„Bilder und immer wieder Bilder“ klagt Cécile in Theodor Fontanes gleichnamigen Roman über die erdrückende Bilderflut im Berlin der 1880er Jahre; auch der Blick auf die „reale“ Welt wird immer wieder von bildästhetischen Kategorien geprägt. Die Bilder treten vor die Seele und breiten sich aus. Ein minimaler Reiz reicht und ein Bild tut sich auf. Bei vielen Figuren aus den Romanen Fontanes lässt sich eine besondere Wahrnehmung der Realität feststellen, die man als „ästhetisch“ bezeichnen könnte. Die Figuren betrachten die Wirklichkeit und sehen sie dabei nicht immer als solche, sondern vielmehr als Bilder, ohne manchmal die realen Sachverhalte zu erkennen. Diese Wahrnehmung scheint eng mit einer ebenso ästhetischen Lebenshaltung verbunden zu sein. In der vorliegender Arbeit soll zunächst gezeigt werden, wie Fontane die Idee des „bildhaften Sehens“ konkretisiert. Es scheint, dass Fontane die Personen in seinen Romanen durch ihre Art der Wahrnehmung charakterisiert. In diesem Zusammenhang möchte ich daher näher betrachten, welche Figuren in den Romanen von Theodor Fontane sich besonders gerne von „Bildern“ im Sinne einer ästhetischer Kategorie „entzücken“. Des weiteren soll analysiert werden, wie die Figuren ihre Sinneseindrücke verarbeiten. Dabei ist besonders von Interesse, wie sich die Art der Verarbeitung auf das Verhältnis dieser Figuren zur Realität auswirkt. Anregend erscheint in diesem Zusammenhang die Fragestellung, die Ulrike Kunz bezüglich ästhetischer Literatur beschäftigte. Sie stellt die Frage, ob die ästhetische Literatur: „nur als Ausdruck einer allgemeinen Lebenshaltung gesehen werden darf oder ob nicht vielmehr die Betonung des Sinnlich-Schönen auch eine spezielle Verarbeitung von Realität darstellt, (...) die als Ausweichen von der hässlichen Seiten der Wirklichkeit in ihrer Bedeutung herabgesetzt werden sollte.“
Den Abschluss der Arbeit bietet eine Analyse, wie Fontane die Schilderung von Landschaften zur Betonung der bildhaften Wahrnehmung verwendet. Die Romane Fontanes sind geradezu angefüllt mit Naturbeschreibungen. Die Natur wir aber nicht um ihr selber willen beschrieben. Sie stellt vielmehr ein Mittel dar, mit dem Fontane zu betonen verhilft, wie die Figuren die Natur als Bild konstruieren. Zugleich dienen diese Beschreibungen dem Autor dazu, den Leser das Innenleben der Figuren näher zu bringen und ihre Gefühle zu spiegeln.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das „bildhafte Sehen“ - Zeichen der ästhetischen Lebenshaltung
- Die ästhetischen „Feinschmecker“
- Die Dekadence als ästhetisches Prinzip
- Die ästhetische Einstellung der Melusinen
- Das bildhafte Sehen als Zeichen der Erfahrungsarmut
- Die ästhetischen „Feinschmecker“
- Die Landschaft in Bildern
- Impressionistische Schilderung der Natur
- Bilder der Natur als Stimmungsfaktor
- Die Fensterausblicke
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle des „bildhaften Sehens“ in den Romanen und Novellen Theodor Fontanes. Das Hauptziel besteht darin, aufzuzeigen, wie Fontane dieses Konzept konkretisiert und wie es die Charakterisierung seiner Figuren beeinflusst. Analysiert wird, wie Figuren Sinneseindrücke verarbeiten und wie sich dies auf ihr Verhältnis zur Realität auswirkt.
- Das „bildhafte Sehen“ als ästhetische Wahrnehmungskategorie
- Der Zusammenhang zwischen „bildhaftem Sehen“ und der Lebenshaltung der Figuren
- Die Rolle der Dekadence im Kontext des „bildhaften Sehens“
- Die Darstellung von Landschaften als Mittel zur Betonung der bildhaften Wahrnehmung
- Die Auswirkung der Wahrnehmungsweise auf das Verhältnis der Figuren zur Realität
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des „bildhaften Sehens“ in Fontanes Werken ein, ausgehend von Céciles Klage über die Bilderflut im Berlin der 1880er Jahre. Sie skizziert die Forschungsfrage, wie Fontane das „bildhafte Sehen“ bei seinen Figuren darstellt und wie dies ihre Charakterisierung und ihr Verhältnis zur Realität beeinflusst. Die Arbeit kündigt die Analyse der Wahrnehmung ästhetisch empfindender Figuren und die Untersuchung der Rolle von Landschaftsbeschreibungen an.
