Die Technische Universität Darmstadt möchte ihr Angebot für die berufliche Weiterbildung neu strukturieren und intensivieren. In dieser Arbeit wird am Beispiel des Themenfelds "Software-Engineering" geprüft, welcher Bedarf seitens der Industrie an universitärer Weiterbildung besteht und welche Möglichkeiten der Fachbereich Informatik hat, diesen Bedarf zu decken. Im Brennpunkt stehen dabei Einzelangebote, mehrsemestrige Studienpakete mit Zertifikatsabschluss und komplette berufsbegleitende Aufbaustudiengänge.
Die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen: Es besteht Bedarf an Weiterbildung auf anspruchsvollem Niveau, wie sie Hochschulen anbieten können.
Wenn eine Universität in den professionellen Weiterbildungsmarkt einsteigen möchte, muss sie den dortigen Standards entsprechend über die Inhalte hinaus zusätzlichen Service für die Teilnehmer anbieten. Für ein berufsbegleitendes Angebot im größeren Stil (etwa einem komplette Studiengang) müsste sich der Fachbereich über einen erheblichen Zeitraum hinweg für einen beträchtlichen Zusatzaufwand verpflichten; in Anbetracht der bereits bestehenden hohen Belastung des Fachbereichs (durch die hohen Studierendenzahlen) muss ein solcher Zusatzaufwand kritisch abgewogen werden. In dieser Arbeit wird ein normaler Studiengang "Software Construction" entworfen, und beschrieben, wie er als Ausgangsbasis dienen kann, um gezielt einzelne Lehrveranstaltungen und Zertifikate für Software-Ingenieure auf die berufliche Weiterbildung zu übertragen.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
Einleitung
1. Einleitung
1.1 Zielsetzung dieser Arbeit
1.2 Zum Aufbau dieser Arbeit
2. Warum überhaupt Weiterbildung an der Hochschule?
2.1 Gesetzlicher Auftrag
2.2 Gesellschaftlicher Auftrag
2.3 Weiterbildung als Einnahmequelle
2.4 Industriekooperation
2.5 Gegenargumente
Teil I: Marktanalyse
3. Bedarfsanalyse
3.1 Auswahl der Gesprächspartner
3.2 Gesprächsführung
3.3 Ergebnisse der Interviews
3.3.1 Bundeskriminalamt
3.3.2 danet
3.3.3 Debis Systemhaus
3.3.4 Dregis
3.3.5 Dresdner Bank
3.3.6 Lufthansa Systems Airline Services
3.3.7 Robert Bosch
3.3.8 sd&m
3.4 Ergebnisse anderer Studien
3.4.1 Studie zum IT-Fachkräftebedarf in der Rhein-Main-Region
3.4.2 Empfehlung der Gesellschaft für Informatik
3.4.3 Lünendonk Marktanalyse
4. Konkurrenzanalyse
4.1 Professionelle Weiterbildungsanbieter
4.2 Ausbildungsberufe
4.3 Hochschulangebote
4.3.1 Studiengänge
4.3.2 Einzelangebote
5. Ergebnisse der Marktanalyse
5.1 Zielgruppe
5.2 Inhalte
5.3 Organisatorisches
Teil II: Möglichkeiten universitärer Weiterbildung
6. Rahmenbedingungen
6.1 Zugangsvoraussetzungen
6.1.1 Rechtliche Mindestvoraussetzungen
6.1.2 Fachliche Zugangsvoraussetzungen
6.2 Service
6.3 Lehrformate für Berufstätige
6.4 Didaktik für Berufstätige
6.5 Kostenmodelle
6.5.1 Teilnahmegebühren
6.5.2 Angebotsmodelle
6.5.3 Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben
6.6 Platzierung und Arrangement der Lehrangebote
6.7 Umfang
6.8 Auslastung des Fachbereichs
7. Möglichkeiten und Perspektiven
7.1 Berufsbegleitender Studiengang
7.2 Anbieten einzelner Veranstaltungen
7.3 Anbieten überschaubarer Zertifikate
7.4 Projektbegleitung
Teil III: Software-Engineering Lehrangebote
8. Software-Engineering: Die Inhalte
8.1 Inhalte aus der Berufspraxis
8.2 Invarianten
8.3 Software Engineering Body of Knowledge
8.3.1 Software Engineering Education Curriculum Framework, Schweiz
8.3.2 Software Engineering Body of Knowledge, IEEE und ACM
8.3.3 Guidelines for Software Engineering Education, CMU
8.4 Verhältnis zwischen Informatik und Software Engineering .
8.5 Die Bedeutung von Softskills
8.6 Die Bedeutung von Projekten
8.7 Profil des Fachbereichs Informatik
9. Entwurf des Studiengangs Software-Construction
9.1 Gegenstand und Ziel
9.2 Zugangsvoraussetzungen
9.3 Umfang und Struktur
9.4 Lehrinhalte
9.4.1 Software-Engineering
9.4.2 Datenbanken und Middleware
9.4.3 Trusted Systems
9.4.4 Netzwerke
9.4.5 Wahlpflichtvereich
9.4.6 Softskills
9.4.7 Master-Thesis
9.5 Fördermöglichkeiten für Berufstätige Ausblick
10. Aufbau einer Weiterbildungsinfrastruktur
10.1 Aufgaben
10.2 Hochschulweite Infrastruktur
10.3 Infrastruktur am Fachbereich
10.4 Checkliste für neue Angebote
Quellen- und Literaturverzeichnis
Anhang A: Zusammenhänge zwischen den relevanten Hochschulgesetzen
Anhang B: Frageleitfaden
Anhang C: Hochschulangebote für Software-Ingenieure
Anhang D: Angebote auf dem professionellen Weiterbildungsmarkt
Verwendete Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
"Lebenslanges Lernen" - das ist das Motto für die Wissensgesellschaft der Zukunft. Mit diesem Schlagwort wird deutlich gemacht, dass Qualifizierung nicht mit dem Studium abgeschlossen ist, sondern eine erfolgreiche Berufstätigkeit lebenslanges Lernen notwendig macht. Das Hochschulgesetz sieht vor, dass die Hochschulen auch in diesem Bereich gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, indem sie sich durch ein wissenschaftliches Weiterbildungsangebot an der lebenslangen Fortbildung beteiligen. Vor diesem Hintergrund möchte die Technische Universität Darmstadt ihr bereits bestehendes Angebot für die berufliche Weiterbildung besser organisieren und weiter ausbauen. Diese Arbeit soll am Beispiel des Themenfelds "Software-Engineering" die Perspektiven des Fachbereichs Informatik in der beruflichen Weiterbildung beleuchten; im Brennpunkt stehen dabei drei sich ergänzende Angebote: Einzelveranstaltungen, mehrsemestrige Studienpakete mit Zertifikatsabschluss und komplette berufsbegleitende Aufbaustudiengänge.
