Das Sicherheitspaket I und II und der Anti-Terrorism, Crime and Security Act aus Perspektive des Multiple-Streams-Ansatzes

Die Sicherheitspolitik in Deutschland und Großbritannien im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

19 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung

2. Der Fall Großbritannien
2.1 Tradition der Sicherheitspolitik
2.2 Die Wahrnehmung der Terroranschläge
2.3 Der Anti-Terrorism, Crime and Security Act

3. Der Fall Deutschland
3.1 Tradition der Sicherheitspolitik
3.2 Die Wahrnehmung der Terroranschläge
3.3 Die Sicherheitspakete I und II

4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede

5. Erklärung

6. Fazit und Ausblick

1. Einleitung

Der 11. September 2001 - ein Datum, das einen radikalen Wandel in der Welt markiert. Anschläge gab es freilich schon vor diesem Datum, wir sprechen hier zum Beispiel von den Anschlägen der Roten Armee Fraktion oder der Irisch-Republikanischen Armee. Doch die Qualität war hier eine ganz andere. Die Zahl der Opfer war immens, die Medienresonanz noch während der Ereignisse war überwältigend, der ganzen Welt schien der Atem zu stocken, angesichts einer solchen Tat.

Die Reaktionen auf diese Anschläge waren in vielen Ländern sehr weitgreifend. Gesetze wurden erlassen um dem Terror Einhalt zu gebieten, militärische Gegenschläge geplant, sogar zum ersten Mal der NATO-Bündnisfall laut Artikel fünf des NATO-Vertrages ausgerufen.

Mit den Gesetzesänderungen kämpften Deutschland und Großbritannien nicht gegen eine tatsächliche, messbare Bedrohung im eigenen Land. Tatsächlich gaben die Geheimdienste Entwarnung und versicherten, dass das Risiko eines Anschlages äußerst gering sei. Dennoch fühlten sich beide Länder genötigt, umfassende Änderungen beziehungsweise Erweiterungen in ihren Terrorismusbekämpfungsgesetzen herbeizuführen. Damit begegneten sie einer potenziellen Gefahr und antworteten auf ein Gefühl der Angst. In der vorliegenden Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie zwei Länder mit so unterschiedlicher politischer Struktur und Tradition in sicherheitspolitischen Fragen, zu recht ähnlichen Gesetzesanpassungen und - änderungen kommen konnten. Dabei werden zunächst beide Länder für sich betrachtet, hinsichtlich ihrer Politik der inneren Sicherheit vor den Anschlägen, der Wahrnehmung der Anschläge innerhalb der Regierung und der anschließenden Gesetzesänderungen. Danach werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede erläutert um dann in einem dritten Schritt ein theoretisches Konzept auszumachen, das die Vorgänge sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien erklärt.

Die Bearbeitung dieser Frage ist aus verschiedenen Gründen äußerst interessant. Zum einen ist die Gefahr durch Terrorismus ein sehr aktuelles Thema mit großer Medienpräsens. Einige Beispiele für Anschläge mit radikal-islamistischem Hintergrund sind Charlie Hebdo im Februar 2015, Paris im November 2015 und Brüssel im März 2016.

Weiterhin sind beide Länder Mitglieder der Europäischen Union, was eine gute Grundlage für einen Vergleich schafft; vor allem im Hinblick auf Sicherheitsfragen, da dies ein großes europäisches Thema ist und auch Teile der Zuständigkeit bei der Europäischen Union liegen. Dennoch sind die Traditionen im Bereich Sicherheitspolitik so unterschiedlich, dass es sehr lohnenswert sein wird, herauszufinden, was solch ähnliche Policys hervorgerufen hat. Zwar waren beide Länder in ihrer Vergangenheit schon mit Terrorismus im eigenen Land konfrontiert, doch die Unterschiede in der Handhabung dieses Problems waren recht unterschiedlich. Zudem wurden in beiden Ländern die betreffenden Gesetze recht zügig verabschiedet, was für einen sehr hohen Problemdruck spricht.

