Qualitätsbeurteilung von Einrichtungen der stationären Altenhilfe

Erhebung und Darstellung von Qualitätsmerkmalen im internationalen Vergleich mit Übernahmeempfehlungen für die deutsche Praxis


Diplomarbeit, 2016

72 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Verzeichnisse

1.1 Inhaltsverzeichnis

1 Verzeichnisse
1.1 Inhaltsverzeichnis
1.2 Abbildungsverzeichnis
1.3 Tabellenverzeichnis
1.4 Anlagenverzeichnis
1.5 Abkürzungsverzeichnis

2 Notwendigkeit von Qualitätsprüfungen sowie der verständlichen Darstellung der Ergebnisse
2.1 Interessenkonflikte
2.2 Informationsbedürfnis der Bevölkerung

3 Rahmenbedingungen der Diplomarbeit
3.1 Zielsetzung
3.2 Wissenschaftlich-methodisches Vorgehen

4 Definitionen und Fokussierung
4.1 Definition „Qualität“
4.2 Fokussierung auf die Darstellung von Qualität für die Bevölkerung
4.3 Fokussierung auf die Regelprüfung
4.4 Definition „Kundenzufriedenheit“

5 Darstellung der derzeitigen Qualitäts-prüfungen in Deutschland
5.1 Die gesetzlichen Grundlagen der Qualitätsprüfungen
5.2 Die Paragraphen im Einzelnen

6 Regularien des MDS zur Regelprüfung

7 Der Ablauf einer Regelprüfung

8 Kritik an der aktuellen Prüfpraxis
8.1 Kritik aus allen Richtungen
8.2 Moratorium Pflegenoten

9 Die Reformpläne der Bundesregierung – ein langer Weg

10 Blick ins Ausland
10.1 Großbritannien
10.1.1 Der englische Weg zum Rating
10.1.2 Kritik an der CQC und ihrer Arbeitsweise
10.1.3 Mögliche Lehren aus dem Beispiel Großbritannien für die deutsche Praxis
10.2 Österreich
10.3 Schweiz
10.3.1 Die persönliche Bestenliste
10.3.2 Mögliche Lehren aus dem Beispiel Schweiz für die deutsche Praxis
10.4 USA
10.4.1Medicares Reflexion des Five-Star Ratings
10.4.2 Kritische Würdigung der Reflexion
10.4.3 Mögliche Lehren aus dem Beispiel USA für die deutsche Praxis

11 Kritische Würdigung alternativer Ideen zur Auswahl einer Pflegeeinrichtung
11.1 Checkliste des DBfK
11.2 „Heimverzeichnis“
11.3 Der saarländische FQB
11.4 DieWeisse(sic!)Liste
11.5 Online-Bewertungsportale
11.6 Konstruktiver Vorschlag desMoratorium Pflegenoten

12 Empfehlungen
12.1 Zum finanziellen Aspekt
12.2 Zum Aspekt der Unabhängigkeit
12.3 Zum Aspekt der Notendifferenzierung
12.4 Zum zeitlichen Aspekt
12.5 Zur Erweiterung der Blickwinkel
12.6 Zum Umgang mit Kritik
12.7 Zu Einschränkungen in der Verwendung der Zufriedenheitsbefragung
12.8 Fehler, die zu vermeiden sind

13 Ausblick

14 Lessons Learned

15 Anlagen
15.1 Darstellung DGQ-Studie
15.2 Moratorium Pflegenoten
15.3 Durchschnittliche Noten der Pflegeeinrichtungen in Deutschland
15.4 DBfK-Checkliste

16 Quellenverzeichnis

17 Verzeichnis der Gesetze und Rechtsverordnungen

1.2 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: British Ranking (vgl. CQC 2015; Übersetzung der Autorin)

Abbildung 2: How we do our job (CQC 2015a)

Abbildung 3: How KLOEs and evidence build towards ratings (CQC 2015)

Abbildung 4: Five-Star Quality Rating (vgl. Medicare 2016b; Übersetzung durch die Autorin)

Abbildung 5: DGQ-Studie (DGQ 2015b)

Abbildung 6: Moratorium Pflegenoten, Seite 1 (Klie; Stoffer 2011)

Abbildung 7: So gut sind Pflegeeinrichtungen im Durchschnitt (AOK 2016)

Abbildung 8: DBfK-Checkliste (Paaßen o.J.a)

1.3 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Stärken und Grenzen der schweizer Kennzahlen zur Qualität der Pflegeheime (vgl. Verein Spitalvergleich Schweiz 2016a)

Tabelle 2: Lessons Learned (eigene Darstellung)

1.4 Anlagenverzeichnis

Darstellung DGQ-Studie

Moratorium Pflegenoten

Durchschnittliche Noten der Pflegeeinrichtungen in Deutschland

DBfK-Checkliste

1.5 Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um den Text leserlicher gestalten zu können, wird in dieser Diplomarbeit stets jenes Geschlecht verwendet, welches in der entsprechenden Gruppe überwiegt. Da in der stationären Pflege sowohl in der Bewohnerschaft wie auch unter den Pflegenden und in den anderen Berufsgruppen die Frauen den größeren Anteil stellen, wird hier die weibliche Form genutzt. Es sind aber in jedem Fall beide Geschlechter gemeint. Bei unbekannter Verteilung werden beide Geschlechter angeführt, bei Zitaten das Original unverändert übernommen.

2 Notwendigkeit von Qualitätsprüfungen sowie der verständlichen Darstellung der Ergebnisse

2.1 Interessenkonflikte

Die Qualität von stationären Einrichtungen der Altenhilfe vergleichbar zu machen stellt ein verständliches Bedürfnis dar, welches die Kostenträger mit Interessentinnen für einen Heimplatz sowie Bewohnerinnen beziehungsweise deren Angehörigen teilen. Allerdings unterscheidet sich die Vorstellung davon, was Qualität ausmacht, bei diesen Gruppen grundlegend: Die Kostenträger, also Pflegekassen und Sozialämter, sind daran interessiert, keine in ihren Augen unnötigen Maßnahmen zu finanzieren und so die Kosten möglichst gering zu halten. Was nicht unbedingt notwendig erscheint, wird nicht unterstützt. Um Vergleichbarkeit möglichst umfassend gewährleisten zu können, wird von dieser Seite außerdem versucht, die einzelnen Heime durch Auflage strenger Normen weg von einem individuellen Weg, hin zu einem, dem der Mitbewerber möglichst ähnlichen, zu führen.

