Eine massenhafte Arbeitslosigkeit ist in Deutschland inzwischen seit Jahrzehnten ein Dauerproblem, das weitreichende gesellschaftliche aber auch individuelle Folgen für die Betroffenen hat. In der Amtszeit Gerhard Schröders als Bundeskanzler sollte dieses soziale Problem mit einer Fülle von Maßnahmen angegangen werden. Die von der Hartz-Kommission erarbeiteten und später von der Regierung umgesetzten Vorschläge zu einer Modernisierung der Arbeitsmarktpolitik waren verbunden mit dem Schritt von einem versorgenden statussichernden Wohlfahrtsstaat zu einem schlanken Staat, der auf Eigenverantwortung der Bürger und eine bis dahin fehlende Balance von Rechten und Pflichten zwischen Staat und Gesellschaft setzt. Dies sorgte vor allem in der Disziplin der Sozialen Arbeit für Aufsehen, denn man sah sich mit weitreichenden Veränderungen innerhalb der Profession konfrontiert.
Die von Galuske gewählte Kurzbeschreibung Sozialer Arbeit als Instanz zwischen Hilfe und Kontrolle macht deutlich, dass Soziale Arbeit schon immer geprägt war und vermutlich auch immer geprägt sein wird von ihrem doppelten Mandat, also der Verpflichtung gegenüber den Nutzern und der Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit. Zusätzlich ist sozialarbeiterisches Handeln aber immer auch geprägt durch das professionelle Selbstverständnis und die Ethik der Handelnden. Diese die Profession auch ausmachende Divergenz zwischen möglicherweise verschiedenen oder konkurrierenden Interessenlagen der Beteiligten gewann in den letzten Jahren in wissenschaftlichen Kreisen an Bedeutung.
Mit der paradigmatischen Neuausrichtung der deutschen Sozial- und vor allem Arbeitsmarktpolitik und den daraus resultierenden „Hartz-Gesetzen“ sieht sich die Disziplin mit neuen Strukturen, neuen Anforderungen und einer veränderten Perspektive auf die Nutzer aber auch auf sich selbst konfrontiert. Ein für alle Beteiligten annehmbares Verhältnis zwischen Hilfe und Kontrolle scheint im aktivierenden Staat aus den Fugen geraten, so der Tenor der Kritik.
Ausgehend von dieser Kritik wird ein Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit auf den Konsequenzen der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik für die Soziale Arbeit liegen. Ferner sollen aber auch Grenzen der Aktivierungsdogmatik aufgezeigt werden. Schließlich sollen unter Berücksichtigung zweier Forschungsberichte individuelle Grenzen der vermeintlich zu aktivierenden Personen nachgezeichnet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Vom Wohlfahrtsstaat zum aktivierenden Staat
- 1.1 Soziale Arbeit im Wohlfahrtsstaat
- 1.2 Die Hartz-Reformen
- 1.2.1 Hartz I
- 1.2.2 Hartz II
- 1.2.3 Hartz III
- 1.2.4 Hartz IV
- 1.3 Der aktivierende Staat
- 1.3.1 Zielgruppe der der Aktivierungspolitik
- 2. Arbeitslosigkeit
- 2.1 Begriffsbestimmungen und aktuelle Arbeitsmarktzahlen
- 2.2 Typisierung und Ursachen von Arbeitslosigkeit
- 2.3 Friktionelle Arbeitslosigkeit
- 2.3.1 Konjunkturelle Arbeitslosigkeit
- 2.3.2 Saisonale Arbeitslosigkeit
- 2.3.3 Strukturelle Arbeitslosigkeit
- 2.4 Folgen und Wechselwirkungen von Arbeitslosigkeit
- 2.4.1 Armut, Stigmatisierung und Ausgrenzung als Folge von Arbeitslosigkeit
- 2.4.2 Psychische Beeinträchtigungen und Arbeitslosigkeit
- 3. Arbeitsmarktrelevante psychische Störungen
- 3.1 Entstehung von psychischen Störungen
- 3.2 Affektive Störungen
- 3.3 Neurotische -, Belastungs- und somatoforme Störungen
