In der heutigen Zeit ist es aufgrund der immer stärker aufkommenden Individualisierung und Enttraditionalisierung erforderlich, sein eigenes Leben selbst in die Hand zu nehmen. Jeder Mensch hat heutzutage die Möglichkeit, sein eigenes Leben und seine Biographie selbst zu gestalten, ohne zugleich den gesellschaftlichen Normen und Werten entsagen zu müssen. Biographie kann als Projekt des ganzen Lebens bezeichnet werden. Durch die zunehmende Individualisierung und Veränderung von Normen und Werten ist es daher von Bedeutung zu analysieren, wie Menschen ihre eigene Biographie gestalten, welche Bewältigungsstrategien sie im eigenen Leben haben, welche Wirkung das Sozium auf das Individuum hat, wie sich individuelle und soziale Strukturen vereinbaren lassen, usw.
Die Vorstellung, dass die Menschen eine Biographie haben, findet sich bereits in den antiken Lebensbeschreibungen. Hier werden ideale Charaktertypen präsentiert, welche didaktische Funktion haben. Alheit beschreibt somit die biographische Handlungsautonomie, was die „bewusste Veränderung des Selbst- und Weltbezugs“ bedeutet.
Erziehungswissenschaft und Biographieforschung entstammen derselben historischen Ausgangssituation. Beide gehen aus den gesellschaftlichen Transformationsprozessen zu Beginn der Neuzeit in Europa hervor und in beiden tritt ein Interesse an Aufklärung und Bildung der Menschen, an der Entfaltung ihrer Kräfte und an der Vielfalt ihrer Lebensentwürfe in Erscheinung: „Leben lernen“ (Rousseau), „Mensch werden“ (Kant), „Entwicklung der persönlichen Eigentümlichkeit“ (Schleiermacher). Das war gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Dann aber gingen beide lange Zeit getrennte Wege. Erst in einer langsamen und schrittweisen Annäherung trafen sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder zusammen.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Begriffe Biographie, Biographisierung, Biographizität
- Begriff der Biographie
- Begriff Biographisierung
- Begriff Biographizität
- Gesellschaft und Biographie
- Begriff der Wahrheit in der Biographieforschung
- Geschichte der Biographieforschung
- Methodologische und konzeptionelle Problemlagen der Biographieforschung
- Methoden der Biographieforschung
- Das narrative Interview
- Merkmale des narrativen Interviews
- Verlauf des narrativen Interviews
- Analyseschritte des narrativen Interviews
- Biographieforschung und Erziehungswissenschaft
- PädagogInnen und die Biographiearbeit
- Biographische Arbeit in der Schule
- Lebenslanges Lernen und Biographie
- Biographieforschung in der Praxis
- Analyse der Biographischen Übungen von Rogal
- Narratives Interview mit Frau H.
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit beleuchtet die Relevanz der Biographieforschung im Kontext der Erziehungswissenschaft. Die Zielsetzung besteht darin, die Rolle und Bedeutung von Biographien in der pädagogischen Praxis aufzuzeigen und die vielfältigen Lernprozesse, die mit der Auseinandersetzung mit Lebensgeschichten verbunden sind, zu erforschen.
- Das Konzept der Biographizität
- Die Interaktion von Gesellschaft und Biographie
- Die Bedeutung biographischer Methoden in der erziehungswissenschaftlichen Forschung
- Die Integration von Biographiearbeit in den pädagogischen Alltag
- Der Zusammenhang von Biographischem Lernen und Lebenslangem Lernen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Thematik und erläutert die zentrale Bedeutung der Biographieforschung in der heutigen Gesellschaft. Sie definiert die Begriffe Biographie, Biographisierung und Biographizität und beleuchtet die komplexen Beziehungen zwischen Individuum und Gesellschaft im Kontext von Lebensgeschichten. Im nächsten Schritt werden methodologische und konzeptionelle Problemlagen der Biographieforschung diskutiert, wobei insbesondere das narrative Interview als zentrale Methode der biographischen Forschung im Detail vorgestellt und analysiert wird.
Das Kapitel über die Biographieforschung und Erziehungswissenschaft zeigt die enge Verknüpfung beider Disziplinen auf. Anhand von Beispielen aus der pädagogischen Praxis wird deutlich, wie Biographiearbeit im Unterricht eingesetzt werden kann, um die Selbstreflexion und das Lernen der Schüler zu fördern. Ebenso werden die Bedeutung von Biographien für die Professionalisierung von PädagogInnen und den Zusammenhang von biographischem Lernen und lebenslangem Lernen hervorgehoben.
Der praktische Teil der Arbeit besteht aus zwei Analysen. Zuerst werden biographische Übungen von Rogal analysiert, welche von einem 14-jährigen Schüler bearbeitet wurden. Im Anschluss daran wird ein narratives Interview mit einer Kindergartenpädagogin mithilfe der Analyseschritte von Schütze ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Analysen verdeutlichen die vielfältigen Möglichkeiten, die die Auseinandersetzung mit Biographien bietet, um die innere Welt von Menschen besser zu verstehen und ihre Lernprozesse zu fördern.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Biographieforschung, Erziehungswissenschaft, Biographizität, Lebenslanges Lernen, narrative Interviews, Selbstreflexion, Biographische Arbeit, Pädagogische Praxis.
- Arbeit zitieren
- Oxana Ivanova (Autor:in), 2016, Biographieforschung in der Erziehungswissenschaft in Theorie und Praxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336159