Führungspersönlichkeiten in kreativwirtschaftlichen Betrieben. Diversität und Komplexität der kreativen Führung


Masterarbeit, 2015

102 Seiten, Note: Auszeichnung


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1. Einleitung.
1.1 Ausgangspunkt
1.2 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2. Theoretischer Teil
2.1 Kreativität
2.2 Erweiterung des Kreativitätsbegriffs.
2.3 Kreative Prozesse.
2.4 Kreativwirtschaft
2.5 Führungsstil
2.6 Kreative Führung.
2.7 Paradigmenwechsel

3. Empirischer Teil
3.1 Erkenntnisinteresse und Forschungsfrage.
3.2 Methodisches Vorgehen.
3.3 Erhebungsverfahren.
3.3.1 Interviewtechnik.
3.3.2 Fragebogen und Leitfaden.
3.3.3 Auswahl der Interviewpartner/Interviewpartnerinnen.
3.3.4 Durchführung der Interviews.
3.4 Aufbereitungsverfahren.
3.4.1 Transkription der Interviews.
3.5 Auswertungsverfahren.
3.6 Darstellung der Ergebnisse.
3.6.1 Kategorie 1: Vorgeschriebene Kreativität
3.6.2 Kategorie 2: Offenheit
3.6.3 Kategorie 3: Freiraum..
3.6.4 Kategorie 4: Querdenken.
3.6.5 Kategorie 5: Miteinander
3.6.6 Kategorie 6: Wertschätzung.
3.6.7 Kategorie 7: Führung und Orientierung.
3.6.8 Kategorie 8: Mehrwert
3.7 Beantwortung der Forschungsfragen.
3.7.1 Forschungsfrage 1.
3.7.2 Forschungsfrage 2.
3.7.3 Forschungsfrage 3.

4. Zusammenfassung und Ausblick.

5. Literaturverzeichnis

6. Abbildungsverzeichnis

7. Tabellenverzeichnis

8. Anhang: Interviewleitfaden

1. Einleitung

„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“. Kaiser Wilhelm II

1.1 Ausgangspunkt

Kreative Eigenschaften besitzen nur bestimmte individuelle Menschen sowie sind kreative Prozesse zufällig und nicht rational – diese Schlagwörter bzw. Weisheiten spiegeln alltägliche Ansichten und Feststellungen über die Kultur der Kreativität. Diverse Untersuchungen der vergangenen Jahre haben hingegen gezeigt, dass diese Feststellungen empirisch kaum abzuleiten oder zu rechtfertigen sind (vgl. Vogt, 2010, S. 9f).

Der Neurobiologe Roger Sperry erhielt 1981 den Nobelpreis für seine Entdeckung über die funktionale Spezialisierung der Gehirnhälften. Sperrys Untersuchungen haben ergeben, dass bei uns Menschen, Kreativität in unserer rechten Gehirnhälfte entsteht. Logisches Denken, Zahlen oder die verbale Sprache werden wiederum von der anderen, der linken Gehirnhälfte gesteuert.

Unsere Gesellschaft und vor allem unsere Arbeit legen (zumeist) mehr Wert darauf, dass wir angelernte oder vertraute Aufgaben korrekt und womöglich auch nach Vorgaben und nicht kreativ lösen. Meist sind es gerade diese Umstände, die den Menschen hindern, seine rechte Gehirnhälfte zu trainieren oder damit zu experimentieren.

Eine entscheidende Wende in der Kreativforschung gab es wahrscheinlich auch nach der Rede des Psychologen und Intelligenzforschers Paul Guilford am 5. September 1950 vor der Jahrestagung der American Psychological Association. Zum einem rief er um mehr Engagement auf, da in den Jahren zuvor nur wenige psychologische Arbeiten mit dem Thema Kreativität verbunden waren.

Zum anderen war ein weiterer Höhepunkt seiner Rede die Aussage: „Jeder Mensch ist von Natur aus kreativ“. Mit dieser Ansicht widersprach er dem vorhandenen Paradigma und den Vorstellungen über Kreativität, weckte (aber) damit zugleich das Interesse am Thema Kreativität (vgl. Comrey, 1993).

Ein Paradigma wird allgemein im Kontext eines Weltbildes gebraucht und bezieht sich auf festgelegte Annahmen, Prinzipien und/oder Einstellungen. Ändert sich ein Paradigma tief greifend in seiner Grundform, dann spricht man von einem Paradigmenwechsel (vgl. Seliger, 2014, S. 3f und vgl. auch Kap. 2.7).

Ob nun Galileo Galilei durch sein Fernrohr blickte und durch die Bewegung der Planeten erkannte, dass sich die Erde um die Sonne dreht oder die Veränderung der Welt durch industrielle Revolutionen (Dampfmaschinen, Elektrizität, Ölverbrennungsmotoren bis hin zur erneuerbaren Energie und dem Kommunikationszeitalter), wirft man einen Blick zurück, in die Vergangenheit so wird man erkennen, dass Paradigmenwechsel schon immer zu unserer unternehmerischen und menschlichen Geschichte dazugehört haben und nicht nur unsere Lebensweisen, sondern auch unsere Art zu Arbeiten verändert haben (vgl. Schein, 1995, S. 101).

Unser gegenwärtige Arbeitswelt und Leben sind geprägt durch Schnelllebigkeit, Konkurrenzdruck, Globalisierung und ständige Veränderungen. Hinsichtlich dieser Faktoren ist es für Unternehmen und Organisationen notwendig, sich fortlaufend neu zu orientieren und auszurichten (vgl. Seliger, 2014 und Senge, 2011).

Ein kreativer Führungsstil ist ein Teil eines neuen Paradigmas (Seliger, 2014, S. 11ff), welcher wiederum ein Teil der Organisation ist, der wiederum von der Gesellschaft abhängig ist (ebd.).

1.2 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit

Die Welt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten rasant bewegt und verändert.

Es gibt Unternehmenskulturen, die in erste Linie Strukturen wie, klare Hierarchien, klare Bereiche, klare voneinander abgegrenzte Aufgaben, feste Kommunikationswege und Entscheidungsstrukturen fördern und festgelegt haben.

Andere Unternehmensstrukturen hingegen fördern Kreativität und Innovationen, flache Hierarchien, eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit, schnelle Entscheidungen und Entschlossenheit, sowie Regeln und Abläufe (wenn es Sinn ergibt) auch einmal zu umgehen.

Diese Masterarbeit hat sich zum Ziel gesetzt, Grundlagen, Merkmale und Qualitäten dieser „anderen“ Unternehmenskultur zu erheben und darzustellen, welche Kreativität fördert.

