Der Minnedienst als Rollenspiel in Ulrich von Liechtensteins "Frauendienst"


Hausarbeit, 2014

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Minne als Dienstleistung

3. Die Rolle der Ehefrau

4. Minne und Ehe im Frauendienst
4.1. Theoretische Aspekte
4.2. Textanalyse Frauendienst

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In Ulrich von Liechtensteins Frauendienst geht es vor allem um den Minnedienst Ulrichs an seiner Dame. Dieser Dienst wird von ihr nicht erwidert, egal wie sehr Ulrich sich bemüht. Er unterstellt sich der Dame bis zur gänzlichen Selbstaufgabe und macht sich dadurch fast lächerlich. Sein einziges Ziel scheint die Liebe der Herrin zu sein und dafür tut er alles. Diese Handlung passt perfekt in die damalige Form des Minnedienstes; ein Mann versucht, eine ihm höher gestellte Dame für sich zu gewinnen und stellt sich in ihren Dienst. Im Frauendienst gibt es in Bezug auf dieses höfische Ideal aber einen Makel: Ulrich ist, scheinbar glücklich, verhei- ratet. Diese Ehefrau steht aber seiner Liebe zur Dame nicht im Weg, sie ist nur eine Randfigur.1 Wie passt sie dann in die Handlung? Ein weiterer Dorn im Auge ist, dass die Herrin ebenfalls verheiratet ist. Nun kommt noch das Motiv des ver- meidlichen Ehebruchs in die Geschichte. Dieser wird jedoch nie ausgeführt, da die Dame nicht auf Ulrichs Avancen eingeht. Ulrich hingegen scheint kein Prob- lem mit dem Ehebruch zu haben, er will ja sogar Geschlechtsverkehr mit der Her- rin haben.

Im Folgenden soll erläutert werden, inwiefern der Minnedienst Ulrichs an seine Dame mit den gängigen Minnediensten jener Zeit einhergeht und was für eine Rolle die Ehefrau dabei spielt. Zuerst wird das daher das Prinzip des Minnediens- tes und dann das der Ehe erläutert. Danach wird anhand des Frauendienst analy- siert, wie diese beiden historischen Konzepte im Buch angewendet werden. Es soll argumentiert werden, dass der Frauendienst nur eine Rolle ist, die Ulrich an- nimmt. Für ihn ist es nicht unüblich, jemand anderen darzustellen. In der Venus- fahrt verkleidet er sich komplett als Frau. Somit hat er eine Tendenz zu Rollen- spielen. Der Minnedienst ist nur eine weitere öffentliche Darstellung, ein öffentli- ches Schauspiel. Die Dame steigt in dieses Spiel mit ein, indem sie ihn hinhält und immer wieder Hoffnungen macht, ihn aber nie an sich ranlässt.

