Die Waldnutzung im Spiegel des Weistums zum Büdinger Reichswald


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

27 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Weistümer als Quellen

3. Quellenlage

4. Waldnutzung im Spiegel der Quelle
4.1 Wem gehört der Wald?
4.2 Wie sieht der Wald aus?
4.3 Wie wurde der Wald genutzt?
4.3.1 Holznutzung
4.3.2 Schweinemast, Weiderecht
4.3.3 Zucht von Waldpferden
4.3.4 Jagd
4.3.5 Köhler und Pechgewinnung
4.4 Konflikte

5. Ergebnisse

6. Bibliographie

1. Einleitung

Die wirtschaftliche Bedeutung des Waldes im Mittelalter ist enorm: Für die bäuerliche Landwirtschaft war der Wald unverzichtbar und wurde in vielfältiger Weise genutzt. Vom Waldboden sammelten die Dorfbewohner Laub, Kräuter, Äste und Moose. Vor allem von Ulmen, Linden und Eschen wurde Laubheu geschnitten, das man trocknete und als Winterfutter einbrachte. Natürlich wurde Holz auch als Brennstoff, Baumaterial oder Werkstoff für bäuerliche Geräte und alltägliche Dinge gebraucht. Besonders der Bedarf der mittelalterlichen Städte an Holz als Bau-, Brenn- und Werkstoff war riesig. Für zahlreiche Gewerbe war der Wald als Rohstofflieferant unabdinglich. Die wichtigsten Abnehmer waren Salinenbetriebe, Bergbau, Hüttenwesen, Köhler, Glashütten, Töpfer/Steinguthersteller, Sägemühlen und Papiermühlen. Holz wurde für die Herstellung und Gewinnung von Harz, Teer und Pech benötigt. Es wird deutlich: Der Wald war die wichtigste Ressource für die mittelalterliche Wirtschaft.

Es wundert daher kaum, dass der Zugriff auf diese Ressource geregelt werden musste. Vor allem im Spätmittelalter entstanden die Weistümer, die altes, mündlich tradiertes Recht schriftlich fixierten. Das Weistum über den Büdinger Reichswald, das in dieser Arbeit untersucht werden soll, ist ein solcher Rechtstext, der unter anderem die Nutzung eines abgegrenzten Waldgebietes regelte. Dabei ist das unter anderem bei Jacob Grimm[1] edierte Weistum aus dem 14. Jahrhundert nicht nur eine wichtige rechts- und sprachgeschichtliche Quelle, sondern gibt auch Auskunft über die wirtschaftliche Bedeutung des Büdinger Reichswaldes zur Entstehungszeit.

Diese Arbeit versucht anhand des Weistums als Quelle und der Forschungsliteratur vier Fragen zu beantworten: Wem gehört der Büdinger Reichswald? Wie sah er aus? Wie wurde er genutzt und welche Konflikte gab es bei der Nutzung?

Dazu ist es notwendig, zunächst den Begriff des Weistums zu klären und auf den Stand und die Problematik der Weistumsforschung hinzuweisen, damit die generelle Verwertbarkeit von Weistümern als Quellen eingeschätzt werden kann. Das soll im dieser Einleitung folgenden Kapitel geschehen, allerdings kann aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit nur ein grober Überblick gegeben werden. Grundlegendes dazu findet man beim Rechtshistoriker Dieter Werkmüller[2]. Er setzt sich vor allem mit einer Definition des Begriffs Weistum auseinander und diskutiert den Forschungsstand.

Auch der marxistische Geschichtswissenschaftler Jürgen Seemann[3] hat sich mit dem Thema befasst. Für ihn sind Weistümer Ausdruck wachsender Widersprüche zwischen feudaler Herrschaft und feudalabhängigen Bauern, die als Ergebnis sich zuspitzender Klassenauseinandersetzungen ihre Rechte fixieren.

