Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sozialpolitik
2.1 Definition und Begriffsklärung
2.2 Die offene Methode der Koordinierung
3. Armutsgefährdung in Europa
4. Die Rolle der Europäische Union in der Armutspolitik
4.1 Lissabon Strategie 2000
4.2 Europa 2020
4.3 Das Europäische Jahr 2010
5. Die Rolle der NGOs in der Europäischen Armutspolitik
5.1 Definition NGOs
5.2 Aufgaben und Funktionen von NGOs
6. Europa 2020 und der Einfluss der EAPN
7. Der deutsche Armuts- und Reichtumsbericht 2011 und der Einfluss der EAPN
8. Fazit
1. Einleitung
Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht erscheint 2016 und wird der Bundesregie- rung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegt. Der Bericht wird alle fünf Jahre neu verfasst und ganz entscheidend von zivilgesellschaftlichen Akteuren geprägt. Doch welche Aufgabe übernehmen NGOs in diesem Prozess? Welche Mit- bestimmungsmöglichkeiten werden ihnen im politischen Entscheidungsprozess gebo- ten? Mit welcher Zielsetzung beteiligen sich NGOs in der EU-Politik? Diese zentralen Fragen werden innerhalb dieser Ausarbeitung analysiert, um die Forschungsfrage:
Welche Funktionübernehmen Non-Gouvernement-Organisations im politischen Ent- scheidungsprozess der Armutspolitik der Europäischen Union? begründet zu beant- worten.
Im ersten Kapitel wird einleitend der Begriff der Sozialpolitik näher beleuchtet, eine Begriffsdefinition vorgenommen und die Aufgaben und Ziele der Europäischen Sozial- politik skizziert. Im Zuge dessen wird zudem die Methode der offenen Koordinierung kurz erläutert, da sie ein zentrales Element der europäischen Sozialpolitik darstellt. Im Anschluss findet im dritten Kapitel eine Eingrenzung der Thematik auf den Bereich der Armutspolitik statt. In Folge dessen werden zunächst die Begriffe relative und absolute Armut voneinander abgegrenzt, um im Anschluss auf die Armutsgefährdung in Europa einzugehen. Das vierte Kapitel widmet sich den politischen Strategien der EU-Politik, um der Armut entgegenzuwirken und wirtschaftliches Wachstum voranzutreiben. Da- bei werden insbesondere die Einwirkungsmöglichkeiten der NGOs in den Fokus ge- nommen und anschließend skizziert, an welchen Stellen des Politik-Zyklus, eine Ein- flussnahme stattfindet. Eine genaue Betrachtung der NGOs, ihrer Aufgaben und Ziele, erfolgt anschließend im fünften Kapitel. Abgerundet wird die Arbeit durch die konkrete Auseinandersetzung mit Europa 2020 und der Einflussnahme des European Anti Poverty Network sowie dem Einfluss der EAPN auf die Erarbeitung des deutschen Armuts- und Reichtumsberichtes, der dann abschließend im sechsten Kapitel beleuch- tet wird. Die Ausarbeitung schließt mit einem Fazit, dass die Kerngedanken bezüglich der Funktionen von NGOs im politischen Entscheidungsprozess gebündelt aufführt und bewertet.
2. Sozialpolitik
2.1 Definition und Begriffsklärung
Der Begriff Sozialpolitik ist nicht eindeutig definiert und es kann auf der EU-Ebene zudem keine einheitliche Sozialpolitik festgestellt werden. Das, was jeweils unter So- zialpolitik verstanden wird, ist davon abhängig, welche Definitionen von Sozial- oder Wohlfahrtsstaatlichkeit zugrunde gelegt werden.1 Eine Abgrenzung zwischen eher en- gen Begriffen von Sozialpolitik, beispielsweise dem Sozialleistungsstaat und eher wei- ten Begriffen, wie dem umfassenden Wohlfahrtsstaat bzw. Wohlfahrtssystem ist mög- lich. Das wohl engste Verständnis des Begriffes Sozialpolitik beinhaltet im Wesentli- chen die staatlichen Sozialleistungen des Systems, die soziale Sicherung. Unter Sozi- alpolitik werden hier hauptsächlich die Bearbeitung sozialer Risiken und die Kompen- sation sozialer Nachteile verstanden. Diese wird vorwiegend durch den Staat, sprich Bund, Länder und Gemeinden oder die von dem Staat ins Leben gerufenen Institutio- nen, beispielsweise den Sozialversicherungen, vollbracht. Sozialpolitik ist hier deshalb im Wesentlichen Ergebnis von Staatstätigkeit und wird damit zugleich auf den Staat reduziert.2 T.H. Marshall definiert Sozialpolitik als eine „[…] politische Macht, um Funk- tionsweisen des ökonomischen Systems zu ergänzen, zu modifizieren oder abzulösen und so Ergebnisse zu bewirken, die das ökonomische System aus sich heraus nicht erreichen würde.“3 Die Sozialpolitik verfolgt somit nicht nur das Ziel der sozialen Si- cherung sondern beschäftigt sich darüber hinaus mit allen Bereichen des Arbeitsschut- zes und den verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen.