2. Die Minne als Dienstleistung

Die höfische Dame wurde schon immer als Schönheit angepriesen, vor allem in der Dichtung. Dies brachte sie in eine höher gestellte Position. Sie wird als Göttin verehrt. Wichtiger für die Dichter ist jedoch ihre Tugend, die an ihrem vollkom- menen Körper ablesbar sein soll.2 Aus dieser Preisung der Frau in der höfischen Gesellschaft entstand der Minnedienst. Bumke definiert die höfische Liebe wie folgt: Sie ist „ungesetzlich“ und „heimlich“, der Mann ist der Frau untergestellt und leistet einen Dienst für sie, und die höfische Liebe folgt eigenen Gesetzen.3 Es gibt viele Arten von höfischer Liebe. Sie wird aber immer als Dienst an der Dame verstanden, der durch Lieder ausgedrückt wird.4 Gewöhnlicherweise be- ginnt der Dienst an der Dame schon in frühester Kindheit des Mannes. Er zieht auf den Hof einer Dame, die ihm meistens höher gestellt ist, und erhält dort seine Erziehung, die konsequent auf den Dienst an der Dame ausgerichtet ist. Mit wach- sendem Alter beginnt der Mann, Turniere im Dienst der Dame auszurichten und zieht im Lande umher. Der Dienst soll sowohl der Dame als auch dem Mann Ruhm und eine bessere Position in der Gesellschaft einbringen.5 Der Dienstge- danke wird sehr wörtlich genommen, denn der Mann muss der Dame alle Wün- sche erfüllen, sogar sein Körper wird von ihr bestimmt.6 Der Unterschied zwi- schen hoher und niederer Minne hat nichts mit dem Stand der betroffenen Perso- nen zu tun, sondern liefert lediglich eine Erklärung der Auswirkungen der Minne; macht die Minne den Mann zu einem besseren Menschen, kann man von hoher Minne sprechen.7 Man kann weiterhin den Unterschied zwischen „guter“ und „schlechter“ Liebe unterschieden. „Schlecht“ wird hierbei mit der körperlichen Liebe assoziiert.8 Liebe und Dienst gehen miteinander einher, es gibt nicht das eine ohne das andere.9 Das Ende des Dienstes wurde oft von einem Zorn des Mannes auf die Dame begleitet, weil sie seine Avancen zurück wies. Diese unerfüllte Liebe war gebräuchlich, sie wurde ebenfalls durch eine nicht-körperliche Beziehung der Betroffenen geprägt. Dies kam daher, dass man dachte, dass die Männer edler und reiner werden, wenn sie nach etwas streben, das sich nicht er- füllt. Dies trifft auch auf den nicht-körperlichen Bereich zu.10 Auch Peters be- zeichnet die höfische Liebe als einen erfolglosen Dienst, der aber durch das Sin- gen geprägt und somit auch öffentlich ist und damit der Gesellschaft dient.11 Der Mann lebt sozusagen ein „Minnedienstleben“12. Laut Eming dient der Gesang zudem zur Veranschaulichung von Gefühlen.13 Laut ihr ist der Minnedienst durch Scham über das eigene Begehren motiviert. Dieser Scham kann am Ende durch Zorn ersetzt werden.14 Peters sieht die Dienstleistungen in der Minne aber eher parodistisch.15 Sie bringen dem Mann nur den Spott der Dame ein und sie macht sich über ihn lustig.16 Boten werden verwendet, um die Heimlichkeit des Minne- dienstes darzustellen.17 Nach der Zurückweisung wendet sich der Mann entweder einer neuen Dame zu oder stellte sich in den Dienst aller Frauen.18

In einem historisch-gesellschaftlichen Kontext orientiert sich der Minnedienst an einer Idealform der Gesellschaft. Er kann auch als Festigung bereits vorhandener Normen dienen.19 Die Idealform beinhaltet das Streben eines Individuums nach Vollkommenheit und Perfektion. Genau dieses Streben ist eben auch in der höfi- schen Liebe enthalten. Sie steht als Symbol für eine Besserung des Charakters oder der Gesellschaft an sich.20 Bumke sieht die Minne sogar als ein „Gegenpro- gramm zu den Verhältnissen der Wirklichkeit“21. Die Betonung liegt auf dem Wert, den die Minne den Menschen, vor allem den Männern, gibt. Das Ende der Minne kann dadurch eingeläutet werden, dass die Frau aus gesellschaftlichen Gründen keine Beziehung mit dem Mann eingehen kann oder will. Ein gesellschaftliches Hindernis wäre beispielsweise das Tabuthema Sexualität, zum Bei- spiel der Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe. Wenn die Dame sich gegen den Mann entscheidet, verzichtet dieser ebenfalls, da er die Dame ja nicht haben kann.22 Was passiert, falls es doch zu einer Verheiratung kommt, wird im nächs- ten Kapitel analysiert.

