Herodot - Geschichtsschreiber der Perserkriege


Seminararbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Herodot als Person
2.1 Leben und Werk
2.2 Herodots Weltsicht und Religiosität

3. Die Historien
3.1 Inhalt und Aufbau
3.2 Methodik und Intentionen der Historien
3.3 Urteil und Verlässlichkeit der Historien

4. Fazit

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Rahmen des Seminars „Die Perserkriege“ untersucht diese Arbeit das Leben und Werk des Herodot von Halikarnassos. Hauptwerk des mediterranen Reiseberichterstatters sind die „Historien“, deren Schwerpunkt die Perserkriege Anfang des fünften Jahrhundert vor Christus sind. Dies macht ihn, als umfangreichste Quelle und eine der wenigen Quellen überhaupt[1], zu einem exklusiven Berichterstatter dieser Zeit. Um die Historien Herodots als reichhaltige Quelle möglichst umsichtig aber auch ebenso umfassend auszuschöpfen, bedürfen seine Glaubwürdigkeit und seine Intentionen besonderer Prüfung.

Schon das Fehlen der biographischen Daten Herodots[2] macht deutlich, auf welch unsicheren Pfaden der Historiker sich dem Leben und Werk dieses Mannes, der „Vater der Geschichte und Vater der Anthropologie“[3] genannt wird, nähern muss. Nicht nur die Biographie Herodots ist unklar – einige Forscher zweifeln seine Reisetätigkeit ganz oder zumindest teilweise an – auch die Auslegungen seiner Werke gehen weit auseinander[4].

Die zu untersuchenden Objekte dieser Arbeit sind darum die moderne Forschungsliteratur sowie die deutsche Übersetzung der Historien selbst.[5] Problematisch ist die Tatsache, dass aufgrund fehlender biographischer Kenntnisse die Intentionen und die Weltsicht Herodots fast vollständig aus seinem Werk hergeleitet werden müssen. Dadurch wiederum begibt sich derjenige auf den unsicheren Weg der Rückschlüsse, der die gesamten Historien Herodots im Lichte dieser vermuteten Weltsicht und Motive bewertet.

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2. Herodot als Person

2.1 Leben und Werk

Das byzantinische Lexikon Suda enthält eine Passage über Herodot, derzufolge Herodot als Sohn der vornehmen Eltern Lyxes und der Dryo oder Rhoio im karischen Halikarnassos geboren wurde[6], einer ehemals griechischen Handelskolonie am Dorischen Golf, der heutigen Südwestküste der Türkei. Über die Forschung zu den biographischen Daten Herodots schreibt Robert Rollinger: „Allerdings ist eine `kritische´ Biographie Herodots noch nicht geschrieben worden. Die Masse der existierenden biographischen Rekonstruktionen fußt auf der Prämisse einer positiven Einschätzung sowohl der herodoteischen Quellenangaben als auch der Informationen, die die Antike bereithält“.[7] Zeitpunkt und Ort von Herodots Geburt sind also unbekannt. Das Fehlen einer genauen Altersangabe hat jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf seine Glaubwürdigkeit als Geschichtsschreiber. Die von vielen heutigen Wissenschaftlern[8] angenommenen biografischen Daten – Geburt zwischen 490 und 480 in Halikarnassos[9], Tod um 425 vor unserer Zeitrechnung in Thurioi, einer griechischen Kolonie in Unteritalien – sind für diese Untersuchung ausreichend exakt.[10] Von Bedeutung ist weiterhin der Terminus post quem respektive ante quem, demzufolge Herodot zur Zeit der Perserkriege (480/79 vor Christus), geboren wurde und seine Werke vor oder zu Beginn der Auseinandersetzungen Athens mit Sparta verfasst hat.[11] Konsequenz daraus ist, dass er einerseits die Perserkriege nicht oder nur als Kind miterlebt hat und andererseits die aktuellen Spannungen zwischen Athen und Sparta sein Werk beeinflusst haben könnten.