Das „bildhafte Sehen“ - Zeichen der ästhetischen Lebenshaltung: Dieses Kapitel untersucht die Wahrnehmung der Realität bei Fontanes Figuren, die diese nicht als solche, sondern als Bilder betrachten. Es wird analysiert, wie Fontane durch die Hervorhebung von Details und die Trennung von Kontext ein bewusst ästhetisches Sehen betont. Das Beispiel aus dem „Stechlin“, wo Dubslavs Reaktion auf die Schilderung eines englischen Paares im Café die Dominanz des ästhetischen Blicks verdeutlicht, illustriert diesen Aspekt. Der Abschnitt verknüpft das „bildhafte Sehen“ mit einer spezifischen Lebenshaltung.
Die Landschaft in Bildern: Dieses Kapitel analysiert Fontanes Landschaftsbeschreibungen, die nicht Selbstzweck sind, sondern Mittel zur Betonung der bildhaften Wahrnehmung der Figuren. Die Natur wird als Konstrukt dargestellt, welches gleichzeitig Einblicke in das Innenleben und die Gefühle der Figuren gewährt. Die Kapitel untersucht die impressionistische Schilderung der Natur, die Bilder der Natur als Stimmungsfaktor und die Bedeutung von Fensterausblicken.
Schlüsselwörter
Theodor Fontane, bildhaftes Sehen, ästhetische Wahrnehmung, Dekadence, Landschaftsdarstellung, Realität, Figurencharakterisierung, Sinneseindrücke, Melusinen-Motiv.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse des "bildhaften Sehens" bei Theodor Fontane
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Rolle des „bildhaften Sehens“ in den Romanen und Novellen Theodor Fontanes. Der Fokus liegt darauf, wie Fontane dieses Konzept konkretisiert und wie es die Charakterisierung seiner Figuren und deren Verhältnis zur Realität beeinflusst.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit untersucht das „bildhafte Sehen“ als ästhetische Wahrnehmungskategorie, den Zusammenhang zwischen „bildhaftem Sehen“ und der Lebenshaltung der Figuren, die Rolle der Dekadence in diesem Kontext, die Darstellung von Landschaften als Mittel zur Betonung der bildhaften Wahrnehmung und die Auswirkung der Wahrnehmungsweise auf das Verhältnis der Figuren zur Realität. Besonderes Augenmerk liegt auf der Analyse ästhetisch empfindender Figuren und der Interpretation von Landschaftsbeschreibungen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über das „bildhafte Sehen“ als Zeichen ästhetischer Lebenshaltung (inkl. Unterkapiteln zu den ästhetischen „Feinschmeckern“, der Dekadence, den Melusinen und der Erfahrungsarmut), ein Kapitel zur Landschaft in Bildern (inkl. Unterkapiteln zu impressionistischen Schilderungen, Natur als Stimmungsfaktor und Fensterausblicken) und eine Zusammenfassung.
Wie wird das „bildhafte Sehen“ in der Arbeit definiert und untersucht?
Das „bildhafte Sehen“ wird als eine spezifische Wahrnehmungsweise beschrieben, bei der die Figuren die Realität nicht als solche, sondern als Bilder betrachten. Die Analyse konzentriert sich auf die Hervorhebung von Details, die Trennung von Kontext und die Betonung eines bewusst ästhetischen Sehens bei Fontanes Figuren. Beispiele aus Fontanes Werken, wie Dubslavs Reaktion im „Stechlin“, veranschaulichen diese Aspekte.
Welche Rolle spielen Landschaftsbeschreibungen in der Arbeit?
Landschaftsbeschreibungen werden nicht als Selbstzweck betrachtet, sondern als Mittel zur Betonung der bildhaften Wahrnehmung der Figuren. Die Analyse untersucht, wie die Natur als Konstrukt dargestellt wird und gleichzeitig Einblicke in das Innenleben und die Gefühle der Figuren gewährt. Dabei werden impressionistische Schilderungen, die Natur als Stimmungsfaktor und die Bedeutung von Fensterausblicken berücksichtigt.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Theodor Fontane, bildhaftes Sehen, ästhetische Wahrnehmung, Dekadence, Landschaftsdarstellung, Realität, Figurencharakterisierung, Sinneseindrücke, Melusinen-Motiv.
Welche Forschungsfrage steht im Mittelpunkt der Arbeit?
Die zentrale Forschungsfrage ist, wie Fontane das „bildhafte Sehen“ bei seinen Figuren darstellt und wie dies ihre Charakterisierung und ihr Verhältnis zur Realität beeinflusst.
- Quote paper
- Elwira Zalewska (Author), 2003, Das bildhafte sehen der Figuren in den Romanen und Novellen von Theodor Fontane, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33079