3. Die Rolle der Ehefrau

Das Prinzip der Ehe hat vorwiegend religiöse Hintergründe. Mann und Frau gehen den Bund der Ehe vor Gott ein und versprechen, sowohl ihm, als auch ihrem Part- ner bis in den Tod treu zu bleiben. Bei einer kirchlichen Hochzeit ist deswegen auch immer ein Geistlicher anwesend. Die Ehe wird außerdem auch als Heilmittel gegen Unzucht angewendet, zum Beispiel gegen den Geschlechtsverkehrt ohne Fortpflanzungsabsicht.23 Den Regeln der Kirche nach ist die Frau dem Mann un- tergestellt, was aus der Schöpfungsgeschichte hervorgeht. Die Frau ist das schwä- chere Geschlecht. Der Mann hat demnach die Macht in der Ehe. Er hat auch das Recht, sich diese Macht mit Gewalt einzuholen.24 Die Rollen sind klar verteilt: Männer stellen durch Arbeit die Versorgung der Familie sicher, während die Frauen sich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder kümmern. Die Siche- rung der Nachfahren und die Bewahrung des Standes mindestens einer der beiden Partner sind die häufigsten Gründe für eine Eheschließung.25 Häufig werden Frauen auch gegen ihren Willen verheiratet, um ihrer Familie ein besseres Leben zu ermöglichen.26 Der körperliche Teil der Ehe ist in der Kirche verpönt; er soll keinem anderen Zweck als dem der Fortpflanzung dienen. Die Kirche ist darauf bedacht, diese Regel einzuhalten und Missachtungen werden streng bestraft. Auch sexuelle Praktiken, die außerhalb der Norm liegen, werden verachtet.27 Paradox- erweise gilt das Bündnis für die Ewigkeit anscheinend nicht in Bezug auf den Ehebruch auf Seiten des Mannes. Ihm ist erlaubt, seine Frau zu betrügen und er wird nicht bestraft. Betrug auf Seiten der Frau hingegen hat negative Folgen für sie. Es wird von ihr, im Gegensatz zum Mann, auch erwartet, als Jungfrau in die Ehe zu gehen.28

In Bezug auf die romantische Liebe in der Ehe gehen die Meinungen auseinander. Eine gängige Meinung ist, dass Liebe und Ehe nicht zueinander passen, da Ehe als eine Art Pflichterfüllung gesehen wird.29 Die Liebe ist eher eine Gunst. Das hat damit zu tun, dass die Ehe eher praktisch angesehen wird; ein Mittel zum Erhalt des Standes und zur Fortpflanzung. Sie hat insofern nicht so einen hohen Wert wie die unerfüllte Liebe. Diese soll den Mann in seinem Charakter erhöhen.30 In Ausnahmefällen wird natürlich auch aus Liebe geheiratet, nur war es nicht so üb- lich wie die Hochzeit aus praktischen Gründen. Der Minnedienst konnte auch in einer Ehe enden.31

In der höfischen Dichtung wird die Ehe auch eher selten erwähnt, sie ist mehr eine Art „Randphänomen“32 und „Belohnung“33 für den Protagonisten. Als Grund da- für könnte man nennen, dass es für die Dichter der damaligen Zeit einfach zu langweilig war, vom eintönigen Eheleben zu berichten. Eine Geschichte wird eben nur dadurch interessant, wenn eine gewisse Spannung vorhanden ist. Diese Spannung kann in einer Frauendienstgeschichte besser zum Ausdruck gebracht werden, da die Zuhörer mit dem Protagonisten mitfühlen können und gespannt sind, ob er seine auserwählte Dame von sich überzeugen kann. Die Ehe ist in dem Sinne langweilig, als dass sie meist aus praktischen Gründen vollzogen wird. Hier sind keine Romantik und meist auch keine Liebe im Spiel. Um herauszufinden, wie die beiden theoretischen Aspekte der Liebe und der Minne im Frauendienst vorkommen, werden im Folgenden zuerst Theorie und dann Praxis begutachtet.

[...]


1 Vgl. Classen, Albrecht: Der Liebes- und Ehediskurs vom hohen Mittelalter bis zum frühen 17. Jahrhundert. Münster/ München/ Berlin u. A 2005, S. 34.