Laut Robert Rollinger deuten „die Personennamen“ der Eltern „und die geographische Lage“ des Geburtsortes darauf hin, dass sie Karier waren.[12] Da Karien während seiner Jugend unter der Herrschaft des persischen Tyrannen Lygdamis stand, ist anzunehmen, dass Herodot schon früh sowohl mit der griechischen als auch der persischen Kultur in Berührung gekommen ist[13]. Vor allem der Umstand, dass seine Familie in politischen Streit mit Lygdamis geriet, trug dazu bei, dass Herodot zuerst ins Exil nach Samos und daraufhin auf Reisen ging.[14] Ursprünglich also Konflikten mit einem Alleinherrscher ausweichend, kam Herodot schließlich nach Athen, von wo aus er seinen Interessen, Literatur, Reisen und Völkerkunde nachging. Aufgrund der vornehmen Herkunft, der vermögenden Eltern und einer damit einhergehenden umfassenden Bildung, erhielt er die Fähigkeit und Möglichkeit, sein Interesse an den Völkern der Welt in literarisches Arbeiten umzusetzen. Herodot gilt weithin als athenophil, es sind ein athenisches „Ehrendekret und finanzielle Zuwendungen überliefert“.[15]

Die Objektivität seiner Urteile bezüglich Herrschaftsformen, Sitten und Gerechtigkeitsgedanken kann bereits aufgrund seiner jugendlichen Erfahrungen mit dem persischen Despoten Lygdamis - und der dazu im Kontrast stehenden Freundschaft zu Athen, Sophokles und Perikles[16] - infrage gestellt werden. Herodot hatte in diesem persischen Tyrannen vielleicht seinen ersten großen Gegner gefunden; zumindest ist es leicht vorstellbar, dass Herodots Sympathie für die Griechen in der Hinsicht größer war als für die Perser. Thurioi als der Ort seines Todes und seines Grabes ist nicht bewiesen, gilt aber als anzunehmen.[17]

2.2 Herodots Weltsicht und Religiosität

Auf der Suche nach einer universalen Weltordnung mit verständlichen Kriterien für die Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten zwischen Kulturen, Charakteren, Sitten und auch Schicksalen der Griechen und der Barbaren scheint Herodot gewisse Grundprinzipien für ausschlaggebend zu halten: Zum Ersten ist er der Meinung, dass die Geographie und das Klima eines Landes seine Einwohner entscheidend prägen können. Reiches, fruchtbares und „weiches“ Land bringt seiner Ansicht nach weiche, wenig durchsetzungsfähige, schläfrige, ja faule und feige Menschen hervor.[18] Gerade am Beispiel des barbarischen Asiens[19] pauschalisiert Herodot demnach einerseits die Beschaffenheit des Landes um dann, auf dieser undifferenzierten Diagnose aufbauend, den asiatischen Menschen an sich stereotyp zu charakterisieren. Allerdings weist Stefan Schmal darauf hin, dass Herodot in der Frage des Klimas manchmal inkonsequent sei : „Einmal betont er gerade die Ausgeglichenheit des ionischen Klimas [...], woanders die gute Mischung der Jahreszeiten in Griechenland“; wieder woanders lobt Herodot die Ägypter als „die nach den Libyern gesündesten Menschen“ und zwar weil dort die „Jahreszeiten nicht wechseln. Veränderungen bringen den Menschen die meisten Krankheiten, besonders der Wechsel der Jahreszeiten“.[20] Schon diese Inkonsequenz spricht für die fehlende wissenschaftliche Präzision und Logik Herodots.

Der zweite Aspekt ist der der „systematischen Symmetrie“, beziehungsweise der „Asymmetrie“. Ähnlich wie bei dem geographischen Erklärungsmodell schneiden die Asiaten schlechter ab als die ihnen ungleichen Europäer. Herodot sieht das Herrschaftssystem der Asiaten als Hauptgrund für eine ihnen eigene Sklavenmentalität an. Wenn Herodot sagt, die „Seelen sind nämlich versklavt“, dann meint er damit die Unterwürfigkeit der Untertanen, die unter Alleinherrschaft stehen. Das Volk, so argumentiert Herodot, wird krank, schwach und mutlos, wenn es geknechtet wird, blüht dagegen zu Tatendrang, Mut und Stärke auf, sobald es in Freiheit lebt.[21] Der schwache, weiche Charakter der Asiaten ist also sowohl durch das dortige Klima als auch durch das Herrschaftssystem zum Sklavendasein prädestiniert.