Menschen, die in ein Heim einziehen, schon darin wohnen oder liebe Verwandte dort unterbringen möchten, hegen aber eine andere Vorstellung davon, welche Kriterien Priorität besitzen sollten. Während der MDK beispielsweise überprüft, ob die Essenszeiten korrekt, einschließlich 90-Minuten-Zeitrahmen, angeschrieben stehen und formelle Vorgaben dabei lückenlos erfüllt werden, legen die auf ein Heim angewiesenen Menschen mehr Wert auf ein schmackhaftes, ansprechendes, abwechslungsreiches Mahl, das sie auch von früher noch kennen, liebevollen Umgang, das Eingehen auf ihre individuellen Bedürfnisse, Zeit für ein Gespräch sowie eine gemütliche Atmosphäre, kurz: auf das Gefühl, sich willkommen und zu Hause zu fühlen.Auch bei den „harten Fakten“ weist eine Studie der DGQ in der deutschen Bevölkerung auf eine von den erklärten Zielen des MDK deutlich abweichende Schwerpunktsetzung bei der Wahl einer Pflegeeinrichtung hin (vgl. DGQ 2015): 55 Prozent der Befragten nannten als wichtigstes Kriterium qualifiziertes Pflegepersonal, dieses wird gefolgt von den Kosten mit 42 Prozent. An dritter Stelle folgt der Zugang zu ärztlicher Versorgung. Ein Qualitätssiegel oder ein etabliertes Qualitätsmanagement halten lediglich 26 Prozent der Stichprobe für essentiell.

Wie alle anderen Menschen verspüren auch die Bewohnerinnen eines Pflegeheims sämtliche Bedürfnisse, welche Maslow 1954 im Entwurf seiner berühmten Bedürfnispyramide beschreibt (vgl. Schlüter 2007: 167 – 170). Daher reicht es nicht aus, mit den Stufen eins und zwei physiologische Grundbedürfnisse wie beispielsweise Nahrung und Wärme plus Sicherheit zu bieten. Die höheren Ebenen müssen ebenso Beachtung finden.In diesem Zusammenhang gibt es eine interessante Erkenntnis: Mit dem Einzug in ein Heim schwindet das Verantwortungsbewusstsein der Angehörigen erwiesenermaßen. Die Familienmitglieder kümmern sich also weniger um ihre im Heim lebenden Seniorinnen, als zu der Zeit, da diese noch zu Hause wohnten (vgl. Pleschberger 2004: 166). Dem Pflegepersonal fällt somit eine weitere wichtige Rolle im Leben der Bewohnerinnen zu: Sie sind das Gegenüber, der Spiegel, mit dem der alte Mensch interagiert. Und damit wird die Pflegekraft nicht selten zur Schlüsselfigur in vielerlei Hinsicht. Nicht nur muss sie die physiologischen Wünsche und Bedürfnisse der Seniorin erkennen, sie wird auch zur zentralen Ansprechpartnerin für seelische Belange. Dies schließt auch das Empfinden der Bewohnerin von eigener Würde mit ein:

„Würdigen, das setzt ein Gegenüber voraus. Nicht überraschend spielen daher die sozialen Beziehungen und das soziale Umfeld, in dem sich die alten Menschen befinden, eine zentrale Rolle.“ (Pleschberger 2004: 78).

Um die Würde der Heimbewohnerinnen zu wahren, muss es daher eine weitere wichtige Aufgabe des Pflegepersonals sein, auch den maslowschen Defizitbedürfnissen der Stufen 3 – dem Sozialbedürfnis – und 4 – der Wertschätzung und Anerkennung – gerecht zu werden.

Erst wenn alle diese Bedürfnisse erfüllt sind, kann der Mensch darüber hinaus seine Selbstverwirklichung anstreben, welche von Maslow auf Stufe 5 angesiedelt wird. In wieweit und auf welche Weise diese letzte Stufe in einem Heim noch erfahren werden kann, hängt neben den Anstrengungen des Hauses sicherlich stark von der körperlichen wie geistigen Fitness der Person sowie ihrer Vorstellung von „Selbstverwirklichung“ ab.

Dennoch muss auch diese Stufe in einem ganzheitlichen Pflegeansatz grundsätzlich dazugehören. Daher befindet das Heim in der moralischen Pflicht, die Bewohnerinnen darin zu unterstützen, ihr inneres Glück zu erreichen.

Dass ein Haus diesem Anspruch unter den restriktiven Vorgaben des MDK nur schwer gerecht werden kann, liegt auf der Hand, da sehr individuelle Maßnahmen nötig sind, um die fünfte Stufe erreichen zu können. Eine solche Individualität wird aber durch die Pflegekassen nicht finanziert und mitunter sogar konterkariert.

Nach dem Konzept der Lebensqualität, welches von der WHO entwickelt wurde,hängt das Wohlbefinden von vier Faktorengruppen ab, die in die physische, psychische, soziale sowie der umweltbezogene Dimension eingeteilt werden. Dies kann auch auf die Situation von Menschen in einem Pflegeheim angewandt werden, da sich an den Bedürfnissen im Alter und in einer Pflegeeinrichtung nichts ändert (vgl. Wingenfeld et.al. 2011: 19ff).

Das alles muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass der Einzug in ein Pflegeheim in einer Umfrage derDeutschen Gesellschaft für Qualität(DGQ), in welcher die bevorzugte Lebensform für das Alter abgefragt wurde, lediglich Platz 8 der Wahlmöglichkeiten erreichte, da dies ohnehin nur für 12 Prozent der Bevölkerung eine erstrebenswerte Lösung darstellt. Präferiert werden stattdessen alternative Wohnformen oder auch eine ambulante Versorgung im eigenen Zuhause (vgl. DGQ 2015b; Abb. 5, Anlage 1).

Die Heime befinden sich also in der Zwickmühle, einerseits relativ unattraktiv für potentielle Kunden zu sein, andererseits deren Wünschen und Vorstellungen aber auch nicht entgegen kommen zu können, da ihnen hierfür die finanziellen Mittel fehlen sowie die Vorschriften des MDK keinen ausreichenden Spielraum lassen.