1.1. Zielsetzung dieser Arbeit
Diese Arbeit verfolgt zwei Ziele: Zum einen wird am Beispiel "Software-Engineering" geprüft, welcher Bedarf seitens der Industrie an universitärer Weiterbildung besteht, zum anderen wird untersucht, welche Möglichkeiten der Fachbereich Informatik hat, diesen Bedarf zu decken.
Erstes Hauptziel: Ermitteln des Bedarfs
Um den Bedarf seitens der Industrie an universitärer Weiterbildung auf dem Gebiet "Software-Engineering" zu ermitteln, werden Interviews mit einer repräsentativen Auswahl von Firmen aus dem Rhein-Main-Gebiet geführt. Die Ergebnisse werden durch verschiedene andere Studien ergänzt. Ziel ist dabei, zum einen eine Liste von Themen zu erhalten, für die Weiterbildungsbedarf besteht, zum anderen Einblick in die organisatorischen Rahmenbedingungen (zum Beispiel Seminardauer, Kostenrahmen, Lehrformen) zu bekommen, innerhalb derer Weiterbildung in den Firmen stattfindet.
Zweites Hauptziel: Konzeption eines Aufbaustudiengangs
Im zweiten Teil dieser Arbeit werden die gesetzlichen, pädagogischen und strukturellen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die berufsbegleitende Weiterbildung an der Hochschule bewegt, beleuchtet und den Bedürfnissen der Industrie gegenübergestellt. Auf der Grundlage dieser Gegenüberstellung wird anschließende ein Aufbaustudiengang für Software-Engineering entwickelt.
Wahl des Themenfelds "Software-Engineering"
Diese Arbeit konzentriert sich auf ein Themenfeld innerhalb der Informatik: Software-Engineering. Dabei handelt es sich um einen einerseits fest umgrenzten und überschaubaren, andererseits sehr vielfältigen Teilbereich der Informatik, der einen Großteil der praktischen und angewandten Informatik unter dem Gesichtspunkt der Software-Erstellung vereint.
1.2. Übersicht über die Arbeit
Diese Arbeit besteht aus drei Teilen. Der erste Teil beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Bedarf an Weiterbildung. Der zweite beleuchtet die universitären Rahmenbedingungen. Der dritte Teil schließlich entwickelt ein konkretes Lehrangebot.
Im anschließenden Kapitel 2 wird zunächst anhand einiger Argumenten aufgezeigt, welche Argumente es für eine universitäre Weiterbildung gibt. Das Kapitel 3 stellt die Ergebnisse der Interviews dar, die mit Firmen geführt wurden; die Interviews werden ergänzt und verglichen mit den Ergebnisse einer Reihe von anderen Studien. Im Kapitel 4 wird ein Blick auf die Konkurrenz im Weiterbildungssektor geworfen, da auf diese Weise Rückschlüsse über die gewünschten Unterrichtsthemen und -formen gewonnen werden können. Im Kapitel 5 werden die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Kapitel noch einmal kurz zusammengefasst und ausgewertet. Kapitel 6 beleuchtet die gesetzlichen, strukturellen und pädagogischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer universitäre Weiterbildung angeboten werden kann. Im anschließenden Kapitel 7 werden die sich daraus ergebenden Perspektiven vorgestellt. Die nächsten zwei Kapitel entwerfen ein konkretes Angebot: Zunächst werden im Kapitel 8 die für Software-Engineering wesentlichen Lehrinhalte identifiziert; im anschließenden Kapitel 9 wird ein kompletter Aufbaustudiengang für Software-Ingenieure entwickelt. Im abschließenden Kapitel 10 wird die konkrete Umsetzung der entwickelten Angebote umrissen.
Um eiligen Lesern das schnelle Sichten der Arbeit zu erleichtern, findet sich am Beginn jedes Abschnittes ein fett gedruckter Absatz, der den gesamten Abschnitt in aller Kürze zusammenfasst.
Warum überhaupt Weiterbildung
an der Hochschule?
In diesem Kapitel werden die vier Hauptargumente vorgestellt, die für ein Engagement des Fachbereichs Informatik in der beruflichen Weiterbildung sprechen:
- Gesetzlicher Auftrag,
- Gesellschaftliche Verantwortung,
- Finanzielle Anreize und
- Industriekontakte.
Allerdings darf Weiterbildung am Fachbereich nicht auf Kosten der Forschung oder der grundständigen Lehre stattfinden. Deshalb werden im letzten Abschnitt dieses Kapitels Gegenargumente aufgezählt und es wird aufgezeigt, welche Forderungen sich daraus ergeben.
2. Warum überhaupt Weiterbildung an der Hochschule?
2.1. Gesetzlicher Auftrag
Der gesetzliche Auftrag zur Weiterbildung wird im bundesweiten und im hessischen Hochschulgesetz, sowie in Vereinbarungen zwischen dem Land Hessen und der Technischen Universität Darmstadt formuliert.
Im Paragraph §2, "Aufgaben", des bundesweit geltenden Hochschulrahmengesetz (HRG) wird neben der Forschung und Lehre auch ausdrücklich die Weiterbildung als Aufgabe der Hochschulen verankert[1]. Das Hessische Hochschulgesetz (HHG) nimmt diese Aufgabe auf und fordert im ersten Abschnitt des Paragraphen §21 "Weiterbildung":
Die Hochschulen sollen weiterbildende Studien zur wissenschaftlichen Vertiefung und Ergänzung berufspraktischer Erfahrungen entwickeln und anbieten.[2]
Diese Forderung schlägt sich auch nieder im Hochschulpakt zwischen dem Land Hessen und seinen Hochschulen; dort heißt es:
Die Aufgaben der Hochschulen reichen über die unmittelbaren Tätigkeiten in Forschung und Lehre hinaus und umfassen auch [...] Angebote zum lebenslangen Lernen und besondere Angebote akademischer Weiterbildung.[3]
Die Zielvereinbarung zwischen dem Land Hessen und der Technischen Universität Darmstadt, die am 28.Oktober 2002 verabschiedet wurde, enthält eine entsprechende Passage; dort ist im Abschnitt 3.4 "Wissens- und Technologietransfer" ausdrücklich von einem "Ausbau der wissenschaftlichen Weiterbildung" die Rede, "den die TU Darmstadt z.B. durch die Einrichtung einer Weiterbildungsinstitution (International Institute in LifeLong Learning - I3L3) auf ihren Kompetenzfeldern gezielt betreibt."[4]
Die Zielvereinbarung mit dem Land Hessen soll innerhalb der Hochschule wiederum auf detaillierte Zielvereinbarungen mit den einzelnen Fachbereichen heruntergebrochen werden; mit diesen Vereinbarungen ist in etwa zwei Jahren zu rechnen[5]. Es ist absehbar, dass Weiterbildung auch in diesen Abkommen mit den einzelnen Fachbereichen eine Rolle spielen wird.
