Die Bindungstheorie


Seminararbeit, 2003

25 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Bindungstheorie
2.1 Die drei Bindungstypen

3. Die Bindungstypen und ihre Emotionen
3.1 Entwicklung individueller Unterschiede in der Bindungsqualität
3.2 Kontinuität der Bindungsmuster
3.3 Das kognitive Verhalten der Kinder
3.4 Ergebnisse der Bindungsforschung

4. Emotionen und ihre Rolle im kindlichen Verhalten
4.1 Was ist emotionale Kompetenz?
4.2 Emotionale Kompetenz in der Schule

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Mensch ist ein soziales Wesen und kann ohne zwischenmenschliche Kontakte nicht leben. Solche Bindungen entstehen schon in der Schwangerschaft und werden hier durch die Gefühle der Mutter entscheidend geprägt. Die Einstellung der Mutter gegenüber dem im Mutterleib heranwachsenden Kind ist ausschlaggebend für die späteren Verhaltensweisen. Die Art und Weise der frühkindlichen emotional- affektiven Erlebnisse entscheiden darüber, ob es bei einem Kind zur Ausprägung des Urvertrauens oder Urmisstrauens kommt.[1] Das Neugeborene kann seine Bezugsperson nur über den Geruchs- und Tastsinn (Körperkontakt) wahrnehmen, also durch Riechen, Schmecken und Fühlen. Die emotionale Zuwendung erzeugt beim Kind eine Atmosphäre der Geborgenheit. Diese Atmosphäre beinhaltet das erzeugte Selbstvertrauen, das Vertrauen zu seinen Mitmenschen und zur Umwelt. Dieses ist auch nötig, um Mut dafür aufzubringen, sich auf neue unbekannte Dinge einzulassen. Das Urvertrauen ist also eine positive Einstellung zu sich selbst, basierend auf früheren Erfahrungen - auch im Mutterleib – und sie ermöglicht es den Menschen, sich mit ihrer Umwelt und sich selbst auseinander zu setzen. Nicht nur Umweltfaktoren sondern auch genetische Einflüsse spielen eine große Rolle bei der Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen. Der psychische Zustand eines Menschen ist stark davon abhängig,, wie seine zwischenmenschlichen Beziehungen sind. Verlaufen sie harmonisch, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Person ausgeglichen und glücklich ist und in der Lage, mit auftretenden Problemen fertig zu werden.

Die emotionale Fundierung entsteht durch ausreichende emotionale Zuwendung . Durch sie wird der soziale Lebensmut geprägt, der für die geistige, soziale und emotionale Entwicklung des Kindes von hoher Bedeutung ist. Wenn man sich nicht auf seine Bezugspersonen verlassen kann, wird der soziale Pessimismus erzeugt, der sich auf die emotionale Entwicklung des Kindes hemmend auswirken kann.

Ein Gegenstand der Bindungsforschung ist der Aufbau und die Veränderung enger Beziehungen im Verlauf des Lebens.

In meiner Hausarbeit möchte ich auf die starke Bindung zwischen Mutter und Kind eingehen und versuchen, das diese Bindung anhand der Bindungstheorie von John Bowlby näher zu erläutern. Des weiteren möchte ich auf die emotionale Kompetenz von Kindern eingehen, wo sie herkommt und was sie bewirkt.

Es gibt natürlich Unterschiede in der Art und Weise, wie sich solche Bindungen zwischen Mutter und Kind entwickeln. Auf diese Unterschiede möchte ich im Folgenden eingehen und diese anhand der Bindungstheorie erklären..

