Interdisziplinarität zwischen Soziologie und KI. Das Grenzgebiet der Sozionik als Quelle von Innovationsanreizen?


Seminararbeit, 2003

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Abschnitt I: Integration des Themas Sozionik in die Diskussion der Informationsgesellschaft
a.) Charakterisierung der Diskussion der Informationsgesellschaft
b.) Soziologie und interdisziplinäre Ansätze
c.) Wissenschaftliche Fortschritte im Zeichen der Computerisierung

Abschnitt II: Einige Stichworte zur Künstlichen Intelligenz
a.) Beispiele einiger KI-Technologien
aa. ‚Jamsession mit dem Computer’
bb. ‚Der Cybernetic Poet’
cc. ‚Bilder von Aaron von Cohen’
dd. ‚Discovery Programms’
b.) Maßstäbe und Geschwindigkeit des Fortschritts
c.) Orientierung an der Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns

Abschnitt III: Sozionik – Expeditionen ins Grenzgebiet zwischen Soziologie und Künstlicher Intelligenz
a.) Einführung
b.) Kooperationsmöglichkeit: Methodentransfer
c.) Das Problem soziologischer Kategorien
d.) Innovation durch Metaphernmigration und Referenzumstellung
e.) Fazit für die Sozionik

Abschnitt IV: Computertechnologisch basierter Fortschritt und der Begriff des Mythos
a.) Ein computertechnologischer Mythos?
b.) ... und die Sozionik?

Literaturverzeichnis

Vorwort

Die Feststellung, die Gegenwartsgesellschaft lebe in einer durch und durch computerisierten Welt, ist so trivial, dass sie eigentlich keiner weiteren Erläuterung bedarf. Interessant wird diese Feststellung hingegen, wenn man mit Fragen nach dem Warum oder nach möglichen und vorhandenen, aber scheinbar unbeachteten Alternativen an sie herantritt. In Anlehnung an DEUTSCHMANNs Auseinandersetzung mit dem Begriff des Mythos lässt sich festhalten, dass der Status quo nicht als eine rationale Konsequenz des Vergangenen verstanden werden muss, sondern sich ex post als Ergebnis von „Entscheidungen“ auf dem historischen Scheide­weg jeglicher Entwicklungen und Fortschritte identifizieren lässt. Diese Entscheidungen wir­ken dann verändernd, wenn sie gesamtgesellschaftlich getragen werden, auf Resonanz stoßen.

Das hier behandelte Thema der Computerisierung (welche eben jene notwendige Resonanz erhält) und des scheinbar vorhandenen Glaubens, jeglicher Fortschritt stehe mit computer­technologischen Innovationen in Verbindung, wird vornehmlich auf der Makroebene in ver­schiedener Weise angegangen: im Kontext der Diskussion der Informationsgesellschaft, anhand eines kurzen Abstechers in die Welt der Künstlichen Intelligenz und daran anschlie­ßend am konkreten Beispiel der Sozionik nach MALSCH. Abschließend wird nochmals die Frage aufgeworfen, ob sich das Warum oder ein verborgener Grund für diese spezielle Form der Entwicklungen der modernen Gesellschaft finden lässt, oder ob es letzten Endes beim Stellen dieser Frage bleibt.

Auf ein gesondert ausgewiesenes Fazit wird in dieser Ausarbeitung verzichtet – dies geht mit dem Charakter des Themas und der oben vorgestellten Fragestellung einher. Die abschließen­den Ausführungen in Abschnitt IV.b (... und die Sozionik?) enthalten den Anklang einer Schlussbemerkung, die anstelle eines Fazits genügen soll.

Einleitung

Der Bedarf an Informationen zur Generierung von Wissen nimmt scheinbar Ausmaße und Formen an, die dazu führen, dass die moderne Gesellschaft dies als ihr aktuelles Merkmal anerkennt und sich ein entsprechendes (Selbst-) Bild aneignet.

Marktfähige Informationen, die von geschickten Datenjägern, welche einmal als Versiche­rungsvertreter, ein andermal als ungesehener Beobachter auftreten oder aber in Wirtschafts- oder Forschungsprozessen entstehen, sind ein Merkmal einer Gesellschaft, welche zum einen Informationen und Wissen als Mittel zur Macht, zum anderen aber ihre Abhängigkeit vom Computer akzeptiert hat.[1] So klingt es auch bei diversen Autoren wie z.B. UMESAO (1963) an[2] ; so lässt es sich im Alltag beobachten. Die Dominanz des Computers tritt im Wirtschaftsle­ben bei sämtlichen Produktions-, Anwendungs- und Konsumptionsphasen her­vor und ist ebenso aus den Wissenschaften nicht mehr wegzudenken. Effizienzsteigerungen beruhen im Allgemeinen auf der stets wachsenden computertechnologischen Leistungsfähig­keit, die sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts alle 24 Monate vervierfacht (bezogen auf Ar­beitsgeschwindigkeit und Komplexität der Rechenanlagen).[3] Konjunkturelle Aufschwünge werden entsprechend mit den Informationstechnologien in Verbindung gebracht, denen die wohlhabenden Nationen somit ihren Reichtum verdanken; doch hierbei darf nicht vergessen werden, dass Informationen und Wissen an sich unmittelbar Teil des Reichtums sind (als immaterielle Wertgegenstände wie bspw. Patente). Für das Silicon Valley ergibt sich somit ein Wert von einer Billion Dollar (1999).[4]

