Digitale Gesundheit. eHealth in der betrieblichen Gesundheitsförderung


Masterarbeit, 2016

130 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Problemstellung

2 Zielsetzung
2.1 Zukunftsbild
2.1.1 Inhalt
2.1.2 Qualität des Zukunftsbildes
2.2 Handlungsempfehlungen

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
3.1 Gesundheit, Arbeit und BGF
3.1.1 Gesundheit
3.1.1.1 Begriffsdefinitionen
3.1.1.2 Modelle
3.1.1.2.1 Biomedizinisches Modell
3.1.1.2.2 Risikofaktorenmodell
3.1.1.2.3 Biopsychosoziales Modell
3.1.1.2.4 Modell der Salutogenese
3.1.1.3 Schlussfolgerungen
3.1.2 Arbeit und Gesundheit
3.1.3 BGF
3.1.3.1 Geschichtliche Entwicklung
3.1.3.2 BGF heute
3.1.3.3 BGM und Arbeitsschutz – Abgrenzung zur BGF
3.2 Digitale Gesundheit
3.2.1 Begriffsdefinition
3.2.1.1 Digital/Digitalisierung
3.2.1.2 eHealth
3.2.1.3 mHealth
3.2.1.4 Telemedizin
3.2.2 Chancen und Herausforderungen
3.2.3 Digitale Gesundheit in der BGF: heutiger Stand
3.3 Delphi-Methode
3.3.1 Definition
3.3.2 Geschichtliche Entwicklung
3.3.3 Methodik des klassischen Ansatzes
3.3.4 Abbruchkriterium
3.3.5 Evaluation
3.3.5.1 Kritik
3.3.5.2 Gütekriterien
3.3.5.2.1 Reliabilität
3.3.5.2.2 Validität

4 Methodik
4.1 Forschungsfragen
4.2 Untersuchungsdesign
4.2.1 Untersuchungsmethode
4.2.1.1 Anonymität
4.2.2 Stichprobe
4.2.2.1 Zusammensetzung (Einschlusskriterien)
4.2.2.2 Umfang
4.2.2.3 Rekrutierung
4.2.2.4 Reduktion der Panelmortalität
4.2.3 Messinstrument
4.2.3.1 Fragebogenzustellung
4.2.4 Untersuchungsablauf
4.2.4.1 Zahl der Befragungsrunden
4.2.4.2 Zeitlicher Ablauf
4.2.4.3 Zielsetzungen der einzelnen Befragungsrunden
4.2.5 Operationalisierung der Fragestellungen: Fragebogen- und Itemkonstruktion
4.2.5.1 Kodierung
4.2.5.2 Erste Runde: Qualitative Befragung
4.2.5.2.1 Begriffsdefinitionen
4.2.5.2.2 (A1) Erarbeitung von Entwicklungsmöglichkeiten
4.2.5.2.3 (A2) Gewinnung von Handlungsempfehlungen
4.2.5.2.4 (A3-A8) Fragen zur Person
4.2.5.3 Zweite und dritte Befragungsrunde: Quantitative Bewertung
4.2.5.3.1 (B1) Wichtigkeit der einzelnen Entwicklungsmöglichkeiten der digitalen Gesundheit für die BGF in den kommenden fünf Jahren
4.2.5.3.2 (B2) Eintrittswahrscheinlichkeit des Zukunftsbildes
4.2.5.3.3 (B3) Wichtigkeit der Handlungsempfehlungen
4.2.5.3.4 Kontrollitems
4.2.6 Pretests
4.2.6.1 Ergebnisse Pretest der ersten Befragungsrunde
4.2.6.2 Ergebnisse Pretest der zweiten und dritten Befragungsrunde
4.3 Datenaufbereitung und –auswertung
4.3.1 Deskriptiv-statistische Auswertung der ersten Befragungsrunde
4.3.1.1 (A1) Erarbeitung von Entwicklungsmöglichkeiten
4.3.1.2 (A2) Gewinnung von Handlungsempfehlungen
4.3.1.3 (A3-A8) Fragen zur Person
4.3.2 Deskriptiv-statistische Auswertung der zweiten und dritten Befragungsrunde
4.3.2.1 (B1) Wichtigkeit der einzelnen Entwicklungsmöglichkeiten der digitalen Gesundheit für die BGF in den kommenden fünf Jahren
4.3.2.2 (B2) Eintrittswahrscheinlichkeit des Zukunftsbildes
4.3.2.3 (B3) Wichtigkeit der Handlungsempfehlungen
4.3.3 Feedback an die Experten
4.3.3.1 Kontrollitems

5 Ergebnisse
5.1 Erste Befragungsrunde
5.1.1 Stichprobenzusammensetzung
5.1.1.1 Umfang
5.1.1.2 (A3) Nennung des Namens
5.1.1.3 (A4) Geschlecht
5.1.1.4 (A5) Alter
5.1.1.5 (A6) Beruf
5.1.1.6 (A7) Berufserfahrung
5.1.1.7 (A8) Geografisches Tätigkeitsgebiet
5.1.2 (A1) Erarbeitung von Entwicklungsmöglichkeiten
5.1.3 (A2) Gewinnung von Handlungsempfehlungen
5.2 Zweite und dritte Befragungsrunde
5.2.1 (B1) Bewertung Entwicklungsmöglichkeiten
5.2.2 (B2) Eintrittswahrscheinlichkeit Zukunftsbild
5.2.3 (B3) Bewertung Wichtigkeit der Handlungsempfehlungen
5.2.4 Kontrollitems
5.2.5 Panelmortalität über alle drei Runden
5.3 Beantwortung der Forschungsfragen
5.3.1 Zukunftsbild
5.3.2 Handlungsempfehlungen

6 Diskussion
6.1 Bewertung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse
6.1.1 Stichprobenumfang und –zusammensetzung
6.1.2 Panelmortalität
6.1.3 Erste Befragungsrunde
6.1.3.1 (A1) Erarbeitung von Entwicklungsmöglichkeiten
6.1.3.2 (A2) Gewinnung von Handlungsempfehlungen
6.1.4 Zweite und dritte Befragungsrunde: Endergebnisse
6.1.4.1 (B1) Bewertung Entwicklungsmöglichkeiten
6.1.4.2 (B2) Eintrittswahrscheinlichkeit Zukunftsbild
6.1.4.3 (B3) Bewertung Wichtigkeit der Handlungsempfehlungen
6.1.4.4 Kontrollitems
6.1.5 Beantwortung der Forschungsfragen
6.1.5.1 Zukunftsbild
6.1.5.2 Handlungsempfehlungen
6.2 Kritische Reflexion der Arbeit
6.2.1 Erarbeitung des gegenwärtigen Kenntnisstands
6.2.2 Untersuchungsmethodik
6.3 Ausblick

7 Zusammenfassung

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungs-, Tabellen-, Abkürzungsverzeichnis
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis

Anhang
Anhang 1: Erstmaliges Anschreiben an die Experten
Anhang 2: Anschreiben Nachfassaktion
Anhang 3: Anschreiben erste Befragungsrunde
Anhang 4: Anschreiben zweite Befragungsrunde
Anhang 5: Anschreiben dritte Befragungsrunde
Anhang 6: Fragebogen erste Befragungsrunde
Anhang 7: Fragebogen zweite/dritte Befragungsrunde

Vorwort

An dieser Stelle bietet sich die Möglichkeit, verschiedensten Personen meinen Dank auszusprechen. So möchte ich mich bei Prof. Dr. Oliver Schumann bedanken, welcher vor allem in der Anfangsphase geholfen hat, diese Arbeit in die richtigen Bahnen zu lenken und mir auch im weiteren Verlauf des gesamten Bearbeitungszeitraumes schnell und unkompliziert Hand geboten hat, wenn es notwendig war.