Insofern verwebt Herodot seine Argumente zu einem in letzter Konsequenz bipolaren Menschenbild: Der Freie ist kultiviert und kräftig, stammt in der Regel aus einem Land mit forderndem Klima, ist aufgrund der Beschaffenheit und der Herrschaftsform seines Landes gerecht und edel. Der Unfreie ist körperlich und charakterlich schwach, weil die Art seines Land und seiner Gesellschaft diese Eigenarten befördern. Er ist ein Barbar in dem Sinne, dass er mit dem ihm gegebenen Reichtum genauso wenig umgehen kann, wie mit der Freiheit, die er nicht zu schätzen weiß, da er entweder herrscht oder beherrscht wird, nicht aber in Gleichheit mit den Seinen leben kann. Schlussfolgerung daraus muss sein, dass der Edle sich nicht vom Barbaren beherrschen lassen darf.[22]

Reinhold Bichler wertet dieses „Perserbild“ als Eckpfeiler der herodoteischen These der Ungleichheit von Freien und Barbaren, Hellenen und Persern, Herren und Knechten: „Das ganze Bild der Perser ihrer Sitten und ihres Geschicks als Träger eines Weltreiches von nie zuvor dagewesenen Dimensionen ist von diesem Kontrast zwischen den Wurzeln der Freiheit und den Gefahren der Knechtschaft bestimmt“.[23] John Hart sieht in der Abwertung der persischen Herrschaftsform eine Warnung Herodots vor dem aufziehenden Polisegoismus zwischen dem Athen der freien Bürger und dem undemokratischen Sparta.[24] Otto Regenbogen meint im Gegenteil, die Gegensätzlichkeit zwischen Barbaren und Hellenen zuerst im spezielleren Gegensatz Spartaner-Barbaren zu finden. Die Spartaner „fungieren [...] hier gewissermassen als Prototyp hellenistischen Wesens“ und würden mit „Armut, Tüchtigkeit, Freiheit und starke[m] Gesetz“ verbunden, wohingegen die Perser mit Attributen wie „Reichtum, Masse und Zwingheer“ bedacht würden.[25] Die Barbarenthematik kann jedoch auch noch von einer anderen, weniger politisch ambitionierten Seite aus betrachtet werden. Stefan Schmal bringt einige Beispiele für Herodots wohl eher ethnologisch bis touristisch einzustufende Bewunderung für Barbaren. So berichtet er von friedfertigen, einsichtigen, weisen, heiligen und großgewachsenen und schönen Barbaren.[26] Stefan Schmal dazu : „Auch dies sind einige Aspekte des überaus bunten herodoteischen Barbarenbildes. Von ‚Barbarei’ in unserem Wortsinne reicht das Spektrum bis zur Bewunderung von Unschuld, Naturhaftigkeit und Gesundheit. In dieser Vorbildrolle kommt dem Barbarentum ein ganz eigenes Gewicht zu“.[27]

[...]


[1] Stefan Schmal, Feindbilder der frühen Griechen, Europäische Hochschulschriften Reihe 3. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Frankfurt a.M. 1995, S. 89.

[2] Reinhold Bichler / Robert Rollinger, Herodot, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000, S.111.

[3] James Redfield, Herodotus the Tourist, in: Greeks and Barbarians, Hrsg. Thomas Harrison, Edinburgh 2002, S. 24.

[4] Reinhold Bichler / Robert Rollinger, S. 113.

[5] Herodot, Historien I und II, Sammlung Tusculum, griechisch-deutsch, herausgegeben von Josef Feix, Düsseldorf/Zürich, Artemis und Winkler, 2000.