Im Mittelpunkt dieser Untersuchung liegen förderliche Eigenschaften und Kriterien eines Führungsstiles innerhalb einer kreativwirtschaftlichen Organisation, die es braucht, um die kreativen Leistungen sowohl zu fördern als auch zu managen.

Damit Kreativität und Führung in einen Zusammenhang dargestellt und beleuchtet werden können, wird als Orientierungshilfe und Wegweiser die österreichische Kreativwirtschaft herangezogen und verglichen.

Kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat in den letzten Jahren mehr an Bedeutung und Interesse gewonnen als die Kreativwirtschaft, was auch der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Dr. Leitl, zur Veröffentlichung des sechsten Österreichischen Kreativwirtschaftsberichts (2015) festgestellt hat:

„Im Wettbewerb von morgen entscheidet die Kreativität. Daher müssen Unternehmen neue Wege beschreiten. Kreativwirtschaftsunternehmen sind dabei Vorreiter und Dienstleister zugleich und zeigen, was abseits der üblichen Bahnen möglich ist. Ihr Know-how erschließt so Entwicklungspotenzial und hilft, wirtschaftlicher erfolgreicher zu sein“ (Wirtschaftskammer Österreich, 2015, S. 5).

Angesichts dieser Ausgangssituation und den Grundlagen (welche im Theorieteil noch in Detail dargestellt werden) sollen folgende drei Forschungsfragen beantwortet werden:

- Welche Führungsstile und Einstellungen existieren innerhalb eines kreativwirtschaftlichen Unternehmens?
- Was sind förderliche Eigenschaften bzw. Kriterien eines Führungsstils, den es in der Kreativwirtschaft braucht, die kreativen Leistungen zu managen?
- Inwiefern können Unternehmen und Organisationen von der Kreativität und den Ideen der kreativ schaffenden profitieren?

1.3 Aufbau der Arbeit

Ausgehend von den Fragestellungen und der Zielsetzung der gegenständlichen Untersuchung ist die Struktur der Arbeit in drei Hauptteile, gegliedert und dargestellt:

- Theoretischen Grundlagen
- Empirische Untersuchung und
- Interpretation der Forschungsergebnisse.

Im ersten Hauptteil dieser Arbeit wird auf die theoretischen Grundlagen Bezug genommen. Damit allen relevanten Informationen als auch der aktuelle Forschungsstand dargestellt und transparent gemacht werden kann, wird eine themenspezifische Literaturrecherche durchgeführt, welche zu den folgenden fünf Unterkapiteln geführt hat.

Dementsprechend beschäftigt sich das erste Kapitel der theoretischen Grundlagen mit der Kreativität. Generell wird versucht, ein einheitliches Verständnis sowie eine Definition über dieses facettenreichen Phänomens zu formulieren. Es soll ein Überblick über Impulsfelder, Quellen und Erkenntnissen dargestellt und auch mögliche Verbindungen zu den anstehenden Themen aufgebaut werden.

Eine dieser Verbindungen sind kreative Prozesse, welche den zweiten Teil der Grundlagen darstellen. Angewandte Kreativität, Phasen und Modelle im Sinne des kreativen Prozesses stehen hier im Mittelpunkt der Studie.

Die Kreativwirtschaft, ein starkes Ganzes aus vielen kleinen Teilbranchen, zeigt ein positives Bild von der Arbeit durch ihre kreative Energie und Kompetenz.

Um die Nachvollziehbarkeit geht es im dritten Teil, wo anhand der Kreativwirtschaft eine gelebte Praxis auch mithilfe von Zahlen und Fakten des österreichischen Kreativwirtschaftsberichts dargelegt wird.

Der vierte Theorieteil beschäftigt sich mit dem Kern dieser Studie, der kreativen Führung. Im Fokus steht die Ergründung und Darstellung von Eigenschaften sowie Indizien und Methoden der kreativen Führung, welche auch zum Vergleich der traditionellen Führung unterzogen worden ist.

In Zeit der Komplexität und Veränderung wird viel über Umdenken (vgl. Senge, 2011), ausbrechen üblicher Muster (vgl. de Bono, 1996) oder einen Paradigmenwechsel (vgl. Seliger, 2014) diskutiert. Mit diesem Wandel grundlegender Rahmenbedingungen beschäftigt sich der fünfte und letzte Theorieteil und versucht einen Blick hinter diesen Wandel der Zeit zu werfen.

Ausgehend von der Fragestellung und der Zielsetzung (Kap. 1.2) befasst sich der zweite Hauptteil dieser Studie mit den gewählten Methoden und dem Design der durchgeführten empirischen Untersuchung. Die hier zugrunde liegenden Techniken und Verfahren werden von der qualitativen Sozialforschung (2002) und qualitativen Inhaltsanalyse (2010) laut Mayring abgeleitet und verwendet.

Damit die Komplexität des Gegenstandes erfasst wird, kann (vgl. Mayring, 2010, S. 19) wurde für diese empirische Untersuchung eine qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring gewählt. Dieses Analyseverfahren ist in drei Hauptkapitel eingeteilt und dokumentiert im Detail das Erhebungs-, Aufbereitungs- und Auswertungsverfahren.

Eine der Methoden im Erhebungsverfahren ist das problemzentrierte Interview, welches bei sieben Personen aus einer kreativwirtschaftlichen Organisation durchgeführt wurde. Die Interviews wurden offen, jedoch Leitfaden gestützt geführt, mit der Erwartung, dass die Sichtweisen der Befragten zu neuen Erkenntnissen führen.

Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht die Auswertung und Analyse des erhobenen Materials. Im Zuge dessen werden im Kapitel des Aufbereitungsverfahrens alle durchgeführten Interviews gesammelt und im Sinne einer Datenermittlung in eine übersichtsgewinnende, tabellarische, schriftliche Form transkribiert.

Für die folgende Analyse- und Auswertungstechnik wurde die zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) gewählt, welche laut Mayring (vgl. 2010, S. 65) das Material so reduziert, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben und immer noch ein Abbild des Grundmaterials darstellten.

Schlussfolgernd werden im Auswertungsverfahren mithilfe einer induktiven Kategorienbildung nach Mayring (2010) die Materialanalyse und Auswertung durchgeführt, welche zu denen im Fokus liegenden Kategorien führen.

Das ausgearbeitete Kategoriensystem dient der Darstellung aller durchgeführten Interviews und ist Ausgangspunkt für die Interpretation des Materials.

Das Ziel der qualitativen Untersuchung ist herauszufinden, was ein kreativer Führungsstil beinhaltet, welche Qualitäten er aufweist, ob das Konstrukt einer kreativfreundlichen Führung rational ist und potenziell hat und ob man davon Methoden bzw. Einstellungen ableiten kann.

Die Zusammenfassung und der Ausblick (dritter Hauptteil) bilden den Abschluss dieser Masterthesis und sollen zeigen, ob die vorliegenden Erkenntnisse und Resultate zur Beantwortung der Forschungsfragen führen.