Ein weiterer Dank geht an die Untersuchungsteilnehmer, welche in einem Zeitraum von zwei Monaten dreimal ihreZeit aufgewendet haben, umdie Fragebögen auszufüllen.

Auch „Danke“ sagen möchte ich Samuel Meyer für das Korrekturlesen, denn nach sechs Monaten intensiver Arbeit sieht man den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.

Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich aber meiner Freundin Daniela, ohne welche, so floskelhaft es tönt, die Vollendung dieses Werkes nicht möglich gewesen wäre. Sie hat mich bestmöglich unterstützt und mir Vieles abgenommen, damit ich an den Abenden nach der Arbeit sowie an den Wochenenden Zeit für die Bearbeitung dieser Thesis hatte. Danke!

Hierbei möchte ich auch auf einige wenige formale Aspekte dieser Arbeit eingehen: Zahlen einschließlich 10 werden als Wörter dargestellt, jene grösser als 10 als Ziffern, wobei es sich mit den Ordnungszahlen gleich verhält.

Abkürzungen werden beim erstmaligen Gebrauch im Text ausgeschrieben und sind im Abkürzungsverzeichnis zusammengefasst zu finden.

Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit und Lesbarkeit wird ausschließlich die männliche Form verwendet und somit auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Selbstverständlich gelten die Ausführungen aber im Sinne der Gleichbehandlung jeweils für beide Geschlechter.

1 Einleitung und Problemstellung

Das Streben nach Gesundheit hat sich in den vergangenen Jahren zu einem richtigen Lifestyle entwickelt. „Gesund sein“, vor allem in Verbindung mit körperlicher und psychischer Leistungsfähigkeit, ist zum Statussymbol geworden. Egal, ob im beruflichen oder privaten Umfeld: Wer erfolgreich sein möchte, muss gesund und fit sein und vor allem auch so wirken.Der immer weiter steigende Stellenwert der Gesundheit zeigt sichauch in der Fitnessbranche, denn Fitnessstudios boomen. Die Zahl der Mitglieder in Deutschland erhöht sich immer weiter und ein Ende ist nicht in Sicht (Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen, 2016). Noch nie war die persönliche Gesundheitso wichtig wie heute, denn: „Die Welt war nie gesünder als heute. Immer mehr Menschen erleben immer mehr Lebenszeit in immer besserer Gesundheit“ (Zukunftsinstitut.de, 2016).

Leo Nefiodow, führender Konjunkturforscher, sieht die Gesundheit sogar als Paradigma des sechsten Kondratieff-Zyklus, an dessen Beginn die Gesellschaft aktuell steht, und definiert die Gesundheit als zentralen Antreiber der Konjunktur der nächsten 50 Jahre.Dies begründet er unter anderem mit der hohen Arbeitsplatzsteigerung im Gesundheitswesen in den letzten Jahren sowie der Tatsache, dass immer mehr Geld für die eigene Gesundheit ausgegeben wird(2006, S. 1-3).

Der vorherige, fünfte Kondratieff-Zyklus, welcher sich auf das Paradigma der Informationstechnologie bezog,begann circa 1970 mit der Erfindung des Personal Computers (PC) und nahm mit dem Aufkommen des Internets, dessen Entwicklung so rasant war wie kaum eine Innovation zuvor, nochmals richtig Fahrt auf. „Die weltweite Vernetzung brachte der Informationstechnologie einen gewaltigen Schub. Neue Geschäftsfelder entstanden, Informationsaustausch und Kommunikation erreichten neue Maßstäbe – nicht zuletzt durch die ständige Miniaturierung (Beispiel: Handys)“(Mohaupt, 2013).

Nun kommt es zu einer „Vereinigung“ dieser beiden Entwicklungen: Dasdigitale Zeitalter hat auchunsere Gesundheit erreicht und Begriffe wie eHealth, mHealth, Telemedizinoder digitale Gesundheit geschaffen. Für diese existieren mehrheitlich keine einheitlichen Definitionen, sie werdenteilweise auch synonymisch verwendet und stehenfür die Verbindung digitaler Technologien mit der Gesundheit. Ihren Anfang nahm diese Entwicklung in Deutschland vor rund 20 Jahren, als der bis dahin in Papierform verwendete Krankenschein durch die erste EDV-gestützte Krankenversicherungskarte abgelöst und für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen für den Bezug medizinischer Leistungen vorausgesetzt wurde (Beske, 2016, S. 88). Heute begegnet uns die Thematik der digitalen Gesundheit am stärksten im Bereich der digitalen Selbstvermessung, welche sich zu einem regelrechten Trend entwickelt hat. Ob mittels Gesundheitsapps auf dem Smartphone oder durch sogenannte Wearables (engl. "tragbar, zum Anziehen“.Fitnessgadgets in Form von Armbändern und Uhren, hkk Krankenkasse, 2015, S. 11): Heutzutage ist es jeder Person zu jederzeit möglich, verschiedenste Körperfunktionen zu messen und so immer über die eigenen Vitalparameter Bescheid zu wissen(Heinze & Hilbert, 2016, S. 324).

Dabei ist die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen im Bereich der digitalen Gesundheit äußerst hoch. Dies auch deshalb, weil große Internetunternehmen wie Google mit Projekten in den medizinischen Bereich eingestiegen sind. So arbeiten Tochterfirmen beispielsweise an Kontaktlinsen, welche den Blutzuckerspiegel messen oder an Autos, welche alleine durch Gesten gesteuert werden können(hkk Krankenkasse, S. 12). Was heute noch Science Fiction ist, kann deshalb bereits morgen Realität sein.

Doch nicht nur im privaten Bereich, sondern gerade auch für die betriebliche Gesundheitsförderung (im folgenden BGF genannt), welche zum Ziel hat, die Gesundheit der Menschen am Arbeitsplatz durch verschiedenste Maßnahmen zu verbessern, bietet diese Entwicklung ein großes Potential. Dienen die Innovationen der digitalen Gesundheit der Privatperson hauptsächlich dem persönlichen Interesse, so können sie im Bereich der BGF möglicherweise zukünftig zum Erfolgsfaktor werden. So nennt zum Beispiel die loyalty manufaktur eG Self-Tracking über Apps und Wearables einen klar erkennbaren nächsten Entwicklungstrend, welcher die BGFweiter verändern wird (2015). Vor allem für externe BGF-Dienstleister ist es deshalb wichtig, sich mit dieser Thematik zu befassen, die jetzige Entwicklung möglichst gut zu antizipieren und diese Informationen für sich selbst zu nutzen, um sich zukünftig von Mitbewerbern abzuheben und so im Markt erfolgreich zu sein. Gelingt es den BGF-Dienstleistern, die Möglichkeiten der digitalen Gesundheit in ihr Angebot zu integrieren, so wird die BGF flexibler, mobiler und zeitgemäßer und für die Unternehmen weniger aufwendig (Teuber, 2014), womit ein Wettbewerbsvorteil geschaffen wird.

Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Thematik der digitalen Gesundheit in der BGF um eine relativ junge Entwicklung handelt,sind bei einer Literaturrecherche wenige Informationen zu finden, Forschungsstand und die Zahl der Studien zum Themasind gering. So bleiben viele Fragen offen: In welcher Art wird beispielsweise die digitale Gesundheit zukünftigEinfluss auf die BGF haben und wie groß wird dieser Einfluss sein? Welche konkreten Innovationender digitalen Gesundheit sollen in die BGF mit einbezogen werden, damit diese in Zukunft noch erfolgreicher gestaltet werden kann? Und was muss ein BGF-Dienstleister heute unternehmen, um auf diese zukünftigen Entwicklungen optimal vorbereitet zu sein und sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Mitbewerbern verschaffen zu können? Diese Fragen sollen in der folgenden Arbeit beantwortet werden.