Im dritten Kapitel folgt eine Darstellung der Quellenlage. Das Büdinger Weistum ist in mehreren Handschriften und Drucken wiedergegeben[4]. Die bis heute wichtigste Edition hat Jacob Grimm in seiner oben genannten Weistumssammlung geleistet. Sie ist Grundlage für das Gros dieser Arbeit vorliegender Sekundärliteratur. Werkmüller weist aber auf Unzulänglichkeiten bei Grimm hin, was Orginaltreue der bei ihm edierten Weistümer betrifft. Eine kritische Quellenedition bietet Reimer im Hessischen Urkundenbuch[5]. Reimer führt verschiedene Lesarten auf und hat zusätzliche Informationen zu den Handschriften und Drucken hinzugefügt. Außerdem soll in diesem Kapitel die Datierung des Weistums auf das Jahr 1380 diskutiert werden, die nur durch eine Abschrift von 1425 belegt ist.

Aufgrund der Knappheit und Prägnanz dieser Arbeit ist es allerdings unzweckmäßig und nicht zu bewerkstelligen, ein ausführliches Kapitel hinzuzunehmen, welches sich mit der Quellenkritik im Einzelnen beschäftigt.

Im vierten Kapitel sollen die wirtschaftsgeschichtlichen Aussagen der Quelle unter Zuhilfenahme der Forschungsliteratur herausgearbeitet werden. Hier sind vor allem die zahlreichen Arbeiten des Büdinger Forstmanns Walter Nieß hervorzuheben, der sich seit seiner unveröffentlichten Dissertation aus dem Jahr 1952 immer wieder mit der Forstgeschichte des Büdinger Waldes auseinandergesetzt hat. Er sieht in dem Büdinger Weistum einen Vorläufer späterer Waldordnungen und macht auch erste Ansätze einer geregelten Forstwirtschaft aus[6]. Allerdings sind Nieß bei der Inhaltswiedergabe der Quelle einige Fehler unterlaufen. Hans Philippi bindet außerdem das Weistum in eine Untersuchung über die Entwicklung der Territorialherrschaft der Grafschaft Büdingen ein[7]. Grundsätzliche Hinweise zur Methodik gibt die Arbeit von Albrecht Timm[8], der sich allerdings auf die Umgestaltung des Stadt-Land-Verhältnisses konzentriert hat. Anschließend sollen die Informationen, die uns die Quelle gibt, in einen allgemeineren Rahmen eingebettet werden: Überblicke über die Waldnutzung im Mittelalter geben Kurt Mantel[9] und Hansjörg Küster[10]. Zu Konflikten bei der Waldnutzung hat maßgeblich Siegfried Epperlein gearbeitet[11]. Schließlich gibt eine Pollenanalyse der Wetterau weitere Hinweise auf das Waldbild der Region im Mittelalter[12].

Schließlich sollen in einem letzten Kapitel die gewonnen Erkenntnisse zu einem Gesamtbild über die wirtschaftliche Bedeutung des Büdinger Reichwaldes zusammengeführt werden.

2. Weistümer als Quellen

Grundlage dieser Arbeit ist ein Weistum über den Büdinger Reichswald. Doch mit welchem Quellentypus haben wir es hier genau zu tun? Als Weistümer im engeren Sinne bezeichnet Dieter Werkmüller die bäuerlichen Weistümer des Mittelalters[13]. Kennzeichnend für Weistümer sei:

1) eine „Weisung in gerichtsverfassungsmäßiger Weise, d. h. feierlich und förmlich durch zum diesen Zweck aufgebotene Schöffen;
2) durch die Zugehörigkeit des Sachinhalts zum bäuerlichen oder ländlichen Lebensbereich;
3) durch die Beschränkung des Rechts auf einen bestimmten eng umrissenen Bezirk;
4) durch einen Inhalt, der nicht neues Recht setzen, sondern vorhandenes (nicht unbedingt gewohnheitsrechtlich geltendes!) Recht feststellen will. Das Weistum will kein neues Recht schaffen, aber unter Umständen dem geltenden Recht zu einer besseren Geltung (oder überhaupt erst zu einer Geltung) verhelfen.“[14]

