Facebook-Kommentare als neue Kommunikationsform. Gehören Facebook Kommentare der konzeptionellen Mündlichkeit oder Schriftlichkeit an?


Hausarbeit, 2014

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Mündlichkeit und Schriftlichkeit
2.1 Begriffsklärung der konzeptionellen Form der Mündlichkeit und Schriftlichkeit
2.2 Instant Messaging in Bezug zu Mündlichkeit und Schriftlichkeit
2.3 Newsgroups in Bezug zu Mündlichkeit und Schriftlichkeit

3. Analyse
3.1 Methodik
3.2 Durchführung
3.3 Auswertung

4. Fazit

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Durch die Mediatisierung des Alltags und die schnelle Verbreitung computer-basierter Medien haben sich in den letzten Jahrzehnten die Kommunikationsformen in unserem Alltag stark verändert.

Ein Beispiel: Nach dem Aufstehen werden die Emails „gecheckt“, im Bus zur Arbeit schaut man mal, was in Facebook los ist. Zwischendurch wird „gesimst“ oder „gechattet“ und abends teilt man seinen Freunden auf Facebook mit, wie der Tag war oder kommentiert den Tag von jemand anderem.

Viele Varianten kommunikativen Handelns, die primär mündlich erfolgen, zum Beispiel face-to-face-Kommunikation oder Telefonieren, werden heutzutage von technisch hochkomplexen und schriftlichen Formen, wie Emails, Chats, SMS, Newsgroups oder Sozialen Netzwerken (Facebook, wer-kennt-wen, Twitter,…) verdrängt.

Denn sie bieten Vorteile, die an eine schnelllebige, hektische und mitteilungsbedürftige - kurz: an eine moderne - Gesellschaft angepasst sind. Diese medial vermittelten Kommunikationsformen sind kostenlos, schnell und lassen sich zu jeder Zeit und an jedem Ort einsetzen. Sie sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken.

Durch diese ständige Erreichbarkeit, fühlen sich die Menschen dazu verleitet, schnell zu reagieren, sodass die eigentlich schriftlich verfassten Texte einer mündlichen Kommunikation ähneln und zu der Annahme führen, „gesprochene Sprache [sei] somit nicht mehr das einzige Mittel zur nahezu synchronen, dialogischen Interaktion“[1]. Im Zentrum dieser Diskussion stößt man auf die Begriffe der „Mündlichkeit“ und „Schriftlichkeit“.

Mittlerweile existieren sprachwissenschaftliche Studien, die die Besonderheiten von Chat- oder Newsgroup-Kommunikation in Bezug zur Mündlichkeit und Schriftlichkeit darlegen.

Facebook-Beiträge und ihre Kommentare wurden bisher unter diesen Gesichtspunkten eher vernachlässigt.

Darum erscheint es interessant sich in dieser wissenschaftlichen Arbeit mit den Mündlichkeits- bzw. Schriftlichkeitsaspekten dieser innovativen Kommunikationsform zu beschäftigen.

Es ist an der Zeit Stellung zu beziehen, zu der Fragestellung: „Gehören Facebook Kommentare der konzeptionellen Mündlichkeit oder Schriftlichkeit an?“

Darüber hinaus soll versucht werden, diese Variante der modernen Kommunikation mit Instant Messaging (im Folgenden: IM), einer speziellen Form des Chats, und Newsgroup zu vergleichen, da es diesbezüglich in der Wissenschaft eine Zuteilung zur Mündlichkeit und Schriftlichkeit gibt.

Zu Beginn dieser Arbeit werden die Begriffe Mündlichkeit und Schriftlichkeit vor dem Hintergrund ihrer Entstehung und Entwicklung beleuchtet. Es soll vor diesem Kontext bereits die Methode der Analyse (Punkt 3) mit Hilfe der dargestellten Elemente der Versprachlichungsstrategien eingeleitet werden.

Bevor es allerdings zu der Analyse kommt, soll anhand sprachwissenschaftlicher Studien dargestellt werden, in welchem Bezug IM und Newsgroups zur Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit stehen.