Die computertechnische Durchdringung sämtlicher Ebenen der verschiedensten Lebens­bereiche macht scheinbar vor nichts und niemandem halt und führt dazu, dass sich die moder­nen Gesellschaften der letzten drei bis vier Dekaden als Informationsgesellschaft verstehen (die paranoide Variante heißt: Überwachungsgesellschaft), in der gerade die Wissenschaften auf die scheinbar unersetzlichen computertechnologischen Helfer und Unterstützungen aus dem Reich der Informatik zurückgreifen können (müssen?).

Eine Frage, welche sich unmittelbar aufdrängt ist die nach den Quellen dieser innovatorischen Kräfte. In der folgenden Ausarbeitung wird anhand des Verhältnisses der Informatik zur Soziologie eine Möglichkeit skizziert, wie sich Innovationsanreize auf einem speziellen Gebiet entfalten können.

Gemeint ist nicht die empirische Sozialforschung, welche ihre komplizierten mathematisch-statistischen Methoden ebenso selbstverständlich mit Hilfe der EDV anwendet wie bspw. der Baustatiker seine Berechnungen computergestützt durchführt. Gemeint ist auch nicht die soziologische Untersuchung von Folgen der Einführung der Computertechnik in der Arbeits­welt oder deren Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung und dergleichen.

Obige Frage zielt auf eine Verzahnung beider Wissenschaften, in der weder die eine noch die andere die Rolle einer Hilfswissenschaft einnimmt. Gemeint ist das junge interdisziplinäre Forschungsgebiet zwischen Soziologie und Künstlicher Intelligenz (KI), das THOMAS MALSCH als Sozionik bezeichnet.[5] Hat man doch den Eindruck, der Computer spiele oft die Rolle des Lückenfüllers, der gerade hier und jetzt diese oder jene Arbeit verrichten muss, weil die Computertechnologie dem Menschen mittlerweile weit voraus sei, so geht die Leitfrage der Sozionik in die entgegengesetzte und deswegen so interessante Richtung: Worin besteht die enorme Robustheit und Innovationsfähigkeit der menschlichen Gesellschaft, und wie las­sen sich diese Eigenschaften in intelligente und fehlerfreundliche Computertechnologien übersetzen?

Dieser Ansatz, die Computertechnologie könne von der Sozialität, Dynamik und Anpassungs­fähigkeit menschlicher Gesellschaften lernen, liefert eine faszinierend andersartige Denk­richtung wie das sonst übliche Vorurteil, die Computertechnologie stelle per se eine oder gar die Verbesserung dar.

Die sich aus dieser Annäherung der Soziologie und der Informatik nach MALSCHs Vorstel­lungen ergebende Sozionik fügt sich m.E. gut in das Bild und Selbstverständnis dieser (zumindest in den Köpfen der Menschen neuen) Informationsgesellschaft ein und vermittelt für diesen konkreten Fall eine Vorstellung davon, wie sich innovatorische Kräfte, welche durch eine globale Übernahme der gewonnenen Erkenntnisse auf den verschiedensten Gebie­ten wiederum Innovationen anstoßen, entfalten können.

In Abschnitt I wird die Diskussion der Informationsgesellschaft einführend beschrieben, welche den Rahmen für das Thema der Sozionik darstellt. Die Darstellung der grundlegenden Idee dieser Forschungsrichtung erfolgt in Abschnitt III; sie soll als Beispiel dienen, in welcher Weise computertechnologische Fortschritte angeregt werden können. Die Sozionik ihrerseits ist dem Gebiet der Forschungsrichtung der Künstlichen Intelligenz zuzuordnen. Eine beispiel­hafte Vorstellung der KI findet sich in Abschnitt II.

Ansätze, welche Innovationen und Fortschritte bezüglich ihres wirklichen Gehalts hinterfra­gen und auf eine mögliche Umstellung des Verständnisses ihrer gesellschaftlichen Bedeutung hinweisen, werden nicht außer Acht gelassen. Diesbezüglich wird abschließend der Begriff des Mythos in Abschnitt IV thematisiert.

Abschnitt I: Integration des Themas Sozionik in die Diskussion der Infor­mationsgesellschaft

a.) Charakterisierung der Diskussion der Informationsgesellschaft

Damit der Terminus Informationsgesellschaft im Folgenden nicht in einer zu allgemeinen und selbstverständlichen Weise gebraucht wird, wird dieser Begriff einführend in angebrachter Kürze verortet, wobei in Anlehnung an RUDOLF STICHWEH eine zeitliche Einordnung sowie eine kurze Vorstellung der Konzepte zur Informationsgesellschaft erfolgt.[6] Hierbei wird nicht im Geringsten versucht, die Definition des Begriffes zu finden; vielmehr geht es um eine schlagwortartige Beschreibung, die ein gewisses Gefühl für den Themenkreis der Diskussion vermitteln soll.