In dieser Arbeit soll nicht am Sinn des Qualitätsmanagements oder von externen Qualitätsprüfungen gezweifelt werden, im Gegenteil!

Qualität muss unbedingt zum Schutze der auf professionelles Vorgehen angewiesenen Pflegebedürftigen geplant, gemanagt und überprüft werden. Ebenfalls sind die „schwarzen Schafe“ der Branche zu identifizieren, zu korrigieren, im schlimmsten Falle auch aus dem System zu entfernen. Aber es muss ein Weg gefunden werden, Qualität auf eine Art zu prüfen und darzustellen, die denjenigen nutzt, welche sich auf die Unterstützung einer unabhängigen Stelle bei der Auswahl des für sie am besten geeigneten Pflegeheims verlassen müssen. Das sind jene, für die nach Aussage des MDK die Noten überhaupt erstellt werden.

2.2 Informationsbedürfnis der Bevölkerung

Grundsätzlich scheinen die Deutschen bereit, sich bei der Wahl eines geeigneten Hauses an einer Qualitätsbeurteilung der Pflegeheime zu orientieren. So geben in der bereits erwähnten DGQ-Studie 55 Prozent der Befragten an, eine Einrichtung, in welcher kein Qualitätsmanagement betrieben wird, nicht bei der Wahl eines Heims in Betracht zu ziehen, während dieses Manko nur 15 Prozent der Stichprobe egal wäre.

Obwohl 75 Prozent der Interviewten von guten Erfahrungen mit einer Pflegeeinrichtung berichten, zeigen sich mehr als die Hälfte, nämlich 58 Prozent, besorgt über die qualitativen Zustände in deutschen Pflegeheimen.Immerhin wissen 60 Prozent der Befragten, dass deutsche Pflegeeinrichtungen einer staatlich vorgeschriebenen Qualitätskontrolle unterliegen, allerdings sind die dabei geprüften Kriterien nur etwa einem Viertel geläufig. Deutlich zeigt sich auch die Skepsis der Bevölkerung, ob es überhaupt möglich sein kann, gute Pflege messbar zu machen. Bedenken dieser Art äußern immerhin 41 Prozent; dagegen spricht lediglich ein Viertel den Ergebnissen der gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsprüfung uneingeschränktes Vertrauen aus (vgl. DGQ 2015).

Eine weitere Studie, welche dasZentrum für Qualität in der Pflege(ZQP) durchführte, zeigt teilweise noch deutlichere Tendenzen (vgl. ZQP 2016): hier wurde ermittelt, dass 96 Prozent der Bevölkerung im Bedarfsfall Wert auf verlässliche Informationen über die Qualität der Einrichtung legen, sich aber derzeit nur fünf Prozent auf die offiziellen Bewertungen verlassen möchten.

Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass in der Öffentlichkeit offenbar ein großes Bedürfnis besteht, die Qualität in Einrichtungen der stationären Altenhilfe kontrolliert und verbessert zu wissen. Allerdings überzeugt die derzeitige Praxis des MDK die Menschen nicht, wenn sie auch nicht wissen, wie sie selbst die Qualität eines Heimes beurteilen sollten, so ein weiteres Ergebnis der DGQ-Studie:

„80 Prozent der Deutschen geben entsprechend an, eine Pflegeeinrichtung … immer einer gründlichen persönlichen Prüfung unterziehen zu wollen. Dem eigenen Eindruck oder einer Empfehlung durch gute Freunde oder Bekannte würden sie mehr Gewicht verleihen als einer staatlich verordneten Prüfung. … Auch wenn einem Großteil der Befragten die persönliche Prüfung einer Pflegeeinrichtung sehr wichtig ist: Zwei Drittel wüssten nicht oder nur zum Teil, wie sie deren Qualität verlässlich selbst beurteilen sollten.“ (DGQ 2015a).

Hieraus entspringt die Notwendigkeit, der Bevölkerung eine brauchbare Qualitätsbeurteilung an die Hand zu geben.

3 Rahmenbedingungen der Diplomarbeit

3.1 Zielsetzung

Diese Diplomarbeit möchte einen Beitrag leisten, die Qualitätskontrollen deutscher Pflegeheime sinnvoller und zielgerichteter zu gestalten. Die Bundesregierung beschäftigt sich derzeit mit der Reform dieser Vorgänge. Aus diesem Grund bietet sich eine solche Arbeit gerade jetzt an.

Durch die Vorstellung der Systeme anderer Länder und den anschließenden Vergleich mit dem der Bundesrepublik Deutschland sollen Möglichkeiten für ein neues Vorgehen aufgezeigt werden. Im Sinne eines „Benchmarking“ (vgl. Bea et al. 2009: 32f) vorzugehen hat nicht nur den Vorteil, dass die Ideen anderer genutzt und eventuell sogar noch optimiert werden können, durch die Erfahrungen, die bereits im Ausland gemacht wurden, lässt sich schon im Vorfeld erkennen, an welchen Stellen noch Verbesserungspotenzial besteht.

3.2 Wissenschaftlich-methodisches Vorgehen

Da es für das Verständnis der Thematik unabdingbar ist, sich mit dem derzeit in Deutschland bestehenden System der Qualitätsdarstellung auseinanderzusetzen, erfolgt zu Beginn der Arbeit die Vorstellung der Ist-Situation sowie der Pläne des Bundesgesundheitsministeriums für die nahe Zukunft.

Um den Umgang anderer Länder mit der Qualitätsdarstellung ihrer Altenpflegeeinrichtungen veranschaulichen zu können, fand zunächst eine ausführliche Literaturanalyse statt. Diese geschah vor allem im Internet, da sich alle betrachteten Länder auf diese Möglichkeit der Informationsweitergabe konzentrieren oder sogar ausschließlich beschränken.

Mit Ausnahme der Schweiz, deren Informationsangebot sich im Netz sehr umfangreich und übersichtlich präsentiert, wurden zusätzlich auch verschiedene Personen oder Institutionen der Länder via Email kontaktiert, um genauere Informationen zu erhalten. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Stellen:

- Großbritannien

- Department of Health(Gesundheitsministerium)
-The Royal College of Nursing(RCN)

- Österreich

- ÖGKV Fachsekretariat
- Facharge PDL Pflegeheime im ÖGKV (Frau Kirchgatterer)

- USA

- Department of Health, Washington State (Gesundheitsministerium)
-American Nurses Association(ANA – US-amerikanischer Berufsverband)

Die Departments of Health von Großbritannien und den USA sowie ANA reagierten gar nicht auf die Kontaktaufnahmen, wohingegen der britische und österreichische Berufsverband ebenso wie die Facharge im ÖGKV sehr schnell und mit passenden Links antworteten.