[6] Herodot, Historien, Buch 2, Seite 1273.

[7] Robert Rollinger / Reinhold Bichler, S. 113.

[8] Zu Herodots Biografie siehe auch: Herodot, Historien I und II, Sammlung Tusculum, griechisch-deutsch, herausgegeben von Josef Feix, 6. überarbeitete Auflage, Artemis und Winkler, Düsseldorf/Zürich 2000, S. 1273 ff.

[9] Herodot, Historien, S. 1290.

[10] Siehe hierzu: Robert Rollinger / Reinhold Bichler, S. 111.

[11] Stefan Schmal, S. 89.

[12] Ebd. S. 111.

[13] „Sie sind nicht hellenisch und damit Zeugen der generationenalten Völkermischung an den Randgebieten der kleinasiatischen Küste“. Herodot Historien, S. 1290.

[14] Herodot reiste innerhalb Griechenlands nach Athen, Theben, Olympia und Korinth und darüberhinaus „ins Schwarzmeergebiet und Skythenland, nach Kleinasien, Thrakien und Makedonien, in die Magna Graecia sowie auf Sizilien [...]“ und nach „Tyros und Babylon“. Robert Rollinger weist jedoch auf „extreme Gegenpositionen“ zu diesen Annahmen hin, siehe dazu: Reinhold Bichler / Robert Rollinger, S. 112/113.

Nicht persönlich lernte er offenbar den Iran, Indien, Arabien, Äthiopien und auch nicht Italien, Spanien, überhaupt West- und Mitteleuropa und den Westen der Nordküste Afrikas kennen; soweit er über diese Länder berichtet, hat er sich daher auf Gewährsleute berufen müssen. Zur Problematik seiner Quellen siehe Herodot Historien, S. 1295.

[15] Reinhold Bichler / Robert Rollinger, S. 112.

[16] Ebd., S. 112.

[17] Es kommen weiterhin Athen und Pella infrage. Siehe dazu: Herodot, Historien, Hrsg. Joseph Feix, S. 1290.

[18] Siehe zum Beispiel: Herodot, Historien, IX 122.

[19] Mit der Bezeichnung Asien sei „die Festlandmasse Kleinasiens“ gemeint, in diesem Sinne wurde Asien zeitgenössisch gebraucht, auch Europa wird im Folgenden nicht im modernen, sondern im damaligen Sinne gebraucht. Siehe: Reinhold Bichler / Robert Rollinger, S. 29.

[20] Stefan Schmal, S. 114.

[21] Stefan Schmal, S.113 und Georg Walser, S. 2.

[22] Reinhold Bichler / Robert Rollinger, S. 71f.

[23] Reinhold Bichler, S. 70.

[24] John Hart, Herodotus and Greek History, Worcester UK, 1993, S. 111.

[25] Otto Regenbogen, Wege der Forschung, Band XXVI, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982, Hrsg. Walter Marg, S.88.

[26] Stefan Schmal, S. 115.

[27] Ebd., S. 115.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Herodot - Geschichtsschreiber der Perserkriege
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Alte Geschichte FB 04)
Veranstaltung
Proseminar "Die Perserkriege"
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V33444
ISBN (eBook)
9783638339209
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bewertung: Eine sehr ambitionierte, komplexe Arbeit mit guter Literaturliste, gutem kritischen Apparat und sehr guter Literaturanalyse. Für das Fehlen der Quellenbelege im ersten Hauptkapitel (S.3 f) wollte ich eigentlich eine Eins minus geben, aber die nachfolgenden Ausführungen waren dazu zu überzeugend und erfreulich. Ganz Prima!
Schlagworte
Herodot, Geschichtsschreiber, Proseminar, perser, perserkriege, xerxes, dareius, xenophobie, vorurteil, aristoteles, athen, sparta, ionien, halikarnassos
Arbeit zitieren
Patrick Wilke (Autor:in), 2004, Herodot - Geschichtsschreiber der Perserkriege, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33444

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