Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Politische Biographie Jelzins vor seiner Präsidentschaft
3. Systemübergang unter Gorbatschow und Jelzin: UdSSR/Russland
4. Russland in der Ära Jelzins von 1991-1999
4.1 Ziele, Legitimität und Machtabsicherung unter Jelzins Führung
4.2 „Parteien der Macht“ und politische Opposition
5. Das politische System Russlands unter der Macht Boris Nicolaijewitsch Jelzin
5.1 Allgemeines
5.2 Umfrage über Jelzins Regentschaft
5.3 Stärken des politischen Systems
5.4 Schwächen des politischen Systems
6. Bilanz der Ära Jelzins
7. Fazit
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Im Jahre 1991 des Sommermonats August beschlossen Kommunisten, die Regierung des sowjetischen Reformers Michail Gorbatschow mit Gewalt zu stürzen. Ziel war es den Zusammenbruch der UdSSR (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) zu verhindern, eingetroffen ist jedoch das genaue Gegenteil.
In diesem Jahre entschied sich, ob die Sowjetunion bestehen bleibt, so wie sie ist oder zerfällt. Fest steht, dass die Industrieproduktion zu der Zeit stetig abnahm und die Erwerbslosigkeit immer mehr anwuchs. Aufgrund der Inflation, verloren die Einwohner ihr Erspartes. Die unterschiedlichen ethnischen Gruppen führten dazu, dass innerhalb der Sowjetunion Kontroversen entstanden. Heute ist Gorbatschow der Meinung, dass die Sowjetunion hätte „gerettet“ werden können. Zum damaligen Zeitpunkt verfolgte er die Absicht einer neuen Föderation, in der die jeweiligen Republiken autokratisch sind und jeder die gleichen Ansprüche hat. Der 19. August 1991 verhinderte allerdings diese Umsetzung, indem sich ein Tag vor der Signierung des neuen Staatsvertrags, ein Staatsstreich gegen Gorbatschow ereignete. Kommunistische Konspiranten inhaftierten den Staatschef der UdSSR und hielten ihn durch Isolation von der Außenwelt fern. Die Sowjetunion befand sich zu dieser Zeit in einer Krisensituation und Panzer waren auf Moskaus Straßen keine Seltenheit. Der Putsch versagte und zehntausende Menschen protestierten gegen den Umsturz, was dazu führte, dass die kommunistische Partei nicht mehr länger zulässig war. Boris Jelzin, ein Opponent der Kommunisten, gründete etwa drei Monate nach dem Putsch, mit Belarus und der Ukraine, die GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten). Am 26. Dezember 1991 wurde die Sowjetunion offiziell annulliert. Von nun an war Jelzin der neue Staatspräsident von Russland (vgl. DW – Made for minds 2011: „Der Untergang der Sowjetunion“).
Jelzin, der eine demokratische Regierung verwirklichte, herrschte von nun an über Russland. Im Folgenden wird das politische System in der Ära Jelzins näher beleuchtet und analysiert. Insbesondere wird die Frage geklärt: „Inwieweit Jelzin zur Entwicklung des politischen Systems Russlands beigetragen hat“? Zudem wird erörtert, „welche Stärken und Schwächen sich in seinem System wiederfinden“.
Zu Beginn wird eine Biographie Jelzins vor seiner Regierungszeit dargestellt, welche einen Einblick in die wichtigsten Ereignisse zu der Zeit gibt und die Intention hat, auf einige bedeutende Informationen aus seiner Lebensgeschichte hinzuweisen. Im nächsten Schritt wird noch einmal ausführlich der Systemübergang unter Gorbatschow und Jelzin geschildert. Anlehnend daran wird Russland, unter der Regierung Jelzins vom Jahre 1991-1999, betrachtet. Nachfolgend wird explizit auf das politische System Russlands unter der Macht Jelzins eingegangen. Auch die Schwächen und die Stärken seines Systems werden in diesem Punkt eingehend diskutiert. Darüber hinaus ist Teil der Hausarbeit, das Vermächtnis Boris Jelzins, summarisch zu thematisieren. Zum Ende hin werden also die Konsequenzen, die sich aus der Regierungszeit Jelzins ergeben haben, dargestellt und erläutert. Die diskutierten Positionen werden noch einmal aufgegriffen und mit einem schlüssigen Fazit abgeschlossen.