Nach der Auswertung der gefundenen Quellen wurden jeweils mögliche Lehren für die Bundesrepublik Deutschland extrahiert.

Im Anschluss an den Ländervergleich erfolgt eine kritische Würdigung alternativer Ideen, die bereits in Deutschland anstelle der MDK-Noten entwickelt wurden.

Diesem Teil schließt eine Empfehlung möglicher Maßnahmen an, die bei der Reform des Prüfsystems nach der Umschau sinnvoll erscheinen.Am Ende der Arbeit werden Lessons Learned ausgearbeitet, um einen möglichst großen Benefit aus der Arbeit zu ziehen.

4 Definitionen und Fokussierung

Das Thema der Qualitätsprüfungen in der stationären Altenhilfe beschreibt ein sehr weites Feld. Daraus resultiert die Notwendigkeit, den Fokus auf einen Teilbereich zu legen und diesen genauer zu beleuchten. Außerdem sind einige Definitionen vonnöten, um Klarheit bei der Verwendung wichtiger Begriffe zu gewährleisten.

4.1 Definition „Qualität“

Qualität ist ein häufig verwendeter Begriff, der jedem geläufig ist und heutzutage branchenübergreifend eine bedeutsame Rolle spielt. Jedes betriebswirtschaftlich arbeitende Unternehmen versucht, seine Dienstleistung oder sein Produkt mit einer möglichst hohen Qualität bei möglichst niedrigen Kosten anzubieten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie aber definiert sich Qualität genau? Und wer bestimmt wie, ob eine hohe oder niedrige Qualität vorliegt?

Der Begriff „Qualität“ leitet sich vom lateinischen „qualitas“ ab und bedeutet übersetzt „Eigenschaft, Güte, Beschaffenheit“ (vgl. Müller 1996: 243).

Die Qualität eines Produktes ist daher „… eine Relation, nach der die Produkteigenschaften bestimmten Zielvorgaben entsprechen sollen. Diese Zielvorgaben können anbieterbezogen oder kundenbezogen festgelegt werden.“ (Bea et al. 2009: 314f).

4.2 Fokussierung auf die Darstellung von Qualität für die Bevölkerung

Da es in dieser Arbeit nicht um die Anbieterseite, sondern um die Perspektive der „Kunden“ geht, wird nun nur die kundenbezogene Zielvorgabe erläutert.

Bei der hier gemeinten Qualität handelt es sich also um die kundenbezogene Qualität, welche verlangt, „… dass die Produkteigenschaften den Kundenanforderungen entsprechen müssen.“ (ebenda).Als Kunden kann man einerseits die Leistungsfinanzierer, also die Pflegekassen sowie die Sozialämter, andererseits aber auch die Bewohnerinnen und ihre Angehörigen als Leistungsempfänger, betrachten.

Die eingangs erläuterten Interessenskonflikte zwischen den Ansprüchen der Leistungsfinanzierer und jenen der Leistungsempfänger machen sich hier deutlich bemerkbar. Denn diese beiden sehr gegensätzlichen Parteien werden im Feld der stationären Altenpflege zur Gruppe der Kunden zusammengefasst, was nur mit Kompromissen möglich sein kann, da die Interessen teilweise sogar gegensätzlich ausgeprägt sind.

Auch der betrachtete Kundenkreis wird daher nun weiter eingeschränkt: Da die Darstellung der Qualität für die Leistungsempfänger erstellt wird, soll es im Folgenden auch ausschließlich um diese gehen. Es handelt sich bei dieser Gruppe um die Bewohnerinnen sowie ihre Angehörigen und Betreuerinnen wie Betreuer.

4.3 Fokussierung auf die Regelprüfung

Bei der betrachteten Qualitätsprüfung handelt es sich um die sogenannte Regelprüfung, welche entweder der MDK oder der PKV-Prüfdienst in jährlichen Abständen in allen Einrichtungen der stationären Altenhilfe routinemäßig durchführt. Auch findet die Qualitätsdarstellung aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfungen statt.Außer der Regelprüfung existieren Anlass- sowie Wiederholungsprüfung, welche aber nicht Gegenstand dieser Abhandlung sind.

4.4 Definition „Kundenzufriedenheit“

Die erwähnten Zielvorgaben, welchen die Produkteigenschaften für eine hohe Qualität entsprechen sollen, hängen eng mit dem Empfinden und den Erwartungen der Kunden zusammen. Denn es geht nicht allein um objektive, sondern auch um subjektive Messwerte, insbesondere in so emotional geprägten, sensiblen Themenfeldern wie der Auswahl des richtigen Pflegeheims.Die Kundenzufriedenheit stellt einen wichtigen Faktor dar, der bei einer Beurteilung der Qualität nicht unterschätzt werden darf. Eine Definition dieses Begriffes lautet: „[Kundenzufriedenheit] ist definiert als eine emotionale Reaktion des Konsumenten auf die Bestätigung oder das Übertreffen seiner zeitlich vorher entwickelten Soll-Leistungen (Erwartungen) gegenüber einem Produkt.“ (Bea et al. 2009).

Mit anderen Worten: Werden die Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen, stellt sich beim Kunden Zufriedenheit ein.

Dies ist selbstverständlich ein sehr wünschenswertes Ergebnis für Anbieter von Dienstleistungen oder Waren aller Art.

In der Altenhilfe dient die Zufriedenheit der Bewohnerinnen und ihrer Angehörigen aber nicht nur als wichtiger Aspekt zur Kundenbindung oder als Aushängeschild; für die Bewohnerinnen stellt sie einen essentiellen Bestandteil für ihr gesamtes Wohlergehen dar. Mit zahlreichen körperlichen oder geistigen Einschränkungen belegt, müssen sie sich in jeder Hinsicht auf die Erbringer ihrer Pflege verlassen zu können. Andernfalls wird der gesamte Heimaufenthalt für sie zur Qual.

