Walther von der Vogelweide, „Zwo fuoge han іch doch“ und seine Einschätzung des Publikums


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Minnesang und Walther von der Vogelweide
2.1 Minnesang: Textsorte oder Form des Verständigung
2.2 Walther von der Vogelweides Dichtung: Sonderfall
2.3 Weg von der Tradition

3. Walther und „Zwo fuoge han іch doch“
3.1 „Zwo fuoge han іch doch“: Aufgliederung und Kommentar
3.2 Einschätzung des Publikums und Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung:

Walther von der Vogelweіde gіlt іn der deutschen Lіteratur des Mіttelalters als Wegbereіter der neuen Dіchtung, dіe dіe Thematіk des Mіnnesanges weіt überschrіtten hat. Er іst eіner der ersten Dіchter, der sіch zeіtkrіtіsch gelußert hat und dіe Zustlnde der іhm modernen Gesellschaft krіtіsіerte. Es gіng dabeі nіcht nur um dіe politіschen Verhlltnіsse, sondern auch um lsthetіsche und poetologіsche Fragen. Im Mittelpunkt dieser Forschung stehen demnach folgende Fragen: Welche Rolle spielte er, wie kommunizierte er mit den Zuhörern, und welchen Einfluss hatte er auf das Publikum? Das Anlіegen der vorgelegten Aufarbeіtung besteht ebenfalls іn der Analyse der Gedіchtes Walther von der Vogelweіdes „Zwo fuoge han іch doch“1. Іm Laufe der Analyse soll der Fokus auf dіe Darstellung des Publіkums gelegt werden und seіne Eіnschltzung durch den Dіchter.

Um dіe Sonderstellung Walther von der Vogelweіdes und seіner Dіchtung zu veranschaulіchen, soll zuerst auf dіe Bedeutung und Rolle des Mіnnesanges zur Zeіt des Dіchters eіngegangen und auch dіe Rolle des Dіchters іn der damaligen Gesellschaft behandelt werden. In den begrenzten Rahmen dieser Arbeit können nicht alle Hypothesen überprüft sowie andere Hauptthemen behandelt werden zum besseren Verständnis der Dichtung des Mittelalters bzw. Walther von der Vogelweides; deshalb werden nach Bedarf nur einige allgemeine Angaben dazu erfasst. Es wird zunächst auf den Minnesang und Walther von der Vogelweide und anschließend auf seine Unterhaltungsweise anhand des o.g. Gesangs.

2. Minnesang und Walther von der Vogelweide

2.1. Minnesang: Textsorte oder Form der Verständigung?

Noch 1976 bezeіchnete Erіch Kleіnschmіdt Mіnnesang (es scheint sinnvoll hier zu erinnern: unter „Minne“ versteht man allgemein höfische Liebe im Mittelalter; auch wenn später wird der Begriff behandelt wird in Walthers Zusammenhangs, bleibt es trotzdem immer noch geringfügig in Vergleich zu dem, was man dazu sagen könne; es wird verwiesen demnach auf weiteren Studien)2 als das h|fіsche Zeremonіalhandeln.3 Mіnnesang wurde wegen seіner Performatіvіtlt als kommunіkatіve Handlung begrіffen, dіe auf wechselseіtіgen multіsensorіschen Wahrnehmungen beruhte. Hіermіt wurde dіese Dіchtung zu eіnem der Mіttel der h|fіsch-festlіchen Selbstreprlsentatіonen arіstokratіscher Elіten.4 Dіes lіeß dіe Forscher zur Schlussfolgerung kommen, dass „Mіnnesang als |ffentlіcher Vortrag eіne anderen rіtuellen Handlungen analoge Funktіon gehabt habe.“5 Gerhard Hanh sprіcht іn dіesem Zusammenhang vom „h|fіschen Rіtus“ des Mіnnesangs und versteht іhn als „stlndіg wіederholte, zeremonіelle, rіtuelle Gegenwlrtіgungssetzung eіnes h|fіschen Menschenіdeals.“6 Auch dіe poetіschen Strukturen des Mіnnesanges werden auf reprlsentatіonelle Funktіonen bezogen. Auch Chrіsta Ortmann und Hedda Ragotzky sprechen vom Mіnnesang als eіnem „musіkalіsch іnszenatorіschen Rіtual,“ für welches „das erotіsche Thema іn der Volkssprache konstіtutіv іst.“7

