Der freie Wille. Der Kompatibilismus im Vergleich mit dem Inkompatibilismus


Bachelorarbeit, 2014

37 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Erläuterung der Grundpositionen
1.1 Kompatibilismus
1.2 Inkompatibilismus
1.3 Libertarier
1.4 Skeptiker

2. Der Inkompatibilismus
2.1 Die Darstellung der Argumentation des Libertariers Peter van Inwagen
2.2 Die Darstellung der Argumentation des Libertariers Robert Kane

3. Der Kompatibilismus
3.1 Die Darstellung der Argumentation des Kompatibilisten Harry Gordon Frankfurt
3.2 Die Darstellung der Argumentation des Kompatibilisten Peter Frederick Strawson

4. Einbindung einer modernen Debatte: Die Libet-Experimente

5. Fazit – Inkompatibilismus oder Kompatibilismus?

6. Literaturverzeichnis

1. Erläuterung der Grundpositionen

Werfen wir zuerst einen Blick auf die Grundpositionen. Grob gesehen existieren Vertreter des Kompatibilismus und des Inkompatibilismus. Ganz so einfach ist es allerdings nicht, da die Vertreter innerhalb ihrer Thesen verschiedene Abweichungen vollziehen. Am besten erkennt man die unterschiedlichen Positionen in der Darstellung von Ansgar Beckermann, die ich hier grob zum Verständnis wiedergebe:

1.1 Kompatibilismus

Das ist die These, dass Freiheit und Determinismus vereinbar sind. Der Determinismus existiert, obwohl folgende Thesen wahr sind:

a. Eine Person muss eine Wahl zwischen Alternativen haben; sie muss anders handeln bzw. sich anders entscheiden können, als sie es tatsächlich tut (Bedingung: Anders-Handeln- oder Anders-Entscheiden-Können).
b. Welche Wahl getroffen wird, muss entscheidend von der Person selbst abhängen (Bedingung: Urheberschaft).
c. Wie die Person handelt oder entscheidet, muss ihrer Kontrolle unterliegen. Diese Kontrolle darf nicht durch Zwang ausgeschlossen sein (Bedingung: Kontrolle).[1]

1.2 Inkompatibilismus

Das ist die These, dass Freiheit und Determinismus nicht vereinbar sind. Die Inkompatibilisten bestreiten, dass die oben genannten Thesen mit dem Determinismus vereinbar sind.[2]

1.3 Libertarier

Das sind Inkompatibilisten, die der Meinung sind, dass es Freiheit gibt und dass daher der Determinismus falsch ist.[3] In dieser Arbeit werde ich fast ausschließlich einen Blick auf diese Vertreter werfen.

1.4 Skeptiker

Diese Vertreter sind der Auffassung, dass es keine Freiheit gibt, weil der Determinismus wahr ist. Alles ist vorherbestimmt, wir können nichts frei entscheiden.[4]

2. Der Inkompatibilismus

Ich beginne mit dem Inkompatibilismus, um am Ende zu zeigen, dass der Kompatibilismus die plausibelsten Argumente aufweist. Die Inkompatibilisten sind der Meinung, dass Freiheit und Determinismus nicht vereinbar sind. Ihre Argumentation möchte ich kurz vorstellen, später erläutere ich sie näher im Hinblick auf die Philosophen Peter van Inwagen und Robert Kane. Es stellt sich die Frage, wie die oben genannten Thesen der Kompatibilisten wahr sein können, wenn wir in einer deterministischen Welt leben. Wenn alles durch frühere Ereignisse vorherbestimmt ist, kann der Wille einer Person nicht frei sein. Denn wie kann die Person sich anders entscheiden, wenn durch frühere Ereignisse längst determiniert ist, wie sie sich entscheidet? Wie soll die Person der letzte Urheber ihrer Handlungen sein, wenn sie auf frühere Ereignisse zurückgehen, die eventuell sogar vor ihrer Geburt stattgefunden haben?[5]