2 Zielsetzung

Nach einer Erarbeitung des gegenwärtigen Kenntnisstandessoll diese Arbeitzum einen aufzeigen, wie die digitale Gesundheit in Zukunft die BGF beeinflussen könnte. Mithilfe der Definition des Einflussessoll eine Prognose in Form eines möglichst konkreten Zukunftsbildes formuliert werden. Außerdem soll neben der Formulierung des Zukunftsbildes auch dessen Qualität bestimmt werden.

Zum anderen werden konkrete Handlungsempfehlungen für BGF-Dienstleister erarbeitet und nach Wichtigkeit rangiert.

2.1 Zukunftsbild

2.1.1 Inhalt

Ein „Zukunftsbild“ soll im Rahmen dieser Arbeit als eine Prognose über das wahrscheinlichste Szenariobezüglich eines Sachverhaltes oder einer Thematik zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunktverstanden werden. Das Zukunftsbild des zukünftigen Einflusses der digitalen Gesundheit in der BGF soll sich aus folgenden Elementen zusammensetzen:

- Bezieht sich auf die nächsten fünf Jahre (2016-2021)
- Inhalt:
- Entwicklungsmöglichkeiten der digitalen Gesundheit in der BGF
- Grad der Wahrscheinlichkeit des hohen Einflusses auf die BGF fürjede Entwicklungsmöglichkeit

Entwicklungsmöglichkeiten sollen dabei als Potenziale der digitalen Gesundheit verstanden werden, welche zu einer Weiterentwicklung der BGF führen können.

2.1.2 Qualität des Zukunftsbildes

Aus der Sichtweise der Wissenschaft betrachtet, sind solche Prognosen, wie sie die Erarbeitung eines Zukunftsbildes darstellt, Aussagen über das zukünftige Eintreten von Ereignissen. Diese sindimmer mit Unsicherheiten und Fehlerrisiken behaftet und stellen deshalb eine Wahrscheinlichkeitsaussage dar (Ducki, 2014, S. 1).Aus diesem Grund soll die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten desZukunftsbildesdefiniert werden, um die Qualität der Prognose operationalisierbar zu machen.

2.2 Handlungsempfehlungen

Nebst der Erarbeitung des Zukunftsbildes sollen zum anderen Handlungsempfehlungen für BGF-Dienstleister definiert werden. Diese sollen ihnen eine bestmögliche Bewältigung der zukünftigen Entwicklungen ermöglichen und sie befähigen, die digitale Gesundheit optimal in ihre Arbeit mit einzubinden, um sich so einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand

Zur Erarbeitung des gegenwärtigen Kenntnisstandes soll in einem ersten Schritt der Begriff der Gesundheit definiert sowie dieser mit der beruflichen Tätigkeit und der BGF in Verbindung gebracht werden. Darauf aufbauend erfolgt eine Erörterung der „digitalen Gesundheit“ sowie der Delphi-Methode, welche in dieser Arbeit als Prognoseinstrument Anwendung findet.

3.1 Gesundheit, Arbeit und BGF

Damit der Begriff der BGF genauer erläutert werden kann, gilt es vorgängig, die Gesundheit an sich zu definieren sowie die Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit aufzuzeigen. Schließlich muss die BGF vom betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) und dem Arbeitsschutz abgegrenzt werden.

3.1.1 Gesundheit

Versucht man, Gesundheitsowie das (vermeintliche) AntonymKrankheit zu definieren, ist vorgängig festzuhalten, dass eine einheitliche Definition der beiden Begriffe nicht existiert. Denn zum einen liegen für die jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen unterschiedliche Definitionen vor, zum anderen sind solche auch davon abhängig, von welcher Gesellschaft und ihrer entsprechenden Kultur sie definiert werden. Letzteres führt dazu, dass die Definitionen somit einem ständigen Konstruktionsprozess unterliegen(Beivers, 2014, S. 14). Letztendlich sind dieseBegriffsbedeutungen auch von der Betrachtungsebene abhängig.Diese kann beispielsweise „persönlich/individuell, gesellschaftlich/sozial, praktisch/theoretisch/funktional, medizinisch/psycho-logisch/wissenschaftlich, betrieblich/wirtschaftlich …“ (Hähner-Rombach, 2014, S. 221) sein.

Aus den dargestellten Gründen werden nachfolgend verschiedenste Begriffsdefinition und Modelle vorgestellt, um einen umfassenden Überblick darüber zu ermöglichen, was „gesund sein“ und „krank sein“ bedeuten kann.

3.1.1.1 Begriffsdefinitionen

Die Philosophie bezeichnet die Gesundheit häufig als „das höchste Gut“, auch wenn der Mensch nicht selten leichtfertig damit umgeht(Eisenmann, 2009, S. 189). Viele Vertreter bemühten sich um eine Definition. So wird Friedrich Nietzscheder Ausdruck „Gesundheit ist die überwundene Krankheit“ zugeschrieben (Danzer, 2011, S. 471).

Immanuel Kant hingegen stellte die Schwierigkeit einer präzisen Definition fest: „Mit der Gesundheit … ist es misslich bewandt. Man kann sich gesund fühlen (aus dem behaglichen Gefühl seines Lebens urteilen), nie aber wissen, dass man gesund sei“ (1984, S. 26).

Der amerikanische Soziologe Talcott Parsons bettet seine Definition in das gesellschaftliche Gefüge ein: „Health may be defined as the state of optimum capacity of an individual for the effective performance of the roles and the tasks for which he has been socialized”(Parsons, 1970, S. 274). (Freie deutsche Übersetzung: „Gesundheit ist ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben, für die es sozialisiert worden ist.“)

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schließlich definiert den Begriff Gesundheit wie folgt:„Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“ (WHO, 1946, S. 1).

„Gesundheit“ ist somit ein sehr komplexer Begriff, welcher nur schwer mit einigen Wörtern zu beschreiben ist. Weiter ist es offensichtlich, dass sich die Begriffsdefinitionen, auch aufgrund anderer Beobachtungsstandpunkte, stark voneinander unterscheiden oder sogar gegenteilig zu verstehen sind. Letzteres trifft bei den Definitionen von Nietzsche und der WHO zu. Trotzdem kann zusammenfassend festgehalten werden:

Gesundheit beinhaltet demnach einen dynamischen oder Balancezustand, d.h. einen Zustand objektiven und subjektiven Befindens einer Person, der dann gegeben ist, wenn die Person sich in Einklang mit körperlichen, seelischen, sozialen Bereichen ihrer Entwicklung, den eigenen Möglichkeiten, Zielen und den äußeren Lebensbedingungen befindet. Dieser Balancezustand muß zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt erneut wiederhergestellt werden und ist von persönlichen sowie von Umweltfaktoren abhängig. Es läßt sich also sagen, daß die sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Lebensbedingungen den Entwicklungsrahmen für die Gesundheit geben. Gesundheit hat somit Prozeßcharakter und ist hiernach das Ergebnis der Auseinandersetzung mit Belastungen und Anforderungen auf psychosozialer und physischer Ebene.(Frank, 2007, S. 20-21)

3.1.1.2 Modelle

Aufgrund der Komplexität des Gesundheitsbegriffes entstanden in der Vergangenheit nebst den Begriffsdefinitionen verschiedenste Gesundheitsmodelle. Diese sind theoretische Konstrukte, welche die Entstehung und Bedingungen von Gesundheit ergründen (Faltermaier & Schulz, 2016) und im Vergleich zu den reinen Definitionen eine noch präzisere Beschreibung des Begriffes ermöglichen. Nachfolgend werden deshalb das biomedizinische Modell, das Risikofaktorenmodell, das biopsychosoziale Modell sowie das Modell der Salutogenese erläutert werden.

