Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Wer sind die Nabatäer?
3. Die Weihrauchstraße und ihre Bedeutung für die Nabatäer
4. Rom und das Nabatäerreich
5. Beweggründe Roms für die Annexion
6. Die Provinzialisierung
6.1 Was für eine widerstandslose Provinzialisierung spricht
6.2 Was gegen eine widerstandslose Provinzialisierung spricht
7. Fazit
8. Ausblick
9. Quellenverzeichnis
10. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der römische Kaiser Trajan erteilte im Jahre 106 n. Chr. Cornelius Palma, dem Statthalter der Provinz Syria, den Befehl, in das arabische Reich der Nabatäer einzumarschieren, es dem „imperium romanum“ einzuverleiben und gleichzeitig die politische Autonomie des ersten und am längsten existierenden Staats seiner Zeit zu beenden.[1] Zusammen mit dem Nabatäerreich ging auch die Weihrauchstraße, eine der ältesten Handelsrouten der Welt, die von Südarabien bis zum Mittelmeer führte und auf der viele der wichtigsten Güter dieses Zeitalters transportiert wurden, in die Hände des Trajan, der fortan die gesamte Mittelmeerwelt sein Eigen nennen konnte.[2] Doch diese Annexion lief anders ab als vergleichbare Unternehmungen beispielsweise in Dakien oder Germanien. Während dort ruhmvolle Schlachten ausgetragen worden sind, die mit prunkvollen Festen und Triumphzügen in der Heimat gefeiert und mit Münzen, beschriftet mit „Dacia capta“ und „Germania capta“, zu Ehren des Kaisers gewürdigt wurden, fiel nahezu jegliche Propaganda bezüglich der Eingliederung Arabiens in das römische Reich aus. Trajan erhielt nicht das Epitheton „Arabicus“, seine Münzen zierte nicht der Schriftzug „Arabia capta“ und auch antike Schriftsteller schwiegen größtenteils über dieses Ereignis.[3] Die Münzprägungen kamen sogar ohne jegliche Unterwerfungsgesten aus, stellten die personifizierte Arabia in aufrechter Haltung dar und titulierten die neu gegründete Provinz Arabia als „Arabia adquisita“. Auf der anderen Seite finden sich bei den Nabatäern, die ihre Geschichte grundsätzlich kaum verschriftlichten, auf den ersten Blick ebenso nur wenige Hinweise auf eine gewaltsame Unterwerfung.[4]
Diese Hausarbeit arbeitet die Annexion noch einmal auf, indem sie von der Entstehung des nabatäischen Volks über die ersten Kontakte zu seinem späteren Eroberer bis hin zum Tag der Annexion das anspricht, was hierzu von Bedeutung ist. Es soll der Frage nachgegangen werden, ob die Provinz Arabia, wie von einem Großteil der Historiker vermutet wird, wirklich nur „adquisita“ und nicht vielleicht doch „capta“ gewesen ist und zudem, wieso sie das eine und nicht das andere war. Des Weiteren soll verdeutlicht werden, aus welchen Gründen das Nabatäerreich interessant für den römischen Kaiser gewesen ist und warum er es gerade zu diesem Zeitpunkt annektierte. Um zu verstehen, wieso die Nabatäer zum bedeutendsten Reich der arabischen Welt aufsteigen konnten, wird es einen kurzen Exkurs geben, der die Weihrauchstraße und ihren wirtschaftlichen Einfluss auf das Nabatäerreich selbst und auch auf Rom in ihren Grundzügen darstellt. In dieser Abhandlung trifft das Volk, das seine Sichtweisen genauestens dokumentierte, auf jenes Volk, deren Sichtweisen wir versuchen, wiederzugeben, obwohl sie nicht wiedergegeben wurden.