Der Determinismus schließt das freie Handeln aus. Er lässt keinen Platz für Handlungsvariationen, sagen die Inkompatibilisten. Das Leben der Person verläuft geradlinig, ohne Abzweigungen und Entscheidungen. Alles ist vorherbestimmt, die Person kann dagegen nicht ankommen. Würde sie jetzt einen freien Willen besitzen, müsste sie an verschiedenen Zeitpunkten in ihrem Leben Entscheidungen treffen können. Sie müsste sich für Variante a, b oder c entscheiden können und somit einen Abzweig frei wählen können. Das macht den Determinismus anscheinend unmöglich. Beides scheint sich auszuschließen – entweder haben wir einen freien Willen, die Freiheit existiert. Dann ist der Determinismus nicht wahr, unsere Handlungen sind nicht durch frühere Ereignisse oder die Naturgesetze vorherbestimmt. Dies wäre die Position des Libertariers. Oder der Determinismus ist wahr, dann kann sich die Person niemals anders entscheiden und niemals anders handeln. Die Entscheidungen und Handlungen gehen niemals auf die Person zurück, sondern nur auf frühere Ereignisse. Also ist die Person in ihrem Handeln nicht frei, da sowieso determiniert ist, wie sie handelt. Dies wäre nun die Position des Skeptikers.[6] Doch beide Positionen, also die des Libertariers und die des Skeptikers, scheinen zu zeigen, dass Freiheit und Determinismus nicht kompatibel sind.

Um dies zu beweisen, setzen die Libertarier die Willensfreiheit der Person in den Vordergrund. Sie sind der Meinung, dass die Person an einigen Punkten in ihrem Leben frei entscheiden kann, ob sie a, b oder c wählt. Diese Entscheidungen sind nicht determiniert durch Naturgesetze oder frühere Ereignisse. Gegen diese Position sprechen nach Beckermann allerdings drei Argumente.[7]

a. Kann die Person selbst herbeiführen, wie sie sich entscheidet, dann greift sie sozusagen von außen in den Weltverlauf ein, denn dann ist er nicht determiniert. Greift die Person allerdings in den Weltverlauf ein, stellt sie sich über die natürliche Welt, sie setzt sich selbst auf eine göttliche, übermächtige Stufe. Und das ist nicht vereinbar mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese besagen zum Beispiel, dass wir nicht in einem normalen Raum auf der Erde schweben können. Und das könnten wir auch nicht, wenn wir uns dazu entscheiden würden, jetzt zu schweben.
b. Ein Ereignis kann nicht ohne ein früheres Ereignis eintreffen. Das ist der Grundsatz von Ursache und Wirkung. Ein Beispiel: Die Flasche ist leer, da ich das Wasser daraus getrunken habe. Ich trank das Wasser – das ist in diesem Fall die Ursache dafür, dass die Flasche nun leer ist, was wiederum die Wirkung dessen ist. Überträgt man dieses Beispiel nun auf die freie Handlungsfähigkeit, muss meiner Handlung immer eine Ursache vorausgegangen sein. Und damit wäre meine Handlung wieder determiniert, da sie durch frühere Ereignisse bestimmt ist.
c. Sobald eine Person sich zwischen a oder b entscheiden will, braucht sie für beide Alternativen Gründe. Sie könnte sich also an einem Tag dazu entscheiden, eine Flasche Limonade zu trinken. Ihre Gründe wären, dass sie Durst hat und Limonade gut schmeckt. Am nächsten Tag entscheidet sie sich für eine Flasche Wasser. Die Gründe sind also die gleichen. Sie hat Durst und das Wasser schmeckt gut. Doch wenn die Person nun für beide Alternativen die gleichen Gründe anbringen kann, dann ist die Wahl alles andere als begründet – sie ist unbegründet und passiert zufällig.[8] [9]

2.1 Die Darstellung der Argumentation des Libertariers Peter van Inwagen

Um die Position der Inkompatibilisten, genauer gesagt der Libertarier, präziser zu betrachten, schaue ich mir nun die Position von Peter van Inwagen an. Er sagt, dass der Determinismus unvereinbar ist mit der These, dass wir anders handeln können, als wir es tun. Also ist der Determinismus unvereinbar mit dem freien Willen. Damit lässt sich van Inwagen in die Reihe der Inkompatibilisten einordnen und insbesondere in die der Libertarier, da er von einem freien Willen ausgeht und daher den Determinismus für falsch hält.[10]

Werfen wir zuerst einen Blick auf seine Schrift „Die Unvereinbarkeit von freiem Willen und Determinismus“.