Als ein wesentliches Ziel der europäischen Sozialpolitik, definierte die Europäische Kommission 2010 die Bekämpfung von Armut und die Förderung sozialer Eingliede- rung.4 Soziale Integration und Inklusion können somit ebenfalls dem Feld der Sozial- politik zugeordnet werden. Dementsprechend wäre unter Sozialpolitik eine sehr viel grundlegendere Kategorie politischer Interventionsformen zu verstehen, nicht nur durch den Staat in Wirtschaft und Gesellschaft sondern auch zwischen gesellschaftli- chen Gruppen, nicht nur zur konkreten sozialen Absicherung sondern auch zur Ge- staltung von zukünftigen Lebensbedingungen und Partizipationschancen.5
Zu den Aufgabengebieten der europäischen Sozialpolitik gehört die Festlegung von Mindeststandards, an die sich die Mitgliedsstaaten zu halten haben. Sie umfasst die Bereiche der Arbeitssicherheit, Sozialschutz, Gleichstellung von Frauen und Männern sowie die Beschäftigungsbedingungen von Drittstaatsangehörigen.6 Die Ziele der Sozialpolitik beinhalten die Förderung von Beschäftigung, Angleichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Mitgliedsstaaten, der soziale Schutz der ArbeitnehmerInnen sowie die Bekämpfung von Ausgrenzung. Der soziale Dialog soll stetig gefördert werden unter Berücksichtigung der Vielfalt der nationalen Sicherungs- systeme. Zudem darf die Stabilität der nationalen Systeme nicht durch die Vorgaben der EU-Ebene behindert werden.7
2.2 Die offene Methode der Koordinierung
Bedingt durch die supranationalen Institutionen8 der EU, die keine oder nur sehr be- grenzte Zuständigkeiten besitzen, verbindliche und einheitliche Regelungen zu erlas- sen, verwendet die EU-Politik, seit der Lissabon-Strategie 2000, die offene Methode der Koordinierung (OMK).9 Diese Entscheidung resultiert zudem aus dem Spannungs- feld fest verankerter Wohlfahrtskompetenzen der Mitgliedstaaten und dem Ziel, eine gemeinsame Armutspolitik zu betreiben.10 Diese beinhaltet verschiedene Verfahren zum Austausch von Informationen und zur Koordinierung von politischen Entscheidun- gen zwischen den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten.11 Durch die OMK ist es mög- lich, dass die Mitgliedstaaten in den Politikfeldern zusammenarbeiten und gemeinsam Entscheidungen treffen und Verbindlichkeiten absprechen. Dafür wird das sogenannte best-practice -Verfahren angewendet, bei dem bewährte Projekte und Verfahren weiter verfolgt werden, was eine regelmäßige Evaluation der Projekte voraussetzt.12
3. Armutsgefährdung in Europa
Fast 80 Millionen Menschen in der EU, sprich 16% der Gesamtbevölkerung, leben in Europa unterhalb der Armutsgrenze.13 In Europa gilt eine Person als von Armut bedroht, wenn ihr weniger als 60% des durchschnittlichen Einkommens der Bevölkerung zu Verfügung stehen.14 Dabei ist es jedoch entscheidend, welche statistischen Mittel für die Berechnung von dem jeweiligen Mitgliedsstaat genutzt werden, denn es entstehen unterschiedliche Armutsgefährdungsquoten je nachdem, ob man den Median oder das arithmetische Mittel zwecks Berechnung verwendet.15
Zudem muss zwischen den Begrifflichkeiten der absoluten und relativen Armut unter- schieden werden. Unter dem Begriff der relativen Armut wird der Zustand beschrieben, indem eine Unterversorgung an materiellen und immateriellen Gütern sowie eine Be- schränkung der Lebenschancen und zwar im Vergleich zum Wohlstand der jeweiligen Gesellschaft. Absolute Armut hingegen ist gekennzeichnet durch den permanenten Kampf ums Überleben, da Grundbedürfnisse kaum gestillt werden können.16
4. Die Rolle der Europäische Union in der Armutspolitik
4.1 Lissabon Strategie 2000
Um der Armutsentwicklung in der EU entgegenzuwirken und die Union zum „ wettbe- werbsfähigsten und dynamischsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt “ 17 zu machen, hat die Europäische Kommission sich im Jahre 2000 zusammengesetzt und die sogenannte Lissabon-Strategie erarbeitet. Zudem wurden die Ziele Vollbeschäfti- gung und sozialer Fortschritt, Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und von Diskri- minierung sowie die Förderung von sozialer Gerechtigkeit und sozialem Schutz, fest- gelegt. Der Abschlussbericht der Lissabon-Strategie erschien am 2. Februar 2010 und stellte eine deutliche Verfehlung der gesetzten Ziele fest. Beispielsweise hatte sich die Arbeitslosigkeit, in Folge der Wirtschaftskrise von 2007, noch erhöht.18
[...]
1 Vgl. Eilmansberger; Herzig 2010, S. 74.
2 Vgl. ebd., S. 76.
3 Leibfried; Pierson 1998, S. 58.
4 Vgl. Europäische Kommission 2010, S. 10 f.
5 Vgl. Huf 1998, S. 34.
6 Vgl. Huf 1998, S. 36.
7 Vgl. Eilmansberger; Herzig 2010, S. 78.
8 Kommission, Ministerrat und Europäisches Parlament.
9 Vgl. Langhoff 2006, S. 36.
10 Vgl. Preunkert 2009, S. 19.
11 Vgl. ebd., S. 17.
12 Vgl. ebd., S. 19.
13 Vgl. Eurobarometer 2009, S. 9.
14 Vgl. Huster 2012, S. 46.
15 Auf Basis des Äquivalenzeinkommens wird dann entweder der Median, sprich der Mittelwert der Verteilung oder das arithmetische Mittel, der mathematische Durchschnitt, errechnet. Durch die Berechnung mit dem arithmetischen Mittel ist, bedingt durch Ausreißer, eine Verzerrung wahrscheinlich als bei einer Berechnung mit dem Median. Die EU verwendet daher den Median für die Berechnung der Armutsquoten.
16 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
17 Vgl. Europäische Kommission 2003, S. 22.
18 Vgl. Die Bundesregierung.