Rawls und die Spieltheorie. Rationalität als minimaler Konsens


Bachelorarbeit, 2012

38 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsangabe

1.Einleitung

2.Hauptteil
2.1 Rawls' „Theorie der Gerechtigkeit“
2.1.1 Leitgedanke
2.1.2 Urzustand
2.1.3 Überlegungsgleichgewicht
2.1.4 Die beiden Grundsätze der Gerechtigkeit
2.1.5 Deutung und Kritik
2.2 Die Divergenz der Gerechtigkeitskonzepte
2.2.1 Kriterien der Wohlfahrtsprinzipien
2.2.2 Arrow Theorem
2.2.3 Flöttenbeispiel
2.2.4 Fehlende Universalisierbarkeit des Differenzprinzips
2.3 Utilitarismus als minimaler Konsens
2.3.1 Bedeutung von Neumann-Morgenstern-Nutzenfunktionen
2.3.2 Harsanyis Gleichwahrscheinlichkeitsmodell
2.3.3 Rationalität als minimaler Konsens

3.Fazit

4.Literaturverzeichnis

5.Anhang

1. Einleitung

Die Frage nach einer gerechten Verteilung existiert wahrscheinlich schon so lange, wie Menschen in Gesellschaften zusammenleben. Eine normative Vorstellung von Verteilung zu schaffen gehört deswegen zu den ältesten und bedeutendsten Unternehmungen der Politischen Ideengeschichte. Bereits Aristoteles erkannte die Bedeutung der Verteilungsgerechtigkeit für das Gemeinwohl. Für ihn sollte die Verteilung proportional zur Würdigkeit der Menschen stattfinden.1 Damit ist bereits ein entscheidendes Problem der Gerechtigkeitstheorien aufgeworfen. Wie kann man diese „Würdigkeit“ messen, um damit jedem seinen Anteil bestimmen zu können? Mit den Worten Lockes könnte man hierauf antworten: „Soviel Land ein Mensch bepflügt, bepflanzt, bebaut, kultiviert und soviel er von dem Ertrag verwerten kann, soviel ist sein Eigentum“2. Diese liberale These mag plausibel erscheinen, sofern man den Menschen als Eigentümer der Natur und seiner Arbeit betrachtet. Da jedoch moderne Industriegesellschaften vom Verhältnis Arbeitnehmer zu Arbeitgeber und dem Kapitalverhältnis geprägt sind, trennt sich die Beziehung von Arbeit und Eigentum.3 Eigentum und die „Würdigkeit“ am Eigentum können also keinesfalls gleichgesetzt werden. Deswegen bedarf es normativen Theorien, die ein Leitbild einer gerechten Verteilung schaffen wollen. Genau dies versuchte 1971 John Rawls mit seiner „Theorie der Gerechtigkeit“. In dem er sich neben anderen Aspekten der Gerechtigkeit auch der Frage nach einer gerechten Verteilung widmete. Diese Arbeit greift das Konzept der „Theorie der Gerechtigkeit“ auf und insbesondere den Gedanken, dass durch die Verhandlung unter einem hypothetischen „Schleier des Nichtwissens“, ein Ergebnis erzielt werden kann, das eine normative Aussage gibt, wie die Verteilung in einer fairen Gesellschaft aussehen könnte. Die Arbeit greift also den Bereich der Verteilungsfrage heraus. Anstatt zu fragen: „Wie soll eine gerechte Gesellschaft allgemeine aussehen?“, wird sich die Arbeit darauf fokussieren, nach der gerechten Verteilung von materiellen Gütern zu fragen. Die Grundthese der Arbeit lautet: Da Gerechtigkeitsvorstellung divergieren, könnten sich die Menschen im Urzustand nicht auf eine allgemein anerkannte Gerechtigkeitsvorstellung einigen. Die Diskussion zwischen Rawls und Harsanyi zeigt bereits diese Problematik. Obwohl beide von einem sehr ähnlichen Urzustand ausgehen, leiten sie daraus unterschiedliche Entscheidungsregeln ab. Unter den Ökonomen war Harsanyi Rawls engagiertester Kritiker. Sein alternatives Gleichwahrscheinlichkeitsmodell soll darum, bezüglich Aussage und Konsistenz mit Rawls' „Theorie der Gerechtigkeit“ verglichen werden. Da zuvor bereits dargelegt wird, dass die Ansichten der Individuen im Urzustand nicht eindeutig vereinbar sind, wird auch die Konsensfähigkeit beider Ansätze betrachtet, die sie bei den Individuen im Urzustand haben. Die zentrale Fragestellung lautet also: Auf welche Verteilungsform können sich die Menschen im Urzustand einigen? Es wird erarbeitet, warum Harsanyis Vorschlag, die Verteilungsfrage über die Nutzenmaximierung nach Neumann-Morgenstern heranzugehen am ehesten von allen akzeptiert würde, also insofern dem Ansatz von Rawls überlegen ist. Es bildet die Nutzenmaximierung den minimalen Konsens, auf den sich die Individuen im Urzustand einigen könnten. Das Ergebnis der hypothetisch gewählten Verteilung unterscheidet sich in beiden Konzepten weniger. Ähnlich wie durch Rawls' Differenzprinz wird auch hier eine Verteilung mit egalitären Zügen gewählt. Die normative Bedeutung dieser Verteilung, soll durch eine plausiblere und rationalere Herleitung gestärkt werden. Wobei das Gewicht einer rationalen Argumentation, dabei nicht in der Rationalität als Selbstzweck liegt, sondern in der Konsensfähigkeit die ein rationaler Lösungsvorschlag mit sich bringt. Die Fokussierung auf die Verteilung von materiellen Gütern soll allerdings nicht bedeuten, dass die Frage nach einer gerechten Gesellschaft nicht von Bedeutung wäre. Im Gegenteil ist sie eine der zentralen Fragen der Sozialwissenschaft. Allerdings ist sie zu weitgehend um im Folgenden erörtert zu werden, da wie erwähnt der Aussagebereich enger gefasst werden soll.