2. Wer sind die Nabatäer?
Um 400 vor Christus ging die persische Vorherrschaft über Nordarabien zugrunde und viele dort ansässige Völker spalteten sich auf oder verfielen der Bedeutungslosigkeit. Der Stamm „Kedar“ seinerseits löste sich auf und aus diesem gingen die Nabatäer hervor.[5] Bis heute ist ungeklärt, woher genau der Name dieses Volks stammt. Oftmals wurde versucht, einen Zusammenhang zwischen den Nabatäern und „Nebaioth“, Sohn des Ismaels, aus dem Alten Testament herzustellen. Allerdings fehlen hierfür stichfeste Beweise. Ähnlich unsicher ist der hergestellte Zusammenhang zwischen den Nabatäern und den „Nabaitai“, die im Kontext des Feldzugs der Assyrer in der syrischen Wüste 675/50 vor Christus eine Rolle gespielt haben sollen.[6] Auch über die Entwicklungsgeschichte dieses Stamms ist nur wenig sicher. Vermutlich sind dessen Angehörige, die zunächst nomadisch waren, irgendwann von Süd- oder Mittelarabien Richtung Nordwesten gezogen und haben die aramäische Sprache angenommen. In Nordwestarabien angekommen traten sie in Kontakt mit den dort ansässigen Edomitern, die sie entweder unterwarfen, vertrieben oder mit ihnen verschmolzen. In diesem Zuge nahmen sie auch Petra ein. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein Wandervolk handelte, betrieben sie dementsprechend auch keine Landwirtschaft. Das hatte neben ethischen Überzeugungen, die sie dazu verleiteten, auch den Vorteil, dass sie eine hohe Mobilität besaßen, die sie bei feindlichen Angriffen beschützte.[7]
Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Nabatäervolk von einem kleinen unbedeutenden Stamm zu einer bedeutenden Macht im arabischen Raum, die sich im dritten Jahrhundert vor Christus Damaskus und den Wadi Sirhan einverleiben konnte. Ende des zweiten bis Anfang des ersten Jahrhunderts vor Christus erreichte das Nabatäerreich seinen ersten Höhepunkt. Durch ein gewaltiges Machtvakuum im syrisch-palästinensischen Raum wurde der Aufstieg der Nabatäer weiter begünstigt und machte sie vor allem durch die nun vorhandene Kontrolle der Weihrauchstraße zu einem Volk, das auch bald für die Römer von Interesse war.[8]
3. Die Weihrauchstraße und ihre Bedeutung für die Nabatäer
Die sogenannte Weihrauchstraße begann in Sabota, dem heutigen Schabwa, und fand ihr Ende in Gaza. Dieser Handelsweg, auf dem allerlei Produkte von Süd- nach Nordarabien transportiert wurden, war jedoch kein, wie der Name vermuten lässt, befestigter Weg wie die Römerstraßen. Vielmehr war die Weihrauchstraße ein Begriff für Karawanen, die durch Arabien zogen und immer wieder an bestimmten Wasserstellen oder Zollstationen anhielten.[9] Der Weg jener Karawanen führte auf Umwegen durch das Inland. Der direkte Diagonalweg war unpassierbar und die Hitze des Inlands war besser zu ertragen als das feuchte Küstenklima. Der Hafen Leuke Kome, der bis heute nicht genau lokalisiert werden konnte, diente als Umschlagplatz für alle Waren und war gleichzeitig die südliche Grenze Nabatäas.[10] Von dort aus wurde Petra angesteuert, die Hauptstadt der Nabatäer, in der jene Waren, die die Händler einfuhren, gelagert wurden. Um den für die Händler gewünschten Gewinn zu erzielen, musste eine Karawane aus 1000 Kamelen bestehen, was einem Warenwert von ca. 500.000€ entspricht. Zu den vertriebenen Waren gehörten unter anderem verschiedene Edelmetalle, Elfenbein, und Gewürze, sowie die Duftstoffe Myrrhe, Balsam und vor allem Weihrauch, der der Weihrauchstraße ihren Namen gab.[11]
Die Nabatäer waren schon ab dem vierten Jahrhundert vor Christus Zwischenhändler für Waren aus Südarabien und Indien, hatten ihr Weihrauchmonopol aber erst nach dem vierten (219 – 217 v. Chr.) bzw. fünften (201 – 198 v. Chr.) seleukidischen Krieg inne. Bei diesen Kämpfen schlossen sich die Nabatäer den Seleukiden an, um gegen die Ptolemäer vorzugehen. Jenen wurde schlussendlich Gaza, der Endpunkt der Weihrauchstraße, entrissen, womit auch der Handel der den Ptolemäern unterworfenen Stämme im arabischen Raum endgültig beendet wurde. Dies war ein Meilenstein für das noch junge Nabatäervolk und begründete dessen nun stetig wachsenden Reichtum.