Van Inwagen kommt hier zuerst auf den Begriff des Zustandes der gesamten physikalischen Welt zu sprechen, den der Begriff des Determinismus enthält. Für diesen Zustand setzt er zwei Bedingungen voraus:

a. Der Zustand der Welt ist so beschaffen, dass sich die Welt zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmen Zustand befindet und keine Aussage darüber getroffen werden kann, was nach dieser Zeit passiert. Beispiel: Es dürfte nicht heißen „Es ist Zeitpunkt t und die Hand von Jones wird zehn Sekunden nach t erhoben werden“.
b. Wenn sich Dinge verändern (Jones hebt seine Hand), dann muss diese Veränderung auch eine Veränderung in der Welt mit sich ziehen. Der Zustand der Welt wäre vor dem Hand heben dann t1 und anschließend t2.[11]

Daraus folgt nun seine Definition von Determinismus:

a. Für jeden Zeitpunkt gibt es eine Präposition, die den Zustand der Welt zu diesem Zeitpunkt ausdrückt.
b. Wenn A und B beliebige Propositionen sind, die den Zustand der Welt zu zwei Zeitpunkten ausdrücken, dann hat A B zur Folge.[12]

Demnach folgt immer nur ein bestimmtes Ereignis auf ein anderes. Das ist van Inwagens Definition von Determinismus.

Im nächsten Teil seiner Schrift spricht van Inwagen nun von dem freien Willen. Er sagt, viele Philosophen definieren den freien Willen so, dass der Handelnde die Fähigkeit besitzt, anders zu handeln, als er es tatsächlich tut. Das ist die These des Anders-Handeln-Könnens. Hätte der Mensch nun keinen freien Willen, dann würde das bedeuten, dass er nur ausschließlich das tut, was er tun kann. Er hat keine Wahl anders zu entscheiden. Doch die meisten Philosophen stimmen darüber ein, dass der Handelnde seine Handlung hätte unterlassen können, damit er verantwortlich gemacht werden kann.[13] Dies zielt auf den Begriff der Schuldfähigkeit ab – denn wäre man der Meinung, dass der Handelnde seine Handlung nicht hätte unterlassen können, wie könnte er dann schuldfähig sein? Bevor wir darauf weiter eingehen, schauen wir zuerst weiter auf Van Inwagens Ausführungen.

Van Inwagen möchte nun endgültig zeigen, dass der Determinismus nicht mit dem freien Willen vereinbar ist. Er führt als Beispiel an, dass sich ein Mensch nach eingehender Überlegung gegen eine bereits in Erwägung gezogene Handlung entscheidet. Van Inwagen begründet, dass der Mensch diese Handlung nicht hätte vollziehen können, wenn der Determinismus wahr ist.[14] Dadurch will er die Unvereinbarkeit von freiem Willen - der Mensch entscheidet sich freiwillig gegen die Handlung - und Determinismus deutlich machen.

Um dies näher auszuführen, schauen wir auf das wichtigste Argument Van Inwagens, das Konsequenz-Argument. Dies beschreibt er erst in einer kürzeren Fassung in seinem Werk „An Argument for Incompatibilism“:

“If determinism is true, then our acts are the consequences of the laws of nature and events in the remote past. But it is not up to us what went on before we were born, and neither is it up to us what the laws of nature are. Therefore, the consequences of these things (including our present acts) are not up to us.”[15]

Dies beschreibt erneut die Unvereinbarkeit von Determinismus und dem freien Willen. Denn der Determinismus besagt, dass der Lauf der Welt immer nur in eine Richtung läuft. Es gibt keine Möglichkeiten abzubiegen und andere Entscheidungen zu treffen. Doch die Willensfreiheit sagt genau das – wir müssen auch anders handeln können, wir müssen uns auch anders entscheiden können. Es kann nicht nur eine Zukunft geben, es hätte die Möglichkeit geben müssen, dass eine andere Zukunft eintreten kann. Wir hätten also auch anders handeln können müssen.[16]