Der Hauptteil gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil beschäftigt sich mit Rawls „Theorie der Gerechtigkeit“. Erklärt Rawls' Leitgedanken, und zeigt die Argumentationslinie die vom Urzustand über das Überlegungsgleichgewicht hin zu seinen beiden Grundprinzipien der Gerechtigkeit führt. Dabei erfolgt eine spieltheoretische Interpretation des „Schleiers des Nichtwissens“, die dessen Bedeutung für eine gerechte Verhandlung erläutert. Am Ende des ersten Teiles folgt eine Deutung und Kritik an Rawls' „Theorie der Gerechtigkeit“.

Im zweiten Teil des Hauptteils werden verschiedene Gerechtigkeitskonzepte einander gegenübergestellt um ihre Unterschiede zu zeigen. Dabei wird auf den Umstand eingegangen, dass der primäre Unterschied der Gerechtigkeitstheorien in den Annahmen liegt, denen die Theorie genügen soll und erklärt inwieweit diese miteinander unvereinbar sind. Im letzten Teil des Hauptteils soll erklärt werden, warum Harsanyis alternatives Konzept die Verteilungsfrage mit dem Neumann-Morgenstern Nutzenkonzept zu lösen als minimaler Konsens der Individuen im Urzustand akzeptiert werden würde. Die Sozialwahltheorie begann ab den 1950er Jahren an Bedeutung zu gewinnen. Gegenstand der Sozialwahltheorie ist es, Aussagen über kollektive Präferenzen zu treffen, in dem individuelle Präferenzen aggregiert werden. Durch diese Aggregation soll es ermöglicht werden, Aussagen über kollektive Entscheidungen zu treffen. In seinem Buch „eine Theorie der Gerechtigkeit“ versucht John Rawls 1971 eine normative Sozialwahltheorie zu verfassen und eine „wohlgeordnete Gesellschaft“ zu entwerfen, die als Leitbild für echte Gesellschaften dienen soll. Um dies zu erreichen, versetzt Rawls die Individuen, die sich zu einer Gesellschaft zusammentun, durch den „Schleier der Unwissenheit“ in eine Situation die verfahrensgerecht sein soll. Die dann formulierten Grundsätze, die mit Hilfe einer entscheidungstheoretischen Argumentation begründet werden, sind dann insofern gerecht, als das sie in einem gerechten Verfahren entstanden sind. Die Stärke von Rawls' Vorgehen liegt darin, dass es sich analytischen, mathematischen und ökonomischen Methoden bedient und dadurch seine Theorie scheinbar auf ein plausibles Fundament stellt. Problematisch allerdings erscheint, dass es in der Entscheidungs- und der Sozialwahltheorie keine Verfahren gibt, die nicht umstritten sind bzw. diskutiert werden können. Dies bezieht sich zum einem auf die Präferenzen der Individuen selbst, liegt also innerhalb der Entscheidungstheorie. Rawls bekam das in der Kritik von verschiedensten Richtungen zu spüren.4 Das andere Problem liegt in der Frage, wie aus individuellen kollektive Präferenzen werden sollen. Dies ist das Kernproblem der Sozialwahltheorie, was auch darin deutlich wird, dass sich die grundlegende Arbeit „Social Choice and Individual Values“ von Kenneth Arrow aus dem Jahr 1951, mit der Unmöglichkeit der Aggregation von individuellen zu kollektiven Präferenzen beschäftigt. Seitdem wurden zahlreiche Paradoxien und Unmöglichkeitstheoreme innerhalb der Sozialwahltheorie aufgestellt. So ist zu verstehen, dass sich Hammond in einem Artikel der „Theorie des Unmöglichen“ widmete.5 Da wir nun davon ausgehen, dass sich individuelle Präferenzen im Urzustand ähnlich unterscheiden, wie in der wissenschaftlichen Debatte und wir gleichzeitig kein unumstrittenes Werkzeug haben um sie zu aggregieren, wir aber trotzdem eine Einigung im Urzustand erreichen wollen, muss es notwendig sein konsenstheoretische und diskurstheoretische Argumentationen mit einfließen zu lassen.