Alle Punkte treffen weitestgehend auf das Büdinger Weistum zu. Die Weisung erfolgte in „gerichtsverfassungsmäßiger Weise“, wie die Quelle berichtet:

„Und ich Dyetherich furstmeister, ritter, eyn furstmeyster ober den Budinger walt von des heiligen riches wegen, bekennen daz ich dar by gewest bin und diß gesehen und gehort han und vor mir geschehen ist, daz dyse vorgeschribene artikel vor mir als eyme forstmeister geteylt und gewyset sint von den zwolf forstern , dye vor mir und andern forstmeistern, dye vor mir gewest sint ober den Budinger walt, gesworn habin, und sprechin daz of mynen eyt, den ich dem heyligen riche getan han, daz war ist, und han des zu eynem waren orkunde und getzugkeniße aller vorgeschriebenen rede und artikel myn eygen ingesiegel unden an diesen brief gehangen.“[15]

Der Sachinhalt zeichnet sich durch eine Zugehörigkeit zum ländlichen Lebensbereich aus, unter anderem geht es um Mastrechte. Das Recht beschränkt sich auf das Gebiet des Büdinger Reichswaldes. Dafür, dass es sich bei dem Büdinger Weistum um althergekommenes Recht handelt, gibt es einige Hinweise, die später noch erläutert werden.

Werkmüller hat für die hessischen Weistümer Anlässe nachgewiesen, die bei ihrer Entstehung im Vordergrund stehen:

„einmal die Feststellung der Rechte und Pflichten von Grundherr und Bauer aus Anlaß des Erwerbs einer Herrschaft, der Änderung der Amtsgrenzen o. ä. und zum anderen die Feststellung der Herrenrechte zur Festigung der eigenen Position.“[16]

Philippi sieht den Anlass für die Aufzeichnung des Waldweistums im Aussterben der Linie der Trimberger um 1365, wodurch die Ganerbschaft zugunsten alleiniger isenburgischer Hohheit erlosch. Grund für den Forstmeister, sich seine Rechte weisen zu lassen, um seine Position in der neuen Situation zu festigen. Dafür spricht, dass das Weistum vor allem von den Rechten und Aufgaben des Forstmeisters handelt, die Herrenrechte machen dagegen gerade mal einen Absatz aus.

Den Grund für die Kodifizierung der Weistümer sieht Wiessner in der gewachsenen Beweiskraft der schriftlichen Aufzeichnung gegenüber dem gesprochenen Wort. Die bloße mündliche Weisung habe den komplizierteren Verhältnissen nicht mehr genügt:

„Die Hinfälligkeit des Menschen, bedeutende Ereignisse wie Kriege oder Seuchen konnten die Kette der mündlichen Tradition empfindlich stören, ein Hauptargument für die schriftliche Fixierung der Weistümer, wie es auch in den Texten widerholt (sic!) zum Ausdruck gebracht wird […].“[17]

Auch die marxistische Geschichtswissenschaft hat sich mit dem Thema befasst. Für Jürgen Seemann sind Weistümer Ausdruck wachsender Widersprüche zwischen feudaler Herrschaft und feudalabhängigen Bauern, die als Ergebnis sich zuspitzender Klassenauseinandersetzungen ihre Rechte fixieren. Eine Verschärfung dieser Widersprüche tritt laut Seemann allerdings erst Ende des 15. Jahrhunderts auf[18].