3.1.1.2.1 Biomedizinisches Modell

Das biomedizinische Modell entstand Ende des 19. Jahrhunderts und versteht Gesundheit und Krankheit als zwei vollständig naturwissenschaftlich objektivierbare Zustände biologischer Organismen. Vereinfacht gesagt werden diese dabei als Maschinen angesehen, welche nach gewissen Gesetzmäßigkeiten funktionieren. Krankheiten sind somit Störungen, welche operativ oder mittels Medikamenten behoben werden müssen (Schäfer, Döll, Höffler& Mittag, 2000, S. 4). Ob ein Organismus krank ist, kann somit alleinig anhand operationalisierbarer und empirischer Kriterien festgestellt werden (Knoll, Scholz& Rieckmann, 2013, S. 18), wobei dieser entweder krank oder gesund ist. Werden beispielsweise Erreger im Blut des Patienten gefunden, müssen diese bekämpft werden, damit er wieder gesund wird.Die Behandlung der Krankheit konzentriert sich dabei nur auf die Behebung der krankheitsauslösenden Symptome, nicht aber auf deren Ursache. Ist dieser unnatürliche Zustand der Krankheit behoben, gilt der Patient als gesund (Bruns, 2013, S. 22-23). Nachfolgend sind die wesentlichen Merkmale des Modells aufgeführt:

- Krankheit ist Abweichung vom natürlichen Zustand des Organismus.
- Krankheit steht nicht in Kontinuität mit Gesundheit.
- Jede Krankheit hat eine spezifische Ätiologie und nimmt einen bestimmten Verlauf.
- Klassifizierung von Krankheit erfolgt ohne Einbeziehung des sozialen Kontexts.
- Krankheitsbehandlung ist eine medizinische Aufgabe.
- Die beobachtbaren Verhaltensweisen sind Symptome für ihnen zu Grund liegende Prozesse.
- Heilung ist nur bei kausaler Behandlung, d.h. bei Behandlung der zu Grunde liegenden Ursachen möglich.
- Bei symptomatischer Behandlung erscheint die ursächliche Krankheit später in anderen Symptomen (Symptomverschiebung).
- Normales, gesundes Verhalten unterliegt anderen Gesetzen als abnormes, krankes Verhalten.
- Kranke sind für ihre Krankheit verantwortlich.
- Kranke befinden sich in der sozialen Rolle von Patientinnen und Patienten (Franke, 2008, S. 122-123).

3.1.1.2.2 Risikofaktorenmodell

Vor allem bei chronischen Erkrankungen zeigt sich, dass diese nicht von einem einzigen krankheitsverursachenden Faktor abhängig sind, wie dies das biomedizinische Modell erklärt. Vielmehr sind es eine Mehrzahl krankheitsbegünstigender Faktoren, welche zur Erkrankung führen(Schäfer, Döll, Höffler& Mittag, 2000, S. 5). Diese sogenannten Risikofaktoren sind somit Faktoren, welche das Auftreten von Krankheiten begünstigen und können genetischer Natur sein oder vom Lebensstil herrühren. Sie können somit in „nicht beeinflussbare“ Risikofaktoren wie Alter und familiäre Disposition und „beeinflussbare“ Faktoren wie Fehlernährung, Rauchen, Stress und Übergewicht unterteilt werden (Universität des Saarlandes, 2016) und werden dabei, ähnlich dem biomedizinischen Modell, als einzelne Variablen angesehen, welche wie Krankheitserreger die Gesundheit bedrohen. So konnte beispielsweise festgestellt werden, das Bluthochdruck und Rauchen Risikofaktoren eines Herzinfarktes darstellen (Mathes, 2012, S. 27-31) und somit das Risiko erhöhen, einen solchen zu erleiden. Eine Einbindung in den Lebenszusammenhang wird aber auch beim Risikofaktorenmodell, genauso wie beim biomedizinischen Modell, nicht vorgenommen (Schäfer et al., 2000, S. 5).

3.1.1.2.3 Biopsychosoziales Modell

Im 20. Jahrhundert wurde die Denkweise des biomedizinischen Modells von der Ansicht des biopsychosozialen Modells abgelöst, welches Gesundheit und Krankheit nicht als dichotome Entitäten, sondern als Endpunkte eines Kontinuums beschreibt und Krankheiten durch ein Wechselspiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren verursacht werden (Knoll, Scholz& Rieckmann, 2013, S. 19).Gesundheit wird somit nicht als ein fester Zustand definiert, sondern als eine „fortlaufend herzustellende, multimodale Funktionstüchtigkeit“ (Egger, 2015, S. 247). Ein Organismus kann somit nicht einfach als krank oder gesund bezeichnet werden, sondern sein Zustand liegt immer irgendwo dazwischen. Weiter werden nicht nur jene Faktoren in das Modell mit eingebunden, welche das Risiko einer Erkrankung erhöhen (Risikofaktoren), sondern auch solche, welche dieses senken (Schutzfaktoren), die Gesundheit somit erhalten und fördern(Schäfer et al., 2000, S. 6), so zum Beispiel die psychologischen Schutzfaktoren Selbstachtsamkeit und Gesundheitsbewusstsein (Egger, S. 253).

3.1.1.2.4 Modell der Salutogenese

Die auch Ressourcen genannten Schutzfaktoren, welche im biopsychosozialen Modell Eingang finden, nehmen im Salutogenesemodell des amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky von1979 einen hohen Stellenwert ein. Dieser stellte bei Untersuchungen an weiblichen Überlebenden der Konzentrationslager des zweiten Weltkrieges fest, dass sich eine ungewöhnlich hohe Zahl der Befragten trotz der unvorstellbaren Qualen des Erlebten in einem guten psychischen wie physischen Zustand befand. Dies führte ihn zur Frage, weshalb diese Frauen trotz ihrer Vergangenheit „gesund“ waren. Auf Basis der Pathogenese, welche die Entstehung von Krankheiten beschreibt, definierte er ein salutogenetisches Paradigma, welches sich mit der Fragestellung nach den „einen Menschen gesundmachenden“ Faktoren auseinandersetzt. Wie im biopsychosozialen Modell, aber differenzierter, beschrieb Antonovsky außerdem Gesundheit nicht als festen Zustand, sondern als ein sich stetig verändernder Punkt auf dem Gesundheits-/Krankheitskontinuum (Schäfer et al, 2000, S. 8), was auch in Abbildung 1 dargestellt wird. Auch wenn ein Mensch an einer chronischen Krankheit leidet, so kann er sich doch gesund fühlen, weil genügend Schutzfaktoren vorhanden sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Das Gesundheits-/Krankheitskontinuum (Schäfer, Döll, Höffler& Mittag2000, S. 8)

Im Gegensatz zur traditionellen Medizin legteAntonovsky den Fokus dabei nicht auf die pathologische Frage nach der Entstehung einer Krankheit, sondern darauf, wie die Gesundheit gefördert und erhalten werden kann. Dabei nimmt der Begriff des Kohärenzgefühls oder Kohärenzsinns eine entscheidende Rolle ein:

Das Kohärenzgefühl ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass 1. die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind; 2. einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen; 3. diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen.(Antonovsky & Franke, 1997, S. 36)