2.2. Gesellschaftlicher Auftrag
Die Forderung, dass im Rahmen des "Lebenslangen Lernens" auch die Hochschulen durch ein wissenschaftliches Weiterbildungsangebot Verantwortung übernehmen sollen, wird von der Politik, Fachverbänden und den Hochschulen vertreten. In diesem Abschnitt wird ein Querschnitt dieser Forderungen vorgestellt.
In einer Rede zum Thema "Zukunftsorientierte Bildung" wies die Bundesministerin für Bildung und Forschung Frau Bulmahn (SPD) auf die steigende Bedeutung des lebenslangen Lernen hin: "Neue und andere Qualifikationen sind gefragt: Fachkenntnisse verbunden mit sozialer Kompetenz, Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenz, die Fähigkeit zu selbständigem, lebenslangen Lernen und Medienkompetenz sind gefragter denn je."[6] In diesem Zusammenhang wird im Aktionsprogramm "Lebensbegleitendes Lernen für alle" des BMBF die Notwendigkeit einer ständigen Weiterbildung erklärt: "Für den Einzelnen ist ständige Weiterbildung zur Entwicklung und Förderung beruflicher Qualifikationen und Kompetenzen, [...] unverzichtbar geworden."[7]
Ruprecht Polenz, ehemaliger Generalsekretär der CDU, stellt in einer Rede unter dem Motto "Leitbilder zukunftsorientierter Hochschulpolitik" fest:
"Lebenslanges Lernen" - das ist das Motto für die Wissensgesellschaft der Zukunft. Es ist zugleich eine große Aufgabe für die Bildungspolitik in unserem Land, und es ist schließlich [...] für die Hochschulen [...] die Chance, Weiterbildungspartner der Unternehmen zu werden.[8]
In einem Artikel anlässlich der Hochschul- und Berufsinformationstage in Darmstadt steht in der Hochschulzeitung TUD Intern:
Motto "Lebenslanges Lernen". Damit wird deutlich gemacht, dass Qualifizierung nicht mit dem Studium [...] abgetan ist, sondern eine erfolgreiche Berufstätigkeit lebenslanges Lernen [...] notwendig macht[...]. Folglich werden als Adressaten neben [...] den Schülerinnen und Schülern [... auch] Berufstätige angesprochen. Sie werden in Abendveranstaltungen mit Weiterbildungsmöglichkeiten in der Hochschulregion Darmstadt bekannt gemacht.[9]
Prof. Glotz von der Universität St. Gallen schlägt vor: "Ergänzend zur Erstausbildung sollten die Universitäten lebenslanges Lernen organisieren – durchaus gegen Entgelt und auch maßgeschneidert für einzelne Unternehmen."[10] Der Fachbereich "Ausbildung und Beruf" der Gesellschaft für Informatik gab bereits 1995 eine Empfehlung zur Weiterbildung für Informatiker durch die Hochschulen:
Das Wachstum an Wissen und die zunehmende Verkürzung der Innovationszyklen [...] insbesondere in der Informatik lässt zunehmend Bildung als wichtiges Wirtschaftsgut erscheinen. Dies bedingt einen Bedarf an kontinuierlichen Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen [...].Weiterbildungsmaßnahmen müssen von Industrie und Wirtschaft und ihren Sozialpartnern sowie den Hochschulen partnerschaftlich getragen werden. Zu den Aufgaben der Hochschulen zählt es, Weiterbildung auf einem allgemeinen, herstellerunabhängigen und wissenschaftlichen Niveau anzubieten. Dabei müssen sich die Angebote der Hochschulen und der anderen Anbieter ergänzen.[11]
2.3. Weiterbildung als Einnahmequelle
Weiterbildung kann als Einnahmequelle genutzt werden. Die Einnahmen kommen den beteiligten Dozenten, dem Fachbereich und allen Studierenden zugute.
In einer Empfehlung der Gesellschaft für Informatik wird für die Weiterbildung an den Hochschulen gefordert:
Weiterbildung kann [...] eine Quelle eigener Einnahmen für die Fakultäten darstellen. Es müssen Möglichkeiten für die Hochschulen geschaffen werden, durch marktgerechte und kostenbezogene Gestaltung Kurseinnahmen zu gewinnen und diese entsprechend der Drittmittelbewirtschaftung flexibel einzusetzen. [... Es erscheint] durchaus gerechtfertigt und zweckmäßig, den besonderen Zusatzaufwand solcher Weiterbildungsveranstaltungen, die z.T. außerhalb regulärer Arbeitszeiten stattfinden, auch materiell zu entschädigen. Es muss daher möglich sein, den beteiligten Hochschullehrern und Mitarbeitern diesen Zusatzaufwand aus den Einnahmen zu vergüten [...].[12]
Im Hessischen Hochschulgesetz wird dieser Forderung im wesentlichen entsprochen, dort heißt es: "Für den Besuch weiterbildender Studien sind insgesamt kostendeckend Entgelte zu erheben", sowie: "Mitgliedern der Hochschule, die zusätzlich zu ihren dienstlichen Verpflichtungen Aufgaben in der Weiterbildung übernehmen, kann dies vergütet werden."[13]
Der Fachbereich kann von diesen Einnahmen in mehrerer Hinsicht profitieren:
- Dozenten: Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und in Einzelfällen auch studentische Hilfskräfte, die als Dozenten oder Betreuer an Veranstaltungen beteiligt sind, bekommen dafür ein Honorar.[14]
- Fachbereich: Ein Teil der Einnahmen wird an den Fachbereich fließen, der diese Gelder ähnlich wie Drittmittel flexibel einsetzen kann, zum Beispiel zum Einstellen von mehr Tutoren oder zum Kauf besserer Ausstattung.
- Studierende: Ein Teil der Einnahmen wird in die Verbesserung der Ausstattung und Service-Infrastruktur fließen, da zahlende Kunden in der Regel einen höheren Standard erwarten. Momentan findet dadurch noch tendenziell eine Zweiklassenbildung statt[15], aber langfristig wird sich diese Trennung hoffentlich nicht halten, so dass auch normale Studierende von dieser Verbesserung der Ausstattung profitieren können.