Um zu einem wissenschaftlich fundierten Ergebnis zu kommen, wird im folgenden Punkt die Analyse vor der oben genannten Fragestellung vorgenommen. Beispielhafte Facebook-Beiträge werden auf das Vorhandensein von Elementen der Versprachlichungsstrategien nach Dürscheid untersucht, um somit eine Zuteilung erhalten zu können.

Im Fazit werden alle Ergebnisse nochmals zusammengefasst und es wird versucht, die Kommunikationsform „Facebook-Kommentare“ der Dimension von Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit zuzuordnen, unter Einbezug der in der Wissenschaft bestehenden Chat- und Newsgroupzuteilung.

Darüber hinaus wird versucht, die Unterschiede und Zusammenhänge zwischen diesen drei Kommunikationsformen aufzuzeigen. Es soll dargestellt werden, inwieweit sie voneinander abzugrenzen bzw. in Einklang zu bringen sind und was sich daraus für die Kommunikationsform der Facebook-Kommentare ergibt.

2. Mündlichkeit und Schriftlichkeit

Das folgende Kapitel behandelt die Entstehung und Entwicklung der Begrifflichkeiten „Mündlichkeit“ und „Schriftlichkeit“, sowie deren prototypische Merkmale, die im weiteren Verlauf in Beziehung zu IM- bzw. Newsgroup-Kommunikation gesetzt werden sollen.

2.1 Begriffsklärung der konzeptionellen Form der Mündlichkeit und Schriftlichkeit

Die Diskussion um die Definition der Begriffe „Mündlichkeit“ und „Schriftlichkeit“ ist, obwohl von Koch/ Oesterreicher 1985 schon ausführlich beschrieben, immer noch aktuell. Woran liegt das?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Nähe-Distanz-Modell nach Koch/ Oesterreicher[2]

Koch/ Oesterreicher unterscheiden zwischen medialer und konzeptioneller Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit. Die mediale Form bezieht sich auf die Art der Realisierung von Äußerungen, das heißt also bei Mündlichkeit die Realisierung durch Phone (Laute) und bei Schriftlichkeit die Realisierung durch Grapheme (Schriftzeichen)[3]. Die Begriffe „Schriftlichkeit“ und „Mündlichkeit“ sind also, medial gesehen, klar voneinander abgrenzbar.

Die konzeptionelle Dimension hingegen berücksichtigt die gewählte Ausdrucksweise der Äußerung. In ihrem Nähe-Distanz-Modell (Abb. 1) stellen Koch/ Oesterreicher die Konzeption als Kontinuum dar, an deren Endpolen links die extreme Mündlichkeit als „Sprache der Nähe“ und rechts die extreme Schriftlichkeit als „Sprache der Distanz“ liegen. Die Minuskeln in den beiden rechtwinkligen Dreiecken geben verschiedene Äußerungsformen in ihrer Relation zueinander und ihrem Grad der Schriftlichkeit bzw. Mündlichkeit an. Beispielsweise bedeutet a „familiäres Gespräch“[4] und ist somit in seiner Konzeption extrem mündlich, weil die Kommunikationspartner einander vertraut sind, eine face-to-face-Kommunikation herrscht, der Dialog ungeplant und spontan geschieht, etc. Das familiäre Gespräch ist somit konzeptionell „mündlicher“ als b, „das Telefongespräch“[5]. Hier kommt es nicht zu einer face-to-face-Interaktion, denn die Gesprächspartner sind räumlich voneinander getrennt. Des Weiteren kommt es darauf an, mit wem man telefoniert. Ist die Mutter am anderen Ende der Leitung, ist das Gespräch vertrauter, als wenn sich ein Verkäufer am anderen Ende befindet. Beide Beispiele sind medial mündlich, aber unterschiedlich konzeptionell mündlich.