Die ganze Zeit wirken Stressoren, welche Antonovsky als Anforderungen an den Organismus definiert, die das Gesundheits-/Krankheitsgleichgewicht negativ oder positiv beeinflussen und ihn gesund oder krank machen können, auf den Menschen ein. Die Wirkung dieser Stressoren ist davon abhängig, wie gut der Mensch diese Spannung bewältigen und das Gleichgewicht wieder herstellen kann. Dies bezeichnet Antonovsky als Coping (Hartung, 2011, S. 237-238). Hat ein Mensch ein gutes Kohärenzgefühl, werden Widerstandsressourcen/-quellen von ihm besser genützt (Egger, 2015, S. 289). Diese dienen der Erhöhung der Widerstandsfähigkeit. Das Modell nach Antonovsky ist nachfolgend in vereinfachter Form in Abbildung 2dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Das Modell von Antonovsky(vereinfachte Darstellung, Schach, 2011, S. 165, nach Antonovsky, 1979)

3.1.1.3 Schlussfolgerungen

Die Vielzahl an unterschiedlichsten Definitionen und Modellen erschwert die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Wissenschaftsbereichen. Hurrelmann hat deshalb in seinem integrativen Konzept acht übergeordnete, allgemeingültige Maxime für eine Definition der Gesundheit erarbeitet:

1. Gesundheit und Krankheit ergeben sich aus einem Wechselspiel von sozialen und personalen Bedingungen, welches das Gesundheitsverhalten prägt.
2. Die sozialen Bedingungen (Gesundheitsverhältnisse) bilden den Möglichkeitsraum für die Entfaltung der personalen Bedingungen für Gesundheit und Krankheit.
3. Gesundheit ist das Stadium des Gleichgewichts, Krankheit das Stadium des Ungleichgewichts von Risiko- und Schutzfaktoren auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene.
4. Gesundheit und Krankheit als jeweilige Endpunkte von Gleichgewichts- und Ungleichgewichtsstadien haben eine körperliche, psychische und soziale Dimension.
5. Gesundheit ist das Ergebnis einer gelungenen, Krankheit einer nicht gelungenen Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen.
6. Persönliche Voraussetzung für Gesundheit ist eine körperbewusste, psychisch sensible und umweltorientierte Lebensführung.
7. Die Bestimmung der Ausprägungen und Stadien von Gesundheit und Krankheit unterliegen der subjektiven Bewertung.
8. Fremd- und Selbsteinschätzung von Gesundheits- und Krankheitsstadien können sich auf allen drei Dimensionen – der körperlichen, der psychischen und der sozialen – voneinander unterscheiden. (2006, S. 139-145)

3.1.2 Arbeit und Gesundheit

Im Jahr 2015 waren in Deutschland 43‘032‘000 Personen erwerbstätig, was einem Anteil von 53.1% entspricht. Wie in Abbildung 3 ersichtlich, waren davon1.5% im primären Sektor (Land-, Forstwirtschaft und Fischerei), 24.4% im sekundären Sektor (produzierendes Gewerbe) und 74.1% im Dienstleistungssektor und in den übrigen Wirtschaftsbereichen (tertiärer Sektor) angestellt. Dabei ist in der historischen Entwicklung klar zu erkennen, dass in den vergangenen 60 Jahren der Anteil der Beschäftigten in den ersten beiden Sektoren mehr und mehr abnimmt, während dem er im tertiären Sektor immer weiter steigt (Statistisches Bundesamt, 2016). Handwerkliche Berufe treten somit immer mehr in den Hintergrund, währenddem dienstleistungsorientierte Tätigkeiten, häufig verbunden mit Büroarbeit, weiter an Bedeutung zunehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Erwerbstätige in Deutschland nach Wirtschaftssektoren (2015) (eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt, 2016)

Arbeit hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit (WHO, 1986, S. 3). Um eine Verbindung zwischen der Erwerbstätigkeit und der Gesundheit herstellen zu können, bietet sich die Betrachtung des Krankenstandes an. Dieser gibt den prozentualen Anteil jener Erwerbstätigen an, welche ihrer Tätigkeit aufgrund von Krankheit oder eines Unfalls nicht nachgehen können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Entwicklung des Krankenstandes und der Arbeitsunfähigkeitstage (eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt, 2016)

Abbildung 4 zeigt die Tatsache auf, dass sowohl der prozentuale Krankenstand als auch die Arbeitsunfähigkeitstage je Arbeitnehmer in den vergangenen 20 Jahren bis um kurz nach der Jahrtausendwende sanken und nun in den vergangenen fünf bis zehn Jahren aber wieder leicht ansteigen. Gründe für die Senkung könnten eine allgemein bessere Gesundheit der Beschäftigten sowie der Rückgang von gesundheitsbeeinträchtigenden Arbeiten aufgrund der größeren Bedeutung des Dienstleistungssektors sowie die Angst des Verlustes des Arbeitsplatzes sein, welche Arbeitnehmer zur Arbeit erscheinen lässt, obwohl sie eigentlich aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeitsfähig sind(Statistisches Bundesamt, 2016).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Entwicklung der Arbeitsunfälle je 100‘000 Erwerbstätige (eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt, 2016)

Eine Arbeitsunfähigkeit kann aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalles zustande kommen. Die Anzahl letzterer, so ist es auch in Abbildung 5 ersichtlich, nahm in den vergangenen 20 Jahren bis zum Jahr 2009 ab und scheint sich nun zu stabilisieren(Statistisches Bundesamt, 2016). Es liegt die Vermutung nahe, dass sich der Grund des Rückganges im Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft finden lässt, da anzunehmen ist, dass bei dienstleistungsorientierten Tätigkeiten wie im Detailhandel oder bei allgemeinen Bürotätigkeiten die Unfallgefahr geringer ist als beispielsweise im Baugewerbe.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Entwicklung der Anteile der fünf wichtigsten Krankheitsarten an den Arbeitsunfähigkeitstagen in % (eigene Darstellung nach DAK, 2016, S. 20)

Betrachtet man die Entwicklung der Anteile der Krankheitsarten an den Arbeitsunfähigkeitstagen in den vergangenen fünf Jahren von 2010 bis 2015 (DAK, 2016, S. 20), ist in Abbildung 6 zu erkennen, dass Erkrankungen am Muskel-Skelett-System den größten Anteil ausmachen, gefolgt vom Atmungssystem, psychischen Erkrankungen, Verletzungen und dem Verdauungstrakt. Es sticht heraus, dass im Gegensatz zu allen anderen Erkrankungen, deren Anteil gleichbleibend oder leicht sinkend ist, der Anteil der psychischen Erkrankungen ansteigt. Waren diese im Jahr 2010 noch der vierthäufigste Grund einer Krankschreibung, so werden sie in der Tendenz schon bald die zweithäufigste Ursache sein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Durchschnittliche Anzahl von AU-Fällen & -Tagen nach Krankheitsart im Jahr 2014 (eigene Darstellung nach WIdo, 2016, S. 49)

Legt man den Fokus auf die AU-Fälle und AU-Tage je Fall, so ist festzuhalten, dass Erkrankungen der Atemwege die meisten AU-Fälle verursachen, gefolgt von Muskel-Skelett-Erkrankungen und Beschwerden am Verdauungsapparat (siehe Abbildung 7). Pro einzelnen Fall dauern aber die psychischen Erkrankungen mit durchschnittlich 25.2 Tagen Dauer, gefolgt von Beschwerden am Herz-/Kreislaufsystem, klar am längsten (WIdo, 2016, S. 49).