Bis Weiterbildung profitabel angeboten werden kann, muss allerdings eine erhebliche Anschubfinanzierung geleistet werden. Im Kapitel 6.5 wird näher auf die Kostenkalkulation eingegangen.
2.4. Industriekontakte und positive Rückkopplung
Weiterbildung eröffnet Industriekontakte; berufstätige Teilnehmer ermöglichen Dozenten und Studierenden eine neue, pragmatische Sichtweise auf die Lehrinhalte.
In der Empfehlung der Gesellschaft für Informatik zur Weiterbildung für Informatiker durch die Hochschulen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "für die beteiligten Hochschullehrer [...] ein wesentlicher Anreiz bereits in dem ideellen Gewinn [liegt], der mit den weiterbildungsbezogenen Praxiskontakten verbunden ist." Weiter heißt es dort: "Durch Weiterbildungsmaßnahmen eröffnen sich den Hochschulen zusätzliche Wege für den Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis. Dies wirkt auch auf die grundständige Erstausbildung positiv zurück, da die Umsetzbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse direkter verfolgt werden kann."[16]
Auch umgekehrt kann auch die Praxis Impulse in die Hochschule bringen. So wird von der Industrie gerade bei Absolventen einer Universität oft eine zu geringe Praxiserfahrung bemängelt[17]. Gemeint ist damit ein mangelndes Bewusstsein für die Pragmatismen in einer Firma, wie zum Beispiel der tägliche Papierkram, Auseinandersetzung mit Teamstrukturen sowie der Einsatz von Techniken, die nicht mehr die allerneuesten sind. Solche Pragmatismen des Berufslebens machen das Fachwissen, das an der Universität gelehrt wird, nicht weniger wertvoll[18] ; aber sie erschweren es dem Studierenden an seinem späteren Arbeitsplatz, sein Wissen und Können effektiv einzusetzen. Es kann daher nicht schaden, schon frühzeitig einen Eindruck von diesen Zwängen zu bekommen und bereits an der Hochschule, in einem geschützten Rahmen, zu lernen, damit umzugehen.
2.5. Gegenargumente
Weiterbildung am Fachbereich darf nicht auf Kosten der Forschung oder der grundständigen Lehre stattfinden. Es gibt eine Reihe von Rahmenbedingungen, die eingehalten werden müssen, bevor sich der Fachbereich mit gutem Gewissens in der Weiterbildung engagieren kann.
Vernachlässigung anderer Aufgaben
Neben der Aufgabe der Weiterbildung haben die Hochschulen vor allem die vorrangige Aufgabe der Forschung und der grundständigen Lehre. Mit diesen Aufgaben ist der Fachbereich zur Zeit gut ausgelastet, gerade in Anbetracht der dramatisch angestiegenen Studierendenzahlen. Dies konstatiert auch Bundesministerin für Bildung und Forschung Edelgard Bulmahn:
Bereits seit Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes 1976 gehört die Weiterbildung zu den regulären Aufgaben der Hochschulen. Bisher konnten die Hochschulen dieser Aufgabe u.a. wegen der Überlastsituation im Bereich der Erstausbildung nur in beschränktem Umfang nachkommen.[19]
In dieselbe Bresche schlägt die Gesellschaft für Informatik:
In den Informatikstudiengängen herrscht seit Jahren eine erhebliche Überlast, die zusammen mit der zu niedrigen Curricularbewertung des Faches zu gravierenden Engpässen bei der grundständigen Ausbildung geführt hat. Dadurch ist die Aufgabe in der Weiterbildung häufig sehr stark in den Hintergrund getreten. Für die Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen müssen den Hochschulen zusätzliche Mittel und Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden.[20]
Die aktuelle Politik zielt darauf ab, dass die Hochschulen diese zusätzlichen Ressourcen aus eigener Kraft durch ein kostendeckendes Weiterbildungsprogramm erwirtschaften: "Mit der schrittweisen Einführung von Globalhaushalten, den Bestimmungen des HRG zu neuen, international kompatiblen und gestuften (Bachelor-/Master-) Abschlüssen und den angestrebten größeren Autonomiespielräumen der Hochschulen erhalten diese verbesserte Möglichkeiten, sich auch der Weiterbildung anzunehmen."[21] Wie aber im Abschnitt 2.3 bereits angedeutet ist und im Kapitel 6.5 vertieft erläutert wird, ist eine erhebliche Anschubfinanzierung nötig, bis eine wissenschaftliche Weiterbildung überhaupt kostendeckend arbeiten kann.
Wenn die neue Aufgabe der Weiterbildung nicht zu Lasten der traditionellen Aufgaben (Forschung und Lehre) gehen soll, so muss der Zusatzaufwand minimiert oder weitere Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Verzetteln durch zu viele Aufgaben
Ein weiteres Gegenargument ist die Befürchtung, der Fachbereich könnte durch zu viele Aktivitäten an Profil verlieren. Damit sich diese Befürchtungen nicht bewahrheiten, muss dafür gesorgt werden, dass die Weiterbildung mit der grundständigen Lehre und Forschung verbunden bleibt; Weiterbildungsangebote sollten aus Lehre und Forschung erwachsen und kein eigenständiger Bereich werden. Andererseits aber erfordert eine sinnvolle Weiterbildung durchaus eine Anpassung an die Bedürfnisse von Berufstätigen. Daher sollte versucht werden, die Lehrinhalte von Forschung, Lehre und Weiterbildung zu synchronisieren, und lediglich in den Lehrformen Anpassungen an die jeweiligen Bedürfnisse vorzunehmen.
Bedarfsanalyse
Um das Angebot nicht in den luftleeren Raum hineinzuentwickeln, wurden zunächst im Rahmen einer Bedarfsanalyse potentielle Interessenten interviewt. Sie wurden befragt, bei welchen Themen sie Weiterbildungsbedarf sehen und welche Unterrichtsformen sie bevorzugen. Diese Gespräche wurden zum Großteil im Sommer und Herbst 2001 in Zusammenarbeit mit Herrn Henhapl (Dekan des Fachbereichs Informatik) und Frau Kriegler (Referat für Weiterbildung an der TUD) durchgeführt; die Firmenvertreter waren in der Regel Projektleiter und Personalverantwortliche. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden durch die Ergebnisse anderer, repräsentativer Studien und Marktanalysen ergänzt.