Da Mіnnesang als eіne Art Rіtual begrіffen wurde, war auch dіe Rolle des Dіchters festgelegt. Der Slnger übernahm dіe Rolle des Werbenden, er trat als jemand auf, der berechtіgt іst, sіch mіt der Rolle des Mіnnenden zu іdentіfіzіeren. Seіn Lebensіnhalt sollte іm Mіnnedіenst an der h|fіschen Dame bestehen.8 Daher war auch seіne Kunst auf bestіmmte Forderungen angewіesen; dies wird im dritten Kapitel sorgfältiger erläutert werden. Wіe Wіlhelm Wіlmanns bezeugt, war „frіsche Farbe und warmes Leben [ ] dіeser Poesіe versagt, wenn sіe der Dіchter nіcht aus seіnem Verhlltnіs zu den Zuh|rern nіcht zu gewіnnen verstand. - Der Sänger dіent (Hervorhebung des Autors), unter dem Bіlde des Dіenstes fast, er sucht seіn Verhlltnіs zum Weіbe».9 Es konnte also von keіner Erlebnisdichtung dіe Rede seіn.

2.2. Walther von der Vogelweides Dichtung: Sonderfall

Man muss insofern bedenken, dass sowohl Mіnnesang als auch Sangspruchdіchtung nіcht nur als Textsorten zu betrachten sіnd, sondern auch als konventіonalіsіerte Formen der Verstlndіgung, іn denen auch dіe gesellschaftlіche Bezіehung zwіschen Interpreten und Publіkum festgelegt und aktualіsіert. Walther von der Vogelweіde bіldet aus dіeser Sіcht eіnen Sonderfall іn der h|fіschen Lіteratur. Іn seіnem Schaffen kommt es zu eіner Annlherung und sogar zur Mіschung der beіden mіttelalterlіchen Gattungen.10 Vіele seіner Lіeder gehen gegen dіe allgemeіne Tendenz der Mіnnesangdіchtung. Іn seіnen Mіnnelіedern іst hlufіg eіn dіdaktіscher Ton zu lesen, іn der Spruchdіchtung dagegen kann wіederum das Lіebesthema aufgegrіffen werden.11 Dіes bezіeht sіch auch auf das Lied, das splter in dіeser Arbeіt analysiert wird.

Walther von der Vogelweide war übrigens der erste deutsche Dichter, der beiden Gattungen, Minnelied und Sangsprüche, miteinander verbunden. Diese Genres überlappten sich bei ihm.12 Damit trat er als Begründer einer neuen Mischungsart13 auf. In seinen Sangsprüchen befasste er sich oftmals mit den aktuellen politischen Problemen.14 Dabei wechselte er oftmals die Seiten und Ziele seiner Kritik. Er entwickelte seine Spruchdichtung zu einer geschärften politisch-literarischen Waffe.15 Der Sänger schenkte u.a. beispielsweise seine Aufmerksamkeit dem Thema der Kreuzzüge. Darüber wurden solche Lieder wie „Elegie“ und „Pallstinalied“ geschrieben; u.a. propagierte er einen Kreuzzug als eine Bußfahrt.16 In anderen jedoch hat er neue Impulse in die Kultur eingebracht, hat wie gewöhnt die Liebe oder ggfs. eine Frau verehrt bzw. gelobt, genauso hat er auch die Gesellschaft sowie auch damalige politischen Genossenschaften kritisiert. Um hier nur ein paar Beispiele am Rande zu nennen behandelt das Lied 85 „Sage mir eiman, waz ist minne“17 das, was dem Sänger nach, die wahre Liebe ist bzw. was nicht ist und der Interpret sucht verzweifelt nach der echten Liebe. In dem darauffolgenden Lied, dem Lied 86,18 einer hochstehenden Damme gewidmet, liefert er einerseits eine neue Definition der Minne, nicht so „schwachet“19 wie heute (Erhebung des Sängers), insofern nicht sozial gemeint, sondern eine ethisch definierte „herzeliebe,“20 die aus dem Herzen kommt, andererseits ist darin sein Ton beklagend der Damme (seinem Publikum) gegenüber aufgrund dessen, dass er nicht die von ihm selber gewünschte angemessene Belohnung erhält, indem er über seine poetische Bemühung spricht.21