5 Darstellung der derzeitigen Qualitäts-prüfungen in Deutschland

5.1 Die gesetzlichen Grundlagen der Qualitätsprüfungen

Das SGB XI regelt die soziale Pflegeversicherung in Deutschland. Dessen elftes Kapitel wiederum widmet sich der Qualitätssicherung.Die Regelprüfung findet in etwa jährlichen Abständen unangemeldet statt und erfolgt für gewöhnlich durch den MDK. DerSpitzenverband Bund der Krankenkassen e.V.beauftragt diese Institution (vgl. SGB XI 1994: § 114a sowie SGB XI 1994a: § 114a) .

Da sich dieser Verband jedoch ausschließlich aus Versicherern für die gesetzliche Versicherung zusammensetzt, in den Heimen jedoch auch privat Versicherte leben, werden, dem jeweiligen Versichertenanteil entsprechend, 90 Prozent der Prüfungen durch den MDK und die restlichen zehn Prozent durch den PKV-Prüfdienst durchgeführt (vgl. SGB XI 1994 : § 114a (5); SGB XI 1994a: § 114 (1), § 114a (5); MDS 2014: 3).

5.2 Die Paragraphen im Einzelnen

Bis 2015 regeln die Paragraphen 114, 114a und 115 SGB XI die Qualitätsprüfung in Pflegeeinrichtungen, wobei Paragraph 114 die Rahmenbedingungen für die Qualitätsprüfungen festlegt, Paragraph 114a die Durchführung dieser Prüfungen reglementiert und Paragraph 115 den Umgang mit den Ergebnissen beschreibt. Auch die folgenden Paragraphen 116 und 117 hängen noch mit den Prüfungen zusammen, hier wird die Kostenregelung festgelegt sowie die Zusammenarbeit der verschiedenen Prüfinstanzen im Detail geregelt (vgl. SGB XI 1994).

Seit 01. Januar 2016 gilt eine neue Fassung des SGB XI (vgl. SGB XI 1994a). Auch an den Paragraphen, welche die Qualitätsprüfungen betreffen, wurde einiges verändert. Die bereits beschriebenen Paragraphen 114, 114a sowie 115 behalten ihre Bedeutungen, werden aber den neuen Gegebenheiten angepasst.

Interessant für diese Arbeit ist die Änderung, welche der Paragraph 115 unter anderem bereits in seiner Überschrift erfährt: Er regelt nunmehr nicht nur den Umgang mit den Ergebnissen der Qualitätsprüfungen, sondern auch die Einzelheiten der Qualitätsdarstellung. Hierfür fordert der Gesetzgeber Vereinbarungen, welche von den in Paragraph 113 SGB XI festgelegten Vertragspartnern getroffen werden müssen. In diesen Vereinbarungen muss festgelegt werden, welche Ergebnisse in die Darstellung der Qualität einfließen, in wie weit diese durch weitere Informationen ergänzt werden, in welcher Form die Darstellung erfolgen soll sowie nach welcher Bewertungssystematik diese erfolgt (Qualitätsdarstellungsvereinbarungen). Dieses Abkommen ist für den stationären Bereich bis 31.12.2017 auf Bundesebene zu schließen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die neuen Vereinbarungen in Kraft treten, gelten die alten Bestimmungen fort, insbesondere diePflege-Transparenzvereinbarung stationär(PTVS).

Paragraph 115a wurde ganz neu geschaffen. In diesem wird eine Übergangsregelung für PTVS undQualitätsprüfungs-Richtlinien(QPR) getroffen. Es werden Fristen gesetzt, innerhalb welcher die neuen Regelungen erarbeitet werden müssen. Federführend ist hierbei derSpitzenverband Bund der Krankenkassen(MDS), welcher jedoch verpflichtet wird, dieseAufgabe gemeinsam mit den Vertragsparteien nach Paragraph 113 SGB XI zu erfüllen. Die neuen QPR bedürfen einer Genehmigung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Sie treten planmäßig zum 01.Januar 2017 in Kraft (vgl. SGB XI 1994a).

6 Regularien des MDS zur Regelprüfung

Der MDK hat sich in den Prüfungen an die erläuterten gesetzlichen Vorgaben des SGB XI zu halten.

Die Mindestanforderungen für die in den Einrichtungen erbrachten Leistungen werden durch den MDS im RegelwerkQualitätsprüfungs-Richtlinien – Transparenzvereinbarungzur Umsetzung dieser Gesetze festgelegt (vgl. MDS 2014).

Dessen erster Teil, die QPR, besteht wiederum aus zwei Einheiten: Erstens werden sämtliche mit der Prüfung der Einrichtungen zusammenhängenden Formalien beschrieben, zweitens ist hier der Prüfkatalog dokumentiert, nach welchem der MDK die Qualitätsprüfungen durchzuführen hat.

Im zweiten Teil der Publikation, der PTVS, werden die Kriterien für die Veröffentlichung, die Auswahl der in die Prüfung einbezogenen Bewohnerinnen sowie die Bewertungssystematik für die Kriterien festgelegt. Ebenfalls sind hierAusfüllanleitungen für die Prüfer zu finden. Schließlich findet die Darstellung der Prüfergebnisse einen einheitlichen Rahmen und es gibt Regelungen zur Kündigung der Vereinbarung sowie einer Übergangsregelung, bis ein neues Abkommen getroffen wurde.

7 Der Ablauf einer Regelprüfung

Die Dauer der Prüfung, die in der Regel examinierte Pflegekräfte durchführen, beträgt gewöhnlich zwei Tage.

Der typische Ablauf einer Qualitätsprüfung durch den MDK oder den PKV-Prüfdienst sieht folgendermaßen aus:

Morgens erscheinen die Prüfer unangemeldet – manchmal in Begleitung der Heimaufsicht, die ebenso Kontrollen in den stationären Einrichtungen durchführt, manchmal ohne diese – und beginnen mit der Überprüfung, indem sie deren Ablauf erklären. Im Anschluss werden Formalien das Personal betreffend überprüft, zum Beispiel, ob die Fachkraftquote eingehalten wird, oder ob die Mitarbeiterinnen in der Pflege und sozialen Betreuung alle in Erste Hilfe geschult sind.