3. Bedarfsanalyse
3.1. Auswahl der Gesprächspartner
Da es nicht möglich ist, alle Firmen zu befragen, die möglicherweise an unserem Weiterbildungsangebot interessiert sein könnten, wurde stichprobenartig eine repräsentative Auswahl von acht potentiellen Kunden im Rhein-Main-Gebiet interviewt.
Es wurden nur Firmen aus dem regionalen Einzugsgebiet (Rhein-Main-Gebiet) interviewt, da von vornherein feststand, dass kein Fernstudiengang angeboten werden soll. Mit Vertretern der folgenden acht Firmen wurden Gespräche geführt; die Gesprächspartner waren in der Regel Leiter der IT-Abteilungen, Projektleiter oder Personalverantwortliche:
- Bundeskriminalamt BKA Wiesbaden
- danet GmbH
- Debis Systemhaus[1] GmbH
- Dregis Dresdner Global IT Services GmbH
- Dresdner Bank AG
- Lufthansa Systems Airline Services GmbH
- Robert Bosch GmbH
- sd&m AG
Mit dieser Auswahl an Gesprächspartnern wurde eine angemessene Repräsentativität erzielt:
- Hinsichtlich der Produkte: Es wurden Firmen mit fester Produktpalette (z.B. Bosch) und Hersteller von Individualsoftware (z.B. sd&m oder Danet) interviewt.
- Hinsichtlich der Kundengruppe: Es wurden Firmen, die in Projekten für externe Kunden arbeiten (z.B. Danet und die Software AG) und Firmen, die Diensteistungen fürs eigene Unternehmen erbringen (z.B. Dresdner Bank), interviewt.
- Hinsichtlich der Organisationsform: Es wurden Behörden (z.B. BKA) und Firmen (z.B. Dregis) interviewt.
- Hinsichtlich des Firmenalters: Es wurden alte etablierte Firmen (z.B. Bosch, gegründet 1886) und vergleichsweise junge Firmen (z.B. Danet, gegründet 1981) interviewt.
Hinsichtlich der Firmengröße konnte leider keine Repräsentativität erzielt werden, da von zwölf angeschriebenen kleineren Firmen (mit weniger als 50 Mitarbeitern) keine einzige Bereitschaft zu einem Gespräch zeigte.
3.2. Gesprächsführung
Die Gespräche wurden anhand einiger Leitthemen strukturiert. Ziel war dabei, Informationen über die potentielle Zielgruppe, gewünschte Inhalte, mögliche Veranstaltungsformen und unsere Konkurrenz zu gewinnen.
Bei Interviews wird üblicherweise zwischen strukturierten und freien Interviews unterschieden. In strukturierten Interviews wird eine feststehende Fragenliste abgearbeitet; freie Interviews hingegen ähneln oft informellen Gesprächen, weil der Interviewer seine Fragen spontan aus der jeweiligen Gesprächssituation heraus stellt.
Für die vorliegende Aufgabe versprach eine Kombination dieser beiden Formen den meisten Erfolg: Durch eine Vorstrukturierung und das Vorbereiten von Fragen werden keine Punkte vergessen, durch das Zulassen eines natürlichen Gesprächs wird dem Gesprächspartner Raum gelassen um intuitive Gedanken zu äußern und Fragen zu provozieren, auf die der Interviewer von selbst vielleicht nie gekommen wäre. Die grobe Gesprächsstruktur ist aus dem Frageleitfaden im Anhang B ersichtlich.
3.3. Ergebnisse der Interviews
In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der Interviews detailliert vorgestellt; im Kapitel 5 werden die wichtigsten Punkte zusammengefasst und bewertet.
3.3.1. Bundeskriminalamt BKA Wiesbaden
Tätigkeitsfelder
Beim Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden[2] arbeiten etwa 430 Mitarbeiter im Bereich Informationstechnik, darunter etwa 150 Mitarbeiter direkt in der Software-Entwicklung. Diese Mitarbeiter sind größtenteils damit beschäftigt, Netzwerke und Datenbanken zu warten und weiterzuentwickeln; ein kleiner Teil der Mitarbeiter arbeiten in der Forschung und Entwicklung, z.B. im Bereich der KI an Mustererkennung.
Personal
Die Mitarbeiter haben in der Regel einen FH-Abschluß, es gibt auch einige Universitäts-Absolventen (insbesonders in der Forschung und Entwicklung), die aber eher administrative Arbeit leisten.
Da die DV-Abteilung des BKA 1970 auf einen Schlag aufgebaut wurde, steht nun bald ein fast vollständiger Generationswechsel an. Weil das BKA nach Bundesangestelltentarif (BAT) zahlen muss und ein Informatiker auf dem freien Markt in der Regel deutlich mehr verdienen kann, ist es sehr schwierig, Informatiker anzuwerben. Daher stellt das BKA überwiegend Quereinsteiger (zum Beispiel Physiker, Mathematiker) ein. Bei der Einstellung von neuen Mitarbeitern wird insbesondere Wert gelegt auf gute Englischkenntnisse, Grundkenntnisse in Betriebssystemen und objektorientierter Programmierung, Erfahrungen mit Datenbanksystemen (am besten Oracle) und Netzwerken (z.B. Client/Server-Architekturen).
Interne und externe Weiterbildung
Angesichts der sehr engen Personalsituation sind die vorhandenen Mitarbeiter vollkommen ausgelastet, daher ist Weiterbildung momentan kein Thema; vielmehr herrscht ein großer Bedarf an neuen Mitarbeitern.
Inhalte
Für die Arbeit im BKA relevante Themen sind:
- Oracle-Programmierung
- Webdesign und Webprogrammierung (php, cgi)
- Netzwerk/Internet-Anbindung von Datenbanken
- Analyse-Modelle, Requirements-Engineering (Pflichtenheft, UML) wird zunehmend wichtiger, da viele Aufträge an externe Partner vergeben werden müssen
- IT-Sicherheit, Verschlüsselung, Firewalls
Da sich das BKA fest für Techniken entscheidet und diese dann etliche Jahre bis Jahrzehnte benutzt, brauchen sie Spezialisten für genau dieses ausgewählte Produkt; der Bedarf an produktunabhängigen Generalisten ist folglich eher gering. Insofern hat das BKA eher Interesse an Produktschulungen als an Grundlagenkursen (zum Beispiel lieber einen Visual J++ Kurs als einen Kurs in objektorientierter Programmierung). Denkbar sind allerdings auch Kursinhalte, die Mitarbeiter auf neue grundlegende Techniken einstimmen.
