Wirft man heute einer Person „Machiavellismus“ vor, so bedeutet dies zumeist ein ruchloses Agieren auf Kosten anderer, das Benutzen von Lügen und anderer moralisch verwerflicher Mittel. Allerorts wird mit Empörung auf diese Vorwürfe reagiert, da Machiavellismus ein sehr negativ konnotierter Begriff ist. Dass das Volk so manchem Politiker diesen Machiavellismus vorwirft – wenn es ihn auch nicht namentlich nennt – ist etwa an den Wahlergebnissen der letzten Bundestagswahlen zu erkennen. So wurde in den letzten Jahren zunehmend deutlich, dass sich in nahezu allen Bevölkerungsschichten eine gewisse Politikverdrossenheit zeigt. Dies manifestiert sich nicht zuletzt darin, dass die Wahlbeteiligung von 82,2 Prozent bei der Bundestagswahl 1998 auf 70,2 bei der vergangenen im Jahre 2009 sank.
Die Menschen sehen in den Politikern von heute nicht mehr die Vorbilder, an deren Verhalten sich Handlungsmaximen des einzelnen bilden lassen. Dies nämlich gleicht der Quadratur des Kreises, wenn sich die Volksvertreter selbst nicht an die von der Gesellschaft habitualisierten moralischen Normen halten. Oft wird den Politikern unterstellt, sie hielten sich nicht an die von ihnen gegebenen Versprechen, was gemeinhin einen Aspekt des Machiavellismus darstellt. Ob etwa in der „Kundus-Affäre“, in der scheinbar der Bevölkerung bewusst relevante Informationen vorenthalten wurden oder im Falle von Genoziden in Afrika: Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Machthaber. Deshalb soll es Anliegen dieser Arbeit sein zu untersuchen, inwiefern die Lehren Niccolò Machiavellis (1469-1527) tatsächlich als Grundlage des heute negativ besetzten Begriff Machiavellismus dienen können. Meinen diese wirklich nur – verkürzt gesprochen – Rücksichtslosigkeit und politischen Egoismus?
Um gegenüber der These Leo Strauss’, die den Titel dieser Arbeit bildet, Machiavelli sei ein „Lehrer des Bösen“ gewesen, zu einem Urteil zu kommen, soll deswegen zunächst einmal Grundsätzliches betrachtet werden, das unabdinglich für das Verständnis ist. Danach soll die eigentlich Analyse der These Leo Strauss’ erfolgen und herausgestellt werden, wie Machiavellis Position beeinflusst wurde.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ausgangspunkte des politischen Denkens Machiavellis
- Historische Umstände
- Anthropologische Grundlagen
- Machiavelli am Beginn des Realismus
- Machiavellis Bruch mit dem Vorhandenen
- Der Kampf zwischen virtù und fortuna
- „Gute und schlechte Grausamkeiten“- Machiavellis Fürst
- Politik und Moral im Zwiespalt
- Der Charakter des Fürsten
- Das Erbe Machiavellis heute
- Der Gedanke als Produkt der Zeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, die Lehren Niccolò Machiavellis (1469-1527) im Kontext des heute negativ besetzten Begriffs „Machiavellismus“ zu untersuchen. Im Fokus steht die Frage, ob Machiavellis Schriften tatsächlich Rücksichtslosigkeit und politischen Egoismus fördern, wie es die These Leo Strauss' behauptet. Die Arbeit analysiert die Lehren Machiavellis im Lichte seiner historischen und anthropologischen Prägungen und stellt insbesondere das Verhältnis von Politik und Moral in den Vordergrund.
- Machiavellis Bruch mit der Tradition des politischen Denkens
- Das Spannungsverhältnis zwischen virtù und fortuna
- Die Rolle der Moral in der Politik
- Der Charakter des Fürsten nach Machiavelli
- Die Aktualität des Machiavellismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema „Machiavellismus“ ein und stellt die Relevanz des Themas heraus. Kapitel 2 beleuchtet die historischen und anthropologischen Grundlagen des politischen Denkens Machiavellis. Es werden die instabilen politischen Verhältnisse im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts und die anthropologische Grundannahme von Machiavelli, dass der Mensch egoistisch und machtgierig ist, beleuchtet.
In Kapitel 3 wird der Bruch Machiavellis mit dem traditionellen politischen Denken dargestellt, der auf einer pragmatischen Betrachtung der Macht und der Notwendigkeit der virtù basiert. Dabei steht der Kampf zwischen virtù und fortuna im Mittelpunkt.
Kapitel 4 befasst sich mit der Figur des Fürsten in Machiavellis „Der Fürst“. Hier wird das Spannungsverhältnis zwischen Politik und Moral in den Vordergrund gerückt und die Notwendigkeit von „guten“ und „schlechten“ Grausamkeiten im politischen Handeln diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Lehren Niccolò Machiavellis, insbesondere auf seine zentralen Werke „Der Fürst“ und „Discorsi“. Im Mittelpunkt stehen die Begriffe virtù und fortuna, die Rolle der Moral in der Politik und die Frage nach dem Charakter des Fürsten. Des Weiteren werden Themen wie Macht, Realpolitik, Staatsräson und die historische Situation im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts behandelt.
- Arbeit zitieren
- Phillip Böttcher (Autor:in), 2010, War Niccolò Machiavelli ein „Lehrer des Bösen“? Untersuchung der negativen Konnotation des Machiavellismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/338585