Insofern trifft diese Auffassung auf das Büdinger Weistum noch nicht zu. Der Büdinger Reichswald befand sich noch am Anfang einer Entwicklung, die Albrecht Timm beschreibt:

„Der Grundherr nahm für seine Eigenwirtschaft Mastrecht in Anspruch, die bei der Größe des vorhandenen Nutzungsgebietes leicht zu befriedigen waren und sein Nutzungsanspruch hielt sich in durch seine Lebensweise bedingten Grenzen. Erst als sich umfangreichere Herrschaftsgebiete entwickelten, die Verkehrswirtschaft Beziehungen zwischen größeren Menschengruppen schuf, nichtlandwirtschaftliche Berufe an Bedeutung gewannen, wuchsen die Anforderungen der Herren an den Wald und es bildete sich daraus ein stärkerer Interessengegensatz zu den Bauern.“[19]

Nach der Definition von Werkmüller schreiben Weistümer altes Recht fest. Wiessner stellt sich gegen die Vorstellung, dass es sich dabei um überliefertes germanisches Recht handelt:

[...]


[1] vgl. Grimm, Jacob: Weisthümer. Bd. 3, Göttingen 1842, S. 426-432.

[2] vgl. Werkmüller, Dieter: Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer. Nach der Sammlung von Jacob Grimm. Berlin 1972.

[3] vgl. Seemann, Jürgen: Weistümer und andere ländliche Rechtsquellen. Positionen - Probleme - Perspektiven. In: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus, 10. Jg. (1986), S. 61-74.

[4] eine Auflistung der Handschriften und Drucke findet sich bei Müller, Wilhelm: Verzeichnis hessischer Weistümer. Darmstadt 1916.

[5] vgl. Reimer, Heinrich: Hessisches Urkundenbuch II, Bd 4. Leipzig 1897.

[6] vgl. Nieß, Walter: Das Weistum des Büdinger Waldes. Eine Forstgesetzgebung aus dem Jahr 1380. In: Mitteilungsblatt der Naturkundestelle des Main-Kinzig-Kreises., 3. Jg. (1993), H. 5, S. 1-15.

[7] vgl. Philippi, Hans: Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen. Marburg 1954.

[8] vgl. Timm, Albrecht: Die Waldnutzung in Nordwestdeutschland im Spiegel der Weistümer. Einleitende Untersuchungen über die Umgestaltung des Stadt-Land-Verhältnisses im Spätmittelalter. Köln 1960.

[9] vgl. Mantel, Kurt: Wald und Forst in der Geschichte. Ein Lehr- und Handbuch. Alfeld, Hannover 1990.

[10] vgl. Küster, Hansjörg: Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart. München 1998.

[11] vgl. Epperlein, Siegfried: Streitigkeiten zwischen Grundherren und Bauern um Waldnutzungsrechte im hohen Mittelalter (11. bis 13. Jh.) In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Jg. 1987, H. 3, S. 85-94.

[12] vgl. Stobbe, Astrid: Ein subatlantisches Pollenprofil aus der Horloffaue bei Unter-Widdersheim/Wetterau. In: Berichte der Kommission für Archäologische Landesforschung in Hessen 3 (1994/95), S. 175-189.

[13] Werkmüller 1986, S. 106.

[14] Werkmüller 1986, S. 108.

[15] Grimm 1842, S. 432.

[16] Werkmüller 1986, S. 111.

[17] Wiessner 1978, S. 24.

[18] vgl. Seemann 1986, S. 61-74.

[19] Timm 1960, S. 92.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Waldnutzung im Spiegel des Weistums zum Büdinger Reichswald
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften)
Veranstaltung
Wirtschaft und Gesellschaft im spätmittelalterlichen Hessen
Note
2+
Autor
Jahr
2004
Seiten
27
Katalognummer
V33375
ISBN (eBook)
9783638338677
ISBN (Buch)
9783638652346
Dateigröße
1491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Waldnutzung, Spiegel, Weistums, Büdinger, Reichswald, Wirtschaft, Gesellschaft, Hessen
Arbeit zitieren
Lutz Benseler (Autor:in), 2004, Die Waldnutzung im Spiegel des Weistums zum Büdinger Reichswald, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33375

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