In diesem Sinne erfolgt eine Zusammenfassung aller Aspekte, welche einer kritischen Betrachtung unterzogen werden und mit einem Ausblick auf mögliche Schlussfolgerungen und Empfehlungen, beendet diese Arbeit.

2. Theoretischer Teil

Nach einer intensiven themenspezifischen Literaturrecherche sind im folgenden Hauptteil alle für die Untersuchung wichtigen Themenbereiche dargestellt, welche zugleich auch die theoretischen Grundlagen des zu untersuchenden Forschungsgegenstandes bilden. Es wird versucht das Phänomen Kreativität und die notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen darzustellen, damit Theorien, für ein weiteres Verständnis der Analyse ausgewählt werden können.

Damit eine aktuelle Situation der Untersuchung analysiert und vorgelegt werden kann, wurde diese Studie mit dem gegenwärtigen Stand der Kreativitätsforschung und der österreichischen Kreativwirtschaft durchgeführt.

2.1 Kreativität

Die meisten interessanten, bedeutungsvollen und menschlichen Phänomene, so Csikszentmihalyi (vgl. 1997, S. 9), sind Resultate der Kreativität.

Dabei ist die wissenschaftliche (systematische) Untersuchung der menschlichen Kreativität verhältnismäßig jung und wurde erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts erforscht (vgl. Sternberg & Lubart, 1999, S. 3 und Brodbeck, 2006, S. 2) und besitzt bis zum heutigen Tag noch keine anerkannte Definition (vgl. de Bono, 1996, S. 2 und Amabile 1996, S. 17). Damit der zu Beginn noch recht unerforschte Begriff Kreativität zu einem gebräuchlichen Gegenstand von wissenschaftlichem Interesse werden konnte, brauchte es dementsprechende Veränderungen.

Eine dieser notwendigen Veränderungen war der Glaube, dass Kreativität eine Schöpfung Gottes oder eines spirituellen Wesens sei (vgl. Sternberg und Lubart 1999, S. 4f und Weisberg, 1989, S. 15). Diese Grundlage machte eine systematische und wissenschaftliche Betrachtung unmöglich (vgl. Vogt, 2010, S. 20) und wurde anhand neuer Naturwissenschaften und Techniken der Modernen des 15. und 16. Jahrhunderts gebrochen (vgl. Seliger, 2014, S. 2f und Vogt, 2010, S. 20ff).

Auch durch die Kultur- und Kreativleistungen der Renaissance konnte die Vorherrschaft des religiösen Feldes bzw. System unterbrochen werden, wie Albert & Runco (1999, S. 8) feststellen:

„Early in the Renaissance a significant change in the view took place. At this historical moment the divine attribute of great artists and artisans was recognized and often emphasized as manifestly their own and not of divine origin” (ebd.).

Trotz den Paradigmenwechsel wurde bis in die späten 50er Jahre dem facettenreichen Phänomen Kreativität kaum Aufmerksamkeit gewidmet.

Einerseits waren die Ebenen der Kreativitätsforschung einem Teilgebiet der Intelligenzforschung untergeordnet (vgl. Brodbeck, 2006, S. 2), welche von der traditionellen Psychologie zu Beginn vielmehr, wie Vogt (2010, S. 18) beschreibt, „esoterisch“ betrachtet wurden. Angesichts dieses Blickwinkels waren die ersten durchgeführten Studien über Kreativität nicht an die gegenwärtigen theoretischen und methodischen Verfahren angepasst und hatten dadurch auch keinen wissenschaftlichen Zugang. Kreativität wurde schlicht als angeborene außergewöhnliche Fähigkeit, als eine Beigabe des künstlerischen Schaffens einzelner Individuen eingeordnet (vgl. Schlicksupp, 1993, S. 69, vgl. auch Sternberg & Lubart 1999 und Vogt, 2010).

Weiteres bestanden wesentliche Methoden- und Messprobleme (vgl. Schlicksupp, 1993, S.686 und vgl. auch Guilford, 1950, S. 445). Der Gedanke, dass kreative Handlungen nur gelegentlich, nicht absehbar geschehen, machte es einer empirisch orientierten Psychologie unausführbar, sich dem Thema Kreativität nachdrücklich wissenschaftlich und mit empirischen Methoden anzunähern (vgl. Vogt, 2010, S. 18).

Ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte der Kreativforschung wurde vom Psychologen und Intelligenzforscher Joy Paul Guilford eingeleitet. Guilford, zu diesem Zeitpunkt Präsident der American Psychological Association (APA), hielte am 5. September 1950 eine Rede vor der Jahrestagung und rief zu mehr Engagement in der systemischen Erforschung, Erfassung und Förderung der Kreativität (vgl. Brodbeck, 2006, S. 2 und Guilford, 1950, S. 444ff) auf.

Grund für diese Aufforderung waren die in der Vergangenheit vernachlässigten wissenschaftlichen Arbeiten, da in den 25 Jahren zuvor von 121.000 erschienen wissenschaftlichen Arbeiten, nur ca. 186 Titel mit dem Thema Kreativität verbunden waren (vgl. de Bono, 1996, S. 570f; Vogt, 2010, S. 23 und Comrey, 1993).

Ein weiterer Höhepunkt seiner Rede war die Aussage, dass jeder Mensch kreative Anlagen besitzt und nutzen kann:

“The general psychological conviction seems to be that all individuals possess to some degree all abilities […] Creative acts can therefore be expected, no matter how feeble or how infrequent, of almost all individuals. […] Whatever the nature of creative talent may be, those persons who are recognized as creative merely have more of what all of us have” (Guilford, 1950, S. 446).

Bevor Guilford seine Ansprache hielt, wurde angenommen, dass Kreativität nur bei ganz speziellen (hochbegabten) Personen mit spezifischen Eigenschaften zu finden sei (vgl. Guilford, 1950; Sternberg & Lubart, 1999; Vogt, 2010 und de Bono, 1996). Angesichts Guilfords Äußerung in seiner Rede „Jeder Mensch ist

kreativ“ widersprach er dem festeingefahrenen Weltbild der Psychologen und sorgte für einen erstaunlichen Aufschwung in der Kreativforschung und setzte dadurch neue Impulse auf wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Ebene (vgl. Csikszentmihalyi, 1997 und Vogt, 2010).

Vogt (2010, S. 25) beschreibt diesen Perspektivenwechsel als „vom Genie zur Normaler-Kreativität“.

Die neuere, Kreativitätsforschung hat sich demnach aus dem Fokus und aus der Reichweite der Intelligenzforschung entbunden. Der Begriff der Kreativität wurde laut Brodbeck (2006) erweitert, sodass sich andere Disziplinen neben der Psychologie um eine Erklärung der Kreativität bemühen können (Brodbeck, 2006, S. 2).