Der Anteil der psychischen Erkrankungen an den Arbeitsunfähigkeitstagen nimmt somit nicht nur zu, gleichzeitig dauert auch die Rehabilitationszeit bis zur Erreichung der Arbeitsfähigkeit im Vergleich zu anderen Erkrankungen sehr lange.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Häufigkeit von Gesundheitsproblemen bei Beschäftigten (eigene Darstellungnach TK, 2013, S. 36)

Fragt man die Beschäftigten, wie in Abbildung 8 ersichtlich, nach der subjektiven Empfindung in Bezug auf ihre Gesundheitsprobleme, so ist festzustellen, dass physische Beschwerden wie Rückenschmerzen und Muskelverspannungen zwar klar überwiegen, bereits aber an zweiter bis vierter Stelle mit Schlafstörungen, Erschöpfung/Ausgebranntsein sowie Nervosität/Gereiztheit drei Beschwerdebilder klar psychischen Ursprungs stehen (TK, 2013, S. 36).

Arbeit ist aber nicht per se gesundheitsschädigend, sondern die Art der Beanspruchung und somit der Auswirkung der Belastung auf den Menschen ist entscheidend (Latocha, 2015, S. 36). Zur genaueren Erläuterung des Zusammenhangs der beruflichen Tätigkeiten und des Risikos eines Erkrankung existiert eine Vielzahl an Modellen, von denen an dieser Stelle das Job-Demand-Control-Modell sowie dasjenige der Gratifikationskrise kurz vorgestellt werden sollen.

Das Job-Demand-Control-Modell von Karasek (1979), dargestellt in Abbildung 9,besteht aus zwei Ebenen: Dem Entscheidungsspielraum sowie den quantitativen Anforderungen. Laut dem Modell führen vor allem solche Tätigkeiten zu hohen Stressbelastungen und Leistungsdruck (hoher Distress), bei welchen der Entscheidungsspielraum gering und die quantitativen Anforderungen hoch sind. Demgegenüber sind Berufe, bei welchen beide Parameter als hoch eingestuft werden, gesundheitsförderlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Das Job-Demand-Control-Modell (Karasek & Theorell, 1990)

Im von Siegrist(1996) entwickelten Modell der Gratifikationskrise werden die Arbeitsleistung und die dafür erhaltene Vergütung in Korrelation gebracht. Dabei wird die Annahme getätigt, dass das Risiko einer Erkrankung steigt, wenn sich die Person nicht angemessen für die erbrachte Leistung entschädigt fühlt. Die Vergütung bezieht sich dabei nicht unbedingt nur auf die finanzielle Ebene. Vielmehr schliesst sie auch Anerkennung und Wertschätzung mit ein.

Die Beziehungen zwischen der Gesundheit und der beruflichen Tätigkeit sind somit sehr vielschichtig. Um so wichtiger ist es, dass sich das ganze Unternehmen, sowohl Vorgesetzte wie Mitarbeiter, dieser Tatsache bewusst ist und dem Erhaltung und der Förderung der Mitarbeitergesundheit im Setting „Betrieb“ mittels der BGFdie notwendige Beachtung geschenkt wird.

3.1.3 BGF

3.1.3.1 Geschichtliche Entwicklung

Als Reaktion auf eine wachsende globale Gesundheitsbewegung fand am 21. November 1986 in Ottawa die erste internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung statt. Die dabei verabschiedete Charta ruft zur „Gesundheit für alle“ bis ins Jahr 2000 und darüber hinaus auf und definiert Gesundheitsförderung wie folgt:

Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zuermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. In diesem Sinne ist die Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit betont wie die körperlichen Fähigkeiten. Die Verantwortung für Gesundheitsförderung liegt deshalb nicht nur bei dem Gesundheitssektor sondern bei allen Politikbereichen und zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden hin.(WHO, 1986, S. 1)

Da die Bedeutung des Arbeitsplatzes als Handlungsfeld für die öffentliche Gesundheit zunahm, wurde 1997 auf der Basis der Ottawa-Chartevon der Europäischen Union (EU) die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderungverabschiedet, wobei der Schwerpunkt auf der Definition des Begriffes und der damit verbundenen Ziele lag(European Network For Workplace Health Promotion [ENWHP], 1997, S. 2). So wird BGF als Unternehmensstrategie definiert, die Folgendes zum Ziel hat:

- Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen
- Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung
- Stärkung persönlicher Kompetenzen
- Vorbeugung von Krankheiten am Arbeitsplatz (einschliesslich arbeitsbedingter Erkrankungen, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und Stress)
- Stärkung von Gesundheitspotentialen
- Verbesserung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz(ENWHP, 1997, S. 2-3)

Dabei müssen folgende Leitlinien erfüllt werden, damit mit der BGF das Ziel von gesunden Mitarbeitern erreicht werden kann:

1. Die gesamte Belegschaft muss einbezogen werden (Partizipation).
2. BGF muss bei allen wichtigen Entscheidungen und in allen Unternehmensbereichen berücksichtigt werden (Integration).
3. Alle Maßnahmen und Programme müssen systematisch durchgeführt werden: Bedarfsanalyse, Prioritätensetzung, Planung, Ausführung, kontinuierliche Kontrolle und Bewertung der Ergebnisse (Projektmanagement).
4. BGF beinhaltet sowohl verhaltens- als auch verhältnisorientierte Maßnahmen. Sie verbindet den Ansatz der Risikoreduktion mit dem des Ausbaus von Schutzfaktoren und Gesundheitspotentialen (Ganzheitlichkeit).(ENWHP), 1997, S. 4)

Da die nationale Gesetzgebung, vor allem jene der EU-Staaten, übergeordneten internationalen Leitlinien unterliegt, wurde die BGF in Deutschland in § 20 SGB V auf Basis der Luxemburger Deklaration definiert(Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, 1988).

3.1.3.2 BGF heute

In einer 2014 durchgeführten Umfrage gaben 34% der befragten Arbeitnehmer an, dass in ihrem Unternehmen eine oder mehrere Maßnahmen zur BGF angeboten werden. Dabei wurden am häufigsten Maßnahmen im Bereich der Arbeitsplatzergonomie sowie der Förderung der körperlichen Aktivität und einer gesunden Ernährung angeboten (Forsa, 2014). Aufgrund des wachsenden gesellschaftlichen Gesundheitsbewusstseins, des demografischen Wandels und der deshalb immer älter werdenden Bevölkerung sowie der durch die Globalisierung weiter steigenden Beanspruch des Arbeitnehmers aufgrund einer immer grösser werdenden Schnelllebigkeit ist davon auszugehen, dass in Zukunft immer mehr Betriebe BGF-Maßnahmen anbieten werden. Denn letzten Endes ist das Ziel jedes Unternehmens der wirtschaftliche Erfolg.Durch die Senkung von krankheitsbedingten Kosten sowie der Produktivitätssteigerung durch eine Erhöhung der individuellen Leistungsfähigkeit können BGF-Maßnahmenhelfen, dieses Ziel zu erreichen. Slesina und Bohley beispielsweise geben einen Return on Investment von 1:3 – 1:4 für BGF-Maßnahmen an (2011, S. 630).

In Abbildung 10 zeigt sich aber, dass das Angebot an BGF-Maßnahmen von den Arbeitnehmern häufig nur teilweise oder sogar gar nicht in Anspruch genommen wird(Barmer GEK, 2012, S. 68).Die Schwierigkeit liegt demnach in der Konzeption der Maßnahmen, welche derart sein muss, dass möglichst ein Großteil oder sogar alle Beschäftigte zur Teilnahme motiviert werden können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Nutzung betrieblicher Gesundheitsförderung durch deutsche Arbeitnehmer 2011(eigene Darstellung nach Barmer GEK, 2012, S. 68)

3.1.3.3 BGM und Arbeitsschutz – Abgrenzung zur BGF

Wenn es um die Thematik der Gesundheit im Betrieb geht, werden verschiedene Begrifflichkeiten wie BGF, BGM sowie Arbeitsschutz, häufig sogar fälschlicherweise synonymisch, verwendet. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle eine Abgrenzung vorgenommen werden.

