammatisch sprechende Kinder, mit acht altersgleichen sprachunauffälligen Kindern sowie mit acht sprachunauffälligen Zweijährigen (die einen ähnlichen Sprachentwicklungsstand bezogen auf die Anzahl der Wörter pro Satz, Komplexität der Nominalphrase, Anzahl subjektloser Sätze) verglichen.
Folgende Phänomene konnten beide Untersuchungen empirisch belegen:
Dysgrammatisch sprechende Kinder
- lassen obligatorische Wörter aus, v.a. Funktionswörter
- Satzstellung S-O-V tritt Zehnmal häufiger auf, als bei den sprachunauffälligen Kindern
- beugen die Wörter nicht oder falsch
- lassen das Verb in ungebeugter Form am Satzende (Infinitiv), anstatt es nahe an das Subjekt (Verb-Zweitstellung) zu stellen und morphologisch kongruent zu markieren,
- haben auch nach der Verb-Zweitstellung noch Probleme mit der kongruenten morphologischen Markierung von Subjekt und Verb,
- haben Schwierigkeiten mit den von Verben und Präpositionen geforderten morphologischen Veränderungen am Nomen, Artikel und Adjektiv
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- Arbeit zitieren
- Gesamtschullehrer Tobias Baron (Autor:in), 2004, Spracherwerb und linguistische Theorien: Dysgrammatismus - Phänomenologie und Therapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32682
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