Das Bewusstsein, sterblich zu sein und nach dem Tod in irgendeiner Weise Gerechtigkeit für seine Taten zu erfahren, ist im Judentum essenziell. „Aqabija ben Mahalalel sagt: Betrachte drei Dinge und du wirst nicht der Sünde verfallen. Wisse, woher du kommst und wohin du gehst und vor wem du Rechenschaft ablegen wirst. Woher du kommst: aus einem übelriechenden Tropfen. Wohin du gehst: an einen Ort von Staub, Verwesung und Gewürm. Und vor wem du Rechenschaft ablegen wirst: vor dem König der Könige der Könige, dem Heiligen, gepriesen sei er“ (Avot 3,1). Scheint sich doch die jüdische Religion auf den ersten Blick zunächst einmal nur im Gesetzeswerk des Diesseits zu manifestieren, lebt doch jeder Jude seinen Glauben in Hinblick auf den Wunsch, für das Gericht Gottes vorbereitet zu sein und es bestehen zu können. So findet sich auch in einem Mischna-Traktat folgender Rat: „Rabbi Elizier sagt: Kehre um einen Tag vor dem Tod! Seine Schüler fragten Rabbi Eliezer: Weiß denn der Mensch, an welchem Tag er stirbt? Er sagt ihnen: umso mehr kehre er noch heute um, falls er morgen sterben sollte. So verbringt er all seine Tage in Umkehr.“ (Schabbat 153a)
In den Vorstellungen zum Jenseits ist im Judentum allerdings weder eine übertriebene Angst vor Höllenfeuern und Teufeln, noch eine großartige Vision vom Paradies zu finden. Den größten Teil der Lehre findet sich in den Kommentaren der Rabbiner und Theologen im Talmud. Dabei handelt es sich Schriftauslegungen oder Hypothesen, die untereinander sehr große inhaltliche Unterschiede aufweisen. Das Thema Tod findet im Talmud große Aufmerksamkeit, weil es einer der Hauptstreitpunkte zwischen den Gelehrten und der als Sekte angesehenen Sadduzäern war. Eine einheitliche verbindliche Lehre gibt es allerdings nicht, aber viele eigene Strömungen. Betont wird meist der metaphysische, geistige Gehalt der biblischen Aussagen. Der gelebte Glaube an den einen Gott, die Ehrfurcht vor seiner Gerechtigkeit und das Vertrauen auf die einmalige Verbindung zwischen Gott und seinem erwählten Volk Israel stehen vor jeder Systematisierung der Auferstehungsverheißung. Der jüdische Philosoph Josef Albo kann so auch zusammenfassen: „Solange jemand gläubig Lohn und Strafe im allgemeinen anerkennt […] leugnet er, wenn er die Auferstehung leugnet, nicht ein grundlegendes Prinzip der Tora des Mose“ (Buch der Grundprinzipien, I,23). [...]
Inhaltsverzeichnis
- Jenseitsvorstellungen im Judentum
- Auferstehung der Toten
- Kranken- und Sterbebegleitung
- Die Vorbereitung des Leichnams
- Die Bestattung
- Die Trauerzeit
- Das Kaddisch-Gebet
- Der Begräbnisort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieses Werk befasst sich mit der Thematik von Tod und Bestattungskultur im Judentum. Es beleuchtet die jüdischen Jenseitsvorstellungen, die Bedeutung der Auferstehung der Toten und die verschiedenen Rituale und Praktiken, die mit Tod und Trauer verbunden sind.
- Jüdische Jenseitsvorstellungen
- Die Rolle der Auferstehung im jüdischen Glauben
- Rituale der Kranken- und Sterbebegleitung
- Vorbereitung des Leichnams und Bestattungsrituale
- Trauerzeit und das Kaddisch-Gebet
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 beleuchtet die Jenseitsvorstellungen im Judentum und die Rolle der Gerechtigkeit im Leben nach dem Tod. Es analysiert die unterschiedlichen Perspektiven auf das Jenseits und die Bedeutung der Reue und Umkehr für die Sühne von Sünden. Kapitel 2 untersucht die Bedeutung der Auferstehung der Toten im jüdischen Glauben und die verschiedenen Interpretationen der biblischen Texte. Es beleuchtet die Debatte um die physische und metaphorische Bedeutung der Auferstehung und die Rolle des Kaddisch-Gebets im Kontext des Jenseits.
Schlüsselwörter
Tod, Bestattungskultur, Judentum, Jenseits, Auferstehung, Trauerzeit, Kaddisch, Reue, Sühne, Gerechtigkeit, Talmoed, Rabbiner, Fegefeuer, Paradies, Hölle, Gott.
- Quote paper
- Alexander Winter (Author), 2012, Tod und Bestattungskultur im Judentum, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337378