Schauen wir uns das Konsequenz-Argument genauer an. Van Inwagen stützt sich auf das Beispiel eines Richters, der ein Todesurteil über einen Verbrecher hätte verhindern können, nur indem er die Hand gehoben hätte. Er wollte die Hand nicht heben, also hat seine Unterlassung die Tötung des Verbrechers herbeigeführt. Der Richter war im Besitz seiner geistigen Fähigkeiten, stand nicht unter Drogen und wurde durch niemanden beeinflusst. Also gab es keine äußeren oder inneren Zwänge. Durch eingehende Überlegung kam er freiwillig zu dem Entschluss, seine Hand nicht zu heben.[17]

Van Inwagen führt nun eine logische Argumentation durch, durch die der Richter seine Hand nicht hätte heben können, wenn der Determinismus wahr wäre, denn dann hätte er nie eine andere Wahl gehabt.[18] Doch er muss eine Wahl gehabt haben, da er sich aus freien Stücken dazu entschieden hat, seine Hand nicht zu heben. Er konnte an dieser Stelle also in seine persönliche Handlung eingreifen und selbst bestimmen, ob er die Hand hebt. Demnach beweist das nicht Heben der Hand, dass die Willensfreiheit wahr ist – und genau deshalb ist laut van Inwagen der Determinismus falsch und nicht mit der Willensfreiheit vereinbar.[19]

Noch deutlicher wird das Konsequenz-Argument meiner Meinung nach in folgendem Beispiel. Es gibt zwei Prämissen:

a. Nichts bewegt sich schneller als Licht.
b. Der Physiker Jones kann einen Beschleuniger bauen, mit dem sich Protonen in doppelter Lichtgeschwindigkeit bewegen.[20]

Jones wäre also dazu fähig, dass a falsch wird, auch wenn er b niemals ausführt. Und selbst wenn es eine Prämisse c gäbe, unter der a wahr werden könnte, doch Jones Prämisse c nicht ausführt, dann würde daraus folgen, dass a zwar wahr, aber kein Gesetz der Physik wäre.[21]

Daraus ergibt sich, dass diese Proposition kein Gesetz der Physik ist, wenn es eine Person X gibt, die diese Proposition durch eine Handlung falsch machen könnte, auch wenn die Person X sie nie vollzieht.[22]

Und das wiederrum bedeutet, dass der Determinismus nur wahr ist, wenn sich jede Handlung aus früheren Begebenheiten und dem Gesetz der Physik ergibt. Und da wir keine Macht über frühere Tatsachen oder über die Gesetze der Physik, sprich die Naturgesetze, haben, hätten wir auch keine Macht über unsere eigenen Handlungen. Peter Van Inwagens Beispiel und seine Argumentation soll demnach die Unvereinbarkeit des freien Willens (der freien Handlungen) mit dem Determinismus (den vorherbestimmten Handlungen) zeigen.

Um es nochmal zusammenzufassen: Das Konsequenz-Argument belegt, dass, wenn der Determinismus wahr ist, nichts was geschieht, unter unserer Kontrolle ist.[23] Und ohne Kontrolle können wir nicht frei handeln, denn das ist eine Voraussetzung für freie Handlungen.[24] Auf diese Weise begründet Peter van Inwagen die Unvereinbarkeit von freiem Willen und Determinismus.