Auf graphischer Ebene befindet sich ein Privatbrief (d)[6] näher am Mündlichkeitspol als am Schriftlichkeitspol. Dies liegt zum Einen an der Vertrautheit des Produzenten und Rezipienten, zum Anderen an der Dialogizität des Produktes. Es kann auf einen vorausgegangen Brief antworten und fordert gleichzeitig eine Antwort des Rezipienten. Dennoch ist die Mündlichkeit eines Briefes nicht so stark ausgeprägt wie bei einem Telefonat. Ein Brief wird zuerst geplant, er kann mehrmals korrigiert und geändert werden; die Äußerungen in einem Telefonat dagegen geschehen spontan, Geäußertes ist nicht rücknehmbar. Gegensätzlich ist ein Gesetzestext (k)[7] die extremste Form der Schriftlichkeit, denn er wendet sich an die Öffentlichkeit, die Produktion und Rezeption sind zeitlich und räumlich zerdehnt. Deshalb wurde der Text so geplant, dass er für eine lange Zeitspanne einer breiten Masse verständlich bleiben kann.

Ein Privatbrief ist nach Koch/ Oesterreicher also medial schriftlich, konzeptionell aber eher mündlich. Ein Gesetzestext ist sowohl medial, als auch konzeptionell schriftlich.

Christa Dürscheid kritisiert 2003 in ihrem Beitrag „Medienkommunikation im Kontinuum von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Theoretische und empirische Probleme“ in der Zeitschrift für Angewandte Linguistik dieses Modell. Ihr erscheint der Einfluss von schriftlicher bzw. mündlicher Medialität auf die Konzeption der Äußerung zu oberflächlich[8]. Ein wissenschaftlicher Vortrag beispielsweise wird so konzipiert, dass bestimmte Ausdrucksmittel verwendet werden, „die von der konzeptionellen Schriftlichkeit wegführen sollen, eben weil der Text für den Vortrag vorgesehen ist“[9].

Laut Dürscheid liegt der theoretische Schwerpunkt des Modells ausschließlich bei der konzeptionellen Dimension von Mündlichkeit und Schriftlichkeit und den Aspekten, die diese bestimmen.

Eine weitere Problematik sieht sie bei der Wahl der Begrifflichkeiten „Nähe“ und „Distanz“. So nennt sie das Beispiel der Predigt: Eine Predigt in der Kirche ist durch eine raumzeitliche Nähe gekennzeichnet, der Prediger und die Gläubigen befinden sich zur selben Zeit am selben Ort. Dennoch ist die Predigt konzeptionell „eher am Schriftlichkeitspol situiert“[10]. Auch die neueren Kommunikationsformen lassen sich nicht in das Schema von Koch/ Oesterreicher einordnen. Im Chat beispielsweise ist die Konzeption eher mündlich geprägt, obwohl es durchaus vorkommen kann, dass die Gesprächspartner einander unbekannt sind.

Dürscheid schlägt deshalb vor, die von Nähe und Distanz abgeleiteten Kommunikationsbedingungen (siehe Abb.1) durch bestimmte Versprachlichungsstrategien zu ersetzen.

Sie beschränkt sich hierbei auf die Merkmale Flüchtigkeit/ Dauerhaftigkeit, Äußerungssituation, Synchronizität, Deixis, Parasprache, Syntax und Dialogizität[11].

Dieser Merkmale wird sich bei der im folgenden Punkt vorgestellten Analyse bedient. Anzumerken ist, dass hier die prototypischen Eigenschaften von Schriftlichkeit und Mündlichkeit beschrieben werden.

Flüchtigkeit und Dauerhaftigkeit

Die Äußerung der gesprochenen Sprache in Form von Lauten gilt als „flüchtig“, da sie nicht rückholbar ist, wohingegen ein schriftliches Dokument beliebig oft gelesen werden kann und somit als „dauerhaft“ bezeichnet wird[12].

Äußerungssituation

Hier zeichnet sich Mündlichkeit dadurch aus, dass Sprecher und Hörer sich zur selben Zeit im selben Raum befinden. Bei der geschriebenen Sprache sind Schreiber und Leser zeitlich und räumlich voneinander getrennt.

Synchronizität

Als Synchronizität wird in der Mündlichkeit das zeitgleiche Erfolgen von Produktion und Rezeption bezeichnet, was eine direkte Interaktion ermöglicht.[13]

Die Schriftlichkeit hingegen weist eine zeitliche Entkopplung zwischen Produktion und Rezeption auf und lässt eine direkte Interaktion nicht zu. Schriftliche Kommunikationsprozesse sind demnach asynchron.

