Migrantenorganisationen sind in Deutschland im wissenschaftlichen wie im öffentlichen Diskurs bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Erfolgschancen ihrer Mitglieder im Aufnahmeland umstritten. Trotz mehrerer empirischer Studien, die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden, wurde bislang kein Konsens darüber erzielt, ob die negativen oder die positiven Wirkungen, die von der Mitgliedschaft in einer MSO ausgehen, überwiegen. Als gängigstes Argument stellen ihre Befürworter die Ermöglichung der Selbsthilfe unter Migranten in den Vordergrund, in deren Rahmen die Organisationen als Interessenvertretung, Vermittler von Alltagswissen und interkulturellen Kompetenzen fungieren. Von Seiten der Kritiker werden die MSOs dagegen eher als Integrationshürde und Wegbereiter von sogenannten Parallelgesellschaften betrachtet. Die Einbindung in eine eigene ethnische Gemeinschaft – so viele Kritiker – habe einen mangelnden Kontakt zur Aufnahmegesellschaft zur Folge und leite Segregationsprozesse in die Wege, die wiederum geringere Erfolgschancen nach sich zögen.
In jüngerer Vergangenheit kam jedoch Bewegung in den Diskurs. Migrationsprozesse werden neuerdings verstärkt als mehrdimensionale Phänomene verstanden, in deren Rahmen die Integration eine von vielen Facetten darstellt, die eine erfolgreiche Migrationsbiographie bedingen können. Eines dieser neueren und umfassenderen Konzepte spiegelt sich in Begriffen wie dem der Transnationalität wider. Die Perspektive hinter diesem Begriff beinhaltet den Versuch, neuartigen Formen von Migration, die fortschreitende Globalisierungsprozesse und technologischer Fortschritt mit sich gebracht haben, gerecht zu werden. Maßgeblich erscheint hierbei eine neu vorgenommene Bewertung von Fremdheit, die nicht mehr als bloßes Hindernis angesehen wird, welches es zu überwinden gilt, sondern auch als Quelle neuer Möglichkeiten.
Ein weiterer interessanter Ansatz zur Bewertung der Erfolgschancen von Migranten stammt aus der Netzwerkforschung. Hier wird die Frage nach dem Sozialkapital von Migranten gestellt, welches die Ressourcen beschreibt, die aus den sozialen Verbindungen einer Person hervorgehen.
Im Vorfeld der Arbeit wurden zwei Organisationen lateinamerikanischer Migranten für die Überprüfung der theoretischen Überlegungen ausgewählt. Lateinamerikanern konnte in den USA bereits starke transnationale Strukturen und Orientierungen nachgewiesen werden, so dass sie als geeignete Untersuchungsgruppe für die Thematik gelten können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Stand der Migrationsforschung
- Der Eingliederungsdiskurs in der Migrationsforschung
- Erste Assimilationstheorien
- Abkehr vom klassischen Assimilationsgedanken
- Der deutsche Integrationsdiskurs
- Neuere Ansätze
- Der Sozialkapitalansatz in der Netzwerktheorie
- Handlungen im Netzwerk
- Der Sozialkapitalbegriff
- Generierung von Sozialkapital
- Negative Effekte von Sozialkapital
- Transnationalismus
- Das Konzept des Transnationalismus
- Transnationale Identität
- Transnationale Akteure und Strukturen
- Probleme seitens der Aufnahmegesellschaft
- Fremdenfeindlichkeit als gesamtgesellschaftliche Problematik
- Die Konstruktion des Fremden
- Ethnozentrismus
- Nationale Identität und deutsche Besonderheiten
- Der Eingliederungsdiskurs in der Migrationsforschung
- Migrantenselbstorganisationen in Deutschland
- Typen und grundlegende Informationen
- Die Debatte um die Migrantenselbstorganisationen
- Migrantenselbstorganisationen und die deutsche Öffentlichkeit
- Wechselwirkungen
- Zur Unterscheidung von Privatem und Öffentlichem
- Die ethnische Öffentlichkeit
- Potentiale der Migrantenselbstorganisationen
- Aufstiegschancen durch Interessenvertretung
- Förderung von Transnationalität
- Migrantenselbstorganisationen als Brückenbauer
- Lateinamerikanische Migrantenselbstorganisationen in Deutschland
- Lateinamerikanische Migration
- Lateinamerika: Von der Einwanderungs- zur Auswanderungsregion
- Die lateinamerikanische Migration nach Deutschland
- Die lateinamerikanische Gemeinde in Deutschland
- Forschungsdesign
- Untersuchungsmethodik
- Auswertungsverfahren
- Auswahl der Interviewpartner
- Durchführung der Interviews
- CAARNE und Xochicuicatl: Zwei lateinamerikanische Migrantenorganisationen in Berlin
- Grundlegende Daten
- Zusammenarbeit mit anderen Organisationen
- Grenzen der Arbeit
- Netzwerke und Sozialkapital
- Transnationalität
- Abschließende Bewertung
- Lateinamerikanische Migration
- Zusammenfassung und Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Magisterarbeit untersucht die Auswirkungen von Migrantenselbstorganisationen (MSOs) auf die Erfolgschancen ihrer Mitglieder in Deutschland. Im Mittelpunkt stehen dabei die Potentiale der Nutzung von Sozialkapital und transnationalen Ressourcen. Am Beispiel lateinamerikanischer Migranten in Deutschland wird analysiert, inwiefern MSOs die Integration ihrer Mitglieder in die Aufnahmegesellschaft fördern oder behindern können.
- Die Rolle von MSOs im Integrationsdiskurs
- Die Bedeutung von Sozialkapital für Migranten
- Der Einfluss von Transnationalität auf die Integration von Migranten
- Die Herausforderungen der Integration lateinamerikanischer Migranten in Deutschland
- Die Potentiale und Grenzen von MSOs als Brückenbauer zwischen Migranten und der Aufnahmegesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der MSOs und deren Einfluss auf die Erfolgschancen von Migranten ein. Kapitel 2 beleuchtet den Stand der Migrationsforschung, insbesondere den Integrationsdiskurs, den Sozialkapitalansatz und den Transnationalismus. Kapitel 3 widmet sich den MSOs in Deutschland, ihren Typen, der Debatte um ihre Rolle und ihren Beziehungen zur deutschen Öffentlichkeit. Kapitel 4 untersucht die Potentiale von MSOs, insbesondere im Hinblick auf Interessenvertretung, Förderung von Transnationalität und Brückenbau. Kapitel 5 analysiert anhand des Beispiels lateinamerikanischer Migranten in Berlin, wie MSOs in der Praxis funktionieren und welche Auswirkungen sie auf die Integration ihrer Mitglieder haben.
Schlüsselwörter
Migrantenselbstorganisationen, Sozialkapital, Transnationalismus, Integration, lateinamerikanische Migranten, Deutschland, Erfolgschancen, Interessenvertretung, Brückenbau, ethnische Öffentlichkeit.
- Quote paper
- Robert Stockton (Author), 2013, Migrantenselbstorganisationen und die Erfolgschancen ihrer Mitglieder, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/333961