2 Vgl. Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. München 2008, S. 451 f.

3 Vgl. ebd., S. 504.

4 Vgl. ebd., S. 508.

5 Vgl. ebd., S. 508.

6 Vgl. Kiening, Christian: Der utor als „Leibeigener“ der Dame - oder des Textes? Das Erzählsubjekt und sein Körper im Frauendienst Ulrichs von Liechtenstein, in: Andersen, Elizabeth u.A (Hgg.): Autor und Autorschaft im Mittelalter. Kolloquium Meißen 1995, S. 222.

7 Vgl. Bumke 2008, S. 522.

8 Vgl. ebd., S. 516

9 Vgl. ebd., S. 511.

10 Vgl. Bumke 2008, S. 512.

11 Vgl. Peters, Ursula: Frauendienst. Untersuchungen zu Ulrich von Liechtenstein und zum Wirklichkeitsgehalt der Minnedichtung. Berlin 1970, S. 107 ff.

12 Ebd., S. 120.

13 Vgl. Eming, Jutta: Emotionalität. Varianten und Valenzen des Fühlens zwischen Ich, Gesellschaft und Text, in: Linden, Sandra/ Young, Christopher (Hgg.): Ulrich von Liechtenstein. Leben-Zeit- Werk-Forschung. Berlin/New York 2010 , S. 178.

14 Vgl. ebd., S. 180 f.

15 Vgl. Peters 1970, S. 118.

16 Vgl. Ebd., 157.

17 Vgl. Ebd., S. 150.

18 Vgl. Bumke 2008, S. 510.

19 Vgl. Huschenbett, Dietrich: Ehe statt Minne? Zur Tradition des Minne-Romans in Mittelalter

und Neuzeit, in: Gärtner, Kurt (Hg.): Spannungen und Konflikte menschlichen Zusammenlebens in der deutschen Literatur des Mittelalters: Bristoler Colloquium 1993. Tübingen 1996, S. 203.

20 Vgl. Bumke 2008, S. 25 ff.

21 Ebd., S. 569.

22 Vgl. Manson, Eleanore: Motivationen der Minne in der höfischen Liebeslyrik, in: Kussler, Rainer/ Welz, Dieter (Hgg.): Acta Germanica. Jahrbuch des südafrikanischen Germanistenverbandes. Band 9. Kapstadt 1976, S. 27 f.

23 Vgl. Grabmayer, Johannes: "Ir sit gen uns als ungemuot, daz wir in vorchten gen iuch sin". Eheleben und Sexualität des süddeutschen Landherrenstandes im 13. Jahrhundert - Ulrich von Liechtensteins Frauendienst und Frauenbuch, in: Spechtler, Frank Viktor/ Maier, Barbara (Hgg): Ich - Ulrich von Liechtenstein. Literatur und Politik im Mittelalter. Klagenfurt 1999, S. 259.

24 Vgl. ebd. , S. 247.

25 Vgl. Bumke 2008, S. 34.

26 Vgl. Grabmayer 1999, S. 248.

27 Vgl. Grabmayer 1999, S. 249.

28 Vgl. ebd., S. 251.

29 Vgl. Bumke 2008, S. 529 ff.

30 Vgl. ebd., S. 532.

31 Vgl. Huschenbett 1996, S. 193.

32 Classen 2005, S. 34.

33 Ebd., S. 34

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Minnedienst als Rollenspiel in Ulrich von Liechtensteins "Frauendienst"
Hochschule
Universität Mannheim  (Germanistische Mediävistik)
Veranstaltung
Ulrich von Liechtenstein
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V335850
ISBN (eBook)
9783668255715
ISBN (Buch)
9783668255722
Dateigröße
886 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Minnesang, Ulrich von Liechtenstein, Germanistik, Mediävistik
Arbeit zitieren
Larissa Pöltl (Autor:in), 2014, Der Minnedienst als Rollenspiel in Ulrich von Liechtensteins "Frauendienst", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335850

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