Softskills[3] werden als wichtiger Teil des Software-Engineering angesehen und sollten etwa 20% bis 30% der Ausbildung ausmachen. Der Bedarf an Softskill-Weiterbildung sei allerdings durch das interne Weiterbildungsangebot des BKA ausreichend abgedeckt.
Organisatorisches
Im Gegensatz zu den meisten privatwirtschaftlichen Firmen finden beim BKA Weiterbildungskurse grundsätzlich in der Arbeitszeit statt und werden komplett finanziert. Solche Kurse dürfen bis zu drei Tage lang sein. Bei Eigeninitiative von einzelnen Mitarbeitern sind individuelle Sonderregelungen möglich, das BKA bietet beispielsweise eine Reihe von Teilzeitmodellen an.
Das BKA nimmt externe Weiterbildungsangebote von Control Data in Frankfurt und dem Zentrum für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt (ZGDV) wahr, und beteiligt sich anlässlich des gerade anstehenden Umstiegs auf das Oracle Datenbanksystems an Produktschulungen von Oracle; Oracle biete bei "Mengenabnahmen" Sonderpreise von bis zu 50% an, was in Anbetracht des finanziellen Volumens nicht unbeträchtliche Rabatte sind.
Aufbaustudiengang
Ein Hochschulabschluss würde in der Gehaltsstruktur des BKA durchaus eine Rolle spielen; allerdings ist die damit verbundene Gehaltserhöhung unbedeutend im Vergleich zu dem Defizit, das die BKA-Gehälter im Vergleich zu den Gehältern der freien Wirtschaft haben. Gerade in Anbetracht der geringen Gehälter hat das BKA das Problem, dass mit jeder Weiterqualifizierung ihrer Mitarbeiter auch die Gefahr einer Abwanderung in den freien Mark steigt.
3.3.2. danet GmbH
Tätigkeitsfelder
Danet[4] führt in Kundenprojekten Beratung und Software-Entwicklung durch und hat sich auf "drei strategisch wichtige Bereiche ausgerichtet: die klassische Telekommunikation, Mobilkommunikation und Kommunikationsinfrastrukturen auf Basis der Internet-Technologie."[5]
Personal
Bei Danet arbeiten deutschlandweit rund 700 Mitarbeiter. Etwa die Hälfte der Mitarbeiter sind Informatiker, der Rest besteht aus Quereinsteigern, hauptsächlich Elektrotechnikern und Mathematikern. Fast alle Mitarbeiter haben entweder einen Universitätsabschluss (70%) oder einen Fachhochschulabschluss (27%).
Eigene und externe Weiterbildung
"Die Weiterbildung basiert auf einem firmeninternen Modell, bei dem alle Mitarbeiter einmal im Jahr zu einer Ausbildungswoche außerhalb der Firmenräume zusammenkommen. Dadurch ist es neben intensivem Erfahrungsaustausch möglich, einzelne Seminare je nach Ausbildungsstand der Mitarbeiter und nach aktuellem Bedarf auf die einzelnen Arbeitsgruppen auszurichten."[6]
Außerhalb dieser Ausbildungswoche gilt:
- Grundsätzlich wird von den Mitarbeitern selbstständiges lebenslanges Lernen erwartet.
- Wenn Kurse während der Arbeitszeit in Anspruch genommen werden (also von einem Projektleiter o.Ä. genehmigt werden), sind dreitägige Bausteine das absolute Maximum, beispielsweise zu aktuellen Fragestellungen, zur Auffrischung oder Vertiefung von Themen.
- Möchte ein Mitarbeiter an weiteren Workshops teilnehmen, so muss er dies in seiner Freizeit tun; in der Regel übernimmt Danet dafür die Seminarkosten.
- Reviews von Firmenarbeit als Studienleistungen heranzuziehen, sei nicht ganz unproblematisch, da keine einfache Zuschreibung von einzelnen Projektergebnissen an einzelne Teammitglieder möglich ist. Andererseits könne man dieses Problem durch eine mündliche Prüfung lösen.
- Grundsätzlich wird eine Prüfung am Ende der einzelnen Kursbausteine befürwortet, "sonst ist es ja nur Unterhaltung."
Was die Wahl der externen Fortbildungsanbieter betrifft, so greift man in der Regel nicht pauschal auf eine bestimmte Institution zurück, sondern bindet sich eher an einzelnen Personen, mit denen man gute Erfahrungen gemacht hat.
Inhalte
Besonders die Quereinsteiger (zum Beispiel Physiker, Mathematiker, Elektrotechniker) haben oft zu wenig Informatikgrundlagen; speziell dieser Zielgruppe würde man gerne einen "Grundkurs" in Software-Engineering anbieten, der etwa folgende Themen beinhalten sollte:
- Betriebssystem-Grundkenntnisse
- Grundlagen des Software-Engineering
- Strukturierter methodischer Umgang mit Software
Desweiteren sind folgende Themen für alle Mitarbeiter interessant:
- Prozessmodelle
- Qualitätssicherung
- Aufwandsabschätzung
- Projektplanung
- Dokumentation
- Testen
- Systemintegration
Der Bedarf an Kursen für das mittlere Management (zum Beispiel Strategie-Kurse über neue Techniken und Forschungsergebnisse) ist eher gering, da diese Zielgruppe weniger mit fachlichen, sondern mehr mit organisatorischen, personellen und betriebswirtschaftlichen Aufgaben betreut ist.
Organisatorisches
Für neu eingestellte Mitarbeiter, insbesondere für informatikfremde Quereinsteiger, wäre ein längerer Software-Engineering Grundkurs durchaus sinnvoll. Dieser Grundkurs sollte kompakt sein und nicht unbedingt weiter in kleine Module aufgeteilt werden. Desweiteren sollte er berufsbegleitend sein: Zum einen kann es sich die Danet "nicht leisten, Leute einzustellen und dann erst mal für zwei Monate auf Kurs zu schicken", zum anderen kann dann diese Phase zusätzlich dazu genutzt werden, um die neu eingestellten Mitarbeiter an das Tagesgeschäft in der Firma einzugewöhnen.
Aufbaustudiengang
Nach der Einstellung hat ein staatlich anerkannter Abschluss keinen Einfluss mehr auf Karriere und Einkommen der Mitarbeiter, insofern hat Danet kein besonderes Interesse an einem berufsbegleitenden Hochschulabschluss für ihre Mitarbeiter. Gerade in Anbetracht der relativ kurzen Verweildauer in Software-Firmen sind die für einen Studiengang angesetzten vier Jahre zu lang: "Wer vier Jahre bei Danet arbeitet, ist dann entweder Senior-Chef oder dämlich." Ein Abschluss müsse in maximal zwei Jahren erreichbar sein, dafür darf das Programm dann auch ruhig etwas zeitintensiver sein.