Deixis

Durch die gemeinsame Äußerungssituation in einer medial mündlichen Kommunikation werden temporale (jetzt, eben, gestern), personale (wir, ich, ihr) und lokale (hier) Deiktika verwendet. Bei schriftsprachlicher Kommunikation treten Deiktika selten auf. Da sich die Kommunikationspartner nicht zur selben Zeit im selben Raum befinden, wird auf lokale und temporale Deiktika „weitgehend verzichtet“[14].

Parasprache

Mimik, Intonation und Gestik sind wichtige parasprachliche Faktoren, die die Mündlichkeit prägen und in jeder face-to-face-Interaktion eingesetzt werden. Durch sie ist es möglich, Emotionen, wie Trauer, Freude, Wut, Ironie, etc. dem Gegenüber zu signalisieren. In der schriftlichen Kommunikation ist dies nicht möglich[15].

Syntax

Gekennzeichnet ist die Syntax des Mündlichen durch einfache, elliptische und umgangssprachliche Sätze. Im Schriftlichen sind die Sätze komplexer, syntaktisch vollständig und formell[16]. Die Komplexität eines Satzes wird häufig durch Haupt-Nebensatz-Konstruktionen definiert[17]

Dialogizität

Ein mündliches Gespräch verläuft dialogisch, das heißt, es können Überschneidungen und Unterbrechungen von Sprechbeiträgen stattfinden. Ein weiterer typischer Aspekt von Dialogizität sind die Hörersignale, bei denen der Hörer dem Sprecher seine Aufmerksamkeit signalisiert. Realisiert werden diese Rückmeldungen durch kurze Interjektionen wie „ja“, „mhm“, „hmm“, etc.[18] Die Schriftlichkeit hingegen ist von Monologizität gekennzeichnet, es gibt nur eine interagierende Person.

Da die neuen Kommunikationsformen zu der Zeit des Modells von Koch/ Oesterreicher noch wenig im Alltag präsent waren und es unter anderem Ziel dieser Abhandlung ist, Facebook-Kommentare anhand ihrer Schriftlichkeit bzw. Mündlichkeit dem IM oder der Newsgroup zuzuordnen, sollen im weiteren Schritt die Mündlichkeit und Schriftlichkeit im IM und in der Newsgroup betrachtet werden.

[...]


[1] Pecksen, 2009, S.16.

[2] http://s3.amazonaws.com/rapgenius/1362132705_koch-oesterreicher85kommbed.gif (27.03.14).

[3] Vgl. Dürscheid, 2003, http://userpages.uni-koblenz.de/~diekmann/zfal/zfalarchiv/zfal38_2.pdf (27.03.14).

[4] Vgl. Dittmann, 2001, S.38.

[5] Vgl. ebd.

[6] Vgl. ebd.

[7] Vgl. Dittmann, 2001, S.38.

[8] Vgl. Dürscheid, 2003, http://userpages.uni-koblenz.de/~diekmann/zfal/zfalarchiv/zfal38_2.pdf (27.03.14).

[9] Vgl. ebd.

[10] Ebd.

[11] Vgl. Dürscheid, 2002, S.29ff.

[12] Vgl. ebd., S.30.

[13] Vgl. ebd., S.31.

[14] Ebd., S.32.

[15] Vgl. Dürscheid, 2002, S.33.

[16] Vgl. ebd., S.35.

[17] Vgl. Burchert et. al., 2009, http://www.nat-verlag.de/pdf/Komplexe%20Saetze%20Handbuch.pdf (28.03.14).

[18] Vgl. Pecksen, 2009, S.65.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Facebook-Kommentare als neue Kommunikationsform. Gehören Facebook Kommentare der konzeptionellen Mündlichkeit oder Schriftlichkeit an?
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
21
Katalognummer
V339183
ISBN (eBook)
9783668287341
ISBN (Buch)
9783668287358
Dateigröße
1042 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
facebook-kommentare, kommunikationsform, gehören, facebook, kommentare, mündlichkeit, schriftlichkeit
Arbeit zitieren
Natascha Weis (Autor:in), 2014, Facebook-Kommentare als neue Kommunikationsform. Gehören Facebook Kommentare der konzeptionellen Mündlichkeit oder Schriftlichkeit an?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339183

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