Nachdem 1950 die Aufmerksamkeit und das Interesse zu dem Thema Kreativität durch Guilford geweckt war, wurden diverse Kreativitätstests und Trainings entwickelt und durchgeführt.

Lange Zeit haben sich die Forschungen sowie Versuche mit der Förderung und Beurteilung der Persönlichkeiten bzw. intellektuellen Fähigkeiten von kreativen Personen beschäftigt (vgl. Brodbeck, 2006, S. 2), erwiesen sich zumeist jedoch für nicht passend oder brachten nicht den erwarteten Durchbruch (vgl. Amabile, 1996, de Bono 1996 und Vogt, 2010). Ein weiteres Problem, welches sich mit der Durchführung der Test zeigte, ist, dass meist nur ein Ergebnis vorliegt und der Prozess nicht dargestellt wird, was auch Gartner (1996) dementsprechend beurteilt:

„Trotz einiger interessanter Befunde war die Gültigkeit (Validität) von Kreativitätstests bisher nicht zu beweisen. Das heißt, hohe Punkteanzahlen im Testergebnis lassen keine Rückschlüsse darauf zu, ob die Versuchspersonen in Beruf und Tätigkeit tatsächlich Kreativität entwickeln. Entsprechend fehlen überzeugende Beweise dafür, dass Menschen, die innerhalb ihrer Disziplin oder Kultur als schöpferisch gelten, tatsächlich auch immer die von den Kreativitätstests geforderten Merkmale divergenten Denkens aufweisen. Kreativitätstests erfüllen also noch weniger als Intelligenztests die an sie gestellten Erwartungen“ (Gardner, 1996, S. 39f).

Erst nachdem eine verstärkte Hingabe dem sozialen Forschungskontext gewidmet wurde, welche Guilford (1950, S. 446) als eine „social importance of creativity“ bezeichnet, konnte im Zusammenhang der Kreativität ein genaueres Bild von der Bedeutung einer normalen, persönlichen Kreativität dargestellt werden.

Dass soziale Faktoren bei kreativen Leistungen wichtig sind und diese auch nachhaltig beeinflussen, zeigt sich auch in der Darlegung von Amabile (1996):

„Social and environmental factors seem to play a crucial role in creative performance. There is considerable informal evidence that social-psychological factors have a significant impact on the productivity and creativity of outstanding individuals” (Amabile, 1996, S. 5f).

Brodbeck (2006) beschreibt ein erneutes wachsendes Interesse ab den 80er Jahren, vorab in der Wirtschaft (vgl. Kap. 2.4) und anschließend auch in der breiten Öffentlichkeit. Gleichzeitig ergaben sich damit neue thematische Definitionen von Kreativität wie Brodbeck (2006) feststellt:

„Kreativität wurde nun nicht mehr als besondere Form intelligenter Leistung erkannt, sondern als ein motivierter, keineswegs nur kognitiver Prozess, der stark von äußeren und sozialen Bedingungen abhängt“ (Brodbeck, 2006, S. 2 und vgl. auch Schlicksupp, 1998).

Dementsprechend kann Kreativität, aus dieser Perspektive betrachtet, ein Ausgang sozialer Strukturen und ein Gruppen bzw. Interaktionseffekte (vgl. Vogt, 2010, S. 25f und S. 105ff) sein. In diesem Sinne existieren demnach soziale Strukturen und Zusammenhänge, welche für eine erfolgreiche kreative Entwicklungsphase mitverantwortlich sind, denn bei kreativen Ereignissen kommt es weniger auf die Person an als auf die Stimulation durch die Situation (vgl. Amabile, 1996; Csikszentmihalyi, 1996 und Vogt, 2010).

2.2 Erweiterung des Kreativitätsbegriffs

Zahlreiche Definitionen sowie Konzepte wurden in der Literatur, Publikationen und nicht- wissenschaftliche Ratgeber veröffentlicht, wo versucht wurde, den Begriff Kreativität zu formulieren.

Der Begriff Kreativität stammt ursprünglich vom lateinischen creare ab, was zu Deutsch so viel wie „schöpfen, erschaffen, hervorbringen, ins Leben rufen, …“ bedeutet (vgl. Hentig, 1998, S. 14; Schlicksupp, 1993, S. 69 und Duden, 2010).

Der Brockhaus definiert Kreativität als:

„Schöpferisches Vermögen, das sich im menschlichen Handeln oder Denken realisiert und einerseits durch Neuartigkeit oder Originalität gekennzeichnet ist, andererseits aber auch einen sinnvollen und erkennbaren Bezug zur Lösung technischer, menschlicher, oder sozialpolitischer Problemen aufweist“ (Brockhaus, 1996).

Guilford (1996) geht davon aus, dass Kreativität eine spezielle Form von komplexen Verhaltensmustern zahlreicher Faktoren wie zum Beispiel, Sensitivität für Probleme, Einfühlung, Flüssigkeit (was bedeutet, dass man z.B. in der Lage ist, innerhalb kürzester Zeit äußerst viele Verwendungsmöglichkeiten zu finden), neuartige Ideen, geistige Flexibilität (müheloses Wechseln eines Bezugssystems), synthetische- und analytische Fähigkeiten, Umorganisation- bzw. Neudefinierungsvermögen, Motivationsfaktoren, etc. (vgl. Guilford, 1966, S. 13ff) ist. Seinen Untersuchungen zufolge lässt sich ein so komplexes Phänomen wie die

Kreativität nicht auf einen Faktor reduzieren, sondern setzt sich aus mehreren unabhängigen Einzelkomponenten zusammen (vgl. Guilford, 1966; vgl. auch Csikszentmihalyi, 1997 und Vogt, 2010).

Aufgrund der vielen Veröffentlichungen und empirischen Studien, ausgelöst durch Guilford 1950, konnten Schuler und Görlich (2007) eine Metastudie zum Phänomen der Kreativität ausarbeiten. Schuler und Görlich filtern und markieren Begriffe sowie Erkenntnisse, welche eine denkbare Fokussierung oder Bestimmung der Kreativität möglich machen (vgl. Schuler und Görlich, 2007, S. 10ff).

- Offenheit:

Neugierde, intellektuelle Werte, ästhetische Ansprüche, breite Interessen, andere Sichtweisen bzw. Meinungen akzeptieren

- Leistungsmotivation:

Ehrgeiz, Ausdauer, Konzentration, Leistungsfreude, Belohnungsaufschub

- Nonkonformität:

Originalität, Unkonventionalität, Autonomiebestreben, Unabhängigkeit des Urteils

- Selbstvertrauen (fähigkeits- und zielbezogen):

Selbstbild „kreativ“, emotionale Stabilität, Risikobereitschaft

- Erfahrung:

Wissen, Werthaltung, metakognitive Fertigkeiten (Planung, Monitoring, Selbststeuerung) (ebd.).