2. Hauptteil

2.1 Rawls' „Theorie der Gerechtigkeit“

Im ersten Kapitel des Hauptteils wird nun die „Theorie der Gerechtigkeit“ vorgestellt. Dabei wird nicht das ganze Werk erläutert, sondern die Aspekte, die für die Fragestellung von Bedeutung sind.

2.1.1 Leitgedanke

Der Leitgedanke Rawls' „Theorie der Gerechtigkeit“ besteht darin, eine systematische Analyse der Gerechtigkeit zu vollziehen.6 Dabei bediente sich Rawls einerseits Argumenten aus der Vertragstheorie, als auch Argumenten aus der Spiel- und Entscheidungstheorie. Es wurde der Versuch unternommen, die Vertragstheorien von Hobbes, Locke und Rousseau allgemeiner zu fassen und auf eine höhere Abstraktionsebene zu bringen.7 Dies gelingt ihm, indem er einen fiktiven Vertrag, ausgehend von einem fiktiven Urzustand bei Vertragsabschluss, der natürliche Zufälle beseitigen soll, formuliert. Eine brauchbare Alternative zu Utilitarismus und Intuitionismus sollte verfasst werden,8 die klärt was die beste moralische Grundlage für eine Gesellschaft ist.9 Dabei sollte die Klarheit und Systematik vom Utilitarismus übernommen werden, aber gleichzeitig eine bessere Deutung unserer sittlichen Überzeugungen enthalten sein. 10 Rawls will eine brauchbare Alternative zum Utilitarismus entwickeln, da er der Meinung ist, eine wohlgeordnete Gesellschaft sei nicht auf dessen Prinzipien reduzierbar, da Grund und Menschenrechte unbedingt gültig sein müssen.11 Im Folgendem werden Grund und Menschenrechte nicht erörtert und inwieweit sie sich auch durch utilitaristisch rechtfertigen lassen, da dies über die Frage nach einer gerechten Verteilung hinausgeht. Am Ende steht in Rawls' „Theorie der Gerechtigkeit“ die Formulierung einer Gerechtigkeitsvorstellung, welche den Menschen gemeinsam ist und auf diese Weiße eine „wohlgeordnete Gesellschaft“ ermöglicht.12 „Man kann sich eine gemeinsame Gerechtigkeitsvorstellung als das Grundgesetz einer wohlgeordneten menschlichen Gesellschaft vorstellen.“13 Rawls wurde oft vorgeworfen, seine „Theorie der Gerechtigkeit“ sei realitätsfern und enthalte keine konkreten Empfehlungen für real existierende Gesellschaften. So merkte beispielsweise Habermas an: „Er [Rawls] bezieht sich weder auf die tatsächlich institutionalisierten Entscheidungsprozesse noch auf gesellschaftliche und politische Entwicklungstendenzen, die womöglich rechtsstaatlichen Prinzipien entgegenlaufen und den Institutionen der wohlgeordneten Gesellschaft ein eher höhnisches Spiegelbild vorhalten.“14 Solche Kritik scheint allerdings verfehlt, da Rawls ausdrücklich betonte, dass es ihm darum ging ein Ideal der Gesellschaft zu erstellen.15