2. Die Bindungstheorie

Es liegt in der menschlichen Natur, eine besonders starke Bindung zu speziellen Individuen aufzubauen. Das beginnt bereits im Säuglingsalter und reicht oftmals ins hohe Erwachsenenalter hinein. Jedes Kind entwickelt eine Bindung zu seinen Bezugspersonen (Familie), vorausgesetzt, es sind Bezugspersonen vorhanden. In den meisten Fällen ist dieses Gefühlsband sehr spezifisch und keine der Personen kann in der Regel ausgetauscht werden. Die Bindungstheorie ist eine motivational- emotionale Theorie der menschlichen Entwicklung, die biologische, soziale, kognitive und emotionale Elemente miteinander verbindet.[2] Sie geht von den biologisch vorgegebenen Verhaltensweisen aus und versucht, anhand dieser Elemente das Verhalten von Menschen zu erklären. Der britische Psychologe John Bowlby wies darauf hin, dass sowohl die konkreten Erfahrungen für die Entwicklung eines Menschen von Bedeutung wären und auch dem Aufbau von internalen Arbeitsmodellen dienten. Diese verhelfen einer Person dazu, Wirklichkeit zu konstruieren und zu interpretieren.[3]

In der Kindheit besteht eine besondere Bindung zu den Eltern, da sie die ersten Kontaktpersonen sind – sie vermitteln Wärme, Geborgenheit und Liebe, spenden Trost und Schutz - es besteht ein Urvertrauen. Die Bindung ist also ein starkes emotionales Band zwischen zwei Personen. Wenn sich diese Bindungen normal entwickeln, bestehen sie bis ins hohe Erwachsenenalter, jedoch werden die Funktionen der elterlichen Bindung durch den späteren Partner abgelöst und bestehen sekundär weiter. Meist suchen die Personen (gerade Kinder) Schutz und Trost bei jemandem, der erfahrener und weiser ist. So wird die bindungssuchende Person immer versuchen, sich so nah wie möglich bei der Bezugsperson aufzuhalten.

Doch auch diese Bindung führt eine Gegenreaktion mit sich. Obwohl der Schutzsuchende sich bei seiner Bindungsperson sicher fühlt wird er sich wieder von ihr wegbegeben, um die Welt zu erkunden, um eigene Erfahrungen zu sammeln und um neue, ähnlich tiefe Bindungen herzustellen. Fühlt sich dieses Kind dann dabei unwohl, ist ängstlich oder müde, sucht es sofort wieder die Nähe zur Bindungsperson.

Dieses Verhaltensmuster beschreibt John Bowlby als „Erkundung von einer sicheren Basis aus.“[4]

Dieses Phänomen ist bei Kindern ungefähr ab dem zweiten Lebensjahr zu erkennen, weil sie dann körperlich in der Lage sind und ihre geistige Entwicklung auf sprachlichem Gebiet fortgeschritten ist. Ein Beispiel dafür ist , dass das Kind immer wieder von der Mutter weggeht, um die im Raum oder in der Umgebung befindlichen Dinge zu erkunden. Nach ein paar Minuten kommt es wieder zu seiner Mutter, zeigt ihr, was es entdeckt hat oder schmiegt sich einfach nur an sie.

Das System des Bindungsverhaltens ist also folgendes: Trotz der physiologischen Abwesenheit wird ein Kind die Beziehung zu seiner Bindungsperson immer aufrechterhalten, zumindest im Normalfall- das heißt: wenn die Bindung zur Bezugsperson sicher und harmonisch verläuft und das Urvertrauen ausgeprägt ist.

Das Bindungsverhaltenssystem wird durch erschreckende oder angsteinflößende Ereignisse aktiviert und durch die Trost- oder Schutzspende durch die Bezugsperson deaktiviert.[5]

Die Bindung des Kindes zu seinen Bezugspersonen entsteht also im Laufe des ersten Lebensjahres und ist durch vier Phasen gekennzeichnet:

Phase eins geht von der Geburt bis hin zum dritten Monat. Das Kind zeigt hier schon deutliches Orientierungsverhalten, kann aber den Unterschied zwischen zwei Personen noch nicht richtig erkennen. Es unterscheidet zuerst Stimme, Gerüche und Gesichtsausdrücke.