Der Begriff Kreativität bezieht sich dementsprechend nicht nur auf die künstlerische Produktion, sondern auch auf die wissenschaftliche Ebene und auf technischen Erfindungen sowie auf Problemlösungsansätze (vgl. Guilford, 1966, Gardner, 1996 und Vogt, 2010).

Gemäß Schlicksupp (1993) benötigen kreatives Denken und Handeln eine Sensibilisierung von äußeren Abläufen und Gegebenheiten:

„Die Lösung von Fixation, den Mut, sich vom Bekannten, vom Stand der Technik zu lösen, es verlangt ein flexibles, spielerisch- ausschweifendes Denken, einen Wechsel von Betrachtungsweisen, eine Durchforstung neuer Erfahrungsfelder. Es kann hypothetische und spekulative Elemente enthalten und wird immer durch Versuche und Irrtum gekennzeichnet“ (Schlicksupp, 1993, S. 65).

In den bisherigen Auslegungen stellt sich heraus, dass Kreativität eine besondere Fähigkeit des Gestaltens und des schöpferischen Denkens (vgl. auch Guilford, 1996 und de Bono, 1996) ist und durch Resultate bzw. Produkte von (kreativen) Innovationen als auch Problemlösungen sichtbar wird. Demzufolge braucht es ein Verständnis und Courage, alte Angewohnheiten, Muster und traditionelle Sichtweisen bzw. Paradigmen zu überdenken, um Neues zu erschaffen (vgl. Amabile, 1996).

Diese Grundvoraussetzung, für die Entwicklung menschlicher Kreativität fasst Schlicksupp (1993, S. 140ff) zusammen unter: „Wollen, Können und Dürfen“. Dementsprechend ist es ausschlaggebend:

- wie weit man sich mit dem Bereich auseinandersetzten will,
- sachlich fähig ist, daher etwas kann,
- innere und äußere Bedingungen (Kreativität) zulässt, ob man darf (ebd.).

Schlussendlich wird gemäß Schlicksupp (vgl. 1993, S. 143) versucht, kreatives Schaffen durch den gezielten Einsatz von Kreativmethoden bzw. -techniken zu unterstützen.

Brodbeck (vgl. 1999, S. 2) zufolge ist eine Technik durchaus nützlich, jedoch widerspricht er der Vorstellung, Kreativität sei auf das Denken (bzw. kreatives Denken) zu begrenzen und liefert dagegen den Aspekt der Achtsamkeit.

„Selbst dann, wenn die Lösung für ein Problem buchstäblich, vor unsern Augen liegt, braucht sie für uns noch keine Lösung zu sein. Erst wenn wir sie beachten, wird sie zur Lösung“ (Brodbeck, 1999, S. 58).

Gardners (1996) Auffassung über das Phänomen Kreativität stützt sich auf vier Attribute, der Anlage und Kompetenz sowie dem institutionellen und sozialen Umfeld und definiert kreative Personen:

„Der schöpferische Mensch löst Probleme, gestaltet Objekte oder definiert neue Fragen auf bestimmtem Gebiet; er tut dies mehr oder weniger regelmäßig und auf eine Art und Weise, die anfangs als neuartig betrachtet wird, sich aber schließlich in einem bestimmten kulturellen Umfeld allgemein durchsetzt“ (Gardner, 1996, S. 55f).

Angesichts der intensiven wissenschaftlichen Kreativforschungen der letzten Jahre zeigt sich immer mehr, dass es sich bei Kreativität um ein ganzheitliches Phänomen handelt (vgl. Csikszentmihalyi, 1997 und Gardner, 1996), welches sich erfahrungsgemäß nur sehr beschränkt mit Richtzahlen messen oder darstellen lässt (vgl. de Bono, 1996, S. 2 und Amabile 1983, S. 17).

In diesem Sinne gehen Csikszentmihalyi und Gardner der Frage nach, nicht was Kreativität, sondern wo es stattfindet (vgl. Csikszentmihalyi, 1997).

Der Psychologe Csikszentmihalyi bezieht sich dabei auf sein Systemmodell, welches Kreativität nicht nur als großartige Eigenschaft einer Person charakterisiert, sondern aus der Interaktion von drei Elementen, welche ein System bilden:

„Kreativität ist jede Handlung, Idee oder Sache, die eine bestehende Domäne verändert oder eine bestehende Domäne in eine neue verwandelt. Und ein kreativer Mensch ist eine Person, deren Denken oder Handeln eine Domäne verändert oder eine neue Domäne begründet“ (Csikszentmihalyi, 1997, S. 48 und vgl. auch S. 17).

In dieser Ausführung wird dargelegt, damit ein Einfall etwas auslöst, benötigt es die Interaktion einer Kultur, welche symbolische Regeln enthält (die Domäne), einer Einzelperson (dem Individuum), die etwas Neues in diese symbolische Domäne einbringt, und einem Feld von Experten, die diese Innovation anerkennen und bestätigen (vgl. ebd. und vgl. auch Csikszentmihalyi, 1996, S. 47).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Domänen-Feld-Individuum -Modell (leicht modifiziert, basierend auf Csikszentmihalyi, 1996, S. 315 und Vogt, 2010, S. 107).

Die erste Komponente des systemischen Modells der Kreativität ist die Domäne. Die Domäne ist dabei der Wissensbereich (Fachgebiet), welcher laut Csikszentmihalyi (1997) „aus einer Reihe symbolischer Regeln und Verfahrensweisen besteht“ (1997, S. 47). Eine Domäne kann Biologie, Mathematik oder Management sein, die man in einer weiteren Domäne der vorhandenen Domäne unterteilen kann, wie z.B. Kreativitätsmanagement (vgl. Kap. 2.6) oder Konstruktivismus. Die Domänen sind wiederum in dem festgehalten, was man im Allgemeinen als Kultur darlegt (vgl. Csikszentmihalyi, 1997, S. 47).

Die zweite Komponente des Systemmodells ist das Feld und gehört allen Personen, die das Wissen und die Regeln der Domäne innehaben bzw. verstehen und den Zugang zur Domäne überwachen. Erst ihre Anerkennung ermöglicht es, dass eine neue Idee in die Domäne aufgenommen wird (vgl. ebd.).

Die dritte Komponente des kreativen Systems ist das Individuum, das etwas Neues in die Domäne einbringt. Wenn ein Mensch innerhalb einer Domäne eine neue Idee entwickelt bzw. kreativ tätig werden will und dieses von dem entsprechenden Feld anerkannt wird, findet laut Csikszentmihalyi (1997) Kreativität statt.