Die BGF umfasst alle „Maßnahmen des Betriebes unter Beteiligung der Organisationsmitglieder zur Stärkung ihrer Gesundheitskompetenzen sowie Maßnahmen zur Gestaltung gesundheitsförderlicher Bedingungen (Verhalten und Verhältnisse), zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden im Betrieb sowie zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit“(Deutsches Institut für Normung, 2012, S. 7).

Das BGM hingegen geht darüber hinaus: „BGM ist die systematische sowie nachhaltige Schaffung und Gestaltung von gesundheitsförderlichen Strukturen und Prozessen einschließlich der Befähigung der Organisationsmitglieder zu einem eigenverantwortlichen, gesundheitsbewussten Verhalten“(Deutsches Institut für Normung, 2012, S. 7). BGM ist somit wie in Abbildung 11 ersichtlich als Managementansatz zu verstehen, welcher die Integration des Themas Gesundheit in die Unternehmensführung verlangt und sich aus der Arbeitssicherheit/Gesundheitsschutz, der BGF sowie dem integrierten Management zusammensetzt (Oppholzer, 2010, S. 23). BGM ist somit eine Managementaufgabe.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Drei Säulen der betrieblichen Gesundheitspolitik und des betrieblichen Gesundheitsmanagements (Oppholzer, 2010, S. 23)

Im Gegensatz zur BGF und zum BGM, welche auf Freiwilligkeit beruhen, ist der Arbeitsschutz rechtlich im Arbeitsschutzgesetz verankert und vorgeschrieben. Dabei hat dieser zum Ziel, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu verbessern und zu sichern. Dies soll mittels Massnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit sowie von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschliesslich der Massnahmen zur Gestaltung menschengerechter Arbeiten erreicht werden(Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, 1996, S. 1-2).

3.2 Digitale Gesundheit

Bei einer Literaturrecherche finden sich bezüglich der Thematik der digitalen Gesundheit eine Vielzahl an Begrifflichkeiten wie eHealth, mHealth oder Telemedizin, welche zum Teil auch synonymisch verwendet werden. Weiter sind für den Begriff der digitalen Gesundheit unterschiedlichste Definitionen zu finden. So beschreibt beispielsweise Sonnier die digitale Gesundheit als „convergence of the digital and genomic revolutions with health, healthcare, living, and society“(2016).

Aus diesem Grund soll mittels Herleiten der Begriffe „digital“ und „Gesundheit“ sowie der Erläuterung der oben genannten verschiedensten Begrifflichkeiten eine klare Definition des Begriffes „digitale Gesundheit“ erarbeitet werden.

3.2.1 Begriffsdefinition

Anmerkung: Der Begriff „Gesundheit“ wurde bereits vorgängig in dieser Arbeit erläutert (vgl. 3.1.1).

3.2.1.1 Digital/Digitalisierung

Das Wort „digital“ stammt vom Lateinischen „digitus“ – „der Finger“ oder „die Ziffer“ ab, da Erstere jeweils zum Zählen gebraucht wurden. Daraus entstand die abgeleitete Bedeutung „in Ziffern umgesetzt“ (Wissen.de, 2016). Die Digitalisierung beschreibt zum einen diesen Vorgang der „Umsetzung in Zahlen“ in ein binäres Zahlensystem (Zahlen 0 und 1), wobei damit die Transkription von Informationen in Ziffern gemeint ist.Andererseits steht die Digitalisierung für „den Prozess, [sic] der durch die Einführung digitaler Technologien bzw. der darauf aufbauenden Anwendungssysteme hervorgerufenen Veränderungen“ (Gronau, Becker, Kurbel, Sinz, & Suhl, 2013). Aus diesem Grund wird der Begriff „digital“ deshalb häufig auch mit „computergestützt“ beschrieben, so auch in der Medizin(DocCheck Medical Services GmbH, 2016).

3.2.1.2 eHealth

Bislang existiert noch keine einheitliche Definition des Begriffes (Dockweiler & Razum, 2015, S. 5). eHealth beschreibtaber im Wesentlichen die „Anwendungen elektronischer Geräte zur medizinischen Versorgung und Wahrnehmung anderer Aufgaben im Gesundheitswesen“ und beinhaltet unter anderem, wie in Abbildung 12 zu sehen, mHealth und die Telemedizin(Gigerenzer, Schlegel-Matthies, & Wagner, 2016, S. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: Strukturierung von eHealth-Leistungen (Dockweiler & Razum, 2015, S. 6)

Die Schweizerische Gesellschaft für TeleMedizin & eHealth (SGTMeH) beschreibt eHealth wie folgt:

1. “eHealth” bedeutet die Integration der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) ins Gesundheitswesen.
2. eHealth ist keine Technologie per se, sondern ein Anwendungskonzept für den Einsatz von ICT im Gesundheitssystem. Zu den Instrumenten von eHealth gehören beispielsweise das Internet, das elektronische Patientendossier oder die elektronische Gesundheitskarte. Zu den Anwendungsgebieten von eHealth gehören beispielsweise Online-Gesundheitsinformationen, die Telemedizin oder Datenschutz und -Sicherheit.
3. Mit diesen Mitteln dient eHealth sowohl zum Zwecke der Kommunikation (z.B. Daten- und Informationsaustausch zwischen allen beteiligten Anspruchsgruppen) als auch der Organisation (medizinisches und ökonomisches Management, Prozessunterstützung, integrierte Versorgungsnetzwerke, etc.) im Gesundheitswesen.
4. Aus medizinischer Sicht trägt der Einsatz von ICT-Mitteln sowohl zur Erweiterung medizinischer Anwendungsbereiche als auch zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität bei. Aus ökonomischer Sicht bilden diese Mittel die Grundlage zur Durchführung oder Unterstützung von Geschäfts- und Versorgungsprozessen im Kontext des Gesundheitswesens. Aus strategischer Sicht eröffnet eHealth neue Wege für das "Change Management" des Gesundheitswesens, indem es den Einsatz von ICT-Mitteln zum Zwecke der Organisationsentwicklung darstellt.(2016)

3.2.1.3 mHealth

mHealth, wobei das „m“ für „mobile“ steht, sind mobile eHealth-Lösungen und somit medizinische Verfahren sowie Massnahmen der privaten und öffentlichen Gesundheitsvorsorge, welche mittels mobiler Geräte angeboten werden(Gigerenzer, Schlegel-Matthies, & Wagner, 2016, S. 1). Dabei ist ein Einsatz von Mobilfunktechniken oder anderen drahtlose Kommunikationstechnologien wie Wireless Local Area Network (WLAN) möglich (Springer Fachmedien GmbH, 2016).Die WHO definiert mHealth wie folgt: “Mobile health … covers medical and public health practice supported by mobile devices,such as mobile phones, patient monitoring devices, personal digital assistants (PDAs), andother wireless devices“(2011, S. 6).Diese Definition wurde auch von der EU übernommen.