2. Politische Biographie Jelzins vor seiner Präsidentschaft
Um die wichtigsten politischen Ereignisse vor Jelzins Präsidentschaft noch einmal zu akzentuieren, werden nun die relevantesten Geschehnisse aus Jelzins Leben wiedergegeben.
Am 1. Februar 1931 erblickte Boris Nikolajewitsch Jelzin in dem Dorf Butka bei Swerdlowsk das Licht der Welt. 1955 beendete Boris Jelzin sein Studium als Bauingenieur am Polytechnischen Ural-Kirow-Institut. Von dem Augenblick an, begann Jelzins berufliche Laufbahn. Mit Boris 30jährigem Lebensjahr nahm auch die Zeit in der KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion) ihren Anfang. Die Parteikarriere von Boris Jelzin als Abteilungsführer der KPdSU in Swerdlowsk, setzte ab dem Jahr 1968 ein. Bald schon kletterte er in der Partei die Karriereleiter hinauf, indem er 1976 zum Ersten Sekretär des Gebietsparteikomitees von Swerdlowsk ernannt wurde, sowie zum Zugehörigen des Militärrats des Ural-Bezirks. Bereits 1978 erhielt Boris Jelzin den Titel zum Deputierten im Unionsparlament des Obersten Sowjet. Drei Jahre später im Jahre 1981 wurde er in das Zentralkomitee der KPdSU gewählt. 1984 wurde Jelzin zum Mitglied des Präsidiums des Obersten Sowjet der UdSSR gekürt. Im April 1985 übergab Gorbatschow den Vorsitz der Zentralkomitee-Abteilung für Bauwesen in Moskau an Boris Jelzin. Im Juli dieses Jahres erlangte Jelzin die Position des Zentralkomitee-Sekretärs. Noch in diesem Kalenderjahr im Dezember wurde er zum Moskauer Parteichef erwählt. Im März des Folgejahres wurde er Kandidat im Politikbüro der KPdSU. Am 11. November 1987 trat Jelzin von seinem Posten als Vorsitzender des Moskauer Stadtparteikomitees ab. Von jetzt an, nahm er den Rang eines Stellvertretenden Vorsitzenden im Baukomitee der UdSSR an. Der 18.Februar 1988 war der Tag, an dem Boris Jelzin seine Stellung als Kandidat des Politikbüros der KPdSU verlor. Ihm wurde die Stellung des ersten Vizevorsitzenden im Baukomitee der UdSSR übertragen. Mitte Mai 1989 trat Boris Jelzin in den Obersten Sowjet ein, weil ein Parlamentarier, zum Vorteil Jelzins, auf seinen Abgeordnetensitz verzichtet hatte. Bei den Abstimmungen, die zuvor im Kongress der Volksdeputierten zum Obersten Sowjet stattfanden, konnte sich Jelzin nicht bewähren. Infolgedessen gab er Ende Mai seinen Posten als Stellvertretender Vorsitzender des Baukomitees der UdSSR auf. Bereits im Juli wurde er jedoch erster Angestellter einer „Interregionalen Abgeordnetengruppe“ im Kongress der Volksdeputierten. Im Frühling 1990 wurde Jelzin Anwärter bei den Wahlen in der RSFSR (Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik). Darauffolgend und zwar am 29. Mai 1990, erhielt Jelzin den Titel des Parteichefs des Obersten Sowjet der RSFR. In seinem Heimatort Swerdlowsk bekam er 72 Prozent der Wählerstimmen. Auf dem Kongress der KPdSU am 12. Juli, verkündete Jelzin seinen Austritt aus der Partei. Am 27. Januar 1991 bemängelten hohe Offiziere der Sowjetarmee in einem Sendbrief, die Politik des russischen Staatsoberhaupt Jelzins. Im Februar 1991 ordnete Jelzin den sowjetischen Präsidenten Gorbatschow in einer bundesweit ausgestrahlten Fernsehausstrahlung an, das Amt zu verlassen und das Regime an den Föderationsrat weiterzugeben. Am 21. Februar verschworen sich einige Abgeordnete aus dem Obersten Sowjet, aufgrund seiner Anmerkungen, gegen ihn. Aus diesem Grund sollte er vor dem Volksdeputiertenkongress dafür haften. Am 27. Februar kritisierte und warnte Gorbatschow vor dem „falschen Demokraten“ und deutete damit indirekt auf Boris Jelzin hin. Im März 1991, bei der durchgeführten Volksabstimmung über die Direktwahl des russischen Staatspräsidenten, votierten 78 Prozent der Russen für eine Urwahl und damit andeutungsweise für Jelzin. Nachdem Komitee-Parlamentarier ein Misstrauensvotum gegen Jelzin eingeleitet hatten, kündigten Gefolgen des Radikalreformers Boris Jelzin, Demonstrationen in Moskau an. Am roten Platz wurde mit mehr als einer Millionen Demonstranten gerechnet. Der 12. Juni 1991 war der Tag an dem Boris Jelzin, der von nun an Präsident Russlands war, zum allerersten Mal in freier und geheimer Wahl von den Bürgern direkt gewählt wurde (vgl. Kerneck-Samson 1991, S.80-97).