Die Anschläge vom 11. September bieten sich an, da sie einen Meilenstein in der Geschichte internationaler Konflikte darstellen. Der radikal-islamistische Terror war plötzlich im Fokus der weltweiten Aufmerksamkeit.1

Daase und Rühling sprechen im Bezug auf 9/11 von einem Wandel, einer Zäsur in der Sicherheitskultur (Daase, Rühling 2016; 13). Wobei Sicherheitskultur hier zu verstehen ist als Summe der Überzeugungen, Werte und Praktiken von Institutionen und Individuen, was diese als Gefahr ansehen und welche Mittel sie für adäquat erachten, dieser Gefahr zu begegnen (Daase 2011; 61). Viele Autoren sprechen im Zusammenhang mit den Anti-Terrorismusgesetzen über den Inhalt und die Auswirkung eben dieser. Eine Analyse des Weges zwischen der Attacken und der Verabschiedung der Gesetze fand bislang allerdings nicht statt.

Ganz konkret wird es in dieser Arbeit um die Entstehung der Sicherheitspakete I und II und des Anti-Terrorism, Crime and Security Acts gehen, da beide als Antwort auf die Anschläge vom 11. September zu verstehen sind. Die Frage, die dabei beantwortet werden soll, lautet: Warum kam es sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland zu ähnlichen Gesetzen zur Terrorismusbekämpfung? Also, welche Voraussetzungen mussten erfüllt, welche Wege beschritten werden, um zu diesem speziellen Output zu kommen. Dabei wird der Multiple Streams Ansatz als theoretisches Konzept zur Erklärung der Policyveränderungen herangezogen, da nur er beide Policys hinreichend erläutern kann.

Es handelt sich hier um ein Most-Different-Same-Outcome-Design (MSDO), das in dieser vergleichenden Fallstudie angewendet wird. Die Analyse wird mit Hilfe von Plenarprotokollen, Gesetzestexten und Protokollen von Parlamentsdebatten durchgeführt und umfasst den Zeitraum vom 11. September 2001 bis zum 20. Dezember 2001, den Beginn markiert dabei der Terroranschlag auf die USA, dass Ende die Verabschiedung des Sicherheitspaketes II.

2. Der Fall Großbritannien

2.1 Tradition der Sicherheitspolitik

Großbritannien blickt auf eine lange Tradition von Terrorismusbekämpfung zurück, was vor allem den Religions- und Territorialstreitigkeiten in Nordirland geschuldet ist. Inhaltlich ging es in diesen Gesetzen um den Aufbau einer Anti-Terror-Spezialeinheit, die Suspendierung von Habeas Korpus, besondere Befugnisse für die Durchsuchung und Verhaftung von Personen und um die Beschränkung des Schweigerechts während polizeilicher Untersuchungen (Haubrich 2005; 289). Im Prevention of Terrorism Act von 1974 wurden diese Gesetze noch einmal gefestigt und um weitere Polizeivollmachten bezüglich des Terrorismus ergänzt. Dieses Gesetz wurde mit äußerster Dringlichkeit behandelt; es durchlief den Gesetzgebungsprozess widerspruchslos innerhalb eines Tages. Die königliche Zustimmung erfolgte nur 48 Stunden später (Haubrich 2005; 301)

Anlass dieses neuen Gesetzes war ein Bombenanschlag auf eine Bar in Birmingham im November 1974, dem über 180 Menschen zum Opfer fielen. Diese Attacke wurde der IrischRepublikanischen Armee (IRA) zugeschrieben, die die Verantwortung dafür allerdings nie offiziell einräumten.2

Terrorismus wurde so zu einem permanenten Bestandteil des politischen und gesellschaftlichen Lebens Großbritanniens, einem Problem, dem man nur spezielle Gesetze, polizeiliche Expertise und verdeckt arbeitende Geheimdienste entgegensetzen kann (Haubrich 2005; 302). 1989 folgte der Prevention of Terrorism (Temporary Provisions) Act mit sieben Paragrafen, 1996 der Prevention of Terrorism (Additional Power) Act mit neun Paragrafen. Beide durchliefen das Gesetzgebungsverfahren in kürzester Zeit und wurden mit dem Terrorism Act von 2000 noch einmal bestätigt und gefestigt.

Laut dem Joint Committee on Human Rights des britischen Parlaments verfügte das Vereinigte Königreich schon vor 2001 über das weitreichendste und drakonischste Arsenal an AntiTerrorismusmaßnahmen in Europa (Haubrich 2005; 302).

2.2 Die Wahrnehmung der Terroranschläge

Nach den Anschlägen zeigte sich die britische Regierung unter Tony Blair uneingeschränkt solidarisch mit den Vereinigten Staaten im Kampf gegen den Terrorismus, Queen Elizabeth äußerte wachsenden Unglauben und „total schock“.3Tony Blair beschrieb die Anschläge als direkten Angriff auf die demokratischen Werte der zivilisierten Welt. Es gäbe keine politische oder religiöse Rechtfertigung, das Leben so vieler Menschen zu nehmen.