„Kreativität findet statt, wenn ein Mensch, der mit den Symbolen einer bestehenden Domäne wie Musik, Technik, Wirtschaft oder Mathematik arbeitet, eine neue Idee oder ein neues Muster entwickelt, und wenn diese Neuentwicklung von dem entsprechenden Feld ausgewählt und in die relevanten Domäne aufgenommen wird“ (Csikszentmihalyi, 1997, S. 47).

Durch das Systemmodel der Kreativität von Csikszentmihalyi (1997) wird deutlich, dass es auf die aktuelle Beziehung zwischen dem Individuum (Wissen über die Domäne), dem Feld (Verwalter/Wächter der Domäne) und der Domäne (Struktur der Domäne) ankommt, ob eine Idee zu einem bestimmten Moment als kreativ definiert wird (vgl. ebd.).

In Bezugnahme dessen beschreibt Vogt (2010), dass nicht nur die Neuartigkeit oder Originalität einer Idee ausschlaggebend ist, sondern auch eine Bewertung durch die soziale Umwelt eine entscheidende Bedeutung spielt (vgl. Vogt, 2010,

S. 28). Die Kriterien welche dieser Beurteilung zugrunde liegen sind von Domäne zu Domäne verschieden und können zudem auch zeitlich versetzt sein (vgl. Csikszentmihalyi, 1997, S. 9ff).

Nachdem sich die Kreativitätsforschung in den letzten 50 Jahren zu einem eigenen Forschungsbereich entwickelt hat, versucht Mayer (1999), in seiner Abhandlung im Handbook of creativity (Sternberg, 1999), einen Rückblick und eine Zusammenfassung der Kreativitätsforschung darzulegen. Im Fokus seiner Untersuchung steht die Entwicklung, von dem Phänomen Kreativität, der vergangenen 50 Jahren und ob die methodischen Probleme bewältigt werden konnten. In diesem Sinn wurden alle vorhanden literarischen Beiträge nach Kreativitätsdefinitionen analysiert (vgl. Vogt, 2010, S. 26f). Angesichts dieser Untersuchung konnte Mayer (1999), zwei entscheidende Übereinstimmungen von Kreativität in den Analysen feststellen: „In summary, there appears to be consensus that the two defining characteristics of creativity are originality and usefulness […]“ (Mayer, 1999, S. 450) und folgendes Resümee der Kreativitätsforschung darlegen:

“In summary, there is some consensus in the creativity community concerning what to study: Creativity occurs when someone creates an original and useful product. However, there is a lack of consensus on such basic clarifying issues as whether creativity refers to a product, process, or person; whether creativity is personal or social; whether creativity is common or rare; whether creativity is domain- general or domain-specific; and whether creativity is quantitative or qualitative“ (Mayer, 1999, S. 451).

Angesichts dieser Aussage und den zu klärenden Konsens nimmt Vogt (2010, S. 27f) Stellung zu den offenen Fragen, die laut Mayer’s (1999) Schlussfolgerung zu klären sind:

Erstens, Kreativität ist eine Eigenschaft von Produkten, Prozessen und Personen. Zweitens, da ohne soziale Struktur Kreativität nicht existieren würde, ist Kreativität ein soziales Phänomen (vgl. auch Amabile, 1996). Drittens ist Kreativität ein Teil der kognitiven Fähigkeit des Menschen und somit nicht selten. Viertens ist Kreativität vom Wirkungskreis oder Arbeitsgebiet der jeweiligen Person abhängig. Fünftens vertritt Vogt (vgl. 2010, S. 27f) eine quantitative Perspektive, da bei den kreativen Prozessen, „die identischen kognitiven Instrumente eingesetzt werden, die beim Menschen lediglich unterschiedlich stark ausgeprägt sind“ (Vogt, 2010, S. 27).

Eine weitere wohl bedeutende Definition bzw. Darlegung in der Kreativitätsforschung sind die vier Grundphasen von Kreativität, die Mitte des 20. Jahrhunderts vom Kreativitätsforscher Mel Rhodes aufgestellt wurden.

Rhodes (1961) befasste sich viele Jahre mit dem Thema Kreativität, kreativem Denken und Kreativitätsmanagement und entwickelte für eine klare Betrachtung des Konstrukts Kreativität die sogenannten „4P’s der Kreativität“ und unterscheidet dabei zwischen:

- kreativen Personen (person)

Die Begrifflichkeit umfasst alle Persönlichkeitsmerkmale und Eigenschaften einer Person in kreativen Situationen.

- Kreativen Prozessen (process)

Diese Perspektive enthält die Summe aller Vorgehensweisen und Methoden und schaut, wie kreative Erfolge oder Resultate entstehen.

- Kreative Produkte (products)

Dieser Blickwinkel blickt auf die Erzeugnisse und Resultate von kreativen Produkten oder Konzepten.

- Umweltbedingungen (press)

Diese Sicht untersucht die Umgebung bzw. das Umfeld, indem Kreativität entsteht (vgl. Rhodes, 1961, S. 305ff).

Hieraus abgeleitet ergibt sich der Fokus dieser Untersuchung, Hinweise in Bezug auf die Forschungsfrage (vgl. Kap. 1.2 und 3.1) zu finden, unter Berücksichtigen des von Rhodes dargestellten Konstrukts der Kreativität.

Kreativität hat zwar bis zum heutigen Tag keine anerkannte Definition (vgl. de Bono, 1996, S. 2 und Amabile 1983, S. 17), vergleicht man jedoch die diversen Definitionen oder Darstellungen in wissenschaftlicher und nicht- wissenschaftlicher Literatur, so findet man Parallelen und Übereinstimmungen.

Betrachten man Kreativität somit nicht nur als Eigenschaft eines Menschen (vgl. Guilford, 1966, Brodbeck 1999; 2006 und Schlicksupp, 1998), sondern als ein System (vgl. Csikszentmihalyi, 1996; 1997 und Gardner, 1996), besteht die Möglichkeit, kreative Prozesse zu fördern.

2.3 Kreative Prozesse

Albert Einsteins Sichtweise, wonach man ein Problem niemals mit derselben Logik lösen kann, mit der man es geschaffen hat, verweist uns auf eine besondere Herausforderung: Wir können unsere Probleme nur lösen, wenn wir zugleich lernen, anders zu denken.

Wenn für (komplexe) Probleme klassische Lösungsmethoden fehlschlagen oder nicht mehr greifen, können Lösungen mit oder durch kreative Prozesse gefunden werden (vgl. Csikszentmihalyi, 1996; 1997; 1999 und de Bono, 1996).