STICHWEH sieht den Ausgangspunkt der These der Informationsgesellschaft in dem von dem Ökonomen FRITZ MACHLUP verfassten Buch ‚The Production and Distribution of Knowledge in the United States’, welches 1962 erschienen ist, wobei zu betonen ist, dass dieses Buch nicht von einem Soziologen verfasst wurde.

Der Titel verweist auf ein zentrales Thema: Wissen. MACHLUP führt eine neue Beschäf­tigungsklassifizierung ein, welche die ebenfalls der Diskussion der Dienstleistungsgesell­schaften zu Grunde liegende klassische Drei-Sektoren-Einteilung[7] anhand der Unterscheidung von wissensproduzierenden und nicht-wissensproduzierenden Tätigkeiten ergänzt (STICHWEH 1998, S. 433). MACHLUPs Arbeit wird hier nicht näher erläutert; vielmehr geht es um die Charakterisierung der Diskussion der Informationsgesellschaft anhand einiger zentraler Begriffe. Wissen ist als eines der zentralen Themen zu verstehen, ebenso Informa­tion und Kommunikation. Die Auseinandersetzung mit diesen Begriffen und Konzepten sowie deren Bedeutung für die Diagnose der Gegenwartsgesellschaft in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sind als „roter Faden“ zu verstehen, der sich durch die von STICHWEH vorgestellten, die Informationsgesellschaft charakterisierenden Arbeiten zieht.

Die chronologisch folgenden Schritte sieht STICHWEH in einem Essay des Japaners UMESAO (1963) und den japanischen Regierungsdokumenten, welche zwischen 1969 und 1983 entwickelt wurden und Pläne und Maßnahmen enthalten, die auf die Verwirklichung einer japanischen Informationsgesellschaft abzielen. UMESAO, wiederum kein Soziologe, verweist auf die zentrale Rolle und Bedeutung, welche Informationen im Rahmen des Selbst­verständnisses und der selbstgerichteten Auseinandersetzung der Gesellschaft einnehmen und zeigt auf, welche Bedeutung der immateriellen Manipulation von Symbolen in der histo­rischen wie auch der gegenwärtigen Gesellschaft zukommt. Die (fünf größeren) japanischen Regierungsdokumente, deren Autoren den Bereichen der Ökonomie oder Informationswissen­schaften entstammen, führen den Begriff der Informationsgesellschaft ein und machen deutlich, dass diese anhand der fortschreitenden Computerisierung charakterisiert werden kann. Der Computer als Leittechnologie ermöglicht in Handel, Dienstleistung und Industrie ungekannte Geschwindigkeiten der Informationsflüsse, während auf Seiten der Konsumenten Wissen eine gesamtgesellschaftliche Verbreitung erfährt und ein gesteigerter Informationsbe­darf aufkommt (ebd. S. 434f.).

[...]


[1] Vgl.: Tügel, Hanne: Im Datennetz: Der gläserne Mensch. GEO, Ausgabe 6/Juni 1996. S. 16 ff.

[2] Vgl.: Stichweh; Rudolf: Die Soziologie und die Informationsgesellschaft, in: Friedrichs, Jürgen / Lepsius, M. Rainer / Mayer, Karl Ulrich (Hg.), Die Diagnosefähigkeit der Soziologie. Sonderheft 38 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Opladen 1998. S. 434.

[3] Kurzweil, Ray: Homo Sapiens. Leben im 21. Jahrhundert – Was bleibt vom Menschen? Köln 1999. S. 19.

[4] ebd.

[5] Malsch, Thomas / Florian, Michael / Jonas, Michael / Schulz-Schaeffer, Ingo: Sozionik - Expeditionen ins Grenzgebiet zwischen Soziologie und Künstlicher Intelligenz, in: Malsch, Thomas (Hg.): Sozionik: soziologische Ansichten über künstliche Sozialität. Berlin, Ed. Sigma 1998. S. 9.

[6] Stichweh; Rudolf: Die Soziologie und die Informationsgesellschaft, in: Friedrichs, Jürgen / Lepsius, M. Rainer / Mayer, Karl Ulrich (Hg.), Die Diagnosefähigkeit der Soziologie. Sonderheft 38 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Opladen. 1998.

[7] U.a. Häußermann, H. / Siebel, W.: Dienstleistungsgesellschaften. Frankfurt a. M. 1995. Dort insbesondere S. 27ff.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Interdisziplinarität zwischen Soziologie und KI. Das Grenzgebiet der Sozionik als Quelle von Innovationsanreizen?
Hochschule
Universität Lüneburg  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Seminar 'Informationsgesellschaft'
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
26
Katalognummer
V33553
ISBN (eBook)
9783638339995
Dateigröße
565 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interdisziplinarität, Soziologie, Grenzgebiet, Sozionik, Quelle, Innovationsanreizen, Seminar
Arbeit zitieren
Florian Lüdeke (Autor:in), 2003, Interdisziplinarität zwischen Soziologie und KI. Das Grenzgebiet der Sozionik als Quelle von Innovationsanreizen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33553

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