Am 4.11.2002 hat die High Level Group of Company Law Experts in dem sog. WinterBericht und ihr folgend die Europäische Kommission als Ziel die Herstellung eines effizienten und kompetitiven Marktes sowie die Stärkung der Aktionärs-, Anleger- und Gläubigerrechte benannt. Diese Zielsetzung ist nicht so umfassend wie diejenige der Schaffung rechtlicher und tatsächlicher Verhältnisse eines einheitlichen Marktes, des Binnenmarktes, wie in einem einheitlichen Staatsgebiet. Vielmehr gehen High Level Group und Kommission mittlerweile davon aus, dass eine Vollharmonisierung nicht notwendig sei, sondern dass bestimmte Einzelprobleme der Harmonisierung bzw. der Mindeststandardisierung bedürfen.
In jüngster Zeit ist in diesem Zusammenhang der EuGH aktiv geworden. Mit seiner Entscheidung in der Sache Inspire Art Ltd setzte der EuGH seine neuere Rechtsprechung (Centros, Überseering) zu den gemeinschaftsrechtlichen Grenzen der Anwendung inländischen Gesellschaftsrechts auf Gesellschaften aus anderen Mitgliedsstaaten fort.
Diese neuere Rechtsprechung ist im Kontext mit der bestehenden Vielzahl an europäischen Gesellschaftsrechten zu sehen, die überwunden werden soll. So ist sie auch als Kritik an dem langsamen Tempo der gemeinschaftlichen Harmonisierung zu verstehen, was der EuGH in dem Überseering-Urteil deutlich aussprach:
„[Es] kann kein Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung der vollen Wirksamkeit dieser Artikel [über die Niederlassungsfreiheit] daraus hergeleitet werden, dass bis heute keine Übereinkunft über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften auf der Grundlage des Art. 293 EGV geschlossen worden ist.“
Der EuGH übernimmt eine Rolle des Antreibers der europäischen Gesellschaftsrechtsangleichung, indem er durch die Konzentration der Harmonisierung auf bestimmte Problembereiche unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit erheblichen Druck auf die nationalen Gesetzgeber der Mitgliedstaaten ausübt. Das case law des EuGH bestimmt mittlerweile das europäische Gesellschaftsrecht wesentlich mit.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 EG-Vertrag und die Problematik der Scheinauslandsgesellschaften
- Der Begriff der Scheinauslandsgesellschaft
- Die Inspire-Art-Rechtsprechung des EuGH
- Das Überseering-Urteil und seine Auswirkungen
- Die Auswirkungen der Inspire-Art-Rechtsprechung auf das deutsche Gesellschaftsrecht
- Die Anwendung des deutschen Gesellschaftsrechts auf ausländische Gesellschaften
- Die Problematik der Kollisionsnormen
- Die Auswirkungen auf die Unternehmensmitbestimmung
- Kritik an der Inspire-Art-Rechtsprechung
- Die Gefahr der Rechtsunsicherheit
- Die Beeinträchtigung des deutschen Rechtsverkehrs
- Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit
- Reformvorschläge
- Eine europäische Rechtsvereinheitlichung
- Die Einführung eines neuen europäischen Gesellschaftsrechts
- Die Stärkung der nationalen Rechtsordnung
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Problematik der Regulierung von Scheinauslandsgesellschaften nach der Inspire-Art-Rechtsprechung des EuGH. Dabei wird insbesondere der Einfluss der Rechtsprechung auf das deutsche Gesellschaftsrecht und die damit verbundenen Probleme untersucht.
- Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 EG-Vertrag
- Begriff und Problematik von Scheinauslandsgesellschaften
- Auswirkungen der Inspire-Art-Rechtsprechung auf das deutsche Gesellschaftsrecht
- Kritik an der Rechtsprechung und mögliche Reformvorschläge
- Bedeutung für die Unternehmensmitbestimmung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 EG-Vertrag und die mit ihr verbundenen Herausforderungen in Bezug auf die Regulierung von Scheinauslandsgesellschaften. Es werden die verschiedenen Rechtsbegriffe und Rechtsprechungen des EuGH in diesem Kontext beleuchtet. Das zweite Kapitel widmet sich der Inspire-Art-Rechtsprechung und ihren Folgen für das deutsche Gesellschaftsrecht. Es untersucht die Anwendung des deutschen Gesellschaftsrechts auf ausländische Gesellschaften und die Problematik der Kollisionsnormen im europäischen Rechtsraum. Das dritte Kapitel analysiert die Kritik an der Inspire-Art-Rechtsprechung und diskutiert verschiedene Reformvorschläge, um die Rechtsunsicherheit zu reduzieren und den deutschen Rechtsverkehr zu schützen. Schließlich wird in einem abschließenden Kapitel die Bedeutung der Inspire-Art-Rechtsprechung für die Unternehmensmitbestimmung in Deutschland betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit folgenden Schlüsselbegriffen: Niederlassungsfreiheit, Scheinauslandsgesellschaft, Inspire-Art-Rechtsprechung, EuGH, Gesellschaftsrecht, Kollisionsnormen, Unternehmensmitbestimmung, Rechtsunsicherheit, Reformvorschläge.
- Arbeit zitieren
- Florian Ochmann (Autor:in), 2004, Problematik der Regulierung von Scheinauslandsgesellschaften nach Inspire Art, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33065