3.3.3. Debis Systemhaus GmbH
Tätigkeitsfelder
Das Systemhaus Debis[7] führt für seine Kunden Projekte durch, in denen Software entwickelt wird, schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Telekommunikation (75%) und der IT-Sicherheit (25%). Inzwischen ist Debis in T-Systems integriert und in T-Systems ITS umbenannt worden.
Personal
In Darmstadt hat Debis rund 800 Mitarbeiter. 90% der Mitarbeiter haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss. Nur etwa 15% sind Informatiker, der Rest sind Quereinsteiger, hauptsächlich aus natur- und ingenieurwissenschaftlichen Bereichen.
Eigene Weiterbildung
Neu eingestellte Mitarbeiter nehmen grundsätzlich für etwa zwei Monate an einem internen Trainee-Programm teil; Themen dieser Kurse sind:
- Informationen rund um Debis
- Fachwissen aus der Telekommunikationsbranche
- Grundlagen in Datenbanken, Unix, Office Anwendungen
- Grundlagen von UML
- Java Programmierung
Ein weiteres wichtiges Element in der Einarbeitung von neuen Mitarbeitern ist "training on the job", bei der erfahrene Mitarbeiter eine Patenschaft für einen Neueinsteiger übernehmen und zusammen mit ihm einen Ausbildungsplan erstellen. Bei debis wird in Projektteams (Teamgröße von 4 Personen bis hin zu 150 Mann starken Teams) gearbeitet und dabei wird viel von den Teamkollegen gelernt; bei diesem Lernprozess spielen gerade die Informatiker als Multiplikatoren eine wichtige Rolle. In der Regel sind neue Mitarbeiter nach einem halben Jahr "produktiv".
Debis hat ein reichhaltiges Weiterbildungsangebot (Debis Systemhaus Training GmbH) mit rund 100 verschiedenen Kursen, die auch externen Interessenten zur Verfügung stehen.
Organisatorisches
Intern kann jeder Mitarbeiter über ein Budget von acht Arbeitstagen im Jahr für seine Weiterbildung frei verfügen; projektspezifische Weiterbildung wird dabei nicht mitgezählt. Über diese acht Tage hinausgehende Weiterbildung wird in der Regel von Debis bezahlt, muss aber in der Freizeit des Mitarbeiters stattfinden.
- Die Mitarbeiter machen in der Regel wenig Überstunden, deshalb ist es durchaus möglich, dass einzelne Mitarbeiter in ihrer Freizeit an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen.
- Die Mitarbeiter arbeiten immer mehr beim Kunden vor Ort. Ein längeres Kursprogramm ist daher am ehesten noch kurz nach der Einstellung möglich, da sie dann noch nicht so oft zwischen Kunden und Debis pendeln.
- Kurze Einzelblöcke (maximal drei Tage lang) sind möglich.
- Statt mehreren kleinen verteilten Blöcken lieber eine ganze Woche, da der Projektleiter so seine Mitarbeiter besser einplanen kann.
- Die Einbeziehung von Firmenarbeit (zum Beispiel in Form von Projekt-Reviews) ist möglich.
- Eine Prüfung als Abschluss eines Fortbildungsblocks ist in Ordnung.
- Auch erfahrene Informatiker können schon mal für eine ganze Woche entbehrt werden - aber nicht zu oft; also nicht mehr als zweimal im Jahr.
Themen
Angesichts der vielen Quereinsteiger besteht ein Bedarf an einer Vermittlung von Basiswissen und Methoden des Software-Engineering, um aus Naturwissenschaftlern halbwegs solide Softwareentwickler zu machen.
Die interne Weiterbildungsabteilung von Debis ist nicht immer up-to-date und kann bei neuen Trends nicht immer mithalten. Ein Bedarf an allzu aktuellen Forschungsergebnissen besteht allerdings auch nicht besonders, da Debis in der Regel auf bewährte Techniken statt cutting-edge Technologien setzt. Interessanten Themen wären zum Beispiel:
- Business-Modelle
- Fach-Englisch
- Trends und aktuelle Themen aus der Software-Technik (aber nicht zu neu, siehe oben)
- Ein aktuelles heißes Thema ist Produktkaufberatung und Integration von verschiedenen eingekauften Systemen mit den Systemen der Kunden.
Aufbaustudiengang
Ein formaler Abschluss beeinflusst - nach der Einstellung - nicht die Karriere der Mitarbeiter. Das Gehalt wird nicht von formalen Kriterien (wie zum Beispiel Hochschulabschluss) bestimmt, sondern hängt alleine von der erbrachten Leistung ab. Zudem haben mehr als 90% der Mitarbeiter bereits einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss. An einer Weiterbildung ihrer Mitarbeiter mit dem Ziel, einen weiteren Hochschulabschluss zu erwerben, hat Debis daher kein gesteigertes Interesse.
Am Kooperativen Bachelor-Studiengang Informatik der Fachhochschule Darmstadt[8] hingegen beteiligt sich Debis zur Zeit mit rund 18 Studenten. In einem solchen kooperativen Studiengang stellt ein Betrieb einen Studierenden bereits zum Beginn des Studiums ein; als Gegenwert für das Gehalt arbeitet der Student in den Ferien und in Praxissemestern im Betrieb. Das Studium wird mit einem Bachelorgrad abgeschlossen. Debis ist momentan nicht ganz glücklich mit diesem Programm, da sie den Eindruck haben, dass "ihre" Studenten im Rahmen dieses Studiengangs nicht genügend das Gefühl bekommen können, zu Debis zu gehören.
3.3.4. Dregis Dresdner Global IT-Services GmbH
Tätigkeitsfelder
Bei Dresdner Global IT-Services (kurz "Dregis"), einer hundertprozentigen Tochter der Dresdner Bank, arbeiten über 1.000 Mitarbeiter. Dregis stellt der Dresdner Bank die nötigen IT-Services zur Verfügung und bietet diese auch extern an: "Als eigenständiger IT-Dienstleister bieten wir unser Know-how und unsere weltweite Kompetenz jetzt auch Kunden außerhalb der Finanzwirtschaft an."[9] Die Spezialgebiete von Dregis sind Netzwerke und Sicherheit.