2.1.2 Urzustand

Der „Schleier des Nichtwissens“ soll Zufälle ausschalten, die zum Vorteil einiger führen und damit Verfahrensgerechtigkeit herstellen.16 „Es wird also angenommen, dass den Parteien bestimmte Einzeltatsachen unbekannt sind. Vor allem kennt niemand seinen Platz in der Gesellschaft, seine Klasse oder seinen Status; ebenso wenig seine natürlichen Gaben, seine Intelligenz, Körperkraft usw. Ferner kennt niemand seine Vorstellungen vom Guten, die Einzelheiten seines vernünftigen Lebensplans, ja nicht einmal die Besonderheiten seiner Psyche wie seine Einstellung zum Risiko17 oder seine Neigungen zu Optimismus und Pessimismus.“18 Sie verfügen aber über allgemeines Wissen, dies bedeutet sie verstehen politische und wirtschaftliche Zusammenhänge.19 Bedeutend ist hier das ein Vertrag, der den Anspruch hat eine „wohlgeordnete Gesellschaft“ zu ermöglichen, aus einem gerechten Verfahren hervorgehen muss. Der Schleier dient hierbei der Loslösung der Entscheidung von individuellen Präferenzen. Dies ist insofern von Bedeutung, als das wir Präferenzurteile nur dann als moralisch ansehen können, wenn sie nur die allgemeine Wohlfahrt im Blick haben.20 Wegen des fiktiven Charakters des Urzustands kann die normative Verbindlichkeit, der abgeleiteten Grundsätze nicht auf tatsächliche Willenserklärungen basieren. Sondern sie folgt aus unserer intuitiven Akzeptanz. Durch die Konzeption des „Schleier des Nichtwissens“ ergibt sich eine universalistische Geltung. „Es darf keinen Unterschied machen, wann und durch wen dies geschieht: Diese Einschränkungen müssen so beschaffen sein, dass stets dieselben Grundsätze gewählt werden.“21 Dies bedeutet die gewählten Grundsätze haben also immer Geltung. Damit wird deutlich was Rawls mit der höheren Abstraktion der vertragstheoretischen Argumentation erreichen will. Da die Verhandlung stattfindet, ohne das jemand Machtansprüche geltend machen kann, ist die Verhandlung gerecht.22 Rawls geht dabei von einer Vernünftigkeit der Vertragspartner aus und lässt sie eine Rangordnung über die Dienlichkeit der Zwecke erstellen.

Diese soll möglichst viele Wünsche erfüllen und dabei möglichst gute Aussichten auf Verwirklichung bieten. Die Vertragspartner empfinden hierbei keinen Neid.23 Nur der eigene Lebensplan wird Berücksichtigt und dabei herrscht gegenseitiges Desinteresse. Oder wie Rawls es formuliert: „Sie streben nach möglichst hoher Punktzahl“.24 Deutlich wird die Bedeutung des „Schleiers der Unwissenheit, wenn man die Verhandlungen im Urzustand als kooperatives Spiel versteht und dieses grafisch darstellt.25 Zur Vereinfachung wird von 2 Spielern ausgegangen. In einem nicht kooperatives Zweipersonenspiel Ί, bestehend aus zwei Mengen S1 und S2 und zwei Abbildungen ai : S1 x S2 → R wird Ί = ( S1 ,S2, (a1 ,a2)) geschrieben.

Soll Kooperation dargestellt werdem, wird diese Definition erweitert zu Ί = ( S1 ,S2, K (a1 ,a2)) Wobei K die Menge der kooperativen Strategien ist und eine Teilmenge von S1 x S2. Jeder Spieler kann also kooperieren oder aber auch seine eigene Strategie spielen, sprich deflektieren. Deflektion würde bedeuten die Spieler bleiben im Urzustand und formulieren keine Einigung der Verteilungsfrage, was die Gründung einer Gesellschaft unmöglich machen würde.