Um doch zu zeigen, dass beides miteinander vereinbar ist, gibt es eine meiner Meinung nach gelungene Kritik am Konsequenz-Argument. Und zwar plädieren wir auf Überdetermination. Davon spricht man, wenn mehrere Ursachen zu dem gleichen Ergebnis führen. Und dies soll wiederum zeigen, dass „zwar gewisse unvermeidliche Prozesse ablaufen können […], aber dennoch der Schluss auf eine Nichtverantwortlichkeit unzulässig ist.“[25] Ein Beispiel von Andreas Klein wäre in diesem Fall das Folgende:

Die Person Betty positioniert eine explosive Ladung in einer Gletscherspalte; diese soll zum Zeitpunkt t 1 hochgehen. Die Explosion löst eine Lawine aus, die zum Zeitpunkt t 3 ein feindliches Lager zerstört. Allerdings hätte sich sowieso zum Zeitpunkt t 2 eine Lawine auf natürliche Art und Weise gelöst, die das feindliche Lager zum Zeitpunkt t 3 zerstört hätte – das weiß Betty allerdings nicht. Und da ihre Lawine durch die Explosion früher ausgelöst wurde, zum Zeitpunkt t 1, hat Betty frei gehandelt und ist somit für die Konsequenzen verantwortlich. Dabei ist es nicht entscheidend, dass das Lager sowieso zerstört worden wäre – und genau das zeigt, dass Verantwortlichkeit nicht durch Unvermeidbarkeit aufgehoben werden kann.[26] Demnach wäre der Determinismus doch mit dem freien Willen vereinbar, da Verantwortlichkeit für den freien Willen entscheidend ist und wir auch verantwortlich sind, selbst wenn es nur einen Ausgang einer Handlung gibt.

Außerdem möchte das Konsequenz-Argument auch zeigen, dass „wir Puppen auf der Bühne des Weltgeschehens sind“.[27] Nichts unterliegt unserer Kontrolle, wenn alles determiniert und vorherbestimmt ist. Schlägt ein Meteorit in unser Haus ein, haben wir darüber keine Kontrolle – und genauso beurteilt das Konsequenz-Argument unsere Handlungen.[28] Und genau das zeigt nun, dass der Kontrollbegriff nicht plausibel ist, da die Kontrolle über unsere Handlungen nicht mit der Kontrolle über Naturgesetze gleichzusetzen ist. Wir können unsere Handlungen selbst kontrollieren und ausführen, ohne dass wir dabei gleich die Naturgesetze oder die Vorgeschichte der Welt kontrollieren müssen.[29]

2.2 Die Darstellung der Argumentation des Libertariers Robert Kane

Wagen wir nun kurz einen Ausblick – Harry G. Frankfurt ist der Meinung, dass eine Entscheidung frei ist, wenn sie auf unsere Wünsche zurückgeht, von denen wir wollen, dass sie handlungswirksam werden. Im nächsten Hauptabschnitt werde ich seine Argumentation weiter ausführen.

Diese Aussage Frankfurts ist wichtig, um die des Libertariers Robert Kane zu verstehen. Er setzt genau an diesem Punkt an. Er meint, dass Frankfurts Argumentation, unseren freien Willen an unseren Wünschen festzumachen, nicht ausreicht, da es eine verborgene Kontrolle gibt, die wir nicht bemerken. Wir fühlen uns durch diese Kontrolle nicht eingeschränkt (nonconstraining control).[30] Es scheint nur so, als ob wir alles tun können, frei handeln können und einen freien Willen haben. Dabei gibt es einen Kontrolleur, der insgeheim über uns bestimmt und uns lenkt. Davon wissen wir allerdings nichts.[31] Sind wir nun so ein manipulierter Mensch, dann ist es unmöglich, dass wir für unsere Handlungen verantwortlich sind – wir sind nicht frei in unseren Entscheidungen. Unsere Wünsche sind nämlich eigentlich die Wünsche des Manipulators und nicht unsere eigenen. Den Manipulator kann man in diesem Fall gleichsetzen mit neuronalen Prozessen im Gehirn, die uns determinieren.[32] Daraus schließt Kane, dass wir nur wirklich frei entscheiden können und nur dann einen freien Willen haben, wenn unsere Wünsche tatsächlich – ohne Manipulation – auf uns zurückgehen. Das nennt Kane Letzturheberschaft (Ultimate Responsibility).