Personal
Dregis existiert in dieser Form seit etwa einem Jahr. In der "Explosionsphase" wurden viele Quereinsteiger eingestellt; die zweite große Mitarbeitergruppe sind langjährige Mitarbeiter aus dem Stab der Dresdner Bank, die zum Teil nach ihrer Banklehre direkt in die IT "reingerutscht" sind und sich in zwei Jahrzehnten das nötige Wissen angelernt haben.
Interne und externe Weiterbildung
Die Dresdner Bank verfügt über eine eigene IT Akademie, in der zum Beispiel ein zweijähriger Ausbildungsgang zum Projektmanager angeboten wird. Desweiteren werden auch externe Angebote, z.B. von Unilog-Integrata in Anspruch genommen.
Inhalte
Da die Gesprächspartnerin aus der Personalabteilung war, hat sie für die IT-Inhalte auf ihre Fachkollegen verwiesen (siehe Abschnitt 3.3.5, "Dresdner Bank"); ihr selbst war wichtig, dass die Mitarbeiter ihre soziale Kompetenz stärken, insbesonders auf den Gebieten:
- Zeitmanagement
- Präsentationstechniken
- Teamfähigkeit
- Interdisziplinarität (insb. Kommunikationsfähigkeit)
- Stressmanagement
Organisatorisches
Das Angebot des Bildungsurlaubs wird nur sehr selten angenommen; zum einen hat es einen negativen Ruf ("die machen sich dort nur ein schönes Leben"), zum anderen wird das projektorientierte Lernen als effizienter eingeschätzt. Kurzseminare (zum Beispiel zwei Tage am Stück, mitten in der Woche) werden oft kurzfristig abgesagt, wenn das anstehende Projekt gerade in einer heißen Phase ist.
3.3.5. Dresdner Bank AG
Tätigkeitsfelder
In der Zentrale der Dresdner Bank[10] in Frankfurt arbeiten etwa 800 Personen im IT Bereich; deren Hauptaufgaben sind die Wartung und Pflege der alten Banksysteme (zumeist in Cobol programmiert) sowie Entwicklung und Integration neuer Software (z.B. für Homebanking).
Personal
Geht es darum, ein "bankfachliches Problem in Cobol umsetzen", wird auf Mitarbeiter zurückgegriffen, die in der Regel Bankfachleute mit einer Zusatzausbildung in Cobol sind; Nur 20% der Mitarbeiter in der Software-Entwicklung sind Informatiker, die bei komplizierteren und weitreichenderen Probleme eingesetzt werden.
Interne und externe Weiterbildung
Die Dresdner Bank hat langjährige Erfahrungen mit Quereinsteigern, da oft bankfachliche Mitarbeiter zur Software-Entwicklung wechseln. In der Regel bekommen solche Quereinsteiger eine einjährige Vollzeit-Grundausbildung innerhalb der Bank. Danach wird sowohl "on the job", als auch anhand eines Weiterbildungskatalogs gelernt. Die meisten Kurse werden durch das zentrale Schulungszentrum der Dresdner Bank durchgeführt; dieses Zentrum bekommt von den einzelnen Abteilungsleitern Listen mit Themenvorschlägen und organisiert dazu die Dozenten, verwaltet die Anmeldungen und stellt die Schulungsräume bereit. Fast alle Schulungen werden im Hause durchgeführt.
Die Seminardauer liegt zwischen einem halben Tag bis zu fünf Tagen. Übers Jahr verteilt können Mitarbeiter höchstens sechsmal für eine Woche zu einer Weiterbildungsveranstaltung abgestellt werden.
Zwischen den Weiterbildungsabteilungen der einzelnen Banken gibt es eine lose Zusammenarbeit; man informiert sich gegenseitig über gute und schlechte Kurse. So kann unter Umständen ein Kurs, der bei einer Bank gut angekommen ist, auch von anderen Banken nachgefragt werden.
[...]
[1] inzwischen T-Systems ITS GmbH
[2] www.bka.de
[3] Was alles unter dem schillernden Begriff "Softskills" bzw. "Schlüsselqualifikationen" verstanden werden kann, siehe Abschnitt 8.5.
[4] http://www.danet.de
[5] [DANET], Seite 6
[6] [DANET], Seite 8
[7] www.debis.de/debis/systemhaus wird automatisch weitergeleitet zu http://www.t-systems.com
[8] Mehr Informationen zum Kooperativen Bachelor-Studiengangs Informatik (KoSI) auf den Webseiten des Fachbereichs Informatik an der Fachhochschule Darmstadt: www.fbi.fh-darmstadt.de
[9] http://www.dregis.de
[10] http://www.dresdner-bank.de
[1] [HRG02], §2, Abschnitte (1) und (7)
[2] [HHG01], §21, Abschnitt (1)
[3] [HOP01], Seite 2
[4] [ZIE02], Abschnitt 3.4, Seite 15
[5] [SUN02]
[6] [BUL01a], Seite 3
[7] [BUL01b], Seite 2
[8] [POL00]
[9] [TUD99]
[10] [GLO00]
[11] [GI95], Abschnitt 1, "Präambel"
[12] [GI95], Abschnitt 7, "Konkrete Maßnahmen"
[13] [HHG00], §21, Abschnitt (3)
[14] Durch einen Vereinbarung der Weiterbildungsabteilung mit der Personalabteilung soll das Gehalt als genehmigte Nebentätigkeit abgerechnet werden; es zählt folglich nicht als Teil des Lehrdeputats. Die Höhe des Dozentengehalts basiert einerseits an der Kostenkalkulation der jeweiligen Veranstaltung, soll sich aber an den marktüblichen Preisen orientieren.
[15] Ein gutes Beispiel hierfür ist der bestens ausgestattete Weiterbildungs-Seminarraum der TUD, der "normalen" Studierenden verschlossen ist.
[16] [GI95], Abschnitt 2, "Einleitung"
[17] Oft zu unrecht; denn was als "Mangel an Praxiserfahrung" beklagt wird, ist vielfach lediglich die Tatsache, dass Absolventen nicht "ready-to-use" sind, so ein Mitarbeiter der CSC Plöntke Akademie.
[18] Siehe auch [GAR97]; in diesem Artikel "Agents of Change" wird beschrieben, wie Software-Ingenieure neue Technologien und Veränderungen in Firmen hineintragen können; um diese Aufgabe erfüllen zu können, müssen Ingenieure nicht nur über das nötige Fachwissen verfügen, sondern auch ein Verständnis für die Abläufe innerhalb einer Firma entwickeln.
[19] [BUL01b], Abschnitt 3.2.6, Seite 20
[20] [GI95], Abschnitt 7, "Konkrete Maßnahmen"
[21] [BUL01b], Abschnitt 3.2.6, Seite 21
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