Schon in seiner ersten Rede vor dem Parlament, am 14. September 2001, forderte der Premierminister, die Attentäter zur Rechenschaft zu ziehen, ihnen Finanzen und Infrastruktur zu entziehen und formte so die Attacke auf amerikanischem Boden zu einem britischen Problem. Indem er von der Möglichkeit der Verwendung von chemischen, biologischen und nuklearen Waffen durch Terroristen sprach, sorgte er dafür, dass die gefühlte Bedrohung stetig wuchs. Auch anderer Mitglieder des Unterhauses, darunter auch der Oppositionsführer Ian Duncan Smith, sprachen sich für den Kampf gegen den Terrorismus in Form von schärferen Gesetzen aus. Auch in den folgenden Parlamentsdebatten wurde der radikal-islamistische Terror weiter als Problem der inneren und äußeren Sicherheitspolitik Großbritanniens dargestellt. Neben militärischen Interventionen gemeinsam mit den USA, wurden auch Anpassungen der Antiterrorismusgesetze gefordert, obwohl es im Land selbst zunächst keine direkte Bedrohung durch islamistischen Terror gab. Es zeigt sich, dass sowohl Regierung als auch Opposition in Fragen der inneren Sicherheit eher auf eine gefühlte, als auf eine tatsächliche Gefahr reagierten.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der die Wahrnehmung von 9/11 beeinflusste, war Großbritanniens Nähe zu Amerika. Schon vor 2001 unterstütze das Königreich die Vereinigten Staaten bei militärischen Interventionen und stand den Staaten im Allgemeinen sehr nahe. Besonders unter Tony Blair, der 1997 Premierminister Großbritanniens wurde, wurden die außenpolitischen Beziehungen zwischen beiden Ländern stark ausgebaut.

2.3 Der Anti-Terrorism, Crime and Security Act

Das neue Gesetz zur Terrorismusbekämpfung, der Anti-Terrorism, Crime and Security Act, wurde recht schnell verabschiedet. Die 129 neuen Paragraphen passierten innerhalb von drei Tagen das britische Gesetzgebungsverfahren und erhielten die königliche Zustimmung schon am nächsten Tag (Haubrich 2011, 290). Dieses Gesetz erlaubt es, Konten von Organisationen und Einzelpersonen, die der Planung und/oder Durchführung von terroristischen Attacken verdächtigt werden, einzufrieren und verdächtige Ausländer auf unbestimmte Zeit festzuhalten. Weiterhin wurden Polizei und Geheimdienste mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, vor allem im Bereich der Forderung der Herausgabe persönlicher Daten von Schulen oder anderen öffentlichen Einrichtungen und der Überwachung von Telekommunikation. Außerdem wurden weitere Straftaten als terroristische Angriffe eingestuft, wie das Bauen von chemischen oder biologischen Waffen. Auch waren Banken nun verpflichtet, verdächtige Kontobewegungen zu melden.

3. Der Fall Deutschland

3.1 Tradition der Sicherheitspolitik

Als Reaktion auf verschiedene Anschläge der linksradikalen Roten Armee Fraktion (RAF) gab es in Deutschland schon vor 2001 Gesetze, die den Terrorismus bekämpfen sollten.

[...]


1 Bundeszentrale für politische Bildung, “9/11 und die politischen Folgen“, 11͘ September 2013 3

2The Guardian, “IR fails to say sorry for Birmingham pub bombs”, 22. November 2004

3New York Times, “Reactions from around the World”, 12.09.2001

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Das Sicherheitspaket I und II und der Anti-Terrorism, Crime and Security Act aus Perspektive des Multiple-Streams-Ansatzes
Untertitel
Die Sicherheitspolitik in Deutschland und Großbritannien im Vergleich
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Vergleichende Policyanalyse
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
19
Katalognummer
V335556
ISBN (eBook)
9783668254145
ISBN (Buch)
9783668254152
Dateigröße
1113 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Policyanalyse, politisches System, Deutschland, Großbritannien, Sicherheitspolitik, Multiple Streams, vergleichende Fallstudie, Politikwechsel, Politikwandel, 9/11, 11. September
Arbeit zitieren
Eva Oppermann (Autor:in), 2016, Das Sicherheitspaket I und II und der Anti-Terrorism, Crime and Security Act aus Perspektive des Multiple-Streams-Ansatzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335556

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