- 3.4 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
- 3.5 Psychotische Störungen
- 3.6 Besonderheiten psychischer Störungen
- 4. Grenzen der Aktivierungspraxis
- 4.1 Elemente der Aktivierungslogik und ihre Auswirkungen auf die Betroffenen
- 4.1.1 Fördern und Fordern
- 4.1.2 Leistungshöhe als Arbeitsanreiz
- 5. Soziale Arbeit im aktivierenden Staat
- 5.1 Soziale Arbeit als Dienstleistung
- 5.2 Die sozialpolitische Funktion Sozialer Arbeit im aktivierenden Staat
- 5.3 Soziale Arbeit als Gerechtigkeitsprofession
- Fazit: Soziale Arbeit zwischen Dienstleistungs- und Gerechtigkeitsauftrag
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Auswirkungen der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik auf die Soziale Arbeit. Dabei werden die strukturellen und individuellen Grenzen der Aktivierungspraxis beleuchtet, die sowohl durch den Arbeitsmarkt als auch durch die persönlichen Voraussetzungen der zu aktivierenden Personen gesetzt werden.
- Der Wandel vom Wohlfahrtsstaat zum aktivierenden Staat und die Folgen für Soziale Arbeit
- Die Bedeutung von Arbeitslosigkeit und ihre Ursachen und Folgen für den Einzelnen
- Die Rolle von psychischen Beeinträchtigungen im Kontext von Arbeitslosigkeit und Aktivierung
- Grenzen der Aktivierungspraxis: strukturelle und individuelle Faktoren
- Soziale Arbeit im aktivierenden Staat: Dienstleistungs- und Gerechtigkeitsauftrag
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor: die Auswirkungen der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik auf die Soziale Arbeit. Die Arbeit beschäftigt sich insbesondere mit den strukturellen und individuellen Grenzen der Aktivierungspraxis.
- 1. Vom Wohlfahrtsstaat zum aktivierenden Staat: Dieses Kapitel beschreibt den Wandel vom Wohlfahrtsstaat zum aktivierenden Staat. Es beleuchtet den Einfluss der Hartz-Reformen und die Veränderungen, die sich für die Soziale Arbeit ergeben.
- 2. Arbeitslosigkeit: Dieses Kapitel analysiert die Ursachen und Folgen von Arbeitslosigkeit und thematisiert die unterschiedlichen Arten von Arbeitslosigkeit, wie beispielsweise strukturelle, konjunkturelle und saisonale Arbeitslosigkeit.
- 3. Arbeitsmarktrelevante psychische Störungen: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen Arbeitslosigkeit und psychischen Störungen. Es beleuchtet die Entstehung von psychischen Störungen und die spezifischen Herausforderungen im Kontext von Arbeitslosigkeit.
- 4. Grenzen der Aktivierungspraxis: Dieses Kapitel untersucht die Grenzen der Aktivierungspraxis, die sowohl durch die Struktur des Arbeitsmarktes als auch durch individuelle Faktoren gesetzt werden.
- 5. Soziale Arbeit im aktivierenden Staat: Dieses Kapitel beleuchtet die Rolle der Sozialen Arbeit im aktivierenden Staat. Es thematisiert die Spannungen zwischen Dienstleistungs- und Gerechtigkeitsauftrag, die sich in der aktuellen Situation stellen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen der Sozialen Arbeit, der Arbeitsmarktpolitik und der psychischen Gesundheit. Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Aktivierung, Wohlfahrtsstaat, Arbeitslosigkeit, psychische Störungen, Hartz-Reformen, Soziale Arbeit, Dienstleistung, Gerechtigkeit.
- Arbeit zitieren
- Kirsten Bullerdieck (Autor:in), 2016, Soziale Arbeit als Dienstleistung am Arbeitsmarkt? Strukturelle und individuelle Grenzen der Aktivierungspraxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337525