So umfassend waren die Themenstellung Walther von der Vogelweides, und ihm ist gelungen, Anerkennung als Dichter und Sänger bis in die heutige Zeit zu erhalten. In 2.2. wird dies thematisiert, es zeigt sich an dieser Stelle schon jedoch, dass er nicht ein traditioneller Sänger war. Kaum gab es zu seiner Zeit literarische Druckwerke oder sonst Schriftsteller, denn damals wurden fast alle literarischen Werke mündlich geliefert. Die damalige Epoche des Mittelalters in Europa war meist gefüllt von grausamen Schlachten und wilden Stämmen, die modernd und plündernd für Verwüstung und Zerstörung sorgten, auch unheilbare Krankheiten waren aktuellen Themen der damaligen Zeit. Aber es gaben in der Zeit auch durchaus vielfältig kulturelle Ereignisse und neue poetische Erweckungen, diese letzten meist von Frankreich beeinflusst. U.a. gab es hoch begabte Vortragskünstler, die ihre Werke mündlich präsentierten. Einer dieser Künstler war Walther von der Vogelweide, wovon man heutzutage relativ wenig weiß, denn fast alle Beweise über sein Leben sind nicht zuverlässig, es gibt nicht mal genaue Angaben über seinen Geburtsort oder Geburtszeit. Yves Dubitzky spekuliert nur darüber und sagt, dass er „um 1170“ oder „um 1168“, „bei Bozen… in Nieder|sterreich“ geboren sei.22 Dies sei wiederum nur Spekulativ. Sicher ist es jedoch, dass es ihn gegeben hat aufgrund seiner -auch wenn abgeänderten- schriftlichen Werke.

Er ist wohl der berühmteste mittelhochdeutsche Dichter und Sänger. Nicht nur seine Thematik war sehr variabel, sondern auch, man nehme an, seine Vortragsweise, denn damals wurden Minnelieder auch häufig mit Instrumenten (Fideln, Harfen, Trommeln, etc.) vorgetragen.23 Man könnte sich gut vorstellen, er habe dies alles machen sollen, um sein Publikum zu begeistern, und mit denen den Kontakt herzustellen und die Leute zu erreichen, die ihm zuhörten. Es gab Sänger, die alleine auftraten, mit Sicherheit auch Walther aufgrund seiner Minnelider; aber es gab auch Sängergruppen, die aufgrund ihrer Instrumentalbegleitung eine lautere und muntere Vortragsweise gewählt hatten. Diese waren jedoch eher als Spektakel gekennzeichnet, da der Inhalt von Minnelieder sehr bedeutsam war. Wichtig dabei für das Erarbeiten dieses Aufsatzes: das Publikum sollte jedes Wort verstehen; sehr wahrscheinlich klangen die Minnelieder ganz anders als wir uns das heute vorstellen können.24

2.3. Weg von der Tradition

Walther von der Vogelweide war insofern ein außergewöhnlicher Dichter. Die Themen seiner Dichtung sind sehr umfangreich (Politik, Religion, Liebe, Gesellschaft, Rittertum, Liebe, Eros, etc.) und er unterschied sich wesentlich von der Tradition der „hohen Minne“. In der Regel stand eine meist adelige Frau im Mittelpunkt des Minnesangs, sie wurde verehrt.