[12] Nach diesem Ereignis waren die Nabatäer auch keine Zwischenhändler mehr, sondern persönlich auf den Absatzmärkten, beispielsweise in Griechenland, präsent. Ihre wirtschaftliche Bedeutung wird vor allem durch eine bei Tenos gefundene Ehreninschrift für einen Nabatäer deutlich, da griechische Ehreninschriften für Personen nicht-griechischer Abstammung äußerst selten gewesen sind. In der nabatäischen Hafenstadt Leuke Kome erhoben die Einheimischen einen Zoll in Höhe von 25% des Warenwerts und gaben den Karawanen im Gegenzug Schutz bei der weiteren Durchreise. Zusätzliche Kosten für die Versorgung der Tiere und der Mannschaft ließen den Preis für ein Pfund des hochwertigsten Weihrauchs schon bei Gaza auf sechs Denare ansteigen, was einem Arbeitergehalt von zwei Wochen entsprach.[13] Die Griechen entdeckten zwar schon früh die Monsunwinde, was die Schifffahrt auf dem Roten Meer ermöglichte und zumindest theoretisch eine Alternativroute zur Weihrauchstraße darstellte, doch dem wirkten die Nabatäer durch gezielte Piraterie vor allem gegen ptolemäische Schiffe entgehen. So blieben die Nabatäer bis kurz vor der Zeitwende der unangefochtene Handelspartner in Arabien; auch für die Römer. Es verwundert daher nicht, dass der antike Schriftsteller Apuleius nur ein Wort benötigte, um das nabatäische Volk zu beschreiben: „mercatores“.[14]
Als die Römer im Jahre 30 v. Chr. Ägypten zu ihrer Provinz machten, änderte sich auch für die Nabatäer die wirtschaftliche Lage grundlegend. Rom intensivierte zunehmend den Seehandel über das Rote Meer. Der Historiker Strabon sprach von 120 Schiffen, die unter römischem Kommando zwischen Indien und Myos Hormos verkehrt haben, während es unter ptolemäischer Herrschaft wenige bis keine gewesen seien. Zunächst spürten die Nabatäer aber wenig von dieser Veränderung, da wegen der stabilen Lage in Rom zu Zeiten des nabatäischen Königs Obodas III. (regierte 30 v. Chr. – 9 v. Chr.) die römische Nachfrage an Luxusgütern anstieg. Dass die Weihrauchstraße trotz des Seehandels noch nicht an Bedeutung verlor, lag vor allem daran, dass wegen des höheren Bedarfs an Weihrauch eine zweite Ernte im Frühjahr vonnöten gewesen ist, die Schifffahrt zu dieser Zeit aber ruhen musste.[15]
Im Laufe der Zeit löste der unter römischer Herrschaft stehende ägyptische Hafen Myos Hormos, von wo aus dann die Waren ihren Weg über das Mittelmeer fortsetzten, Leuke Kome ab. Die Nabatäer sahen sich zwar aufgrund der nun spürbar zurückgehenden Aktivität auf der Weihrauchstraße gezwungen, ihre Piraterie auf dem Roten Meer beizubehalten und nun auch römische Schiffe zu attackieren, doch diese wurden durch eine immer besser werdende Küstenwache geschützt. So konnten die Römer den Nabatäern ein wachsendes Wirtschaftsdefizit zufügen, indem sie, wie erwähnt, die Waren in ihre eigenen Häfen einfuhren und zudem noch das Volk der Lyhaniten unterstützten, den Weihrauchhandel selbst zu kontrollieren.[16] Dieser Missstand ist auch an dem Silbergehalt der nabatäischen Münzen zu sehen, der von 80% unter Aretas IV. (regierte 9 v. Chr. – 40 n. Chr.) bis auf 20% sank. Zwar konnte dieser sich kurzzeitig unter Rabbel II. (regierte 71 n. Chr. – 106 n. Chr.) wieder auf 40% erholen, doch der Aufschwung währte nur kurz. Dass das Nabatäerreich nicht sofort wirtschaftlich zusammengebrochen ist, liegt vor allem daran, dass die Nabatäer sich durch ausgeklügelte Bewässerungstechniken ein zweites landwirtschaftliches Standbein aufbauen konnten. Hierfür mussten die Einheimischen ihre Mobilität bei feindlichen Angriffen, die sie zuvor als Nomaden noch besaßen, aber gänzlich aufgeben. Des Weiteren machte der letzte König Rabbel II. Bostra zur neuen Hauptstadt seines Reichs, weil Petra seine Bedeutung als Handelsplatz verloren hatte.[17] All jene Maßnahmen konnten den langsamen wirtschaftlichen Verfall jedoch nicht verhindern.
[...]
[1] Vgl. Funke, Peter, Rom und das Nabatäerreich bis zur Aufrichtung der Provinz Arabia, in: Migratio et Commutatio. Studien zur Alten Geschichte und deren Nachleben, Festschrift Thomas Pekáry, Drexhage, Hans-Joachim und Sünskes, Julia (Hg.), St. Katharinen 1989, S. 1 – 18, S. 1.