3. Systemübergang unter Gorbatschow und Jelzin: UdSSR/Russland
Seit den achtziger Jahren wurden im Nachfolgestaat Russlands und der UdSSR sehr differenzierte politische Autoritarismen sichtbar. Die Sowjetunion nach Stalins Ära war der Inbegriff des Autoritären, Institutionalisierten, Bürokratischen mit linksorientierter Einparteienregierung, marxistisch-leninistischer Grundhaltung und Planwirtschaft. Dagegen bildete sich zum Ende der UdSSR die erste Prägung eines Übergangsautoritarismus heraus. Dieser Übergangsautoritarismus erhielt international unter dem Titel „Perestroika“ einen Bekanntheitsgrad. Diese Regierungsform wies jedoch noch sowjetische Züge auf. Das politische Regime Boris Jelzins kennzeichnete eine weitere Form eines Übergangsautoritarismus. Hier rivalisierten sowjetische Residuen und demokratische Verfahrensweisen mit neuen autoritären Attributen. Die Herrschaftsform der Perestroika umfasste einen Zeitraum von 1987 bis 1991. Die erste fundamentale Wandlung gegenüber der Sowjetstruktur bahnte sich an, als Michail Gorbatschow, der Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU, ab 1987 mit Eindringlichkeit eine Politik der „Glasnost“ in Umlauf setzte. Entsprechend zögerte er so, das konventionelle Wahrheitsmonopol der Staatspartei hinaus. Zu der Zeit von 1987 bis 1989 war die Gesellschaft mehr oder weniger nach sowjetischer Form ausgerichtet. Das Sozialleben wurde im Großen und Ganzen von der KPdSU geregelt und beaufsichtigt. Zeitgleich wurden neue politische Verbände, Parteien und Kräfte ins Leben gerufen. Ende des Jahres 1989 erfolgte eine lokale Aufgliederung der KPdSU und 1990 kam es zu einer innerlichen Aufsplitterung. Parallel wurde eine neue Partei etabliert, die unter dem Namen LDPR (Liberaldemokratische Partei Russlands) mit Wladimir Schirinowskijs an der Spitze, Prestige erreichte. Bei der Volksdeputiertenkonferenz der UdSSR war der rudimentäre politische Pluralismus nicht in der Lage, sich bei den ersten Wahlen zu einem neuen Repräsentationsorgan, zu behaupten. Grund war unter anderem das eingeschränkte Wahlrecht, das die KPdSU nach wie vor privilegierte. Darüber hinaus mangelte es zu dem Zeitpunkt, an dem Verständnis, das Souveränität innerhalb des Volkes und eine demokratische Repräsentation, ohne politische Vereinigungen, schwierig abzuwickeln sind (vgl. Mommsen, Margareta 2009, S.165f).