Phase zwei reicht bis zum sechsten Lebensmonat. Das Orientierungsverhalten beschränkt sich schon auf vertraute Personen, von denen das Kind hauptsächlich umgeben ist.

Ab dem sechsten Monat beginnt die dritte Phase, in der das Kind nun lernt, weitere Personen genauer zu differenzieren und die Bindung zur Bezugsperson aufrecht zu erhalten. Des weiteren erkundet es seine Umwelt genauer, wobei es die sichere Basis bei der Bezugsperson nicht aus den Augen verliert.

Im Alter von ca. drei Jahren hat das Kind seine Kommunikationsfähigkeit erweitert und ist in der Lage, eigene Bedürfnisse mit denen der Bezugspersonen zu verbinden und danach zu handeln.[6]

Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren entwickeln die Fähigkeit, ihre unmittelbare Umgebung auszukundschaften, eigene Erfahrungen zu sammeln und mit diesem erworbenen Wissen umzugehen. Die Absicht dieses Beobachtungsverhaltens ist, diese erlebten Ereignisse in der weiteren Zukunft wiederzuerkennen und sie einzuplanen, um besser mit anderen Personen und der Umwelt umgehen zu können.

So verwundert es also nicht, dass ein fünfjähriges Kind bereits mit sämtlichen Charaktereigenschaften der Mutter vertraut ist und mit ihnen umzugehen weiß. Solch ein Arbeitsmodell reicht vom Wissen der Mutter über ihre Stimmungslage, über ihre Interessen bis hin zu ihren Absichten, und je häufiger diese Eigenschaften auftreten, desto besser kann das Kind lernen, damit umzugehen.[7]

Diese Interaktionsmuster zwischen Müttern und Kindern weisen eine höhere Bandbreite auf. Während der frühen Jahre gibt es drei hauptsächliche Bindungsmuster: Das erste beruht auf einer gesunden Entwicklung des Kindes, die anderen beiden sind mit Störungen in der Beziehung zu den Eltern gekennzeichnet. Die Entwicklung eines Musters ist in erster Linie vom Verhalten der Eltern und Erwachsenen dem Kind gegenüber abhängig.[8]

Mary Ainsworth hat dazu interessante Verfahren entwickelt, um die Bindungen zwischen Kindern und Eltern zu analysieren. Ihre Erkenntnisse basieren auf einer kurzen Trennung von Mutter und Kind. Nach ihrer Ansicht lauten die drei Grundmuster: Sicherheit, Unsicherheit – Vermeidung und Unsicherheit- Ambivalenz.[9]

2.1 Die drei Bindungstypen

Ihrer Meinung nach hat das Kind eine sichere Bindung zu seinen Eltern, wenn es nach dieser Trennung mit ausgestreckten Armen auf sie zuläuft und sich freut, sie zu sehen. Unsicher- vermeidende Kinder sind diejenigen, die sich im schlimmsten Fall von ihren Eltern abwenden, während unsicher ambivalent gebundene Kinder beides gern zugleich hätten: Nähe und Abstand.

Das erste Muster sorgt für eine emotional und psychisch stabile Entwicklung des Kindes, weil es sich rundum sicher und geborgen fühlt und jederzeit auf die Hilfe und den Schutz der Eltern zählen kann.

Das Muster der ambivalent- unsicheren Kindern bedeutet folgendes[10]: Das Kind hat meist Angst, sich auf neue Situationen einzulassen und klammert an seinen Bezugspersonen, weil es sich nicht traut und unsicher ist, ob es anstandslosen Rückhalt von den Eltern gibt. Das liegt daran, dass sie in schwierigen Situationen oft nicht das Gefühl der Sicherheit von ihren Eltern vermittelt bekamen und somit bei neuen Situationen immer unsicher sind. Das Verhaltensmuster liegt hier bei den Eltern, die nur in einigen, nicht in allen Situationen ihrem Kind zur Verfügung stehen. Dabei kann es schon mal passieren, dass sie ihre Schutzpflicht als Eltern verletzen und wichtige, das kindliche Verhalten prägende Situationen falsch bewerten. Oftmals drohen sie sogar, das Kind in ein Heim zu geben, wenn es nicht augenblicklich gehorsam ist, um es gefügig zu machen. Die Angst vor der Entziehung der Bezugsperson und somit einer neuen Situation ist hierbei größer als die Angst vor unerfüllter Zuneigung. Die Kinder werden in ihrem ganzen Verhalten vorsichtiger, um solchen Situationen auszuweichen.