[2] Vgl. Willeitner, Joachim, Die Weihrauchstraße, Darmstadt – Mainz 2013, S. 10; vgl. Bowersock, Glen Warren, Roman Arabia, Cambridge, Massachusetts – London 1983, S. 82 und 85.
[3] Vgl. Hackl, Ursula u.a. (Hg.), Quellen zur Geschichte der Nabatäer. Textsammlung mit Übersetzung und Kommentar, Freiburg Schweiz 2003, S. 52 und 115; vgl. Al-Otaibi, Fahad Mutlaq, From Nabataea to Roman Arabia: Acquisition or Conquest, Oxford 2011, S. 66; vgl. Lindner, Manfred, Die Geschichte der Nabatäer, in: Lindner, Manfred (Hg.), Petra und das Königreich der Nabatäer. Lebensraum, Geschichte und Kultur eines arabischen Volkes der Antike, München 1970, S. 71 – 134, S. 76; vgl. Schmitt-Korte, Karl, Die Nabatäer im Spiegel der Münzen, in: Lindner, Manfred und Zeitler, John Patrick (Hg.), Petra. Königin der Weihrauchstraße, Fürth 1991, S. 135 – 149, S.147.
[4] Vgl. Seelentag, Gunnar, Taten und Tugenden Traians. Herrschaftsdarstellung im Principat, Suttgart 2004 (Hermes Einzelschriften, Bd. 91), S. 432f.; vgl. Al-Otaibi, S. 89.
[5] Vgl. Knauf, Ernst Axel, Die Weihrauchstraße, in: Lindner, Manfred und Zeitler, John Patrick (Hg.), Petra. Königin der Weihrauchstraße, Fürth 1991, S. 7 – 10, S. 9.
[6] Vgl. Göritz, Eva, Die Nabatäer – ihre Rolle in der Geschichte der antiken Völker, in: Lindner, Manfred und Zeitler, John Patrick (Hg.), Petra. Königin der Weihrauchstraße, Fürth 1991, S. 11 – 24, S. 11f.; vgl. Lindner, S.76; vgl. Willeitner, S. 124.
[7] Vgl. Lindner, S. 76; vgl. Göritz, S. 12.; Die Nabatäer waren der Ansicht, dass jene, die Landwirtschaft oder dergleichen betrieben, dem Willen der Mächtigen zum Opfer fielen. Für den Verstoß der Sitte erhielt man die Todesstrafe (vgl. Funke, S.4.).; Bei Angriffen flohen die Nabatäer in ihre schwer einnehmbare Felsenstadt Petra, bis die Feinde besiegt waren oder, was häufiger geschah, abzogen.
[8] Vgl. Funke, S. 3 und 5; vgl. Willeitner, S. 129; vgl. Lindner, S. 94; vgl. Göritz, S. 14.
[9] Vgl. Willeitner, S. 10 und 42; vgl. Goldschmidt, Cläre, Die Weihrauchstraße, in: Lindner, Manfred (Hg.), Petra und das Königreich der Nabatäer. Lebensraum, Geschichte und Kultur eines arabischen Volkes der Antike, München 1970, S. 157 – 164, S. 157 und 160; vgl. Knauf, S. 8.
[10] Vgl. Goldschmidt, S. 159f.; vgl. Willeitner, S. 12f. und 21; vgl. Hackl, S. 278.
[11] Vgl. Göritz, S. 14; vgl. Goldschmidt, S. 160; vgl. Hackl, S. 433; vgl. Lindner, S. 85; Der benötigte Warenwert einer Karawane wurde in Goldschmidts Aufsatz mit 1 Mio. DM beschrieben.
[12] Vgl. Lindner, S. 86; vgl. Hackl, S. 71.
[13] Vgl. Hackl, S. 124, 564f. und 574; vgl. Göritz, S. 15; vgl. Willeitner, S. 9 und 45.
[14] Vgl. Funke, S. 13; vgl. Hackl, S. 75 und 599; vgl. Willeitner, S. 56 und 129; vgl. Göritz, S. 15.
[15] Vgl. Willeitner, S. 132; vgl. Hackl, S. 73f. und 599.
[16] Vgl. Funke, S. 14; vgl. Al-Otaibi, S. 29f.
[17] Vgl. Göritz, S. 23f.; vgl. Meshorer, Ya’akov, Nabataean Coins, Jerusalem 1975 (Qedem. Monographs of the Institute of Archaeology, Bd. 3), S. 73f.; vgl. Hackl, S. 75 und 165; vgl. Knauf, S. 9; vgl. Funke, S. 15f.; vgl. Lindner, S.115.