Danach werden per Zufall neun Bewohnerinnen bestimmt, bei denen eine Überprüfung stattfinden soll. Dabei wählen die Mitarbeiterinnen des MDK aus jeder der drei derzeit vorhandenen Pflegestufen drei Personen aus; existieren in dem Haus nicht genug Personen in einer Pflegestufe, so wird das Ergebnis der anderen Bewohnerinnen in der gleichen Pflegestufe hochgerechnet. Ist die Wahl getroffen, so muss diese Person oder im Fall, dass eine Betreuung besteht, die Betreuerin beziehungsweise der Betreuer einer Prüfung zustimmen. Wenn auch diese Hürde genommen ist, begibt sich eine Kraft aus der stationären Einrichtung gemeinsam mit einer Prüfperson zu der Bewohnerin und der über sie geführtenDokumentation. Nun werden beim persönlichen Besuch im Bewohnerzimmer die Beweglichkeit und die geistige Auffassungsgabe des ausgewählten pflegebedürftigen Menschen betrachtet sowie, eine gesonderte Einverständniserklärung vorausgesetzt, der Hautzustand in Augenscheingenommen. Im Anschluss erfolgt – üblicherweise ohne Beisein einer Mitarbeiterin des Hauses – die Zufriedenheitsbefragung, in der sämtliche Bereiche der Versorgung abgefragt werden. Es geht um die Essenszeiten, ebenso wie um die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Gerichten zu wählen, um die Zufriedenheit mit der Wäscheversorgung, wie um die Pflegekräfte, ob diese freundlich sind, sich Zeit nehmen, die Intimsphäre wahren und so weiter.Auch die Dokumentation der Pflegekräfte bezüglich der gepflegten Person wird kontrolliert. Hier werden die Pflegeplanung, die Einträge in den Pflegebericht und sämtliche Dokumente, wie beispielsweise ein Bewegungs- oder Trinkprotokoll untersucht, die Medikamentengaben mit den Verordnungen abgeglichen und der sach- und fachgerechte Umgang mit der Medikation beurteilt.

Im Anschluss an die Prüfung wird eine Note nach dem Schulnotensystem von 1 (sehr gut) bis 5 (mangelhaft) für die einzelnen Teilbereiche sowie eine Gesamtnote errechnet. Die Ergebnisse werden dann im Internet veröffentlicht, sie sind außerdem in der Einrichtung auszuhängen und sollen interessierten Bürgerinnen und Bürgern als Entscheidungshilfe dienen (vgl. vdek 2015).

Die Einrichtung kann innerhalb einer Frist Einspruch gegen die vergebene Note erheben und eine Stellungnahme zum Ergebnis abgeben. Wenn der MDS der Argumentation folgt, kann es zu einer nachträglichen Verbesserung der Note kommen.

8 Kritik an der aktuellen Prüfpraxis

8.1 Kritik aus allen Richtungen

Seit Einführung der Qualitätskontrollen in stationären Pflegeeinrichtungen im Jahr 2009 sieht sich die soziale Pflegeversicherung mit massiver Kritik an der Prüfpraxis des damit von ihr beauftragten MDK konfrontiert. Nicht nur die überprüften Häuser, auch die übrige Fachwelt und selbst die Bundesregierung bemängeln, dass die Kontrollen nicht das Gewünschte, nämlich die für die Bewohnerinnen spür- und erlebbare Qualität des Hauses, abbilden, sondern lediglich die Fähigkeit des Heims, für die Prüfung benötigte Formalien bereit zu halten: „… Heime lernen, wie man gute Noten erzielt, und dies unabhängig von den Qualitätseffekten für die Pflegebedürftigen, statt zu lernen, wie man professionell das Richtige für den Menschen tut.“ (Stoffer 2011: 24). Dies aber lernen sie offenbar sehr effektiv, denn wenn man die Pflegenoten im Durchschnitt auf Ebene der Bundesländer betrachtet, ist schnell zu erkennen, dass bei derartig guten Noten alles in Ordnung zu sein scheint (vgl. Abb. 7, Anlage 3).

Es wird daher immer wieder von verschiedenen Seiten die Kritik geübt, dass nicht die Noten an sich das Problem darstellen, sondern vielmehr die falschen Fragen zu den richtigen Kernthemen gestellt werden. Es werde nicht überprüft, ob die Pflege gute Ergebnisse erbringe, sondern viel mehr, ob die Dokumentation das betreffende Kriterium vollständig und nach den Vorschriften abbilde (vgl. Albert 2015: 39).

Die Nivellierung der Pflegeheime, welche bereits zu Beginn dieser Arbeit beschrieben wurde, hat darüber hinaus zur Folge, dass inzwischen von fast jedem Haus die immer gleichen, leider meist leeren, Phrasen wie „Der Mensch steht im Mittelpunkt“ oder auch „Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben“ auf Homepages, Werbeflyern und in Konzepten gebetsmühlenartig bemüht werden. Die unzweifelhaft großen Gedanken, die hinter diesen Parolen stehen, können kaum in die Realität transportiert werden, da es hierfür häufig an finanziellen Mitteln mangelt und somit auch am notwendigen Personal sowie dessen Arbeitszeit. Dennoch wird eifrig an einer wahren Papierflut gearbeitet, ein regelrechtes „Regulierungs-Fieber“ grassiert in den Einrichtungen. Der MDK legt eben Wert auf das Vorlegen von Konzepten für alle vorstellbaren Lebenslagen der Bewohnerinnen.

Alles, was getan wird, muss akribisch dokumentiert werden. Auch wenn der früher oft zitierte Grundsatz „Was nicht dokumentiert ist, wurde nicht gemacht“ theoretisch keine echte Grundlage mehr hat, da die Aussagen der Pflegefachkräfte mit in die Bewertung einbezogen werden sollen, so zeigt die Praxiserfahrung aber, dass genau das zu Problemen führt. Bei einer MDK-Überprüfung befinden sich die Pflegekräfte häufig in einer permanenten Defensiv-Situation und sind schon so konditioniert, dass sie wissen: Alles, was sie sagen, kann und wird gegen sie verwendet werden. Bei jeder Antwort, die sie geben, kann es sein, dass diese sich negativ für das Haus auswirkt. Wie soll man da eine richtige Antwort geben? Für echte Extras fehlt es aber an allen Ecken und Enden; ob das, was in den vielen Schriftstücken versprochen wird, auch tatsächlich so stattfindet, spielt nur eine marginale Rolle.