Eine Auswirkung der Teilung der politischen Eliten war das Entstehen gegensätzlicher Bewegungen zu Gorbatschows Perestroika. Sie vollstreckte sich auf zwei Fronten: Einerseits kam es zu einer Provokation von Gorbatschows Reformen gegen den Widerstand der konservativen KPdSU. Andererseits vertieften sie das Leidwesen der neuen demokratischen Kräfte, weil die, von oben in Gang gesetzten, etappenweisen Änderungen, nicht weit genug gingen. Die Auseinandersetzung um eine entschiedenere Umwandlung der „befehlsadministrativen“ Struktur herbeizuleiten, führte darüber hinaus dazu, dass ein persönlicher Machtkampf zwischen Boris Jelzin und Gorbatschow ausbrach. Jelzin entwickelte sich spürbar als eine hochgestellte Persönlichkeit der demokratischen Opposition. Gorbatschow hatte den sozialistischen Gebietsparteisekretär Jelzin als Hilfestellung für seine Perestroika unter den „Uraler Reformern“ eingestellt. Jelzin verwandelte sich allerdings rapide zum Wegbereiter einer grundlegenden Umgestaltung der Sowjetordnung mit Tendenz zur Marktwirtschaft und Demokratie. Schnell wurde deutlich, dass Jelzin die Befähigung zu einem charismatischen Volkstribunal hatte. Binnen kurzer Zeit leitete er die weite Bewegung „Demokratisches Russland“ an. Des Weiteren führte er auch den Vorsitz der „Interregionalen Deputiertengruppe“. Ende der achtziger Jahre, bekamen zum einen die Volkfronten zur Stärkung der Perestroika und zum anderen diejenigen im innersten Russland – in der RSFSR – tätige Massenbewegung, Demokratisches Russland unter Jelzins Herrschaft eine breite gesellschaftliche Grundlage. Die „Demokraten“ um Jelzin verließen die KPdSU. Die Konservativen verbündeten sich ihrerseits gegen Gorbatschow und schmiedeten Putschpläne gegen ihn. Derweil schwindet auch die Unterstützung der Gesellschaft gegenüber Gorbatschow und dessen Perestroika. Jelzins Gefolgschaft nimmt unterdessen immer mehr zu. Das Ansehen Gorbatschows verliert zunehmend an Bedeutung, nachdem die politische Legitimation der Führung Jelzins in der RSFR stetig anwächst. Indessen die demokratische Opposition eine Konföderation präferierte, widersetzten sich die konservativen Kommunisten jeder weiteren Trennung des Staatsverbandes. Den letzten Anlass zum Niedergang der UdSSR, bewirkte der Putsch vom August 1991. Schlussendlich war Michail Gorbatschow ein Herr ohne Land und ohne politische Kooperation. Er war der Präsident einer Vereinigung, die zerfallen ist. Gorbatschow war eine Person, die die herausragende Leistung gebührte, das Land äußerlich zu öffnen und innerlich den Einstieg in Richtung Demokratie zu ermöglichen (vgl. Mommsen, Margareta 2009, S.168f).
4. Russland in der Ära Jelzins von 1991-1999
Das „System Jelzin“ kam in den neunziger Jahren, als unabhängige postsozialistische Herrschaftsform erst schrittweise, sowie nachträglich aus dem Vergleich mit der Nachfolgeherrschaft unter Staatspräsident Putin, hervor. Das Regime Jelzins beinhaltete ebenso demokratische, autokratische und auch oligarchische und insbesondere anarchische Elemente. In den acht Jahren von Anfang 1991 bis Ende 1999, in denen Jelzin regierte, traten diese Elemente in unterschiedlichen Dimensionen hervor. Mitte der neunziger Jahre überwiegten die Experimente mit demokratischen Vorgängen und Einrichtungen und anarchischen Merkmalen. Während der zweiten Amtszeit von Jelzin allerdings, war der Fokus auf die autokratischen und oligarchischen Züge gerichtet (vgl. Mommsen, Margareta 2009, S.171).
4.1 Ziele, Legitimität und Machtabsicherung unter Jelzins Führung
Das Demokratische Russland, unter der Führung von Boris Jelzin, trat nach der „Bewegungsgesellschaft“, die sich Ende der achtziger Jahre in den UdSSR herausgebildet hatte, stark hervor. Nachdem Boris Jelzin im August 1991 in der RSFSR zum ersten Präsidenten Russlands in demokratischen Volkswahlen ernannt wurde, legitimierte und verfestigte sich Jelzins politische Herrschaft umso mehr. Zumal nach den Präsidentschaftswahlen vergessen wurde, umgehend parlamentarische Gründungswahlen stattfinden zu lassen, blieben auch die Machtverhältnisse klärungsbedürftig. Eine verhängnisvolle „Doppelherrschaft“ von Parlament und Präsident, inklusive seiner Regierung, blieb deshalb nicht aus. Es kam zwischen ihnen zu einem regelrechten Kriegsausbrauch, was die Staatsverfassung und die jeweils angestrebte Hegemonie im neuen Staat betraf. Die Kontroverse verschärfte sich und hatte zur Folge, dass sich das Parlament im Oktober 1993 gewaltsam auflöste. Nach Beendigung des „Oktober-Putsch“ trat im Dezember 1993 endliche ein neues Grundgesetz per Plebiszit in Kraft. Aufgrund der „Doppelherrschaft“, die Jelzin zu spüren bekam, beabsichtigte er umso mehr, durch einen angemessenen Umgang mit der Verfassung, die Herrschaft der Exekutive endgültig festzumachen.
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