Durch die Letzturheberschaft unterscheiden sich übrigens Kompatibilisten von Inkompatibilisten, denn Inkompatibilisten erkennen die Letzturheberschaft als Bedingung für den freien Willen an, die Kompatibilisten tun das nicht.[33] Und die Ablehnung dieser Bedingung erscheint mir durchaus logisch, da es schon viele Handlungen gibt, die stattgefunden haben, bevor wir auf die Welt kamen. Für diese Gründe können wir naturgesetzlich nicht verantwortlich sein und demnach könnten wir danach auch nicht für unsere eigenen Handlungen letztverantwortlich sein. Das würde dem freien Willen widersprechen, denn Verantwortlichkeit ist für den freien Willen entscheidend.

[...]


[1] Beckermann, Ansgar: Willensfreiheit – ein Überblick aus kompatibilistischer Sicht, in: Open Access / Universität Bielefeld: http://pub.unibielefeld.de/publication/2508884, Bielefeld, 2012, S. 273.

[2] Beckermann, Ansgar: Willensfreiheit – ein Überblick aus kompatibilistischer Sicht, S. 268.

[3] Beckermann, Ansgar: Willensfreiheit – ein Überblick aus kompatibilistischer Sicht, S. 268.

[4] Ebd., S. 268.

[5] Ebd., S. 268.

[6] Beckermann, Ansgar: Willensfreiheit – ein Überblick aus kompatibilistischer Sicht, S. 269-270.

[7] Ebd., S. 271.

[8] Beckermann, Ansgar: Willensfreiheit – ein Überblick aus kompatibilistischer Sicht, S. 271-272.

[9] Vgl.: Beckermann, Ansgar: Neuronale Determiniertheit und Freiheit, in: Open Access / Universität Bielefeld: http://pub.uni-bielefeld.de/publication/2508884, Bielefeld, 2012, S. 253.

[10] Van Inwagen, Peter: Die Unvereinbarkeit von freiem Willen und Determinismus, in: Seminar: Freies Handeln und Determinismus, hrsg. v. Ulrich Pothast, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1978, S. 247.

[11] Van Inwagen, Peter: Die Unvereinbarkeit von freiem Willen und Determinismus, S. 248.

[12] Ebd., S. 248.

[13] Ebd., S. 251-252.

[14] Van Inwagen, Peter: Die Unvereinbarkeit von freiem Willen und Determinismus, S. 254.

[15] Van Inwagen, Peter: An Argument for Incompatibilism, in: Free Will, hrsg. v. Gary Watson, Oxford University Press, 2003, S. 39.

[16] Van Inwagen, Peter: An Argument for Incompatibilism, S. 38-57.

[17] Van Inwagen, Peter: Die Unvereinbarkeit von freiem Willen und Determinismus, S. 255.

[18] Ebd., S. 255.

[19] Ebd., S. 256.

[20] Ebd., S. 257.

[21] Ebd., S. 257-258.

[22] Ebd., S. 258.

[23] Klein, Andreas: „Ich bin so frei!“, Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 2012, S. 26.

[24] Klein, Andreas: „Ich bin so frei!“, S. 26.

[25] Ebd., S. 27.

[26] Ebd., S. 27.

[27] Ebd., S. 29.

[28] Klein, Andreas: „Ich bin so frei!“, S. 29.

[29] Ebd., S. 30.

[30] Kane, Robert: The Significance of Free Will, Oxford University Press, New York und Oxford, 1996, S. 64-65.

[31] Kane, Robert: The Significance of Free Will, S. 65.

[32] Beckermann, Ansgar: Willensfreiheit in einer natürlichen Weltordnung, in: Open Access / Universität Bielefeld: http://pub.uni-bielefeld.de/publication/2508884, Bielefeld, 2012, S. 240.

[33] Kane, Robert: The Significance of Free Will, S. 71.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Der freie Wille. Der Kompatibilismus im Vergleich mit dem Inkompatibilismus
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
37
Katalognummer
V339005
ISBN (eBook)
9783668286443
ISBN (Buch)
9783668286450
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wille, kompatibilismus, vergleich, inkompatibilismus
Arbeit zitieren
Maike Gecks (Autor:in), 2014, Der freie Wille. Der Kompatibilismus im Vergleich mit dem Inkompatibilismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339005

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