Eine derartige Synchronisierung der Selbstdarstellung von Pflegeheimen führt zudem dazu, dass sich Außenstehende kein ernstzunehmendes Bild von der Einrichtung machen können, ein Haus scheint wie das andere, selbstgewählte Schwerpunkte sind kaum noch zu erkennen.

Dies widerspricht dem Postulat des MDK, Interessierten mit den Pflegenoten Hilfestellung bei der Wahl des richtigen Heims bieten zu wollen (vgl. vdek 2015).

Das Vorgehen, potentiellen Klienten große Worte entgegen zu schmettern, ist dennoch weiterhin bei Qualitätskontrollen von Erfolg gekrönt, da die Prüfer sich in erster Linie damit befassen, die Erfüllung von bürokratischen Vorschriften zu kontrollieren, statt sich die in der praktischen Arbeit Ergebnisqualitätanzusehen.

DerSachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesenbefürwortet sogar eine ergebnisorientierte Vergütung, was durch eine Konzentration auf die Ergebnisqualität erst ermöglicht würde (vgl. Thiele et al.: 93f; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen: 48).

In Vergessenheit gerät bei den vollmundigen Versprechen der Einrichtungen auch immer wieder, dass es sich nicht nur bei den Bewohnerinnen, sondern ebenso beim Personal um Menschen handelt, die dann ja auch „im Mittelpunkt stehen“ müssten. Dies hört sich in einer Zeit, in der Pflegepersonal für Viele nach wie vor lediglich als Kostenfaktor zählt sowie bei einer Personalsituation, die stets am Rande des Kollapses balanciert, schlichtweg wie Hohn für die Betroffenen an. Nicht von ungefähr kommt in diesem Zusammenhang sicherlich die deutliche Kritik einer unbekannten Person, die sich den bitteren Spaß erlaubte, unter einem Plakat mit eben der Aufschrift „Der Mensch steht im Mittelpunkt“„… und damit im Weg!“ zu ergänzen (so von der Autorin gesehen in der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen).

Auch der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, hält die Pflegenoten für gescheitert. Er bemängelt den Fakt, dass die Möglichkeit besteht, schlechte Pflege, die sich beispielsweise durch im Heim entstandene Dekubitus zum Ausdruck bringt, mit einem korrekt veröffentlichten Speiseplan in der Note wieder auszugleichen. Für die Angehörigen sei diese Praxis irreführend, das ganze System sei „eine Fehlsteuerung“ (Vetter 2013).

Selbst dem MDS fiel bereits auf, dass die von ihm veröffentlichten Prüfergebnisse nicht den geplanten Zweck erfüllen. Allerdings kritisiert der Verband lediglich, dass die Ergebnisse häufig ein besseres Bild skizzieren, als es die tatsächlich vorgefundene Situation vor Ort erlauben würde. Die Einrichtungen erhalten Noten im guten, meist sogar sehr guten Bereich, was den Hilfesuchenden die Entscheidung nicht erleichtert (vgl. MDS 2015).

Dies entspricht definitiv der Realität. Eine qualitative Unterscheidung gestaltet sich bei der derzeitigen Notenlage (vgl. Abb. 7, Anlage 3) für Fachleute sehr aufwändig, für einen Laien ist sie schlicht unmöglich. Der Mangel, dass die Noten nicht die Qualität der Versorgung abbilden, sondern nur, wie gut das Haus die formellen Anforderungen zu erfüllen vermag, wird so vom MDS aber scheinbar nicht erkannt.

In Paragraph 114 SGB XI (vgl. SGB XI 1994a) ist festgelegt, dass die Ergebnisqualität insbesondere zu prüfen ist, die Struktur- und Prozessqualität können zusätzlich betrachtet werden. Somit besteht die gesetzliche Grundlage für eine sinnvolle Prüfung bereits. Fraglich bleibt, warum diese derzeit keine Anwendung findet.

Des Weiteren steht nicht nur die Notenfindung an sich in der Kritik, sondern auch die Zuständigkeit des MDK. Dass mit diesem eine Institution die Prüfungen durchführt, die im Auftrag der Kassen agiert, erweckt Unmut und Misstrauen der Betroffenen. Denn ob sich für eine solche Aufgabe eine Organisation gut eignet, die von denjenigen beauftragt wird, die für die Aufbringung der Gelder zuständig sind, erscheint nicht nur der Autorin sehr fragwürdig. Da die Kassen sich als Käufer in einer Monopolstellung befinden, handelt es sich bei der stationären Altenhilfe gewissermaßen um einen extremen Käufermarkt, da hier die Situation vorliegt, „… dass sich die Käufer gegenüber den Verkäufern in der verhandlungstaktisch besseren Position befinden ...“ (Bea et al. 2009: 183).

Zwar kommt dies nicht aufgrund eines Angebotsüberhangs zustande, sondern dadurch, dass die Kassen (mit den Sozialämtern an ihrer Seite) diejenigen sind, die als einzige von der Gesellschaft beauftragt wurden, diese Aufgabe zu übernehmen. Deshalb ist hier eine wirkliche Marktwirtschaft nicht möglich.

Dies ändert aber nichts daran, dass die Kassen gegenüber den Einrichtungen eine mächtige Position einnehmen und diese auch nutzen. Denn dadurch sind die Kassen in der Lage, nicht nur die Leistungsanforderung zu diktieren, sondern auch deren Preis. Dass dieser stets möglichst niedrig ausfällt, liegt in der Natur der Sache, verursacht aber große Probleme im Finanzhaushalt der Einrichtungen.

Die weiter oben in der Arbeit beschriebene Diskrepanz zwischen den Forderungen des MDK und den Bedürfnissen der zu versorgenden Bevölkerung bringt die Heimbetreiber daher wirtschaftlich immer wieder in Bedrängnis. In Zeiten, in denen es ohnehin überall an Geld und Personal mangelt, sind die Verantwortlichen gezwungen, ganzjährig wertvolle finanzielle und personelle Ressourcen für die Aufrechterhaltung eines bürokratischen Systems aufzubringen, das ausschließlich dazu dient, an den beiden Prüftagen sämtliche Anforderungen des MDK zu erfüllen, um eine vorzeigbare –wenn auch nicht aussagekräftige –Note zu erhalten:Ein Heim mittlerer Größe wendete 2011 durchschnittlich alleine für die Begleitung und Nachbereitung der MDK-Prüfung 80 Arbeitsstunden auf, die Bürokratie nahm über das gesamte Jahr etwa 30 Prozent der pflegerischen Arbeitszeit in Anspruch, das sind pro Tag etwa 2,4 Stunden pro Pflegekraft!