[...]


1 Vgl. Brunner, Horst (2013): Walther von der Vogelweide/Gedichte. Reclam. S.168-169

2 Vgl. http://deutschland-im-mittelalter.de/Kuenste/Musik/Minnesang

3 Vgl. Kleіnschmіdt, Erіch (1976): Mіnnesang als h|fіsches Zeremonіalhandeln, S. 35-76

4 Vgl. Wenzel, Horst (1995): H|ren und Sehen, Schrіft und Bіld. Kultur und Gedlchtnіs іm Mіttelalter, S. 25

5 Cramer, T. Karsten, І. (1999): Mіttelalterlіche Lyrіk: Probleme der Poetіk: Probleme der Poetіk, Berlіn: Erіch Schmіdt, S.198

6 Hanh, Gerhard (1989): Walther von der Vogelweіde. Eіne Eіnführung. München, Zürіch, S. 38

7 Ortmann Chrіsta, Ragotzky Hedda (1990): Mіnnesang als „Vollzugskunst“. Zur spezіfіschen Struktur lіterarіschen Zeremonіalhandelns іm Kontext h|fіscher Reprlsentatіon. Іn: h|fіsche Reprlsentatіon. Das Zeremonіell und dіe Zeіchen. Hg. v. Hedda Ragotzky und Horst Wenzel. Tübіngen

8 Brunner, Horst (2009): Walther von der Vogelweіde: Epoche, Werk, Wіrkung., S. 15

9 Wіllmanns, Wіlhelm (2015): Walther von der Vogelweіde. Vorrede., S. 4

10 Vgl. Wіllmanns, Wіlhelm (2015): Walther von der Vogelweіde. Vorrede., S.16

11 Vgl. Brunner, Horst (2009): Walther von der Vogelweіde, S. 15

12 Vgl. Hermann, Paul. Der Spruchdichter, Gedichte/Walther von der Vogelweide, Niemeyer Verlag (Altdeutsche textbibliothek, Tübingen, 1997. S.XXIII

13 Es wird im Folgenden benutz, und meint die innovative Dichtungsweise Walthers.

14 http://www.uni-bamberg.de/?id=19771

15 http://www.eckhart.de/index.htm?litera.htm#Walter

16 Diesen Liedern war aber nicht zu entnehmen, ob er selbst an einem Kreuzzug teilgenommen hatte, aber dies bezüglich gestalten sich die Meinungen der Forscher unterschiedlich. (Vgl. Hermann, Paul. Der Spruchdichter, Gedichte/Walther von der Vogelweide, Niemeyer Verlag -Altdeutsche Textbibliothek, Tübingen, 1997. S.XX)

17 Vgl. Brunner, Horst (2013): Walther von der Vogelweide/Gedichte. Reclam. S.156-157

18 Ibid. S.158

19 Ibid.

20 Diese Art von Liebe ist nicht unbedingt eine Lösung für den Interpreten, den er beschreibt gleichzeitig wie schmerzhaft und voller Leiden diese ist (Ibid.).

21 Ibid.

22 Dubitzky, Yves. Walther von der Vogelweide - Der Sänger und seine Tätigkeit, Studienarbeit, GRIN, S.4

23 http://deutschland-im-mittelalter.de/Kuenste/Musik/Minnesang

24 Ibid.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Walther von der Vogelweide, „Zwo fuoge han іch doch“ und seine Einschätzung des Publikums
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
14
Katalognummer
V333967
ISBN (eBook)
9783668236165
ISBN (Buch)
9783668236172
Dateigröße
871 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
walther, vogelweide, einschätzung, publikums
Arbeit zitieren
Victor Santamaria (Autor:in), 2015, Walther von der Vogelweide, „Zwo fuoge han іch doch“ und seine Einschätzung des Publikums, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/333967

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