Mit Kreativität wird meist eine unentdeckte oder außerordentliche Idee, ein Gedanke oder auch eine Lösung assoziiert. Indem traditionelle Denkmuster oder Paradigmen (vgl. Kap. 2.7) verlassen oder überdacht werden, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass eine kreative Inspiration gefördert wird (vgl. Schlicksupp, 1993, S. 65), wie auch de Bono (1996) festhalten:

„Es gibt zahlreiche neue Ideen, die nur darauf warten, entdeckt zu werden, wenn wir aus der üblichen Mustersequenz ausbrechen können, die uns von der Erfahrung vorgegeben wurden“ (de Bono, 1996, S. 38).

Um neue Ideen entwickeln zu können, ist in gewisser Weise die Veränderung von Betrachtungsweisen und Methoden die Grundlage von Kreativität (vgl. de Bono, 1996, S. 53).

Nach Guilford (vgl. 1974 und 1966) ist Kreativität eine spezielle Form des Denkens. Er unterscheidet in diesem Sinn zwischen zwei Denkprozesse, dem divergenten vom konvergenten Denken (vgl. Guilford, 1974, S. 261ff).

Beim divergenten Denken handelt es sich um eine offene, unsystematische und experimentierfreudige Leistung, mit dem Fokus, möglichst viele verschiedene Lösungen vom selben Problem oder Thema zu generieren (vgl. Guilford, 1974, S. 353ff).

Das konvergente Denken entspricht dem herkömmlichen Denken, welches zielgerecht auf eine Lösung, logisch ausgerichtet ist und bei dem es in erster Linie darauf ankommt, eine einzige richtige Lösung bzw. Antwort zu finden und ist somit das Gegenstück zum divergenten Denken (Guilford, 1974, S. 374ff).

Das divergente und konvergente Denken ergänzen sich, können aber nicht gleichzeitig durchgeführt werden. Innerhalb eines Problemlösungsprozesses kennzeichnen diese zwei produktiven Denkprozesse unterschiedliche Phasen von Reaktion bzw. Handeln (vgl. Guilford, 1974, S. 353ff und vgl. auch Schlicksupp, 1993 und Amabile, 1996).

Eine ähnliche Unterscheidung von kreativem und konventionellem Denken definiert de Bono (1996) als, laterales und vertikales Denken. Im Gegenteil zum vertikalen Denken, welche Schritt für Schritt, mit eingeprägten Mustern hervorgeht, steht das laterale Denken gleichermaßen wie das divergente Denken für einen offenen und spielerischen Denkprozess (vgl. de Bono, 1996, S. 53f).

Dabei unterscheidet de Bono (ebd.) zwischen einer spezifischen und allgemeinen Definition des lateralen Denkens:

Spezifisch: „Eine Reihe systematischer Techniken, die eine Veränderung und Neuentwicklung von Konzepten und Wahrnehmungen bewirken“.

Allgemein: „Die Erforschung der verschiedensten Möglichkeiten und Lösungsansätze, anstelle einer Beschränkung auf nur eine einzige Methode“ (de Bono, 1996, S. 53).

Obgleich, Divergentes (vgl. Guilford, 1950) oder Laterales (vgl. de Bono, 1996) Denken, eine kreative individuelle Ideensuche führt meist zu neuen, unerwarteten und außergewöhnlichen Erkenntnissen.

Kreative Prozesse findet man in allen verschiedenen Facetten des täglichen Lebens und dies bewusst oder unbewusst (vgl. Guilford, 1974 und Amabile, 1988) und sind die Summe aller Vorgehensweisen und Verfahren, um zu einem möglichen Ergebnis oder Resultat zu kommen.

Eine wichtige Eigenschaft des kreativen Prozesses ist, dass dieser erlernbar und somit auch gefördert und verbessert werden kann (vgl. Rhodes, 1987, S. 220 und Amabile, 1988, S. 138f).

Der kreative Prozess selbst wird meist in vier Phasen beschrieben, an dem sich dann noch weitere Umsetzungsphasen anschließen (vgl. Amabile, 1996).

Eine maßgebliche Grundlage für spätere Phasenmodelle des kreativen Prozesses zeigt das Modell des Psychologen Graham Wallas (1926). Demzufolge hat Wallas, in Anlehnung an eine vom Mathematikers Henri Poincaré entworfene Phaseneinteilung des kreativen Prozesses in vier Phasen übernommen.

Wallas (1926) unterscheidet, im Rahmen eines jeden kreativen Denkprozesses folgende vierphasigen Erklärungsansätze:

Präparationsphase (Vorbereitung):

Die Vorbereitungsphase hat einen stark ausgeprägten, entdeckenden, (Exploration durch divergentes bzw. laterales Denken) und sammelnden Charakter, mit der Neigung Informationen über das Problem oder die Fragestellung zu sammeln.

Inkubationsphase (Ausbrüten, Reifung):

Im sogenannten Reifeprozess stehen eine beabsichtigte Ablehnung und der passive Aspekt der Kreativität im Mittelpunkt dieser Phase. Diese Entfernung kann einen Ausbruch aus den ursprünglichen Denkmustern ermöglichen und lässt die Idee „reifen“.

Illumination (Erleuchtung):

Dabei handelt es sich um eine Phase der Einsicht und/oder Erleuchtung, dem Aha-Erlebnis. Scheinbar nebensächliche und undichte Details führen plötzlich zum ersehnten Lösungsansatz.

Verifikation (Überprüfung):

Die Überprüfungsphase beinhaltet das Ausarbeiten und Evaluieren der Ideen sowie das überprüfen der Umsetzbarkeit (vgl. Wallas, 1926, S. 80ff und vgl. auch Amabile, 1996, S. 95ff).

Das Vier-Phasen-Model von Wallas (1926) wurde oft aufgegriffen und modifiziert, wobei neuere kreative Prozessmodelle versuchen, mit gelegentlich mehr als vier Phasen das Verständnis aufzubauen (vgl. Amabile, 1996).

Die Quelle neuer Ideen ist die Kreativität. Speziell die Unternehmen, welche es schaffen das kreative Potenzial und die Leistung ihrer Mitarbeiter zu entpuppen oder zu fördern gelten als zukunftsfähig (vgl. Wirtschaftskammer Österreich, 2014; IBM Global CEO Study, 2010; de Bono, 1996 und Csikszentmihalyi, 1996).

2.4 Kreativwirtschaft

Mayring (2002, S. 20) zufolge müssen: „Humanwissenschaftliche Gegenstände [müssen] immer möglichst in ihrem natürlichen, alltäglichen Umfeld untersucht werden“.

Die Kreativwirtschaft (engl. Creative Industries) zählt zu den innovativsten und wesentlichsten Branchen der Wirtschaft (vgl. Wirtschaftskammer Österreich, 2014; 2015 und vgl. auch Müller, Flieger & Krug, 2011) und hat seit ungefähr einem Jahrzehnt, großes nationales und internationales Interesse geweckt. Die ökonomische Bedeutung und die betriebswirtschaftliche Entwicklung (vgl. ebd.) sind genauso bemerkenswert wie die Besonderheit und Merkmale der Akteure.