Die externen Qualitätskontrollen kosteten die Heimbetreiber Deutschlands dadurch zirka 100 Millionen Euro in dem betrachteten Jahr (vgl. Stoffer 2011: 22).

Der Bevölkerung wird aber noch mehr an finanzieller Last für die Prüfungen zugemutet. Denn auch der MDK muss seine Mitarbeitenden bezahlen, Räumlichkeiten sowie Hard- wie Software bereitstellen und viele weitere Kosten begleichen.

Im Jahre 2014 benötigte man hierfür 200 Millionen Euro (vgl. Woratschka 2014).

Würden die Pflegekassen dieses Geld für ihre eigentliche Daseinsberechtigung, nämlich die Versorgung von Pflegebedürftigen, freigeben, wäre – noch dazu mit den 100 Millionen Euro, die sich die Heime selbst sparen könnten – mehr als genug Geld vorhanden, um mehr Personal besser bezahlen, die Arbeitsbedingungen im Allgemeinen deutlich zu verbessern, die Lebenswelt der Bewohnerinnen schöner gestalten sowie deren Wünschen und Bedürfnissen besser entgegenkommen. Auch wenn andere Wege der Qualitätskontrolle selbstverständlich ebenso Kosten verursachen, kann man diese mit betriebswirtschaftlichem Verstand, gekoppelt mit pflegerischer Weitsicht, planen und die Ausgaben dadurch niedrighalten.

8.2 Moratorium Pflegenoten

Wenn du ein totes Pferd reitest, dann steig ab“(Stoffer 2015: 4).

Die umfangreichste und am besten strukturierte Kritik erfährt die MDK-Prüfungdurch den Zusammenschluss zweier Experten, Herrn Professor Dr. jur. Klie sowie Herrn Diplom-Volkswirt Franz J. Stoffer, die sich beide bereits seit langem mit der Materie beschäftigen und gemeinsam dasMoratorium Pflegenotenins Leben riefen. Auch sie halten nicht nur die Durchführungsweise der Kontrollen für problematisch, sondern zweifeln zusätzlich ebenso an, dass sich ein so komplexes Thema wie die Pflege von Menschen überhaupt mit Schulnoten adäquat abbilden lässt (vgl. Klie, Stoffer 2015).

Auf den Seiten des Moratoriums findet sich unter anderem ein Aufruf, dieses zu unterstützen (vgl. Abb. 6, Anlage 2), in welchem die Kritikpunkte der beiden Verfasser an der derzeitigen Prüfpraxis zusammengefasst werden:Nicht nur die enormen Kosten sowie die überbordende Bürokratie für ein nicht valides System, dem das wissenschaftliche Fundament schlicht fehlt, werden moniert, auch sehen die Autoren die Zusammensetzung der Verhandlungspart-ner aus Kosten- und Leistungsträgern sowie den Leistungserbringern als ungeeignet, da diese alle auch mit monetären Interessen an die Thematik heran gehen.

Von Unabhängigkeit kann bei diesem Vorgehen nach Ansicht der beiden Experten nicht ausgegangen werden. Ergebnis der Prüfungen sind außerdem Noten, die keine Aussagekraft besitzen, da die für die Bevölkerung wichtigen Aspekte der Pflege gar nicht betrachtet werden.

Auch sind die Kritiker der Ansicht, dass die unternehmerische Freiheit und die Vielfalt der Einrichtungen durch die Art der Überprüfungen deutlich eingeschränkt werden. Das Bild wird einfarbiger, statt bunter.

Schließlich fällt auch noch Kritik auf die Tatsache, dass eine gute Qualität der Pflege nur durch gut qualifizierte Pflegekräfte erreicht werden kann, welche aber durch die derzeitige Prüflogik weg vom eigenständigen, situationsbezogenen Denken, hin zu rein mechanischen Aktivitäten „erzogen“ werden, was ihrer Fachlichkeit nachhaltig schadet.

Könnten die weiter oben bereits genannten Ausgaben von jährlich etwa 100 Millionen Euro, welche für die Erfüllung der geforderten Qualitätskriterien in Deutschland von den Heimbetreibern aufgebracht werden müssen, in die direkte Versorgung der Pflegebedürftigen fließen, wäre eine gerechtere Bezahlung der Pflegekräfte und damit eine Abschwächung des Pflegenotstandes möglich (vgl. Stoffer 2011: 23). Auch könnten die Heime mehr Geld aufwenden, um höherwertige Lebensmittel zu verarbeiten, geeignetere Einrichtungsgegenstände oder Hilfsmittel, zum Beispiel moderne Pflegebetten, nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen anschaffen und so weiter. Hierbei hat Stoffer noch gar nicht die Ausgaben des MDK selbst mit eingerechnet.

Stoffer hält nicht nur das Procedere bei der Benotung für völlig gescheitert, sondern das komplette Transparenzsystem an sich. Besonders hebt er hervor, dass Lebensqualität und soziale Teilhabe keine Beachtung finden, wobei dies allerdings auch nicht in die Prüfkompetenz des MDK gehöre (vgl. Stoffer 2015: 4). Gerade diese Aspekte sind aber ja für die Bewohnerinnen subjektiv äußerst bedeutsam.

[...]

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Qualitätsbeurteilung von Einrichtungen der stationären Altenhilfe
Untertitel
Erhebung und Darstellung von Qualitätsmerkmalen im internationalen Vergleich mit Übernahmeempfehlungen für die deutsche Praxis
Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule  (Gesundheit und Pflege)
Note
1,5
Autor
Jahr
2016
Seiten
72
Katalognummer
V336793
ISBN (eBook)
9783668313538
ISBN (Buch)
9783668313545
Dateigröße
1509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pflegenote, Pflegekontrolle, Pflegeheim, Qualität im Pflegeheim, MDK, Pflegegrade, Pflegestufe, PSG II, Vergleich Pflegeheime, Qualitätsüberprüfung, Pflege-TÜV, Moratorium Pflegenoten
Arbeit zitieren
Regina Binöder (Autor:in), 2016, Qualitätsbeurteilung von Einrichtungen der stationären Altenhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336793

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