Zunächst ein Spiel, das nicht symmetrisch aufgebaut ist, wie die folgende Abbildung verdeutlicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abbildung 1: Nicht Symmetrisches Spiel)

Die x-Achse gibt die Auszahlung von Spieler 1, die y-Achse die Auszahlung von Spieler 2 an.

Die garantierte Auszahlung ist für beide gleich: d1=d2 . Dieser beschreibt den Zustand, wenn keinerlei Kooperation zustande kommt. Die Punkte A beziehungsweise B geben an, was passiert wenn Spieler 1 bzw. Spieler 2 seine Interessen vollständig zu Lasten des anderen Spielers durchsetzt. Prinzipiell sind alle Auszahlungen innerhalb des von A,K,B und D gebildeten Parallelogramms möglich.

Allerdings würde Spieler 2 wesentlich mehr von der Kooperation profitieren als Spieler 1: k2-d2 > k1-d1

Hinzukommt das Spieler 2, im Idealfall für, ihn potenziell mehr gewinnen kann als Spieler 1: b2-d2 > a1-d1

Der potentielle Profit aus der Kooperation kann als Machtindex verstanden werden. Spieler 2 kann über ihn argumentieren stärker am Gewinn aus der Kooperation beteiligt zu werden. Diesen Umstand berücksichtigt die Nash-Lösung. Diese besagt, dass die eindeutige Lösung eines Verhandlungsproblems dieser Art das Nash-Produkt (x1-d1)*(x2-d2) maximieren müsse.26 Im Beispiel maximiert der Punkt K* das Nash-Produkt27 und würde somit gewählt, obwohl viele intuitiv der Punkt K' als gerechtere Lösung empfinden würden, schließlich ist die Auszahlung bei Deflektion für beide gleich, darum scheint es ungerechtfertigt das Spieler 2 für seine Kooperation höher entlohnt wird als Spieler 1. Verhandlungen mit Parteien, die über ein asymmetrisches Kräfteverhältnis verfügen, können also zu ungerechten Ergebnissen führen. Es ist also unmöglich für eine normative Vorstellung der Gerechtigkeit spieltheoretisch zu argumentieren ohne die Verhandlungspartner unter den „Schleier des Nichtwissens“ zu hüllen, da nur dieser rationale und egoistische Individuen aus ihrem Eigeninteresse lösen kann. Das nächste Spiel findet darum unter dem Schleier des Nichtwissens statt. Da keiner der beiden Spieler irgendetwas über seine Position in der Gesellschaft weiß sind für beide die möglichen Auszahlungen gleich. Es findet also ein symmetrisches Spiel statt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abbildung 2: Symmetrisches Spiel 1)

Die Möglichkeit der Deflektion beider Spieler wird durch den Punkt D dargestellt und ergäbe die Auszahlung (d1,d2). In den Punkten A und B deflektiert bzw. Kooperiert jeweils einer der beiden Spieler und im Punkt K kooperieren beide Spieler. Verbindet man die Punkte miteinander, ergibt sich eine Raute. Diese enthält die Menge der möglichen Auszahlungen. Es wird zunächst davon Ausgegangen, dass keine der beiden Parteien einer Lösung zustimmt, die sie schlechter stellt. Es muss also ein Punkt sein der gegenüber dem Punkt D eine Pareto-Verbesserung darstellt. Er liegt also im grau gezeichneten Bereich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abbildung 3: Symmetrisches Spiel 2)

Des weiteren wird bei symmetrischen Spielen angenommen, dass der zu wählende Punkt auf der Symmetrieachse liegt. Es wird deutlich, dass der Punkt K gewählt wird. Bei symmetrischer Kooperation, die durch den Schleier des Nichtwissens ermöglicht werden, werden also Lösungen getroffen die intuitiv gerecht erscheinen. Dies geschieht durch die faire Ausgangsposition. Somit lässt sich das Prinzip der „Gerechtigkeit als Fairness“ spieltheoretisch begründen. Denn dieses “drückt den Gedanken aus, dass die Grundsätze der Gerechtigkeit in einer fairen Ausgangssituation festgelegt werden“28.