Folgende Ziele werden mit dem Einsatz von mHealth-Lösungen verfolgt:

Einsatzgebiete von mHealth umfassen die Gesundheitsbereiche der Prävention, Diagnostik, Therapie, Nachsorge bis hin zu Wellness. mHealth-Lösungen helfen die Information und Kommunikation im Gesundheitswesen zu verbessern. Darüber hinaus helfen mHealth-Anwendungen bei der Beurteilung von Diagnosen oder dem Einholen von Zweitmeinungen. Ein weiterer Bereich ist die Unterstützung der Therapiemöglichkeiten und das Monitoring von Patienten. Schließlich werden mHealth-Lösungen auch im administrativen Bereich zur Unterstützung des Praxis- oder Klinikmanagements verwendet. Ziel von mHealth ist eine vielfältige Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch die Nutzung von mobilen Technologien, welche insbesondere Chancen für ländliche Regionen bieten. Zusätzlich sollen die Anwendungen dazu beitragen, einen verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Gesundheit zu erreichen und durch die Bereitstellung von Gesundheitsinformationen Gesundheitskompetenz zu erhöhen. Durch innovative Lösungen soll zudem die Qualität im Gesundheitswesen nachhaltig verbessert werden. (Springer Fachmedien GmbH, 2016)

3.2.1.4 Telemedizin

Die Telemedizin ist als Teilbereich der eHealth zu sehen und beschreibt die mithilfe von Informations-und Kommunikationstechnologien mögliche Erbringung von konkreten medizinischen Dienstleistungen über eine räumliche Distanz (Deutsche Gesellschaft für Telemedizin, 2016). Die Beteiligten, beispielsweise Arzt und Patient, befinden sich somit nicht in physischem Kontakt miteinander.

Die WHO definiert den Begriff als Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen durch Gesundheitsberufstätige unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologie zum Austausch gültiger Informationen für Diagnose, Therapie und Prävention von Krankheiten und Verletzungen, für Forschung und Bewertung, sowie für die kontinuierliche Ausbildung von Gesundheitsdienstleistern im Interesse der Förderung der Gesundheit von Individuen und ihren Gemeinwesen, wenn dabei die räumliche Entfernung einen kritischen Faktor darstellt(1997).

Der Begriff der digitalen Gesundheit soll im Rahmen dieser Arbeit somit als computergestützte Gesundheit verstanden werden und die Digitalisierung des gesamten Gesundheitsbereichs (eHealth)mit den beiden Unterkategorien mHealth und Telemedizin miteinschließen.

3.2.2 Chancen und Herausforderungen

Durch die rasant fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitsbereich bieten sich neue Möglichkeiten und Chancen. Gigerenzer, Schlegel-Matthies und Wagner erwähnen dabei insbesondere folgende Punkte:

- Es können Probleme gelöst werden, welche die Patienten bis jetzt beeinträchtigt haben. So kann die Patientensicherheit durch eine vernetzte Bereitstellung der Gesundheitsdaten erhöht werden, sofern der Datenschutz beachtet wird. Weiter kann unnötigen medizinischen Leistungen vorgebeugt werden, indem der Patient Zugang zu digital kommunizierten Informationen in Bezug auf seine Erkrankung hat.
- Mobile Selbstvermessungslösungen (Apps, Wearables) ermöglichen eine ständige Überwachung des Gesundheitszustandes unabhängig eines Arztbesuches, wodurch das Verhalten frühzeitig angepasst und wenn nötig weitergehende Maßnahmen eingeleitet werden können.
- Durch die Sammlung und Auswertung von gesundheitsbezogenen Daten bietet sich die Möglichkeit, mittels Big-Data-Analysen größere Zusammenhänge wie beispielsweise Krankheitsentwicklungen auf Bevölkerungsebene besser zu verstehen.
- Die Patientenkompetenzen können durch die einfache und flächendeckende Bereitstellung von gesundheitsrelevanten Informationen verbessert werden.(2016, S. 2-3)

Für eine weitere positive Entwicklung der digitalen Gesundheit müssen aber auch einige Herausforderungen ernst genommen und bewältigt werden. Als größtes Problem ist wohl das Thema Datenschutz anzusehen. Dies thematisieren verschiedene Autoren. So sprechen Dockweiler und Razum die Tatsache an, dass der Fortschritt so schnell vonstattengeht, dass die Konsequenzen häufig erst im Nachhinein diskutiert werden, was auch beim Thema Datenschutz der Fall sei. Insbesondere die automatische Datenerfassung ergebe einen schmalen Grat zwischen der Autonomie des Patienten und der externen Kontrolle, denn sie gebe dem Patienten zwar einerseits das Gefühl, alles Relevante unter Kontrolle zu haben. Doch durch die häufig intransparenten Datenströme sei es häufig nur ein kleiner Schritt zur Kontrolle durch die Datenhalter. Dies können beispielsweise Konzerne wie Google oder Apple sein oder auch Krankenversicherungen. Das Ziel muss deshalb eine Informationstransparenz sein, da die Patienten in Zukunft wissen wollen, was mit ihren Daten geschieht(2015, S. 1-2).

Auch andere Autoren verweisen auf die hohe Sensibilität von Gesundheitsdaten sowie die große Bedeutung der Informationstransparenz und betonen außerdem die Wichtigkeit der gesonderten Sicherung (Gigerenzer, Schlegel-Matthies, & Wagner, 2016, S. 4).

Da es an klaren Rechtsvorschriften mangelt, führt die Diskussion um die Ausgestaltung, Vergütung und den Datenschutz dazu, dass beispielsweise auch die Weiterentwicklung von mHealth-Lösungen nur sehr langsam vorangeht (Springer Fachmedien GmbH, 2016). Die Schaffung von klaren gesetzlichen Richtlinien muss deshalb vorangetrieben werden.

Nebst den Ausführungen zum Datenschutz geben Gigerenzer, Schlegel-Matthies und Wagner noch weitere Empfehlungen:

- Klare Kennzeichnung und Versorgung mit verlässlichen und transparentenGesundheitsinformationen mittels eHealth und mHealth: Die Fülle an Informationen führt dazu, dass diese in den Weiten des Internets untergehen und viele Patienten und Kunden nicht genau wissen, wo sie die für sich relevanten Informationen finden können. Deshalb empfehlen die Autoren die Gründung eines Instituts, welches Möglichkeiten schafft, die verlässlichen Quellen mittels digitaler Technologien wie sozialen Netzwerken zugänglich zu machen und zertifizieren zu lassen.
- Stärkung der Kompetenz der Verbraucher: Diese müssen nutzlose oder sogar gesundheitsschädliche Angebote von gesundheitsfördernden unterscheiden können und wissen, wie mit eigenen oder fremden Daten umgegangen werden soll. Weiter müssen sie auch Routine im Umgang mit digitalen Angeboten entwickeln. Die genannten Chancen der Digitalisierung können nur genutzt werden, wenn gleichzeitig die Kompetenzen der Patienten und Kunden verbessert werden, weshalb verschiedenste Bildungsangebote geschaffen werden müssen.

„Hierfür müssen für alle Verbrauchergruppen im gesamten Lebenszyklus – von derfrühkindlichen Bildung bis hin zur Erwachsenenbildung – Angebote entwickelt werden. .… Verbraucherbildung kannund darf aber nicht allein stehen, sondern benötigt einen Ordnungsrahmen, damitVerbraucherinnen und Verbraucher nicht überfordert werden.“ (2016, S. 4)

[...]

Ende der Leseprobe aus 130 Seiten

Details

Titel
Digitale Gesundheit. eHealth in der betrieblichen Gesundheitsförderung
Hochschule
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Veranstaltung
Prävention und Gesundheitsmanagement
Note
1,2
Autor
Jahr
2016
Seiten
130
Katalognummer
V337696
ISBN (eBook)
9783668285026
ISBN (Buch)
9783668285033
Dateigröße
1660 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
digitale, gesundheit, entwicklungsmöglichkeiten, handlungsempfehlungen, gesundheitsförderung
Arbeit zitieren
Florian Schweer (Autor:in), 2016, Digitale Gesundheit. eHealth in der betrieblichen Gesundheitsförderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337696

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