“Creative industries can be defined as the cycle of creation, production and distribution of goods and services that use creativity and intellectual capital as primary inputs” (United Nations, 2008, S. 4).

Obwohl es kreative Tätigkeiten sowie Künste seit Anbeginn der Menschheit gibt, wurde die Kreativwirtschaft erst im Oktober 2006 offiziell in die Statistik aufgenommen.

Grund dafür war eine Studie von der Europäischen Kommission (2006) zur Kulturwirtschaft in Europa. Untersucht wurden die Zusammenhänge zwischen Kreativität und Innovation sowie wurde der kulturelle und kreative Sektor zum Bruttoinlandsprodukt als auch zu Wachstum und Beschäftigung dargestellt (vgl. European Commission, 2006).

Zwei Jahre später folgt der erste Weltreport zur Kreativwirtschaft, Creative Economy Report 2008 von UNCTAD (United Nations Conference on Trade and

Development) und entwickelt ein Modell bzw. Definition aus verschiedenen wirtschaftlichen Märkten, sodass eine Grundlage für eine weltweite Definition der Creative Industries, entsteht. Anhand des Reports präsentiert UNCTAD in Kooperation mit weiten UN-Organisationen die erste weltweite Untersuchung zum Thema Kreativwirtschaft. Diese Grundlage soll ein breiteres Verständnis der neuen und vielschichtigen Zusammenhänge darstellen und helfen die nationalen und internationalen Begriffe zu erkennen (vgl. United Nations, 2008).

Dieser Bericht der UNCTAD definiert die creative economy und kann wie folgt zusammengefasst werden:

- The creative economy is an evolving concept based on creative assets potentially generating economic growth and development.
- It can foster income generation, job creation and export earning while promoting social inclusion, cultural diversity and human development.
- It embraces economic, cultural and social aspects interacting with technology, intellectual property and tourism objectives.
- It is a set of knowledge-based economic activities with a development dimension and cross-cutting linkages at macro and micro levels to the overall economy.
- It is a feasible development option calling for innovative multidisciplinary policy responses and interministerial action.
- At the heart of the creative economy are the creative industries.

In Österreich erfolgte die erste gesamte Bestandsaufnahme des kreativen Wirtschaftssektors, durch die Veröffentlichung des österreichischen Kreativwirtschaftsberichts im Jahre 2003. Ziel dieser Untersuchung war es eine auf Österreich passende Definition des Begriffes Kreativwirtschaft, zu erstellen und alle dazugehörenden Bereiche zu beleuchten (vgl. Wirtschaftskammer Österreich, 2003).

Damit das bestehende Potenzial der Kreativwirtschaft erfasst werden kann, sowie Veränderungen und neue Impulse dargestellt werden können, wurde ein zweiter Österreichischer Kreativwirtschaftsbericht (2006), mit dem Themenschwerpunkt: Wirtschaftliche Situation im europäischen Vergleich, ausgearbeitet.

Die ermittelten landesspezifischen Definitionen und Daten der Vorgängeruntersuchung von der österreichischen Kreativwirtschaft werden mit dem aktuellen Material gemessen und weiterentwickelt. Ergänzend wird die wirtschaftliche Situation des kreativen Ausschnittes Österreichs mit allen anderen europäischen Städten verglichen (vgl. Wirtschaftskammer Österreich, 2006).

Der dritte Österreichische Kreativwirtschaftsbericht wurde im November 2008 publiziert. Wie auch bei den vorangegangenen Berichten steht auch hier die aktuelle wirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft im Visier der Untersuchung, wobei der Fokus auf das österreichische Innovationssystem und deren Teilbereichen, gerichtet ist.

Erstmals wurden 2.000 österreichische Unternehmen aus einem kreativwirtschaftlichen Bereich zu den Fragen, welche Rolle die Kreativunternehmen in unserem Wirtschaftssystem spielen, wie sie arbeiten, welche Bedingungen vorherrschen, ihre Innovationsleistung und ihr Beitrag zu Innovationen in anderen Branchen, direkt befragt und analysiert (vgl. Wirtschaftskammer Österreich, 2008, S. 19, S. 67ff und 121ff). Angesicht dieser Untersuchung und den dabei resultierenden Ergebnissen, zeigt sich, dass 60 Prozent aller Kreativunternehmen, in den letzten drei Jahren neue Produkte auf den Markt gebracht haben und 52 Prozent, Unternehmen in anderen Branchen bei Innovationstätigkeiten unterstützt haben und somit zur Stärkung der gesamten Wirtschaft beigetragen haben (vgl. Wirtschaftskammer Österreich, 2008, und vgl. S. 49ff).

Kreativwirtschaft und Wertschöpfungssysteme stehen im Schwerpunkt des Vierten Österreichischen Kreativwirtschaftsbericht, indem der damalige Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, Reinold Mitterlehner erklärt:

„Der aktuelle Bericht zeigt, dass die Kreativwirtschaft besser durch die Krise kommt als viele andere Branchen“ (Wirtschaftskammer Österreich, 2010, S. 5). Durch den Bericht wird ersichtlich, dass die Betriebe der Kreativwirtschaft, in Bezug auf Ausgangslage und Umsatzentwicklung, besser beurteilt werden als jene der Gesamtwirtschaft (vgl. ebd., S. 88). Demzufolge zeigt sich eine durchschnittlich höhere Umsatzrentabilität von 5,3 Prozent, was gegenüber allen anderen Branchen, mehr als das doppelt ist (ebd.).

Ein weiterer nennenswerter Punkt in diesem Bericht ist die Branchenabgrenzung und Unterteilung in neun kreativwirtschaftliche Bereiche (vgl. Wirtschaftskammer Österreich, 2010, S. 40ff und 2015, S. 188ff), welche bis zum heutigen Tag in Verwendung sind und werden wie folgt erläutert:

[...]

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Führungspersönlichkeiten in kreativwirtschaftlichen Betrieben. Diversität und Komplexität der kreativen Führung
Hochschule
Sigmund Freud Privatuniversität Wien
Note
Auszeichnung
Autor
Jahr
2015
Seiten
102
Katalognummer
V337869
ISBN (eBook)
9783668333956
ISBN (Buch)
9783960950103
Dateigröße
2025 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
führungspersönlichkeiten, betrieben, diversität, komplexität, führung
Arbeit zitieren
Kurt Arbter (Autor:in), 2015, Führungspersönlichkeiten in kreativwirtschaftlichen Betrieben. Diversität und Komplexität der kreativen Führung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337869

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