2.1.3 Überlegungsgleichgewicht

Rawls' Gerechtigkeitskonzept soll zu einer eindeutigen Lösung führen, indem ein Überlegungsgleichgewicht gefunden wird. Der Prozess nach dem sich dieses Überlegungsgleichgewicht einstellen soll verläuft wie folgt. Die individuellen und unter Umständen unsystematischen Urteile, der einzelnen Individuen über eine gerechte Gesellschaftsordnung, werden auf eine Menge der wohlüberlegten Urteile reduziert. Durch diesen Schritt werden unsichere, unaufmerksame und irrtümliche Urteile ausgeschlossen. Es wird also mit Urteilen und Intuitionen zu einzelnen Fällen begonnen, bei denen sich die Individuen sicher sind. Durch Verallgemeinerung und theoretische Idealisierung werden aus diesen allgemeine Grundsätze formuliert. Aus den Intuitionen und Urteilen werden also allgemeine Prinzipien verfasst. Im nächsten Schritt werden die allgemeinen Grundsätze und die einzelnen wohlüberlegten Urteile einander angepasst und anfängliche Intuitionen vielleicht revidiert. Es findet also ein Anpassungsprozess von beiden Enden her statt.29 Als Ergebnis dieser Anpassung entsteht das Überlegungsgleichgewicht.30 Es handelt sich dabei um ein Gleichgewicht, in dem Einigkeit über die gewählten Grundsätze besteht, nicht um einen lediglich auf Akzeptanz beruhenden Konsens. „Es ist ein Gleichgewicht, weil schließlich unsere Grundsätze und unsere Urteile übereinstimmen; und es ist ein Gleichgewicht der Überlegung, weil wir wissen, welchen Grundsätzen unsere Urteile entsprechen, und aus welchen Voraussetzungen diese abgeleitet sind.“31 Rawls will damit eine annähernde Lösung zeigen. Die Bestimmung der Grundsätze in einer lexikographische Ordnung ähnelt dabei einer Folge eingeschränkter Maximierungsproblemen.32

[...]


1 Aristoteles (2001) S.199 (Buch 5, Kapitel 6, 1131a gemäß Bekker-Zählung)

2 Locke (1977) S.219

3 Marx (2008) S.742

4 Zur Kritik an der Social Choice Theorie siehe vor allem Sen (1970) und (2006) Zur Kritik von utilitaristischer Seite siehe vor allem Harsanyi (1975) und Arrow in: Höffe (1977) S.199-223

5 Hammond, Peter, 1987, Social Choice - The Science of the Impossible, in: G. R. Feiwel (ed.), Arrow and the Theory of the Foundation of Economic Policy, New York: New York University Press.

6 Vgl. Rawls (1975) S. 12

7 Vgl. Rawls (1975) S.12

8 Vgl. Rawls (1975) S.19

9 Vgl. Rawls (1975) S.12

10 Vgl. Höffe (1977) S.18

11 Vgl. Rawls (1975) S 82ff

12 Vgl. Rawls (1975) S.21f

13 Rawls (1975) S.21

14 Vgl. Habermas (1994) S.88f

15 Vgl. Rawls (1975) S.25f

16 Vgl. Rawls (1975) S.159

17 Rawls Ausführung ist hier widersprüchlich, da er an anderer Stelle eine Risikoaversion der Individuen annimmt, siehe hierzu: Rawls (1975) S.36ff

18 Rawls (1975) S.160

19 Vgl. Rawls (1975) S.160

20 Vgl. Homann (1988) S.221

21 Rawls (1975) S.162

22 Vgl. Rawls (1975)S.165

23 Vgl. Rawls (1975) S.167

24 Rawls (1975) S.168

25 Eine weitere, sehr anschauliche Verdeutlichung der Bedeutung des „Schleiers des Nichtwissens“ findet sich bei Binmore (1989) S.86ff

26 Nash (1950) S.155ff

27 Die betreffende Rechnung befindet sich im Anhang

28 Rawls (1975) S.29

29 Vgl. Rawls (1975) S.38

30 Vgl. Rawls (1975) S.28

31 Rawls (1975) S.38

32 Vgl. Rawls (1975) S.63

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Rawls und die Spieltheorie. Rationalität als minimaler Konsens
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
38
Katalognummer
V334303
ISBN (eBook)
9783668239869
ISBN (Buch)
9783668239876
Dateigröße
844 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rawls, spieltheorie, rationalität, konsens
Arbeit zitieren
Franz Schmid (Autor:in), 2012, Rawls und die Spieltheorie. Rationalität als minimaler Konsens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334303

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