Das dritte Muster ist die unsicher- vermeidende Bindung. Die Kinder erwarten hier meist keinen Schutz und keine Sicherheit, weil sie solche Eindrücke nicht wirklich erfahren haben. Sie erwarten eher, zurückgewiesen zu werden und ohne die elterliche Hilfe auskommen zu müssen. „Solche Individuen versuchen ein Leben ohne die Liebe und die Unterstützung anderer zu führen.“[11]

Dieses Verhalten ist auf fehlende Zuwendung seitens der Eltern zurückzuführen. Wenn Kinder Trost und Schutz suchen und bei den Eltern auf Zurückweisung stoßen, entstehen solche Eigenschaften, bei denen das Kind immer versuchen wird, seine Probleme ohne fremde Hilfe zu lösen. Extremfälle hier sind Heimkinder oder Kinder, die in Pflegefamilien aufwachsen.

[...]


[1] vgl. Sluckin, Wladyslaw/ Herbert, Martin/ Sluckin, Alice: Mutterliebe- auf den ersten Blick, S. 28

[2] Vgl. Spangler; Gottfried: Frühkindliche Bindungserfahrungen und Emotionsregulation. In: Friedlmeier, Wolfgang/ Holodynski, Manfred (Hrsg.): Emotionale Entwicklung, S. 177

[3] vgl. Bowlby, John: Bindung- Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, Gottfried/ Zimmermann, Peter: Die Bindungstheorie- Grundlagen, Forschung und Anwendung, S. 20

[4] Bowlby, John: Bindung- Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, Gottfried/ Zimmermann, Peter: Die Bindungstheorie- Grundlagen, Forschung und Anwendung, S. 21

[5] vgl. Bowlby, John: Bindung- Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, Gottfried/ Zimmermann, Peter: Die Bindungstheorie- Grundlagen, Forschung und Anwendung, S. 22

[6] vgl. Spangler; Gottfried: Frühkindliche Bindungserfahrungen und Emotionsregulation. In: Friedlmeier, Wolfgang/ Holodynski, Manfred (Hrsg.): Emotionale Entwicklung, S. 178

[7] vgl. Bowlby, John: Bindung- Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, Gottfried/ Zimmermann, Peter: Die Bindungstheorie- Grundlagen, Forschung und Anwendung, S. 23

[8] vgl. Bowlby, John: Bindung- Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, Gottfried/ Zimmermann, Peter: Die Bindungstheorie- Grundlagen, Forschung und Anwendung, S. 24

[9] vgl. Bowlby, John: Bindung- Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, Gottfried/ Zimmermann, Peter: Die Bindungstheorie- Grundlagen, Forschung und Anwendung, S. 24

[10] vgl. Bowlby, John: Bindung- Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, Gottfried/ Zimmermann, Peter: Die Bindungstheorie- Grundlagen, Forschung und Anwendung, S. 25

[11] Bowlby, John: Bindung- Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, Gottfried/ Zimmermann, Peter: Die Bindungstheorie- Grundlagen, Forschung und Anwendung, S. 25

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Bindungstheorie
Hochschule
Universität Erfurt
Note
2,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V32835
ISBN (eBook)
9783638334570
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bindungstheorie
Arbeit zitieren
Diane Schmidt (Autor:in), 2003, Die Bindungstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32835

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